Marathon in Frankfurt - Stand 2006

Ein Vierteljahrhundert deutsche Citymarathongeschichte

von Ralf Klink - Fotos: Gustav E. Schröder & LaufReport-Archiv

Part 1:
1981-1985
Part 2:
1987-1991
Part 3:
1992-1996
Part 4:
1997-2001
Part 5:
2002-2006
Part 6:
2007-2011

2002 - 2005 – Die kenianischen Jahre

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Gerade einmal zwei Jahre hat sie gedauert – die Zeit der Maleki Group als Marathonorganisator - dann haben sich deren hochfliegenden Pläne auch bereits wieder erledigt. Denn schon 2002 überträgt die Stadt Frankfurt die Veranstaltung einer neuen ausrichtenden Agentur - „motions events“ mit Jo Schindler an der Spitze.

Die Sponsoren aus dem Finanzbereich, deren Gewinnung in der Bankenstadt doch eigentlich kein Problem sein sollte, haben sich dabei ebenfalls wieder verabschiedet. Wimmelte es im Jahr zuvor in Programmheft und Ergebnisliste nur so von Anzeigen der Geldinstitute, taucht nun keine einzige Bank mehr auf der Sponsorentafel auf.

Neuer Hauptgeld- und Titelgeber des Marathons ist diesmal die Messe Frankfurt, ohne deren Beteiligung die Ausrichtung des Laufes schon seit dem Wechsel von Höchst in die Innenstadt nicht möglich gewesen wäre. Nun allerdings wird erstmals zum „eurocitymarathon messefrankfurt“ eingeladen. Der Euro-Marathon Frankfurt der vergangenen beiden Jahre hat noch einmal ein paar Silben dazu bekommen.

2. Luminita Zaituc 1. Eluid Kering 1. Maria Abel

Am Ablauf hat sich allerdings trotz des frischen Ausrichters erst einmal nicht viel verändert. Selbst auf das in Frankfurt fast schon übliche Herumbasteln am Marathonkurs verzichtet man im ersten Jahr unter neuer Regie. Und die Gesichter der vielen freiwilligen Helfer rund ums Messegelände und auf der Strecke sind sowieso meist aus den Jahren zuvor schon bekannt. Ihnen ist es schließlich auch völlig egal, bei wem ganz an der Spitze die Fäden zusammen laufen. Sie erledigen die ihnen zugeteilte Aufgabe stets gleich eifrig und routiniert.

Kleinigkeiten lassen allerdings doch auch neue Ideen entdecken. So hat man auf die Startnummern erstmals nicht nur Zahlen und die Werbeaufschrift sondern auch die jeweiligen Vornamen der Träger aufgedruckt. Die Zeiten, in denen man mühsam die Startliste wälzen musste, um eine Läufer namentlich anzufeuern, sind jedenfalls vorbei.

Nach zwei kreisrunden Euro-Marathon-Münzen mit Europasternen auf dem Band bekommen die Marathonis als Belohnung diesmal eine recht luftige Medaille mit der stilisierten Skyline umgehängt. „OlympJa“ steht auf dem Stoff. Das Motto der Frankfurter Olympia-Kandidatur, zu der ein gelungener Stadtmarathon einen positiven Beitrag leisten soll und die ein halbes Jahr später genauso kläglich scheitern wird wie die der aus dieser internen deutschen Ausscheidung als Sieger hervorgegangenen Stadt Leipzig im anschließenden internationalen Vergleich.

Wirklich gut scheint es der Himmel jedoch nicht mit den neuen Organisatoren zu meinen. Schon Tage vorher sind die Wetteraussichten für den Renntag schlecht bis miserabel. Und als sich die Marathonis dann am Sonntagmorgen aus den Betten schwingen, tönt es aus dem Radio: „Der deutsche Wetterdienst in Offenbach hat für den Nachmittag eine Sturmwarnung herausgegeben. Bitte vermeiden Sie den Aufenthalt im Freien“. Nach etlichen lediglich von den kräftigeren Herbstwinden beeinflussten Frankfurt Marathons ist das doch einmal etwas wirklich anderes.

Den nächste Schock erhält man bei Öffnen des Fensterladens. Denn draußen bläst zwar noch kein Orkan, doch dafür schüttet es wie aus Eimern. Auch Regen hatte man am Main schon mehrfach, in dieser Heftigkeit wohl allerdings erst einmal im Jahr 1992. Und die Kombination von Sturm und Regen wäre auch für alte Haudegen völlig neu. Das mit dem frischen Wind für die Veranstaltung, den man sich wünschte, war dann wohl doch etwas anders gemeint.

Je näher allerdings der für elf Uhr angesetzte Startschuss rückt, umso weniger Niederschlag kommt aus den dichten Wolken. Es wird unterwegs bei einigen Tropfen bleiben und später quält sich gelegentlich sogar die Sonne durch. In dieser Hinsicht kommt der Frankfurt Marathon noch einmal mit einem blauen Auge davon.

Und auch der angedrohte Sturm hält sich anfangs noch zurück, als sich die Marathonis nach der ersten Innenstadtrunde auf den Weg nach Höchst begeben. Unter anderen Voraussetzungen hätten sich natürlich alle über den starken Gegenwind beklagt, der ihnen nun aus westlicher Richtung ins Gesicht bläst. Die zur Streckenabsperrung benutzen Flatterbänder tragen ihren Namen an diesem Tag jedenfalls völlig zurecht. Und auch das eine oder andere Hinweisschild am Straßenrand hat sich schon in die Waagerechte begeben. Dennoch ist man froh, dass es nicht noch viel heftiger zieht.

Gute Zeiten sind unter diesen Bedingungen – den vielleicht wirklich schlechtesten in der gesamten Geschichte des Frankfurt Marathons - nun wahrlich nicht zu erwarten. Doch die Läufer an der Spitze mühen sich redlich die von ihnen erwarteten Leistungen dennoch zu bringen. Eine rund zehnköpfige Spitzengruppe passiert die Halbmarathonmarke immerhin in einer Zeit knapp über 66 Minuten.

Wie nicht anders zu erwarten dominieren die Afrikaner. Der Sieger von 2000 und Dritte von 2001 Henry Cherono wird unter anderem noch von seinen Landsleuten Eliud Kering, James Moiben und Barnabas Rutto begleitet. Auch Lucketz Swartbooi findet sich noch in dieser Gruppe. Der Namibier, der 1993 in Stuttgart hinter dem für die USA startenden gebürtigen Südafrikaner Mark Plaatjes überraschend Vizeweltmeister geworden war, wird als Neunter in 2:19:49 den in ihn gesetzten Hoffnungen nicht voll gerecht werden. Marek Dryia ist diesmal für die in Frankfurt beinahe traditionell starken Polen vorne dabei. Und die fernöstliche Marathonhochburg Japan wird durch Daisuke Isomatsu und Koji Kimura in der Kopfgruppe vertreten.

1. Eluid Kering 9. Lucketz Swartbooi 7. Michael Buchleitner 5. Daisuke Isomatsu 15. André Green

Deutsche sucht man vergeblich. Und dennoch wird an der Spitze auch Deutsch gesprochen. Michael Buchleitner aus Österreich lässt sich von Trainingspartner Carsten Eich auf dem Fahrrad begleiten. Mit dem Ausgang des Rennens hat der Wiener zwar nichts zu tun. Und sowohl persönliche Bestzeit wie auch Landesrekord sind über drei Minuten von seiner 2:15:43 entfernt. Doch auf Gesamtrang sieben ist er immerhin acht Minuten und genauso viele Plätze besser wir der schnellste Deutsche André Green von der LG Wedel-Pinneberg

Nach und nach schütteln die Kenianer alle ihre Begleiter ab. Doch erst als sie schon wieder auf die City zulaufen, werden auch unter ihnen langsam die Plätze ausgekämpft. Langsamer sind sie unterwegs auch dank des nun von hinten schiebenden Windes nicht geworden. Überraschungsmann Eliud Kering, der im Gegensatz zu seinen verbliebenen Konkurrenten bei der Vorstellung der Spitzenläufer im Programmheft nicht einmal erwähnt wird, gelingt sogar ein „negative split“, als er in 2:12:32 das Zielband durchläuft.

Henry Cherono vervollständigt als Zweiter nach 2:12:46 seine Sammlung von Treppchenplätzen. Und auch James Moiben, der zehn Sekunden später die Zeitmessung auslöst, hat noch Sichtkontakt zum Sieger. Barnabas Rutto verliert dagegen auf den letzten beiden Kilometern noch über eine Minute, doch mit 2:14:02 sorgt er für einen Vierfach-Erfolg für das Läuferland im Osten Afrikas.

Marek Dryja fängt den teilweise mit fast einer Minute Vorsprung vor ihm liegenden Japaner Daisuke Isomatsu, der ähnlich wie Rutto zum Ende fast steht, kurz vor dem Ziel noch ab und läuft in 2:14:32 auf Rang fünf. Isomatsu rettet sich nach 2:14:51 über die Linie.

Während bei den Männern konkurrenzfähige Einheimische nicht zu entdecken sind, ist die Favoritin bei den Frauen sehr wohl Deutsche, selbst wenn sie ursprünglich aus Rumänien stammt. Vorjahressiegerin Luminita Zaituc hat im Sommer mit der Silbermedaille bei der EM in München auch international überzeugt und geht mit der klar besten Hausmarke ins Rennen. Ihre Überlegenheit auf dem Papier wäre noch größer, hätte sich nicht relativ kurzfristig die Spanierin Maria Abel, die im Frühjahr bei ihrem Sieg in Valencia mit 2:28 nur zwei Minuten langsamer war als Zaituc bei ihrem Streckenrekord im Vorjahr, angesagt.

Bis Höchst laufen beide dann auch mehr oder weniger zusammen. Und trotz der windigen Bedingungen ist bei Halbzeit sogar der Streckenrekord noch im Bereich des Möglichen. Dann stellen sich jedoch bei der für die LG Braunschweig laufenden Luminita Zaituc Krämpfe ein und Maria Abel kann sich im letzten Drittel noch deutlich absetzen.

1. Maria Abel 3. Inga Juodiskiene 5. Vera Notz-Umberg 2. Luminita Zaituc 4. Lena Gavelin

Mit 2:26:58 erzielt sie nicht nur eine neue persönliche Bestzeit, auch der spanische Landesrekord wackelt. Ganze sieben Sekunden schrammt die zierliche Galizierin an der Bestmarke vorbei. Gerade noch unter 2:30 rettet sich Luminita Zaituc über die Linie. Bei 2:29:57 bleiben die Uhren für sie stehen - zum dritten Mal Platz zwei in diesem Jahr nach dem Hamburg Marathon und der Europameisterschaft von München.

In Begleitung ihres in Frankfurt gut bekannten Landsmannes Ceslovas Kundrotas läuft die Litauerin Inga Juodeskiene mit 2:31:29 auf Gesamtrang drei und schiebt sich damit diesmal an Lena Gavelin aus Schweden vorbei, die 2:33:40 benötigt und im Vorjahr noch eine Minute vor der Baltin einkam.

Mit Vera Notz-Umberg (2:38:10) aus der Schweiz als Fünfte ist nicht nur zum wiederholten Mal eine Eidgenossin am Main im Vorderfeld platziert. Ihr Trainer ist ebenfalls ein durchaus gern gesehener Gast. Richard Umberg hatte schon die inzwischen tödlich verunglückte Frankfurt-Siegerin von 1995 Franziska Moser zur Spitzen-Marathonläuferin aufgebaut. Nun versucht er das Gleiche auch mit seiner Tochter.

Ganze neun von fast tausend Frauen im Ziel unterbieten die drei Stunden. Außer Luminita Zaituc ist keine weitere Deutsche dabei. Doch auch bei den Männern sieht es kaum besser aus. Schon bei Eintrag 225 in der Ergebnisliste taucht die erste drei in der Nettozeit auf. Dabei wird mit 7249 Läuferinnen und Läufern immerhin die viertgrößte Zahl an Teilnehmern im Ziel registriert. Die Witterung mag zwar als Begründung für die insgesamt betrachtet noch nie so schwachen Zeiten herangeführt werden, doch die Ergebnisse an der Spitze zeigen, dass man an diesem Tag sehr wohl schnell laufen kann.

Zumal man mit drei Stunden dem Schlimmsten noch entgeht. Denn je später es wird, umso heftiger stürmt es. Zwar biegen sich auch als die Schnellsten die letzte Schleife in den Häuserschluchten der Innenstadt absolvieren schon die Fahnenmasten im Wind und manche Absperrung kracht scheppernd auf den Asphalt. Doch richtig unangenehm wird es erst, als sich der Schwanz des Feldes wieder der City nähert. Die Schräglagen, mit denen sich die Läufer gegen den Sturm stemmen, sind dabei schon ziemlich beachtlich. Vergessen wird diesen Frankfurt Marathon jedenfalls niemand, der daran teilgenommen hat.

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Über ein Jahrzehnt war sie vor und vor allem nach dem Marathon der Treffpunkt für Tausende von Läuferinnen und Läufern, an dem man das Rennen gemütlich zusammen sitzend noch einmal durcharbeiten konnte. Dass die oberen Rängen dabei auch von vielen zum Umziehen benutzt wurden, machte die Frankfurter Festhalle zudem zu einer riesigen Umkleidekabine.

Doch ab 2003 haben die Organisatoren der „Gut Stubb“ am Wettkampftag eine neue Rolle zugedacht. Während sie am Samstag nach wie vor voll bestuhlt die Nudelparty beherbergt, kommt sie zum Marathon diesmal ziemlich ausgeräumt daher. Die Aufbauten am einen Ende der Halle macht jedoch klar, was sich von nun an unter ihrer Kuppel abspielen soll. Die Friedrich-Ebert-Anlage vor der Messe hat als Zielbereich ausgedient. Von nun an absolviert man die letzten Meter in der Arena der Festhalle.

Ganz so neu, wie man sie macht, ist die Idee zwar nicht. Schon der Bremen Marathon in den Achtzigern endete in der dortigen Stadthalle. Auch beim Swiss Alpine in Davos lief man schon einmal in der Eishalle ein. Und nur einen guten Monat später können wettkampffreudige Marathonis in Ägidienberg eine weitere klassische Distanz unter einem Dach beenden.

Doch etwas besonderes ist dieser Einlauf natürlich dennoch – allerdings vor allem für die Zuschauer. Sie stehen oder sitzen gar nun mit direktem Blick aufs Ziel im Warmen und Trockenen, gerade bei den manchmal recht ungemütlichen Frankfurter Wetterverhältnissen ein unschätzbarer Vorteil. Für die Läufer ist das Erlebnis Festhalle dagegen schnell beendet. Nach etwa hundert Metern müssen sie auf der anderen Seite sofort wieder hinaus komplimentiert werden, um den gefürchteten Rückstau im Ziel zu vermeiden.

1. Luminita Zaituc 2. Larissa Malikova 3. Claudia Oberlin

Wieder einmal wird über eine der Neuerungen am Main fleißig diskutiert. Nicht alle sind zum Beispiel glücklich darüber, nach 42,1 Kilometern im Freien ausgerechnet auf den letzten Metern kreislaufbelastend in eine warme, stickige Halle hinein zu laufen. Anderen - gerade den alten Haudegen – ist die dortige Disco-Atmosphäre des guten ein wenig zu viel. Insbesondere von der in den letzten Jahren neu hinzugekommenen Eventläufer-Fraktion wird eben dies jedoch gelobt.

Natürlich ballen sich nun auch die Zuschauer auf den Tribünen der Festhalle, während auf der einstigen Zielgerade Friedrich-Ebert-Anlage dagegen wieder ohne Probleme Plätze in der ersten Reihe zu finden sind. Dabei gäbe es für die Fans eine eigentlich noch viel geeignetere Stelle, um die Marathonläufer zu beklatschen. Gleich fünfmal können sie ihre Lieblinge und den Rest des Feldes an sich vorbei kommen sehen und müssen sich dafür nicht einmal bewegen.

Wurde der Innenstadtteil der Mainzer Landstraße zwischen dem Platz der Republik und der Taunusanlage bisher schon einmal direkt nach dem Start und dann noch zweimal auf dem abschließenden Schlenker durch die City belaufen, sind durch die diesjährige Kursumgestaltung noch einmal zwei Passagen auf diesem Streckenabschnitt hinzugekommen. Nach einer kurzen Schleife nach Norden kehrt man nämlich nun zwischen Kilometer sieben und acht fast bis zur Messe zurück, wendet dort und läuft den gleichen Weg noch ein weiteres Mal auf die Bankenhochhäuser zu, zwischen denen es dann wieder auf die bekannte Streckenführung über die Alte Brücke hinüber nach Sachsenhausen geht.

Wieder einmal herrscht kühles und windiges Wetter, als um elf Uhr für das Läuferfeld der Stertschuss kracht. Die fast exakt tausend Skater sind zu diesem Zeitpunkt bereits eine dreiviertel Stunde unterwegs. An einem zu frühen Start kann es also wohl kaum liegen, dass nicht mehr Rollschuhfahrer den Weg zur Festhalle finden. Zumal Frankfurt ja praktisch immer am Wochenende der Zeitumstellung stattfindet und die Teilnehmer dadurch sogar noch eine zusätzliche Stunde Schlaf geschenkt bekommen. Es ist wohl eher die Jahreszeit, die den Skatern nicht entgegenkommt. Und vielleicht ist der große Boom dieser Modesportart auch schon wieder vorbei, denn die Teilnehmerzahlen waren auch schon deutlich höher.

Während die Sieger auf Rollschuhen, Benjamin Zschätzsch und Nina Spilger, nicht nur aus Deutschland sondern sogar aus Südhessen stammen, vermisst man an der Spitze des Läuferfeldes wie fast schon üblich die Einheimischen. Sebastian Bürklein wird als Gesamtdreizehnter in 2:18:04 in der nationalen Wertung am weitesten oben stehen. Doch auch er hat bereits nach der Einführungsschleife den Kontakt zur Kopfgruppe verloren. Zwei Hände voll Kenianer um Vorjahressieger Eliud Kering werden dort von einer Handvoll Russen und Ukrainer begleitet.

1. Boaz Kimaiyo 2. Leonid Shvetsov 4. Banjamin Itok 5. Dimitri Baranowski 13. Sebastian Bürklein

Eine Konstellation, aus der bei Streckenhälfte zwar der eine oder andere heraus gefallen ist, die aber im großen und ganzen noch Bestand hat, als man auf Streckenrekordkurs die Halbzeitmarke passiert. Zehn Kilometer später sind dann die Kenianer jedoch endgültig unter sich. Während sich der Gewinner von 2002 Eliud Kering bald darauf nach hinten verabschiedet, auf dem Schlussstück völlig einbricht und nach 2:20:40 auf einen enttäuschenden achtzehnten Platz ins Ziel kommt, löst sich Boaz Kimaiyo auf dem Rückweg von Höchst nach Frankfurt von seinen letzten verbliebenen Landsleuten.

Keiner von ihnen wird Kimaiyo mehr gefährlich werden. Und dennoch ist das Rennen für den Ostafrikaner noch nicht gewonnen. Denn auf den letzten Kilometern fliegt der eigentlich schon abgehängte Russe Leonid Shvetsov heran. Erst ein Zuruf vom Begleitmotorrad macht den Kenianer auf die drohende Gefahr aufmerksam. Die letzten Kräfte mobilisierend hält er noch einmal dagegen und rettet fünf Sekunden vor dem trotz grandioser Aufholjagd knapp geschlagenen Shvetsov ins Ziel.

Unter dem alten Streckenrekord bleiben beide. Erstmals wird am Main die Marke von 2:10 unterboten. Und das gleich doppelt, denn für Kimaiyo werden 2:09:28 und für Shvetsov 2:09:33 gestoppt. Hinter Berlin und Hamburg hat sich der Frankfurt Marathon zumindest von der Zeit her wieder eindeutig auf Rang drei positioniert.

Durch Paul Kiptanui (2:11:12) und Benjamin Itok (2:11:54) gehen die Plätze drei und vier an weitere Kenianer aus der ehemaligen Spitzengruppe. Der Ukrainer Dimitri Baranowski sorgt in 2:12:47 für die zweite osteuropäische Auflockerung des afrikanischen Blocks, bevor mit Julius Ruto nach 2:13:03 der nächste Kenianer einläuft. Insgesamt sieben der ersten elf Marathonis im Ziel stammen aus dem Läuferland in Ostafrika.

1. Luminita Zaituc Luminita Zaituc mit ihren Tempomachern
Dick van den Broek und James Tanui (†)
4. Maria Jose-Pueyo Bergua 5. Ulrike Hoeltz

Weit weniger spannend als im Männerrennen geht es bei den Frauen zu. Luminita Zaituc läuft an der Spitze allein vorneweg. Die Kühle, gegen die sie sich mit langen Hosen und langärmligen Laufhemd schützt, scheint ihr fast mehr zuzusetzen als die Konkurrenz, von der sie sich schon auf den ersten Kilometern löst. Aus zweieinhalb Minuten Vorsprung zur Streckenhälfte werden im Ziel beinahe dreieinhalb. Auch wenn die für die LG Braunschweig laufende Zaituc ihr Angangstempo im Streckenrekordbereich nicht ganz halten kann, siegt sie nach 2:29:41 klar vor der mit 2:32:59 gestoppten Larissa Malikova.

Wenigstens auf Rang drei und vier gibt es einen Platzwechsel. Die schnell anlaufende Maria Jose Pueyo Bergua aus Spanien wird jenseits der Halbmarathonmarke von der Schweizerin Claudia Oberlin überholt und mit 2:35:17 zu 2:39:08 noch deutlich deklassiert. Auch die Gesamtfünfte und W40-Siegerin Ulrike Hoeltz von der LSG Karlsruhe läuft sich mit zwei gleichschnellen Hälften noch einige Plätze nach vorne.

Ihre 2:49:15 ist die letzte Frauenzeit unter 2:50. Nur fünf weitere Damen unterbieten die drei Stunden. Dazu kommen noch 358 Männer. Mit insgesamt 7098 Zieleinläufen bewegt man sich etwas unter dem Vorjahresniveau. Doch sorgen über dreihundert der neu hinzugekommenen Viererstaffeln dafür, dass man von Veranstalterseite vor Presse und Sponsoren mit entsprechend großen Zahlen operieren kann.

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Es ist ein bekanntes Gesicht, dass im Jahr 2004 beim Frankfurt Marathon als Sieger gefeiert wird. Mehrfachsieger gab es am Main mit Herbert Steffny und dem Esten Pawel Loskutow ja schon, doch kein Mann hat es bisher geschafft, seinen Vorjahreserfolg zu wiederholen. Boaz Kimaiyo ist der Erste, dem dieses Kunststück gelingt, das bei den Damen neben der Kenianerin Esther Barmasai auch schon den deutschen Assen Katrin Dörre-Heinig und Charlotte Teske glückte.

Zwei Streckenrekorde in zwei aufeinanderfolgenden Jahren konnte aber weder ein Athlet noch eine Athletin bisher erzielen. Doch der Kenianer drückt seine gerade einmal zwölf Monate alte Bestzeit noch einmal um achtzehn Sekunden nach unten. Bei 2:09:10 bleiben die Uhren diesmal in der Festhalle für ihn stehen. Dabei sitzt Kimaiyo im Gegensatz zu 2003 gar kein direkter Konkurrent im Genick. Zeit- und Rekordprämien sind für den Ostafrikaner allerdings Anreiz genug, um bis zum Ziel alles zu geben.

Zwar steht sein Sieg zur Halbzeit noch lange nicht fest. Doch findet sich zu diesem Zeitpunkt niemand, der nicht auf einen Sieger aus dem kenianischen Hochland tippt. Über ein Dutzend Läufer stark ist die Gruppe, die an der Halbmarathonmarke in 1:04:30 vorbei rauscht. Und kein einziger davon stammt nicht aus Kenia! Die afrikanische Dominanz, die sich über Jahre langsam aufbaute, ist inzwischen kaum noch zu überbieten.

4. Maija Oravamäki Elena hinter Olesya Nurgalieva kurz vorm Ziel Elena (li.) und Olesya kurz vor dem Start

Nach verbummelten ersten fünf Kilometern, auf denen der eine oder andere Osteuropäer und auch die deutsche Hoffnung Carsten Eich noch mithalten konnten, haben die Kenianer einmal kurz angeruckt, den zweiten Fünfer eine Minute schneller unter einem Dreier-Schnitt absolviert und sind damit erst einmal unter sich.

Nach zwei Dritteln der Distanz zieht Kimaiyo das inzwischen wieder etwas gemäßigtere Tempo erneut an und nur noch Luke Kibet kann zu diesem Zeitpunkt mithalten. Doch einige Kilometer später geht auch Kibet die Kraft aus und Kimaiyo nimmt die letzten Abschnitte der ihm wohl bekannten, weil gegenüber dem Vorjahr unveränderten Strecke alleine in Angriff.

Hinter dem neuen, alten Streckenrekordler muss sich Kibet noch ziemlich lang machen, um den gegen Ende etwas aufkommenden Benjamin Rotich auf Distanz zu halten. Doch mit 2:11:28 bleibt ihm schließlich eine gute Viertelminute vor seinem 2:11:45 laufenden Landsmann. John Rono (2:12:59) und Fred Mogaka (2:14:28) verlieren zwar auf der zweiten Hälfte noch deutlich an Boden, sorgen aber für einen am Main noch nie erlebten Fünffacherfolg von Läufern einer Nation.

Erst der Ukrainer Dmitri Baranovski kann sich wie im Vorjahr mit 2:15:03 in die Phalanx der Afrikaner hinein mogeln. Doch die nächsten drei Plätze gehen ebenfalls wieder nach Kenia. Der bekannteste Mann, der 2:06:54-Läufer und Chicago-Sieger von 1998 Ondoro Osoro wird dabei in 2:15:54 „nur“ Neunter hinter Eric Kiptoon (2:15:04) und Francis Kiprop (2:15:13). Doch muss der sechsunddreißigjährige Senior des Kenia-Expresses nach einer bei einem Raubüberfall erlittenen Schussverletzung froh sein, überhaupt wieder auf diesem Niveau laufen zu können.

Boaz Kimaiyo mit dem 3-fachen Sieger
Herbert Steffny im Gespräch
12. Carsten Eich 2. Luke Kibet 1. Boaz Kimaiyo

Eine gute Minute später läuft Carsten Eich in 2:17:00 auf Gesamtrang zwölf als bester Deutscher ins Ziel. Mit Zielvorgabe „2:12“ ins Rennen gegangen, muss der für die LG Braunschweig laufende Leipziger auf dem letzten Drittel mit muskulären Problemen das Tempo deutlich herausnehmen. Doch einheimische Konkurrenz braucht er dennoch nicht zu fürchten. Erst mehr als zehn Minuten später ist der nächste Deutsche im Ziel. Auffallend ist die Lücke, die hinter der Spitze klafft. Vierzehn Männerzeiten unter 2:20 folgen nur noch sechs weitere unter 2:30.

Dazu kommen noch die beiden schnellsten Frauen. Mit 2:29:48 bleibt die Siegerzeit im Damenrennen zum zweiten Mal in Folge knapp unter dieser Marke. Und nur eine Sekunde später überquert auch die Zweite die Zielmatte. Doch was im ersten Moment nach einem dramatischen Rennen aussieht, ist in Wahrheit eine schwesterliche Zusammenarbeit.

Die russischen Zwillinge Olesya und Elena Nurgalieva, die mit etlichen guten Platzierungen bei den südafrikanischen Klassikern Comrades und Two Oceans Marathon ihre Leistungsfähigkeit auch im Überdistanzbereich bewiesen haben, setzen sich auf dem letzten Drittel ab und laufen einträchtig nebeneinander auf das Ziel zu. Dass der knappe Erfolg von Olesya nach den Sieg von Elena beim 56 Kilometer langen Kapstädter Two Oceans dann Stallregie gewesen wäre, weisen sie später zwar von sich. Doch ein wirklicher Sprint auf Biegen und Brechen zwischen beiden ist in der Festhalle auch nicht zu erkennen.

Was bei den Männern die Kenianer übernehmen, ist im Frauenrennen Sache der Russinen. Gleich vier von ihnen führen bis weit jenseits der Halbmarathon-Marke das Rennen an. Dann steigt die Vorjahreszweite Larissa Malikowa, die auf der ersten Hälfte das Tempo bestimmte, aus und die Zwillinge verabschieden sich endgültig von Julia Vinokurowa, die nach 2:32:29 immerhin Dritte wird. Erst danach kommt mit Gladys Asiba die erste weibliche Vertreterin des bei den Herren so dominanten Kenia. Hinter ihrer 2:35:16 läuft nur noch die Finnin Maija Oravamäki mit 2:39:37 unter 2:40.

Dahinter klafft ein Loch, das noch viel dramatischer wirkt als bei den Männern. Erst bei 2:54 findet sich der nächste Eintrag in der Ergebnisliste. Und insgesamt nur elf Frauen kommen in weniger als drei Stunden ins Ziel. Die Herren legen mit 383 Einläufen unter der früheren Leistungsläufer-Marke zwar etwas zu. Aber die Quote ist dennoch schlechter als im Vorjahr, denn auch die Gesamtzahl der Teilnehmer, die im Ziel die diesmal den Einlauf in der Festhalle darstellenden Medaille umgehängt bekommen, wächst auf 8282. Der zweitgrößte Wert in der nun 23-jährigen Geschichte des Frankfurt Marathons.

Nachlesen kann man die Zahl jedoch erstmals nicht mehr auf Papier. Zwar bekommt man einige Wochen nach dem Lauf noch einen Umschlag mit der Urkunde und einer Broschüre. Doch darin sind nur noch ein paar Bilder und die Anzeigen der Sponsoren. Die Namen der Teilnehmer findet man nun auf der ebenfalls mitgeschickten CD. Die Zeiten, in denen man sehnsüchtig auf die Ergebnisliste wartete, sind angesichts der inzwischen schon direkt nach dem Rennen im Internet nachzuvollziehenden Platzierungen allerdings längst vorbei.

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Hatte das Organisationsteam um Jo Schindler im ersten Jahr ihrer Zuständigkeit mit den wohl widrigsten Bedingungen aller Frankfurt Marathons zu tun, werden sie drei Jahre später dafür mit einem Traumtag entschädigt. Strahlende Sonne und angenehme Temperaturen im zweistelligen Bereich locken die Zuschauer in Scharen an die Strecke. Auch der großen Zahl der Freizeitläufer ist dieses Wetter sicher lieber als empfindliche Kühle. Nur einige der um die Preisgelder kämpfenden Asse lassen schon vor dem Start verlauten, dass es für Rekordzeiten vielleicht doch etwas zu warm werden könnte. Doch mit der Hitzeschlacht des Jahres 1989 sind die Verhältnisse nicht zu vergleichen.

Dennoch wird die eigentlich etwas schneller vorgesehene Zeitvorgabe der Tempomacher für die erste Rennhälfte zur Sicherheit auf 1:04:40 nach oben gesetzt. Eine Zwischenzeit, die bei gleichmäßigem Durchlaufen allerdings immer noch in den Bereich des Streckenrekords führen würde. Ein prominenter Hase setzt den Plan dann auch fast auf die Sekunde genau um. Carsten Eich beweist damit nicht nur sein Tempogefühl sondern auch, dass er nach einer Verletzung wieder ganz gut in Form ist.

Einen riesigen Pulk hat er zu diesem Zeitpunkt noch im Schlepptau. Mehr als zwanzig vor allen Dingen aus Kenia stammende und um einige Äthiopier verstärkte Laufprofis haben die Vorgabe angenommen. Der vor zwei Jahren so knapp geschlagenen Leonid Shvetsov hält die europäischen Farben in der Kopfgruppe hoch. Janne Holmen, der finnische Überraschungseuropameister von München, ist dagegen längst abgehängt und wird später in 2:14:58 auf Platz elf einlaufen. Ein Bummelrennen wie es ihm bei seinem Titelgewinn in der bayerischen Hauptstadt zugute kam, darf man aber angesichts der Besetzung auch kaum erwarten.

2. Marleen Renders Hessenmeister Tobias van Ghemen & Veronika Ulrich erhalten Boston-Reise aus der Hand der Pilgrims Janne Holmen und Nina Podnebesnova beim Einlaufen vor dem Start

Auch zehn Kilometer später hat das noch immer zusammen durchlaufende Dutzend Afrikaner den Russen nicht abschütteln können. Vorjahressieger Boaz Kimaiyo muss auf der Jagd nach seinem dritten Erfolg in Serie wenig später abreißen lassen. Die 2004 auf den Plätzen drei bzw. vier einkommenden Benjamin Rotich und John Rono können ebenfalls nicht mehr mitgehen. Sie landen am Ende auf den Rängen dreizehn und vierzehn.

Doch aus dem riesigen Reservoir der für ihren Lebensunterhalt laufenden jungen Burschen aus Ostafrika kommen ständig neue Gesichter. Betrachtet man sich die Marathonbestenliste der letzten Jahre so geht eigentlich immer über die Hälfte der schnellsten einhundert Zeiten auf das Konto kenianischer Athleten. Und bis man dort den ersten Deutschen findet, hat man sogar rund 150 unterschiedliche Namen mit dem dahinterstehenden Kürzel „KEN“ gelesen. So sind es dann auch diesmal in Frankfurt wieder vier Kenianer, die den Sieg unter sich ausmachen.

Wilfred Kigen und sein Cousin Wilson, Jason Mbote und Charles Kibiwot können zwar auf den letzten Kilometern noch den Russen, der als letztes an ihnen hing, loswerden. Doch weiter verkleinern lässt sich die Gruppe nicht mehr. Als Quartett biegen sie ins Messegelände ein. Und beim Einlaufen in die Festhalle wird gespurtet, was die Beine hergeben. Fast im Sekundentakt laufen Wilfred Kigen (2:08:29), Jason Mbote (2:08:30), Wilson Kigen (2:08:34) und Charles Kibiwot (2:08:36) über die Zielmatte. Alle vier mit einer deutlich schnelleren zweiten Hälfte und alle vier unter dem alten Streckenrekord.

Leonid Shvetsov geht zum Schluss doch etwas die Puste aus, dennoch kann er mit 2:10:05 auf Rang fünf die restlichen Läufer der ehemaligen Spitzengruppe hinter sich lassen. Der Äthiopier Tesfaye Dereje zwängt sich in 2:11:47 ebenfalls noch zwischen die Läufer aus dem Nachbarland. Doch dann kommt mit Philip Tarus (2:12:33), Matthew Birir (2:12:41), Abraham Tandoi (2:13:04) und Peter Korir (2:14:22) der nächste Kenia-Block. Bester Deutscher wird auf Platz achtzehn in 2:26:47 der für den ASC Darmstadt startende Tobias van Ghemen.

Sind es bei den Männern dichte Gruppen, die bis zum Schluss das Rennen bestimmen, ist bei den Frauen Marleen Renders schnell allein auf weiter Flur. Die Belgierin legt mit 1:11:54 ein geradezu höllischen Anfangstempo vor, so dass ihren Konkurrentinnen nicht einmal ihre Rückenansicht bleibt. Doch auch die Verfolgergruppe mit der Russin Alevtina Biktimirova, Mary Ptikany aus Kenia sowie den Äthiopierinnen Tola Roba und Mindaye Gishu ist mit ihrer Zwischenzeit nicht weit vom Streckenrekord entfernt.

5. Leonid Shvetsov 7. Philip Tarus Pacemaker Carsten Eich Pace & 9. Abraham Tandoi 18. Hessenmeister Tobias van Ghemen

Bis fünf Kilometer vor dem Ziel liegt die lange verletzte Belgierin, die mit Siegen in Paris und Berlin auch schon bei einigen ganz großen Marathons ganz oben auf dem Treppchen stand, in Führung. Doch während die Schritte von Renders stetig schwerer werden, dreht hinter ihr Alevtina Biktimirova immer stärker auf. Einer 1:13:17 lässt sie eine 1:11:55 folgen und verbessert damit nicht nur den Streckenrekord auf 2:25:12, sondern pulverisiert ihre persönliche Bestzeit von 2:31 regelrecht. Marleen Renders bleibt mit 2:26:26 beim Comeback immerhin Platz zwei.

Erst drei Minuten später folgen mit Tola Roba (2:29:30) und Mary Ptikany (2:29:45) die nächsten beiden Läuferinnen. Wesentlich gleichmäßiger als die jungen Afrikanerinnen kommt die erfahrene Russin Svetlana Ponomarenko nach zwei fast gleichschnellen Hälften in 2:31:26 ins Ziel, während Mindaye Gishu nach flottem Beginn doch ziemlich einbricht und 2:33:05 benötigt. Tatyana Zhirkova (2:37:06) und Olga Glok (2:38:06) sorgen dafür, dass die Russinnen wie schon mehrfach in den letzten Jahren fast die gleiche Rolle beim diesmal nur noch „messefrankfurt marathon“ betitelten Lauf spielen wie die Kenianer bei den Männern.

Hinter Tanith Maxwell aus Südafrika, die mit 2:41:03 als einzige im Zeitbereich zwischen 2:40 und 2:50 unterwegs ist, holt sich Veronika Ulrich von der LG Neu-Isenburg-Heusenstamm in 2:51:07 den Hessenmeistertitel und die dafür ausgelobte Reise zum Boston Marathon. Zwölf weitere Frauen und damit insgesamt 21 bleiben unter der Drei-Stunden-Marke. Ein deutlicher Leistungssprung gegenüber dem Vorjahr. Doch auch die Gesamtzahl der Läuferinnen nimmt langsam zu. Mit 1461 überqueren so viele Frauen wie noch nie die Ziellinie in der Festhalle. Inzwischen geht immerhin ein Sechstel von insgesamt 8842 Zieleinläufen auf das Konto der Damen.

1. Alevtina Biktimirova 2. Marleen Renders v.l. 3. Tola Roba, 4. Mary Ptikany, 6. Mindaye Gishu
und Frauenhase 2 Stephen Tapala
5. Svetlana Ponomarenko

Nur hauchdünn verpasst man damit einen neuen Allzeitrekord, denn für 2001 ist die Marathonergebnisliste um gerade einmal fünf Einträge länger. Rechnet man jedoch die über 900 Staffeln, etwa 800 Skater sowie die knapp 1300 Schülerinnen und Schüler, deren Rennen nach einer Fehlleitung und dem daraus entstandenen Durcheinander im Vorjahr diesmal wieder in geordneten Bahnen verläuft, hinzu, dann war die Beteiligung am Main noch nie so hoch wie 2005. Eine fünfstellige Zahl von Marathonis rückt langsam in greifbare Nähe. Zumal das kommende Jubiläum das Interesse sicher nicht kleiner werden lässt.

Und das wirft bei der vierundzwanzigsten Austragung schon einen Schatten voraus. Denn während des Laufes werden Aufnahmen für einen Tatort-Krimi gemacht, der am Abend des Jubiläumsrennens ausgestrahlt werden soll. Natürlich kann man nicht alles an diesem Tag in den Kasten bringen. Und so werden die Läufer der Umgebung dann auch aufgefordert sich einige Wochen später noch einmal als Statisten zur Verfügung zu stellen. Doch der nachgestellte Mord in der Startphase lässt sich zumindest für die Läufer im hinteren Bereich des Feldes sehr wohl beobachten.

Ob der Tatort dabei wirklich spannender wird als der Marathon selbst, wird man erst im Nachhinein entscheiden können. Denn in seiner bisher ein Vierteljahrhundert umfassenden Geschichte hat der Frankfurt Marathon schließlich auch sportlich den einen oder anderen Krimi geboten. Und so mancher wird vermutlich noch kommen. Nichts spricht zur Zeit nämlich dafür, dass der älteste deutsche Stadtmarathon nicht auch in Zukunft ein wichtiger Höhepunkt im Terminkalender von Frankfurt sein wird.

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Einzig der ausgebliebene Streckenrekord vermochte dem Jubiläum das i-Tüpfelchen zu verweigern. Doch das lag nicht an den Organisatoren, denn noch können Marathon-Veranstalter nicht aufs Wetter Einfluss nehmen. Fernsehpräsenz und Spitzenathleten satt. Dazu tummelte sich jede Menge Prominenz aus 25 Jahren Langstreckenlauf auf und an der Strecke. Selbst der Sorge, nun wäre alles verpulvert und nach dem Höhenflug müsse im Jahr 26 am Main eine harte Landung folgen, begegnete Organisationsleiter Jo Schindler noch auf der Abschlusskonferenz mit Visionen und der Vorstellung des neuen Namenssponsors „Dresdner Kleinwort“, der die Messe Frankfurt ablöst, und dem Marathon in der Bankenstadt für einige Jahre finanziell den Rücken decken wird.

Mit 17.483 Teilnehmern in allen Bewerben sowie 11.242 Marathonanmeldungen wurden Bestmarken gesetzt. Dass beim Marathon mit 8844 die Vorjahresmarke um sechs Zieleinläufer verpasst wurde, ist bedauerlich. Wirkungsvolles Aushängeschild im globalen Wettstreit um Teilnehmer sind Streckenbestzeiten, vermitteln diese doch mehr als Hochglanzprospekte die Grenzen und Möglichkeiten eines Marathons. In Frankfurt kann mit der Weltklasse gelaufen werden und zweifellos schnell. Auch viele Eliteläufer stellen in den Hochhausschluchten persönliche Bestzeiten auf, aber absolute Top-Zeiten werden 2006 in Frankfurt um ein paar Sekunden verpasst.

Starker Auftritt der Schülerinnen Mini-Marathonis rasen über den Opernplatz Minis verlassen das Feld vor die Marathonspitze

Allen Voraussagen zum Trotz blieb das Wetter am Marathonwochenende zunächst konstant gut. Der Regen scherte sich nicht darum, angekündigt zu sein und blieb aus. Am Freitag war es sogar schlicht weg zu warm. Dabei ist die Temperatur in Frankfurt fast zweitrangig, denn die Furcht gilt in erster Linie dem Wind, der gern böig und zuweilen orkanartig durch die Häuserschluchten pfeift und ein Vorankommen zum Kraftakt machen kann. Das Entgegenstemmen ist dann die Aufgabe der Tempomacher, in deren Schatten sich die Spitzenläuferinnen mitunter bis ins Ziel hangeln.

Bedrohlich zog am Himmel eine schwarze Wolke auf, als sich das Feld vor dem Messeturm in Bewegung setzte. Dem Jubiläum trugen die Medien mit Berichten schon im Vorlauf Rechnung. Nicht wenige der Siegerinnen und Sieger aus 24 Marathons waren der Einladung der Stadt Frankfurt gefolgt und nahmen sogar bevorzugt in einer der fast 1000 Viererstaffeln am Rennen teil. Premierensieger Kjell-Erik Stahl, 1981 in 2:13:20 h und 1991 als 45-jähriger mit 2:15:51 h (in Berlin) immer noch Spitze, liebäugelte am Main gar mit einem Weltrekord für 60-Jährige.

Wilfred Kigen, wie erwartet defensiv gelaufen, reichte ein trockener Antritt um sich an die Spitze und abzusetzen. Die Kür vom Platz der Republik zum Opernplatz und über die Friedrich-Ebert-Anlage hinein in die Messehalle genoss er sichtlich, nach der Pflicht des Abwartens. Eine Schwäche gönnte er den aufgereihten Konkurrenten nicht und auf der Hatz, noch eine 2:08 abzuliefern, sprintete er auch ohne Gegner über den roten Teppich, der sich erbarmungslos lang machte. Gestoppt wurden 2:09:06 h, nach 1:04:55 folgte in 1:04:11 wieder eine schnellere zweite Hälfte. Dahinter kein fast zeitgleich einlaufendes Quartett wie 2005, aber eine Dichte, die sich sehen lassen kann. Zehn Zeiten unter 2:14 h. Moses Arusei wird zweiter in 2:10:30 h. Den jungen Kenianer sollte man sich ebenso merken wie Francis Bowen, dessen Debüt auf Platz drei in 2:10:49 h endet. Uli Steidl vom SSC Hanau-Rodenbach wird in 2:24:37 h bester Deutscher.

Wilfred Kigen auf der Siegerspur verfolgt vom Pressebus kurz vor km 41 Der 22-jährige Moses Arusei wird 2ter 2. Kirsten Melkevik Otterbu (NOR) Dritter russischer Frauensieg in Folge beim Frankfurt Marathon durch Svetlana Ponomarenko

Auch die 35 Jahre alte Svetlana Ponomarenko ließ nichts mehr anbrennen, aber ihr Spurt reichte nicht, um unter 2:30 zu bleiben. Fünf Sekunden mehr wurden für sie gestoppt. Die Serie russischer Siegerinnen nach Olesya Nurgalieva (2:29:48 - 2004) und Alevtina Biktimirova (2:25:12 - 2005) konnte sie aber fortsetzen. Die um Platz drei laufenden Gruppe war geschlossen an Kutre Dulecha vorbei geeilt und hatten somit einen zweiten Podiumsplatz zu verteilen. Erst an der alten Oper auf dem 41. Kilometer platzte das Trio auseinander, oder genauer, fiel Claudia Dreher zurück. Mit 2:32:22 h blieb ihr der vierte Platz. Hafida Izem musste sich um nur 10 Sekunden der Norwegerin Kirsten Melkevik Otterbu geschlagen geben, die in 2:31:20 Zweite wurde.

Es war ein erstklassiger Marathon-Tag in Frankfurt und die Organisation hat der Stadt und allen Teilnehmern ein grandioses Wochenende bereitet. Die Zuschauer standen Spalier und erfreuten sich an den afrikanischen Läufer-Gazellen und an den Spaßläufern.

Nach dem Rennen, ist vor dem Rennen. Den ersten Dresdner Kleinwort Frankfurt Marathon wird das Jahr 2007 bringen, das ist bekannt. Der Dresdner am Main, die Elbstadt lässt grüßen. Nichts scheint unmöglich im Laufsport. Der deutsche Rekord wird bald 20 Jahre, alleine vom Alter wird er wacklig. Einen der unter 2:10 h läuft muss es doch irgendwann wieder geben, es muss ja nicht gleich eine 2:04 h sein. (2006 sind Auszüge aus dem LaufReport von Walter Wagner)

Part 1:
1981-1985
Part 2:
1987-1991
Part 3:
1992-1996
Part 4:
1997-2001
Part 5:
2002-2006
Part 6:
2007-2011

Bericht Ralf Klink
Fotos Gustav E. Schröder & LaufReport Archiv

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