Laufen, Schauen, Denken

Sonntags Tagebuch

Eintragung vom 24. September 12

Thematisch wiederhole ich mich; aber der Abstand hat immerhin fünf Jahre betragen. Ich wiederhole, mit anderen Worten, eine Geburtstagswürdigung. Dr. med. Dieter Maisch in Kirchheim unter Teck – das ist eine kleine Stadt südöstlich von Stuttgart – ist am 19. September 95 Jahre alt geworden.

Wenn es nur das wäre: Sport von der Schulzeit an, bis zum heutigen Tage, das sind ungefähr achtzig Jahre. Aber er hat ja vor allem auch andere zum Laufen gebracht. Seine sportliche Aktivität macht ihn zum persönlichen Vorbild seiner Kollegen und seiner Patienten. Einer von ihnen bin ich gewesen. So kommt es, daß ein alter Mann einem noch Älteren zum Geburtstag gratuliert hat. In der Zeit, da Dr. Hans-Henning Borchers dem Deutschen Verband langlaufender Ärzte und Apotheker vorstand, ist Dieter Maisch zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt worden.

Dieter Maisch, geboren in Stuttgart, hat dort das humanistische Karls-Gymnasium besucht; altgriechische Zitate fließen in Dieter Maischs Briefe auch im Alter ein. Bereits als Schüler war er sportlich aktiv und verschiedentlich auch Schul-Meister seines Jahrgangs gewesen. Vorbilder waren sein Vater, ein Alpinist, und sein Hausnachbar Alfred Dompert von den Stuttgarter Kickers, der später von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin eine Bronze-Medaille für 3000 Meter Hindernis heimbrachte. In den zwanziger Jahren verstand sich das sportliche Engagement eines Schülers keineswegs von selbst. Da lag sein Berufswunsch, Offizier zu werden, nicht allzu fern. Überrascht sind nur wir, die wir ihn später kennengelernt haben; denn Dieter Maisch ist nicht im entferntesten der Typ des schneidigen Kommandeurs, sondern macht eher den Eindruck eines stillen, besinnlichen Menschen.

 

Aus der Offizierslaufbahn wurde nichts. Mit zwei Klassenkameraden hatte er sich 1935 als Offiziersanwärter bei der Nachrichtenabteilung 25 in Stuttgart-Cannstatt beworben. Die Klassenkameraden wurden angenommen, Maisch jedoch abgewiesen. Ein Sanitätsfeldwebel, der die Vorsortierung vornahm, fand: „Leute mit einem solchen Tango-Körper können wir als Offiziere nicht gebrauchen.“ „Tango-Jüngling“ war damals ein fester Begriff, und zwar in abwertendem Sinne. Dieter Maisch studierte Medizin in Berlin, Innsbruck und Tübingen. Nun, im Zweiten Weltkrieg, brauchte das Nazi-Regime jeden, auch die mit dem Tango-Körper. Maisch wurde zur Artillerie eingezogen und wechselte später zum Sanitäts-Corps. Schon damals hatte er das Lauftraining aufgenommen. Der Krieg führte ihn 1942 als Truppenarzt zu einem Panzerregiment in Afrika. Eine Ruhr-Erkrankung zum rechten Zeitpunkt sorgte für seine Rückkehr im Jahr 1944, so daß er mit der Facharztausbildung in Tübingen beginnen konnte.

Nach Kriegsgefangenschaft und einer Tätigkeit in Heidelberg ließ er sich 1950 in Kirchheim unter Teck als Nervenarzt nieder. Zu seinem Arbeitsbereich zählte auch die konsiliarärztliche Versorgung der Kliniken in Kirchheim, Nürtingen und Plochingen sowie mehrerer Altersheime. In Nürtingen lernte ich ihn 1966 kennen. Beschwerden in der Lebergegend brachten mich zu einer Laparoskopie ins Nürtinger Krankenhaus. Da ich bei dieser Gelegenheit meine Migräne zur Sprache brachte, wurde ein Nervenarzt hinzugezogen, es war Dr. Maisch.

Er verschrieb mir zwar Medikamente, aber er empfahl mir auch – damals noch sehr ungewöhnlich – mehr Bewegung. Bereits in Heidelberg war ihm die psychosomatische Rehabilitationsmedizin am Herzen gelegen. Als flankierende Behandlungsmaßnahme setzte er ein dem Befund angepaßtes Ausdauertraining ein. 1958 lernte er Ernst van Aakens Waldnieler Ausdauertraining kennen und praktizierte es selbst. 1965 kam es zur ersten persönlichen Begegnung mit ihm. Der Anlaß war schmerzlich; Dr. Maisch erlitt drei Sportverletzungen hintereinander: eine Schulterluxation, 1962 beim 400-m-Lauf für das Sportabzeichen eine Achillessehnen-Ruptur und etwa 9 Monate später beim Abfahrtsskilauf auf der Parsenn eine Innenknöchelfraktur. Während der stationären Behandlung in Davos besuchte ihn sein Kollege und Sportarzt Dr. Zapp; er wiederum stellte die Verbindung zu Ernst van Aaken her. Dieser hatte, wie bekannt, dem damals üblichen Intervalltraining Freiburger Prägung – durch Professor Reindell und den Trainer Woldemar Gerschler – seine Methode des reinen Ausdauertrainings entgegengesetzt. Van Aakens „Trainingsanweisungen waren für meine weiteren sportlichen Aktivitäten von entscheidender Bedeutung“, erinnert sich Dr. Maisch. Aus erster Hand also gab er seine Erkenntnisse an Patienten und später in den von ihm mitgegründeten Lauftreffs in Kirchheim und Nürtingen weiter.

Trotz seiner umfangreichen ärztlichen Arbeit nahm er ein Leben lang an Wettkämpfen teil. Einen Marathon, den in Bräunlingen bei Donaueschingen, bin ich größtenteils gemeinsam mit ihm gelaufen. Doch der Schwerpunkt lag bei Dr. Maisch auf den kürzeren Strecken. Als ich Mitte der siebziger Jahre nochmals sein Patient war, zeigte er mir jedesmal seine zuletzt erhaltene Urkunde, Medaille oder den Pokal.

Seine Wettkampfzeit hat er erst in M 85 bei den Senioren-Weltmeisterschaften in Puerto Rico über 5 000 Meter als Zweiter beendet. Er hätte auch weiterhin an Wettkämpfen teilgenommen. Doch bei einem 1500-Meter-Lauf während der Hallen-Weltmeisterschaften der Leichtathletik-Senioren im Februar 2006 zog er sich einen Sehnenanriß zu. Die Schmerzen hielten auch nach der Heilung an, bis schließlich eine Bandscheibenschädigung diagnostiziert wurde. Er mußte sich zwei Operationen und schließlich noch einer Operation an der Lendenwirbelsäule unterziehen. Die dritte Operation befreite ihn von seinen Schmerzen. Jetzt konnte er sein Übungsprogramm wieder intensivieren. Nun, im Alter von 95 Jahren, spielt das tägliche Schwimmen im Schwimmbecken seines Hauses eine Rolle; verbunden ist es mit 15 mal 50 Meter Aqua-Jogging. Versteht sich, daß es ihn immer wieder hinauszieht, auch wenn aus dem Laufen das Gehen geworden ist.

Dieter Maisch hat die Zeit erlebt, als er wegen seines Bewegungstrainings ausgelacht wurde. Ein Passant rief dem laufenden Doktor zu: Was sauest („sauen“ bedeutet auf Schwäbisch rasch laufen) du denn herum, du hoscht (hast) doch ’n Mercedes!“ Er war, wie van Aaken, dem Bewußtseinsstand der Gesellschaft um Jahrzehnte voraus, hat die Entwicklung der Laufbewegung aktiv begleitet und nicht aufgehört, Bewegungstraining selbst zu praktizieren. Dem schreibt er seine Fitneß bis ins hohe Alter zu. Jeden Tag empfinde er als Geschenk, versichert er. Dies um so mehr, als er nach dem Tode seiner Frau mit 89 Jahren nochmals geheiratet hat.

Sein 95. Geburtstag ist Anlaß, uns möglichst viele solcher Gesundheitsärzte zu wünschen.

Photo: Sonntag

Eintragung vom 17. September 12

 

Ein Tagebuch ist keine Nachrichtenzentrale, sondern eine Bühne der Reflexion. Daher ist es möglich, daß die folgende Nachricht in Läuferkreisen bereits die Runde gemacht hat: In der Zeit vom 17. bis zum 20. Mai 2013 wird eine vegane Ultramarathon-Staffel 440 Kilometer auf der Bundesstraße 12 zurücklegen.

Doch das Internet ist voll von Nachrichten. Unmöglich, auch nur über ein einziges Thema, das Laufen, alles zu lesen. Deshalb nehme ich mit der Wiedergabe in Kauf, daß hier für einige vielleicht Bekanntes wiederholt wird.

Veganer sind gewissermaßen strenge Vegetarier; sie unterscheiden sich von ihnen dadurch, daß sie nicht nur Fleisch von Tieren als Nahrung ablehnen, sondern alle Bestandteile von Tieren, also Milch und Milcherzeugnisse, Eier, Honig, Leder für Bekleidung. In der Praxis spielt Rohkost eine noch größere Rolle als bei Vegetariern. In wohl jedem Ernährungskapitel herkömmlicher Lauf-Anleitungen kann man lesen, daß vegane Ernährung für Läufer – ebenso wie für Kinder – problematisch sei. Insbesondere fehle das Vitamin B 12.

Der 35jährige Mark Hofmann hat vor einiger Zeit von der vegetarischen zur veganen Ernährung gefunden. Im Vordergrund seiner Motivation steht bei ihm das Leiden der Tiere. Hin und wieder konnte man in den letzten Jahren darüber erschütternde Fernsehaufnahmen von Tiertransporten, von Massentierhaltung und der inhumanen Schlachtung sehen. Daher hat er im Dezember 2011 die Aktion „Laufen gegen Leiden“ ins Leben gerufen. So lautet auch der Titel seiner Website.

Die Bundesstraße 12 – von Lindau am Bodensee bis Philippsreut an der deutsch-tschechischen Grenze – ist als Anspielung auf den behaupteten Vitamin-B12-Mangel bei Veganern gewählt worden. Man sieht, der Initiator will den angeblich wissenschaftlichen Erkenntnissen und Vorurteilen auch mit Witz begegnen. Hofmann knüpft damit an die Bemühungen der vegetarischen Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts an, durch Ausdauerleistungen vegetarischer Sportler bei Fernläufen und -märschen die Vorzüge der fleischlosen Ernährung zu demonstrieren.

Hofmann hofft, daß sich zu seiner Veranstaltung etwa 30 Veganer melden, die 50 Kilometer zurücklegen. Käme das Unternehmen so wie geplant zustande, würden in der Tat aktuelle dokumentierbare Fakten dafür geschaffen, daß Veganer sportliche Leistungen wie andere auch oder vielleicht gerade wegen ihrer veganen Ernährung vollbringen können.

Auf jeden Fall kommt in der Laufszene wieder einmal der Vegetarismus ins Gespräch. Vielleicht auch wird das Vorurteil abgebaut, vegan lebende Menschen würden generell unter Mangelernährung leiden und seien daher nicht zu sportlichen Hochleistungen fähig.

Eintragung vom 10. September 12

Der dramatische Höhepunkt von „I want to run“, der Filmdokumentation des Transeurope Footrace2009, die seit Ende Mai in immer weiteren Kinos gezeigt wird, ist zweifellos das üble Wetter, das die Läufer in den letzten Etappen in Skandinavien heimgesucht hat. Das erste Drittel des Transeuropalaufs, der am 19. August in Dänemark gestartet worden ist, steht dagegen bisher jedenfalls unter einem guten Stern. In der 36. Kalenderwoche war es zuweilen ein Hitzelauf. Der 6. September, als ich das Fußreiseunternehmen Ingo Schulze besuchte, war ein heiterer Sommertag – Zuschauer sind so, bei Regengüssen kommt kein Mensch an die Strecke.  

Die Strecke der 19. Etappe führte von Frankenbach bei Heilbronn nach Malmsheim, Gemeinde Renningen bei Weil der Stadt westlich von Stuttgart. Joachim Barthelmann hatte sie, wie mir bestätigt wurde, wie immer unauffällig, aber verläßlich markiert. Von der Renninger Straße mußten die Läufer das Ziel, die Malmsheimer Sporthalle, bergan über die steile Albstraße erklimmen; die wenigsten Läufer liefen hier. Vor der Sporthalle hatte sich Lagerleben ausgebreitet, das Tor mit der Zielmarkierung, die beiden Zeitnehmer unterm Sonnenschirm, Gepäckfahrzeug, Campinggruppen, Begleit-Fahrzeuge. Finisher ließen es sich nicht nehmen, erst einmal ein Sonnenbad auf der Freitreppe zur Sporthalle zu genießen. Nichts Dramatisches wie im Kino. Jogging über 62 Kilometer der 19. Etappe? An einem Tag wie diesem ist es schwer, die Ultra-Leistung begreiflich zu machen.

Und doch, es gibt einen Kampf um die Spitze. Robert Wimmer mit der Startnummer 01 hat Stéphane Pelissier mit der Startnummer 02 den Vortritt lassen müssen; der 43jährige französische Kraftfahrer, der auf seiner Website Goethe zitiert und dessen Vorbild sein Vater ist, hat bisher jede Etappe als Sieger oder als Zweiter beendet.  

Der dramatische Kampf spielt sich am Ende der einsamen Läufer ab; es geht um Sein oder Nichtsein als TE-FR-Teilnehmer. Von den 49 Gestarteten sind 15 ausgeschieden, am Sonntag war es Heike Pawzik, die siebenfach erfolgreiche Spartathlon-Teilnehmerin und Zweiundvierzigste des TE-FR 2009. Zuvor schon hatte sie eine Zielschlußzeit erheblich überschreiten müssen; am Sonntag ist sie nicht mehr gestartet. Es zeigt sich wieder, daß ein solcher Lauf über 64 Ultra-Etappen mit den Worten von Stéphane Pelissier ein „menschliches Abenteuer“ ist.

Heute haben die 34 Läufer den Rhein nach Frankreich überquert.

Photos: Sonntag

Eintragung vom 3. September 12

Vorab: Ich kenne keinen anderen Lauf, über den soviel publiziert worden wäre wie den GutsMuths-Rennsteiglauf. Ein schlimmer Verdacht taucht gegen mich auf: Ich bin Mitglied des Rennsteiglaufvereins. Doch meine Behauptung hätte ich so auch in der Zeit aufgestellt, als es den Verein noch nicht gab. Bereits sieben Jahre nach dem ersten (nicht ausgeschriebenen) Rennsteiglauf erschien im Sportverlag Berlin eine nach wissenschaftlichen Kriterien verfaßte Schrift „Rennsteiglauf. Historische, soziologische, sportmedizinische und trainingsmethodische Aspekte“. Der Redaktion gehörte Dr. Hans-Georg Kremer an, der Mitbegründer, Vereinspräsident und spätere PR-Manager des Rennsteiglaufs. Von ihm ist die Initiative zu einer ganzen Anzahl von Publikationen ausgegangen; er hat eine Bibliographie der Veröffentlichungen über den Rennsteiglauf zusammengestellt, und er ist bis zum heutigen Tag als Autor über diese Laufveranstaltung aktiv.

Als nach dem Ende der DDR die Papier- und sonstigen Beschränkungen der Rennsteiglauf-Organisation gefallen waren, war es Schlag auf Schlag gegangen. 1992 erschien ein hübsches sowohl authentisches als auch informatorisches Buch „Faszination Rennsteiglauf“, zu dem Kremer einen Teil der Texte lieferte. Dann zeichnete er in der Reihe „Who is who“ in Aussagen vielfacher Teilnehmer die Tradition des Rennsteiglaufes nach. Der siebente und vielleicht letzte Band aus seiner Hand ist in diesem Jahr erschienen. Er enthält Angaben und meistens auch Statements von Teilnehmern, die 25 Mal und mehr einen Wettbewerb des GutsMuths-Rennsteiglaufs bestritten haben. Der Eindruck, das könne eine Insider-Angelegenheit sein, täuscht. Wenn man die Geschichten liest, die Erlebnisse, Vorkommnisse und Gedanken der Jubiläumsläufer, die meistens auch abgebildet sind, ergeben sich ganz persönliche Streiflichter der Tradition dieses ältesten deutschen Ultramarathons.

Bei den biographischen Stichworten ist mir zweierlei aufgefallen: Zahlreiche Jubiläumsläufer haben von einem handarbeitenden Beruf zu einer akademischen Laufbahn gefunden; Diplom-Landwirte mit Doktor-Titel zum Beispiel sind anderswo ziemlich ungewöhnlich. Die aufgeführten Läuferinnen haben durchweg eine gute Ausbildung und oftmals ein Technik-Diplom. Nein, beileibe kein Wehklagen über die untergegangene sozialistische Gesellschaft, wohl aber ein Hinweis darauf, wohin wir in der Bildungsgesellschaft der Bundesrepublik insgesamt kommen müssen.

 

Die Reihe „Who is who“ geht, wie wir lesen, auf die 1997 erschienene Broschüre „Rennsteig-Weg der Rekorde“ zurück. Der diesjährige Band „Rennsteiglaufbiografien“ ist (also doch Reklame!) für 14,90 € im Shop des Rennsteiglaufvereins erhältlich. Zwei weitere Schriften über den Rennsteiglauf, die ich noch nicht kenne, habe ich soeben bestellt. Auch die Arbeit von Dietmar Knies über die Rennsteiglauf-Sieger ist hier anzuführen.

Nimmt man dazu noch die Tatsache, daß der Rennsteiglauf durch andere Veranstaltungen einschließlich der Vereinsversammlung im Dezember das ganze Jahr hindurch im Bewußtsein präsent ist, kann man die Organisation und den Verein nur beglückwünschen. Ich selbst habe erfahren, daß man am Rennsteig nicht ganz aus der Veranstaltung herausfallen kann.

Reicht es für den Supermarathon nicht mehr, bleiben Marathon und Halbmarathon. Von dort führt der Weg zum Walking in einer längeren und einer kürzeren Variante. Steht auch dem der Alterungsprozeß entgegen, bietet die Familienwanderung die Voraussetzung, sich weiterhin dem GutsMuths-Rennsteiglauf verbunden zu fühlen.

Eintragung vom 27. August 12

Der Greif-Newsletter gehört nicht zu meiner Lieblingslektüre, aber ich lese den Kommentar von Peter Greif immer. Nicht, daß dies jedesmal erbaulich für mich wäre. Denn mit seiner Welt des Kampfes um Minuten oder Sekunden verbindet mich nichts. Damit bin ich sicher inkonsequent, sonst hätte ich nicht an so vielen Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Peter Greif bringt die Themen, die er anspricht, auf den Punkt.

Besondere Zustimmung zolle ich seinem Beitrag vom 21. August über das Trinken. Ein Zitat: „Jahrelang schreibe, rede und bitte ich darum, in einem Rennen angepaßt Energie aufzunehmen und zu trinken. Leider kämpfe ich seit Jahren gegen fast undurchdringliche Mauern, diese werden aber jetzt so langsam durchlässig. Seit den Studien von mehr als zehn Jahren des Südafrikaners Tim Noakes bricht die Wand der Dauersäufer. Jetzt meldet sich auch die Medizinszene massiv zu Worte.“

Seitdem die „Trockenperiode“ des Marathonlaufs beendet war, gehörte die Trinkempfehlung von Sportmedizinern, Trainern und Organisatoren zu den eisernen Läuferregeln. Jahrelang war vor dem Start des Swiss-Alpine-Ultramarathons die mahnende Stimme Dr. med. Beat Villigers über das Stadionoval gehallt: „Trinken, trinken, trinken!“ Bis dann die „Wasservergiftungen“ in der amerikanischen Literatur publiziert wurden. 1993 unternahm Professor Noakes die Nevada Desert Study und verbreitete deren Erkenntnisse unter anderem in einer späteren Auflage seines populären „Lore of Running“ (Start-Auflage 1985, 4. Auflage 2001). Bedauerlicherweise gibt es von diesem 932 Seiten starken Grundlagenwerk keine deutsche Übersetzung; wieder einmal fehlt deutschen Sportverlegern der Mut zum Risiko.

Jahrelang verstieß auch ich, wie Peter Greif, gegen die Grundregel von Medizinern und Trainern: „Beim Marathon an jeder Verpflegungsstelle trinken!“ Fast immer habe ich erst bei Kilometer 10 einen Becher genommen und zwischen Kilometer 30 und 35 aufgehört zu trinken. An einen Marathon erinnere ich mich, bei dem ich nur ein einziges Mal einen Becher Wasser zu mir genommen habe. Aus der Zeit 1982 bis 1985, als ich mich zum Gesundheitsberater (GGB) ausbilden ließ, war mir die Regel Dr. Brukers im Ohr: Trinken, wenn man Durst hat! Beim Marathon habe ich niemals Durst gehabt. Ich habe später auf einem GGB-Kongreß mit einem Arzt gesprochen, der Marathon lief, ohne ein einziges Mal dabei zu trinken. Versteht sich, daß ich auch auf meine langen Trainingsläufe, zweimal auch über 60 Kilometer, keine Trinkflasche mitgenommen oder im Gebüsch versteckt habe.

Aus meiner Handhabung habe ich keine Grundsatzfrage gemacht, außer daß einem Sportfreund auf längeren Alpinwanderungen mein geringer Flüssigkeits- und auch sonstiger Konsum aufgefallen war. Jahrelang also widersetzte ich mich heimlich läuferischer Correctness. Ich kann daher Peter Greif gut verstehen, wenn ihm die Galle überläuft: „Bei uns ging es von 1990 an nur nach Annahmen der Industrie, und die Sportmedizin hakte sich locker ein, obwohl wir Praktiker wußten, daß die Vorgabe trinken, trinken, trinken falsch war. Nun wird die Sache anders gesehen, und wir kennen diese Vorgänge ja schon, die Sportmedizin sagt nun, das haben wir schon immer gewußt. Stimmt auch, es waren mehr die Mediziner, die auf der Gehaltsliste einiger Unternehmen standen. Aber dieses Gehalt reicht heute nicht mehr aus, um die Wahrheit vom Tisch zu wischen.“ Greif zitiert dann ausführlich die Ärztezeitung online vom 3. August: „Trinken bis zum Hirnödem“ von Thomas Müller.

Mit dieser kritischen Reflexion kehren wir ja keineswegs in die „Trockenperiode“ zurück. Es ist nur deutlich geworden, daß Dehydration immer noch besser ist als infolge Hyponatriämie tot zu sein. Auch Tim Noakes plädiert keineswegs dafür, Marathon oder Ultramarathon ohne Flüssigkeitsaufnahme zu laufen. Er wird nur konkret: Langsame Läufer kommen auch mit 0,2 bis 0,4 Liter in der Stunde aus.

Eintragung vom 20. August 12

 

Beim Nordic Walking des Rennsteiglaufs am 12. Mai hatte man mich gedrängt, den Wettbewerb zu beenden, obwohl ich für die 35 Kilometer, wenn auch als Letzter, genügend Zeit gehabt habe. Demonstrativ habe ich eine Pause eingelegt. Beim Nordic Walking der Bieler Lauftage am 8. Juni nahm man mir die Startnummer ab, weil ich die Zielschlußzeit überschritten hatte. Das ermutigt nicht zu weiteren Wettbewerbsteilnahmen. Doch diesmal wurde ich zur Teilnahme eingeladen und, obwohl ich mich als Geher registrieren ließ, als Läufer, gewissermaßen als „gehender Läufer“, registriert.

Nach langer Zeit wieder ein Wettbewerb, an dem ich ohne zeitlichen Streß teilnehmen konnte.

Es war der Malberglauf bei Waldbreitbach im südlichen Westerwald; darüber ist hier ein informativer Bericht von Michael Teusch ins Netz gestellt worden. Daher an dieser Stelle nur mein persönlicher Eindruck: Eine Veranstaltung mit familiärer Atmosphäre, wenngleich wohl auch der eine oder die andere von außerhalb des Koblenz/Bonner Einzugsgebiets herbeigeeilt war.

Vor zehn Jahren noch hätte ich die Strecke dieses „Berglaufs“ als leicht bezeichnet. Eine Steigung mit 100 Höhenmetern, dann einem kilometerlangen Gefälle, bei dem die Höhe wieder verloren ging, und schließlich wieder einer Steigung. Alles in allem 370 Höhenmeter auf 6 Kilometern. Im vorigen Jahr, als es regnete, muß es stellenweise ziemlich rutschig gewesen sein. In diesem Jahr, beim 13. Mal, prächtiges Wetter, die Strecke jedoch größtenteils schattig.

Zdenka Kirsch, drei Jahre jünger als ich, packte die Strecke in 58:41 Minuten. Eine reichliche halbe Stunde später kam ich. Da mich Wolfgang Bernath, der Vorsitzende des veranstaltenden Vereins VfL Waldbreitbach, eben nicht als Walker vereinnahmt hatte, ist wahrscheinlich zum letztenmal eine Laufzeit von mir aktenkundig geworden, nämlich 1:33:53 Stunden. Eine schnelle Halbmarathonzeit also für 6 Kilometer und 370 Höhenmeter. Na ja. Doch ich will nicht mäkeln. Die „Lauf“-Teilnahme mit der Begrüßung am Ziel durch Applaus tat mir als Abschluß schon gut. Dabei mußte ich nicht einmal allein gehen, sondern wurde begleitet. Das veranlaßte mich auf jeden Fall, „auf Zeit“ zu gehen; schließlich begann die Siegerehrung erst, als ich das Ziel erreicht hatte. Auch die Alphornbläser – kleine Anleihe bei alpinen Bergläufen –mußten ausharren, damit ich sie noch blasend erleben konnte.

Es war eine in jeder Hinsicht schöne Veranstaltung, das Ziel attraktiv – mit einem weiten Blick ins Land. Angesichts eines Teilnehmer-Rekords von 383 konnten die Veranstalter ebenfalls zufrieden sein. Der Malberglauf ist der Erste von vier unterschiedlichen Landschaftsläufen, die sich zum Siebengebirgscup zusammengeschlossen haben, nämlich dem Löwenburglauf, dem Rheinhöhenlauf und dem Siebengebirgsmarathon.

*

Der Tag muß festgehalten werden, nicht weil es der seit Jahren heißeste Tag in Deutschland gewesen ist, sondern weil am 19. August in Dänemark der 3. Transeuropa-Lauf gestartet worden ist. Ingo Schulze möchte, daß es der letzte Lauf durch ein Stück Europa ist, den er organisiert. Doch es wäre verfrüht, sich schon jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es weiter geht. Jetzt werden wir erst einmal zwei Monate lang lesen, wie sich der Lauf nach Gibraltar entwickelt.

49 Läuferinnen und Läufer sind gestartet und haben nach 56 Kilometern das Tagesziel erreicht. Robert Wimmer, der deutsche Favorit auf eine Spitzenplacierung, liegt mit 5:03:19 Stunden auf dem zweiten Platz. Bemerkenswert sind die beiden Ältesten, Richard Hofbauer im Alter von 77 Jahren, der am Sonntag 7:06:16 gelaufen ist, und die Japanerin Fusako Fushini im Alter von 70, die nach 8:22:27 im Ziel gewesen ist.

Photo: Sonntag

Eintragung vom 13. August 2012

Was ist mir beim olympischen Männer-Marathon in London aufgefallen? Das, was allen aufgefallen ist: der Kampf des 23jährigen Läufers aus Uganda, Stephen Kiprotich, der auf den letzten vier Kilometern den Überraschungssieg erlaufen hat. Die Favoriten Abel Kirui und Wilson Kipsang Kiprotich folgten, wie an anderer Stelle zu lesen ist, auf Platz zwei und drei.

Anders als beim Frauenmarathon schien am Sonntag die Sonne, für die Läufer sogar zu sehr. 23 bis 25 Grad Celsius sind, wie wir wissen, des Guten zuviel. 20 der 105 Starter stiegen aus, zum Teil mit heftigen Beschwerden. Für die Zuschauer war das Wetter gerade recht; die Fernsehübertragung zeigte es: Die Zuschauerspaliere des verregneten Frauenmarathons hatten sich auf der „Vorrunde“ und der 12-Kilometer-Runde vervielfacht. Die Spaliere waren zu dicken Menschenmauern geworden.

Wieder war am Streckenrand eine deutsche Fahne zu sehen. Sie entsprach einer puren Anwesenheitsdemonstration. Deutsche Läufer, um die man hätte zittern können, gab es nicht. Die deutschsprachigen Länder waren durch den Schweizer Viktor Röthlin, der mit 2:12:48 Stunden immerhin den elften Platz erreichte, und den Österreicher Günther Weidlinger, der jedoch aufgeben mußte, vertreten. Zum wiederholten Male die Frage: Muß das sein, daß seit dem Jahr 2000 kein deutscher Läufer mehr im olympischen Marathon-Startfeld gestanden ist? Angeblich laufen in Deutschland 18 Millionen Menschen. Mindestens ein großer Teil davon möchte sich beim Olympia-Marathon mit mindestens einem Landsmann identifizieren. Was spielt es da für eine Rolle, ob der oder die Läufer 2:12 Stunden laufen können! Mit reichlich 2:17 Stunden ist man am Sonntag noch im ersten Drittel gewesen. Das Ziel des olympischen Marathons mußte immerhin 2:55 Stunden offenbleiben; ein Herr aus Lesotho (in den olympischen Marathonen laufen keine Frauen und Männer, sondern Damen und Herren) beanspruchte diese Zeit. Die Qualifikationszeit von 2:12 Stunden zeigt, daß die zuständigen Verbandsgremien nur in abstrakten Zahlen und in Leistungskategorien denken; sie denken nicht an die Basis ihres Verbandes und die Wirkung auf 18 Millionen Läufer.

Eintragung vom 6. August 12

Das macht den Läuferinnen nichts aus, hatte einer der beiden ZDF-Moderatoren gleich am Anfang der Übertragung vom olympischen Frauenmarathon gesagt, als der Regen auf die Londoner Strecke prasselte. Mir wäre das so nicht über die Lippen gekommen, denn ich bin ein Weichei oder einfach immer zu langsam gewesen. Freilich, am intensivsten erinnere ich mich an mindestens zwei ausgiebige Bieler Regenläufe und an einen 24-Stunden-Lauf in Mörlenbach, auf dem es 23 ½ Stunden lang regnete. Im Vergleich zur Regendauer auf Ultraläufen mag ja ein verregneter olympischer Marathon über ungefähr zweieinhalb Stunden, dazu noch mit Regenpausen, zu vernachlässigen sein. Aber ich bedauerte die Läuferinnen dennoch. Und einem der Moderatoren fiel ja auch noch ein, daß die Läuferinnen nun wohl keinen trockenen Faden mehr am Körper trügen.

Am übelsten ist immer, wenn es bereits bei der Startaufstellung regnet. Weder kann man sich unterstellen noch dem Regen durch Bewegung trotzen. Wenn schon Regen, dann bitte erst, wenn man sich im Wettkampf warmgelaufen hat.

Hoher Respekt vor den Zuschauern in London! Die Menschenmauern unter Schirmparaden hielten eisern aus. Allerdings war die Zuschauerstrecke kurz im Vergleich zu den großen Läufen über eine einzige Runde; die Zuschauer mußten bei dem Londoner Drei-Runden-Lauf mit einem knappen Drittel der 42 Kilometer vorlieb nehmen. Dafür gab es dem Augenschein nach, außer gesperrten Stücken, keinen menschenleeren Abschnitt.

Irgendwo erfaßte die Fernsehkamera auch eine schwarzrotgoldene Fahne, die an die Absperrung gehängt worden war. Auch diese Flagge blieb bis zum Schluß des Marathonlaufs hängen.

Ich habe mir die Fernsehübertragung im ZDF angesehen. So homogen der Rennverlauf in der ersten Hälfte auch war, am Schluß wurde es spannend. Selbst die Fachleute hatten diese Ziel-Konstellation nicht prognostizieren können: Innerhalb von 22 Sekunden Gold für die Äthiopierin Tiki Gelana, Silber für die Kenianerin Priscah Jeptoo und Bronze für die Russin Tatyana Petrova-Arkhipova, die wohl niemand auf der Rechnung hatte (Bericht über den Rennverlauf an anderer Stelle). Die beiden für Deutschland Startenden, Irina Mikitenko (14. Platz) und Susanne Hahn (32. Platz), mögen sich wenigstens damit trösten, daß sie nicht wegen Problemen ausscheiden mußten wie 11 andere der 118 Läuferinnen.

Die Siegerin, Tiki Gelana, feierte mit ihren Betreuern noch auf dem Zielgelände den Erfolg mit einem Tanz; laut dpa war es ein „äthiopischer Regentanz“.

Eintragung vom 30. Juli 12

Die Olympischen Spiele sind am Samstag eröffnet worden. Wie? Doch, Her Majesty las die Eröffnungsformel weit nach Mitternacht ab, am Samstag eben. Etwa eine Milliarde Menschen sahen am Fernsehgerät zu, ich auch. Allerdings nur bis gegen 1.45 Uhr, dann kam das Gewitter, und die Übertragung aus London war gestört. Immerhin konnte ich den Einzug der (wenn ich nicht irre) 204 Nationalmannschaften sehen, darunter Nationen, von denen ich nicht wußte, daß es sie gibt.

Vom Einmarsch der Nationen haben sich die Nationen weit entfernt. Vielmehr schlenderten die Athleten ins Stadion, sie winkten, schwatzten; viele – ich hatte den Eindruck, die meisten – richteten ihre Kamera in das Stadion-Oval, auch Video-Kameras. Deutsche Sportler hatten einige ihrer Innen (ich nehme an, daß das feministisch korrekt ist) huckepack genommen, das war auch in anderen Mannschaften zu beobachten. Bei den anglophil orientierten Mannschaften fiel mir auf, daß sie alle (alle?) Kaugummi kauten, selbst die Fahnenträger. Es war ein langer, lockerer, lässiger Einzug.

Da ist mir deutlich geworden, was sich im 19. Jahrhundert in Deutschland vollzogen hat, der Einbruch des Sports in die Welt der Turner, die ja zunächst damit geantwortet hatten, daß sie deutschen Athleten die Teilnahme an den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit verbieten wollten.

Im Grunde müßte ich selbst den Turnern näherstehen als den Sportlern. Ich bin nicht sonderlich rekordorientiert, die Turner waren es auch nicht. Im Grunde betrieben die Turner von Anfang an das, was man später Breitensport genannt hat. Im Grunde sind die Turner sehr fortschrittlich gewesen, es gab Turnerinnen, und es gab turnende Kinder und Altersturner. Im Sport durften Frauen jahrzehntelang höchstens nur 800 Meter laufen, zum olympischen Marathon sind sie erst 1984 zugelassen worden, reichlich zwanzig Jahre nach dem ersten deutschen Volkslauf. Der Deutsche Turnerbund mit knapp 5 Millionen Mitgliedern hat einen Frauenanteil, der mit 3.420.000 um einiges höher ist als die Zahl der männlichen Mitglieder. Das Deutsche Turnfest im nächsten Jahr verheißt ein buntes Bewegungsprogramm für jedermann. Das alles gefällt mir sehr.

Doch als Schüler habe ich das Unterrichtsfach Turnen oder später Leibesübungen gehaßt. Turngeräte wie Barren und Reck verdarben mir die natürliche Bewegungsfreude. Die Stange hinaufklettern konnte ich ebensowenig wie mit dem Pferd umgehen. Im Erwachsenenalter störten mich das Ordnungsprinzip der Turner, die Bildung von „Riegen“ und deren pseudomilitärischer Einmarsch, am meisten das Einnehmen von „Haltung“ nach einer Übung. Dies gelingt ja selbst Könnern nur mangelhaft, weil die vorangegangene Übung ihre eigene Dynamik hinterläßt. Sportler hingegen dürfen sich, wenn sie geworfen haben, gelaufen oder gesprungen sind, von Herzen freuen. Turner jedoch nehmen Haltung ein.

Das mag sich heute alles abgeschliffen haben. Die Lebenswelten der Turner und der Sportler haben sich vereinigt. Doch ich vermute, daß die Lauftreffs und die Volksläufe beim Deutschen Turnerbund eine noch bessere Chance gehabt hätten.

Jetzt werde ich mich dem einen oder anderen Wettbewerb der großen Show zuwenden; am meisten freue ich mich auf die beiden Marathone.

Außer den Olympischen Spielen gibt es noch ein aktuelles Ereignis, das mich am Wochenende berührt hat. Erstmals bin ich nicht zum Swiss Alpine nach Davos gefahren. 1062 Läuferinnen und Läufer sind im K 78 über den Sertig-Paß gelaufen und 1118 im K 42. Beim C 42 waren 287 Finisher. Die Zahl der Swiss-Alpine-Teilnehmer wird mit zusammen 4979 angegeben – wieder ein schöner Erfolg.

Im Ultramarathon haben wir wieder eine Premiere gehabt, den Dirndltal Extrem im österreichischen Pielachtal. Doch die 100 Kilometer sind nur 42 Teilnehmer gerannt; dafür waren 80 Staffelläufer unterwegs. Ich hatte mir überlegt hinzufahren; doch es hätte sich wohl nicht gelohnt. Anerkennung also für die gute Absicht.

Eintragung vom 23. Juli 12

In dieser Woche gibt es sicher freundlichere Kommentare als die Frage „Olympische Spiele abschaffen?“ Unter dieser Überschrift lese ich: „Wer nach der Zukunft der Olympischen Spiele fragt, muß ihre Gegenwart sehen, und diese ist alles andere als erfreulich... Mit Coubertin haben die Spiele schon lange nichts mehr zu tun.“ Beim Griff ins Archiv hat mir der Zufall die Hand geführt und mich diesen Kommentar finden lassen. Er stammt von Manfred Steffny und ist erschienen in Nr.4/1976 des damals noch ganz jungen Laufmagazins „Spiridon“.

Doch Steffnys Fragestellung ist noch ein bißchen älter. „Wenn ein Mann in Olympia im Hain des Zeus durch die Schnelligkeit seiner Füße siegt oder im Fünfkampf der Beste ist oder beim Ringen,,, oder wenn er die schmerzende Kunst des Faustkampfs beherrscht oder den furchtbaren Kampf, der Pankration heißt, dann bewundern ihn alle Bürger. Sie geben ihm Ehrenplätze bei allen Festen. Er erhält Essen aus öffentlichen Mitteln, außerdem noch ein Geldgeschenk oder ein Vierergespann. Das alles bekommt ein solcher Mann, der das nicht so verdient, wie ich es verdienen würde. Wer solche Gesetze gab, war ziemlich dumm. Es ist ungerecht, Körperkraft höher zu schätzen als nützliches Wissen. Eine Stadt hat wenig davon, wenn einer ihrer Bürger in Olympia siegt. Sie wird dadurch nicht besser regiert, und ihre Kornspeicher werden dadurch nicht voll.“ Dies ist die Ansicht des Philosophen Xanophanes ungefähr vor 2500 Jahren gewesen – etwa 200 Jahre nach der ältesten Dokumentation der Olympischen Spiele. Der Dramatiker Euripides ging ein Jahrhundert später noch weiter: Er forderte die Abschaffung der Olympischen Spiele, da sie die „wahren Tugenden verdürben und politisch mißbraucht würden“ (zitiert aus P. M. History).

Die Spiele wurden ja wirklich abgeschafft, wohl eher aus ideologischen Gründen – im Jahr 393 n. Chr. durch Theodosius I., der alle „heidnischen“ Zeremonien verbot. Doch mit der Entdeckung der Körperkultur in der Zeit der Aufklärung erhoben sich Stimmen, die nach der Wiederbelebung der Olympischen Spiele riefen. Es gab sie auch, nämlich die Cotswold Olympick Games im Westen Englands, wie ich in Wikipedia lese. Nach der Französischen Revolution fanden von 1796 bis 1798 jährlich die Olympiades de la République statt. Auf diese Veranstaltung geht auch die Verwendung des metrischen Systems im Sport zurück – welches Glück für uns! Im Jahr 1850, so lese ich weiter, führte Much Wenlock in der Grafschaft Shropshire eine „olympische Klasse“ ein; aus ihr entwickelten sich zehn Jahre später die Wenlock Olympian Games, die bis heute fortgeführt werden. Im Jahr 1866 organisierte William Penny Brookes, der Vorsitzende der Wenlock Olympian Society, nationale Olympische Spiele im Londoner Crystal Palace. Nach der griechischen Revolution rief der griechische Kaufmann Evangelos Zappas die Olympien ins Leben; nach der ersten Veranstaltung 1859 im Stadtzentrum Athens ließ er das noch heute benützte antike Panathinaikon-Stadion mit viel Marmor wiederherstellen, wo die Olympien bis 1889 ausgetragen wurden.

Pierre de Coubertin, der 1890 die britischen Wenlock Olympian Games besucht hatte, griff die Ideen von Brookes und Zappas auf und veranstaltete in Paris einen Kongreß, der später als I. Olympischer Kongreß bezeichnet wurde. Hier wurden die ersten Olympischen Spiele beschlossen. Von ihrem Erfolg 1896 waren die griechischen Offiziellen derart begeistert, daß sie vorschlugen, die Spiele immer in Athen stattfinden zu lassen. Doch das Internationale Olympische Comitee hielt an dem von Coubertin vorgeschlagenen Rotationsprinzip fest.

Allerdings waren die Spiele 1900 in Paris und 1904 in St Louis, die in die Weltausstellungen eingebettet waren, nicht das, was man sich ursprünglich unter Olympischen Spielen vorgestellt hatte. Erst die Spiele 1906 in Athen rückten das Bild wieder gerade. Da die Ergebnisse der „Zwischenspiele“ nie offiziell anerkannt wurden, begründete erst London 1908 den Neuanfang, und wir haben seither 42,195 Kilometer als Marathon zu laufen.

Von Abschaffung der Olympischen Spiele ist in Krisenjahren immer einmal wieder die Rede gewesen; auch ich habe diese Ansicht schon vertreten. Doch ernstlich sind sie nie in Frage gestellt worden, auch nicht, als sie im Kalten Krieg wechselseitig boykottiert wurden. Auch Steffnys Vorschlag, das Rotationsprinzip zu Gunsten von Athen aufzugeben, hat keine Resonanz gefunden, in der Zeit der Griechenland-Krise noch weniger als vorher.

Die Olympischen Spiele sind längst ein Objekt nationalen Prestiges geworden, in das der jeweilige Staat locker Milliarden von Euro investiert. Als grotesk empfinde ich, Sportanlagen zu überdimensionieren und sie nach den Spielen zurückzubauen. Die Olympischen Spiele sind ein Riesenspektakel, das den Gesetzen von Show-Veranstaltungen folgt; Athleten sind die Darsteller. Wir haben uns daran gewöhnt und möchten, daß die Show alle vier Jahre noch größer und prächtiger wird. In diesem Sinne: Die Olympischen Spiele sind – am Freitag – eröffnet.

Eintragung vom 16. Juli 12

Marathon in Stockholm – den hatten wir doch erst, am 2. Juni? Und jetzt schon wieder? Doch. Wir feiern einen Marathon ziemlich neuen Typs, einen historisierenden Marathon. Zwar gibt es seit Mitte der siebziger Jahre den Lauf auf der klassischen Strecke von Marathon nach Athen, aber der mentale Aspekt kann dort nur individuell realisiert werden. Am 14. Juli jedoch ist in Stockholm läuferisch ein echtes Jubiläum gefeiert worden, die hundertste Wiederkehr des Tages, an dem in Stockholm der Marathon der Olympischen Spiele stattgefunden hat, und zwar auf den Tag genau. Was sage ich? Auf die Minute genau.

 

Am Samstag um 13.48 Uhr ist der Jubiläumsmarathon gestartet worden, in dem historischen Stadion, das für die Olympischen Spiele 1912 erbaut worden ist, nebenbei: dem einzigen Olympia-Stadion, das nicht die olympischen Ringe trägt; denn sie sind erst einige Jahre später erfunden worden. Am Marathon-Tag war das Stadion von 22.000 Menschen bis auf den letzten Platz besetzt. Zehntausende, die keine Karte mehr bekommen hatten, begaben sich an die Strecke.

Der Start war 1912 für 13.45 Uhr vorgesehen; doch die Aufstellung des Starterfeldes von 69 Läufern verzögerte sich geringfügig.

Der Jubiläumsmarathon am Samstag konnte wegen der relativ hohen Teilnehmerzahl – 7.652 Finisher – nur in fünf Zehn-Minuten-Schüben gestartet werden. Von dem für die Olympischen Spiele gebauten Stadion, in dem nicht weniger als 83 Weltrekorde gefallen sind, ging es nach den Schüssen einer historischen Militärgruppe auf die Original-Strecke, eine Wendepunktstrecke. Der Wendepunkt war vor der Sollentuna-Kirche nördlich von Stockholm. Etwa an der Stelle der Wendemarke steht seither ein sieben Meter hohes Denkmal, das an den Wendepunkt erinnert. Obwohl die Marathonstrecke 1908 in London 42,195 Kilometer gemessen hatte, sind in Stockholm nur 40,200 Kilometer gelaufen worden; denn der Beschluß, künftigen Olympischen Spielen die Maße von London zugrunde zu legen, ist erst 1921 gefaßt worden. Entsprechend hat die annähernde Originalstrecke des Jubiläumsmarathons auch nur 40,075 Kilometer betragen. Ehe jetzt im 100 Marathon Club die Diskussion darüber einsetzt, ob man das dann als Marathon zählen dürfe, sei klargestellt: Der Originalstrecke ist ein Appendix angefügt worden, so daß, wer wollte, auf die seit 1921 geltende Marathonlänge von 42,195 Kilometern kam. Die meisten wollten. Daher gibt es vom Jubiläumsmarathon zwei Ergebnislisten, eine über 40,075 Kilometer und eine über 42,195 Kilometer. Die schnellsten Zeiten über die Originalstrecke liefen die Schweden Michael Mustaniemi in 2:35:49 und Jenny Nilsson in 2:57:49 Stunden.

Auf den olympischen Marathon 1912 hatten sich die Schweden gut vorbereitet. Vorkommnisse wie 1908 in London, als Dorando Pietri am Ende über die Strecke taumelte und wegen Inanspruchnahme von Hilfe disqualifiziert wurde, sollten vermieden werden. Daher wurde von den Athleten ein medizinisches Attest verlangt, und sie wurden vor dem Start ärztlich untersucht. Von der Strecke wurden hinderliche Steine gelesen und der staubige Untergrund mit Wasser besprengt. Unglücklicherweise war es am 14. Juli 1912 sehr heiß; die Temperatur betrug 30 bis 32 Grad Celsius. An die Marathon-Teilnehmer wurde daher ein Handtuch ausgegeben, das sie sich um den Kopf binden konnten, sofern sie keine Mütze mitgebracht hatten. Etliche Athleten entledigten sich jedoch der Kopfbedeckung. Einer von ihnen war der 23 Jahre alte Portugiese Francisco Lázaro. Er stürzte, erhob sich wieder und lief weiter, kollabierte jedoch nach kurzer Zeit, acht Kilometer vor dem Ziel. Mehrere Ärzte – acht waren an der Strecke positioniert – waren rasch bei ihm; anderthalb Stunden nach dem Kollaps war er im Krankenhaus. Seine Körpertemperatur betrug 42,1 Grad. Am nächsten Morgen starb er, das erste Todesopfer des Marathons.

  Von den 69 Läufern beendeten 34, also fast die Hälfte, das Rennen vorzeitig. Gemeldet waren 98 Läufer aus 19 Nationen. Als Favorit galt der Schwede Sigfrid Jacobsson; er erreichte nur den sechsten Platz, war jedoch mit 2:43:24 der schnellste Europäer. Es siegte der Südafrikaner und gebürtige Ire Kennedy Kane McArthur in 2:36:54, dem damaligen Olympia-Rekord. Ihm folgten sein Landsmann Christian Gitsham in 2:37:52, der in besserer Kondition als McArthur ankam, und der Amerikaner Gaston Strobino in 2:38:42. Gitsham hatte als erster den Wendepunkt erreicht. Eine Zeitlang hatte Tatu Kolehmainen, der Bruder von Hannes Kolehmainen, geführt, er mußte jedoch ausscheiden. Ein anderer bekannter Marathonläufer, Clarence de Mar erlief mit 2:50:36 den zwölften Platz. Deutsche waren nicht zu diesem olympischen Marathon gereist; ihnen waren keine Chancen eingeräumt worden.

Anders beim Jubiläumsmarathon; hier bildeten 722 Deutsche den größten Ausländer-Anteil unter den 66 vertretenen Nationen. Die Veranstalter haben offenbar alles getan, die historischen Reminiszenzen des Laufes zu fördern. Auch die Jubiläumsläufer bekamen ein Handtuch. Zwei ehemalige Mitglieder des schwedischen Nationalteams, Anders Szalkai und Kent Claesson, übernahmen die Rollen von McArthur und Jacobsson und erhielten Replika von deren Sportkleidung und deren Startnummern 613 und 331.

  Beide bemühten sich, die Zeiten ihrer Vorbilder zu laufen; sowohl Szalkai als auch Claesson blieben nur 10 Sekunden über der jeweils angestrebten Zeit von 1912. Den Bogen zurück zu 1912 schlug auch ein japanischer Teilnehmer, Yoshiaki Kurado; er ist der Enkel des japanischen Teilnehmers 1912, Shizo Kanaguri, der bereits vor dem Wendepunkt aufgab. Er trank in Sollentuna eine Limonade, nahm den Zug zurück nach Stockholm und reiste nach einigen Tagen nach Japan zurück, woraus sich die Legende entwickelte, er sei verschollen. Der Enkel lief den Marathon zuende (4:25:01).

Zahlreiche Läufer waren dem Aufruf des Veranstalters gefolgt, sich – bis auf die Schuhe – historisch zu kleiden. Die Ziffern der Startnummern entsprachen den vor dem Ersten Weltkrieg gebräuchlichen Schrifttypen. Auch viele Helfer waren in der Kleidung von 1912 gewandet. Fahrzeuge jener Zeit standen an der Strecke. Kurz, es war ein Marathon der falschen Bärte, bezipfelten Taschen- oder Handtücher auf dem Kopf, der schwarzen Anzüge, der Schleifen und der langen Kleider. Schade, daß das nächste olympische Marathon-Hundert-Jahr-Jubiläum erst 2020 wieder ansteht.

Offizielle Bildpostkarten (Sammlung Sonntag)

Eintragung vom 10. Juli 12

Am Sonntag gegen 9.45 Uhr beschloß ich, das Unternehmen fahren zu lassen. Es schüttete wie aus Kübeln. Dem Plan nach dürfte es die Bambini getroffen haben. Doch die hatten nur eine Strecke von 400 Metern. Um 10.43 Uhr fragte mich Marianne: „Willst du nicht doch fahren?“ Es hatte aufgehört zu regnen, die Sonne brach sogar durch. Der Hauptlauf über 10 Kilometer sollte um 11 Uhr gestartet werden. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte der Start noch früher stattgefunden – und wäre am 8. Juli prompt in die Zeit der Regengüsse gefallen. So geht es, wenn man es besser wissen will.

  Hätte ich vielleicht doch mit dem Anfang beginnen sollen? Also, 4 Kilometer vom Haus entfernt ist in Esslingen am Neckar, Freier Reichsstadt, als das angrenzende Stuttgart noch ein Parvenu war, der 13. Eßlinger Zeitung Lauf gestartet worden, ein Lauf in vier Runden durch die Altstadt. Die Veranstaltung einschließlich einiger Kinder- und Jugend-Wettbewerbe ist verbunden mit dem Bürgerfest. Das bedeutet, daß einige Straßen und Plätze zu einem Markt werden. Dazu kommen die Freisitzplätze einiger Lokale an der Strecke. Auf diese Weise wird ein Publikum aktiviert, das des Laufs wegen vielleicht nicht gekommen wäre, und andererseits hat es das „echte“ Laufpublikum sehr bequem. Man applaudiert sitzend.

Die Läufer freilich haben es nicht sonderlich bequem; es gibt eine Anzahl spitzer Winkel, längere Passagen mit Kopfsteinpflaster und zwei leichte Steigungen. An einer findet, was in einer Stadt ungewöhnlich erscheint, eine „Bergwertung“ statt, bei der allerdings nicht die Schnelligkeit, sondern die Übereinstimmung mit einer vorher geheimgehaltenen Zeit gewertet wird. Das Kopfsteinpflaster kann tückisch sein; ein paar Meter vor mir stürzte ein Teilnehmer in vollem Lauf. Er rollte sich jedoch geschickt ab und kam, obwohl sein Sturz gefährlich aussah, im Nu wieder auf die Beine.  

 

Die Ergebnisliste verzeichnet 1431 Zielläufer, wobei auch ein paar inbegriffen sind, die den Zielschluß von anderthalb Stunden um bis zu 16 Minuten verfehlten. Die flottesten Läufer hatten es auf der dicht belegten Strecke besonders schwer. Martin Beckmann ist seinem Ruf gerecht geworden und lief die 10 Kilometer in 32:46 Minuten, einem neuen Streckenrekord. Katharina Becker, VfL Sindelfingen, war mit 37:43 die schnellste Frau. Der Esslinger Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger (M 55) schaffte es mit 45:00 Minuten unter die wenig mehr als die ersten 10 Prozent. Die Stimmung bei den Beteiligten – laut „Eßlinger Zeitung“ mehr als jemals zuvor – und den Zuschauern war, dank dem Bürgerfest-Flair, wieder sehr gelöst.

Weshalb erzähle ich das? Wer einen 10-Kilometer-Lauf mit der Besichtigung einer malerischen Altstadt verbinden möchte, wäre hier am rechten Platze.

Photos: Sonntag

Eintragung vom 3. Juli 12

Welches Thema? Daß der Präsident eines geteilten Landes von der Einwohner-Größe Kölns, das die EU gerade um Hilfe ersucht hat, eine Woche später die Präsidentschaft der EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten übernimmt? Oder liegt uns nicht die Leichtathletik-Europameisterschaft näher, obwohl kein deutscher 10.000-m-Läufer dabei gewesen ist? Ich fürchte, das wichtigste Thema ist die am 1. Juli beendete Fußball-Europameisterschaft gewesen.

Die Leser dieses Tagebuchs wissen: Ich bin kein Freund des Fußballs. Ich werte ihn als gesellschaftliches Phänomen. Wie kein anderer Sport hat der Fußball im Laufe der Zeit sozial seine Sportstätte verlassen. Fußball wird zwar mit sportlichen Mitteln ausgetragen, aber er ist alles andere als nur ein Sport. Er ist zu einem Event geworden, in dem sich machtpolitische und wirtschaftliche Interessen bündeln. Sportliches Ethos ist kein Kriterium mehr; die Manipulation von Spielen ist ebenso wie die Gewaltausbrüche ein sicheres Symptom. Ein Land, das keine obligate Krankenversicherung kennt, hat für 600.000.000 Euro ein Stadion erbaut, dazu eine Infrastruktur für dessen Besucher geschaffen. Ob das Stadion weiterhin mit 65.000 Zuschauern gefüllt wird? Was tut’s – der Fußballverband und die Mächtigen im Lande sind zufrieden! Ändern wird sich im Lande nichts.

Auch an der Rolle des Fußballs in den Gesellschaften der Welt wird sich nichts ändern, weil es für alle so am bequemsten ist. Nehmen wir also das Fähnchen vom Auto ab und heben es für das nächste Mal auf.

Wenden wir uns einer neuen Laufveranstaltung zu, der Laufveranstaltung einer Minderheit, wie sich wieder gezeigt hat. Ein 100-km-Lauf, bei dem ganze 63 Läuferinnen und Läufer ins Ziel gelaufen sind. Der Trend zur kürzeren Strecke? 43 sind die Alternative gelaufen, 54 Kilometer. Ich habe zwar die Veranstaltung nicht besucht, aber ihre Präsentation im Internet hat bei mir einen solchen Eindruck hinterlassen, daß ich meine, sie hat die geringe Resonanz nicht verdient. Ein paar Nordic Walker noch, einige wenige Stafetten und eine kurze Strecke von 24 Kilometern reißen das Ereignis nicht heraus. Dabei hätte es durchaus Chancen.

Schon der Name ist interessant: Mozart 100. Der Veranstaltungsort Salzburg ist auch für Deutsche leicht erreichbar. Früher sind wir nach Hirtenberg bei Wien, wo man auch 150 km laufen konnte, oder zum Marc-Aurel-Marsch gefahren. Die Strecke von Salzburg zum Fuschler See hat, den Photos nach, ein Landschaftserlebnis versprochen. Liegt es am Konzept? Zwei fast identische Runden – hätte man es mit einer einzigen Runde wie in Biel oder in Ulm probieren sollen? Die Regenfälle zuvor setzten zwar den Trail-Abschnitten erheblich zu, aber das konnte sich ja nur auf eventuelle Nachmeldungen auswirken. Und auf die Laufzeiten; eine Siegerzeit (Männer) von fast neun Stunden erinnert an die Anfänge des 100-km-Laufs in Biel. Das Angebot von 54 Kilometern mit demselben Ziel wie bei den 100 Kilometern, nämlich auf dem Salzburger Mozartplatz, hätte angehende Ultraläufer anziehen müssen. Vor drei Jahren hätte auch ich dieses Ziel noch leicht erreicht.

Einen Grund für die geringe Beachtung sehe ich in der späten Ankündigung. Einen Ultralauf nimmt man nicht so nebenbei mit; man plant ein Jahr voraus. Daher für alle Fälle: Die Wiederholung von Mozart 100 ist für dieselbe Zeit im nächsten Jahr vorgesehen (www.mozart100.com).

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