Marathon in Frankfurt - Stand 2006

Ein Vierteljahrhundert deutsche Citymarathongeschichte

von Ralf Klink - Fotos: Gustav E. Schröder
Part 1:
1981-1985
Part 2:
1987-1991
Part 3:
1992-1996
Part 4:
1997-2001
Part 5:
2002-2006
Part 6:
2007-2011

1981-1985 – der Hoechst Marathon

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Das Jahr 1981 kann durchaus als ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Laufbewegung gesehen werden. Die aus der Trimm- und Jogging-Welle gewachsene Szene hat sich zu Beginn der Achtziger längst etabliert. Volksläufe, von denen die ersten knapp zwanzig Jahre zuvor nach Schweizer Vorbild auch hierzulande ins Leben gerufen wurden, zählen inzwischen über eine halbe Million Starts.

Auch die Sportartikelfirmen haben den Markt entdeckt. Statt für jede Sportart geeignete Allroundschlappen, tauchen spezielle „Joggingschuhe“ in den Geschäften auf. Und selbst wenn die meisten Läufer noch mit Netzhemden aus Baumwolle unterwegs sind, gibt es die ersten Versuche mit Produkten aus Kunstfaser.

Noch immer finden die Wettkämpfe aber praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit irgendwo in der Gemarkung statt. Marathon läuft man in Essen am Baldeneysee entlang, durch die topfebenen Wälder von Kandel und Rodenbach, über die Höhen des Schwarzwaldes in Bräunlingen und Bühlertal oder zwischen den zugigen Feldern von Herxheim in der Südpfalz. Eine Liste, die zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, trotzdem aber die Verhältnisse eigentlich vollständig aufzeigt.

Doch Marathon ist auch nicht das Wichtigste und Einzige, warum man läuft. Ganz im Gegenteil, die Marathonis sind eindeutig in der Minderheit, ja selbst in der Laufszene noch beinahe Exoten. An einen Marathon traut man sich in der Regel erst nach mehreren Jahren und vielen Rennen über zehn und zwanzig Kilometer heran. Eine Aktion wie „0 auf 42“, mit dem Ziel aus Unsportlichen sofort Marathonis zu machen, wäre undenkbar. Ein Marathonlauf ist das Ende eines Entwicklungsprozesses, nicht der Auslöser, um mit dem Sport zu beginnen.

Eigentlich ist es gar nicht das Jahr 1981 sondern schon 1980, in dem die Marathonläufer beginnen, sich die deutschen Städte zu erobern. In New York rennt man bereits seit 1976 nicht mehr Runden im Central Park sondern auf einem Punkt-zu-Punkt-Kurs durch die fünf Stadtteile. Nun findet die Idee in Europa erste Nachahmer. Stockholm und Paris 1979, Dublin 1980, London und Rotterdam 1981 springen in schneller Folge auf diesen Zug.

Auch in Deutschland kommt 1980 Bewegung in die Sache. In Berlin wird Horst Milde, der seinen bisher im Grunewald stattfindenden Marathon in die City verlagern will, der Legende nach mit den Worten „Da ist ein Verrückter, der will durch die Stadt rennen“ bei der Verwaltung, mit der er über die Umsetzung seiner Idee reden möchte, angekündigt.

Emil Zatopek gab oft den Startschuss
Foto: Gustav E. Schröder

Noch ist es für viele unvorstellbar, dass der Autoverkehr zugunsten einer Laufsportveranstaltung zurück stehen soll. Doch da die französische Schutzmacht mit ihren im Mai 1981 erstmals ausgetragenen „25 km de Berlin“ zur gleichen Zeit ebenfalls einen Lauf durch die Innenstadt plant und eine Ablehnung deshalb schwer zu begründen wäre, erhält er seine Genehmigung für den Herbst des folgenden Jahres dennoch.

An der Ruhrmündung werkelt man ebenfalls an einem Marathon. Duisburg fällt zwar mit rund fünfhundert Teilnehmern deutlich kleiner aus als der Lauf in der damals noch geteilten Stadt. Doch kommt man den Berlinern eine Woche zuvor.

Und auch in Frankfurt wird über einen Citymarathon nachgedacht. Den kreativen Köpfen der Laufabteilung des OSC Höchst um Wolfram Bleul und Hans Jürgensohn kommen dabei ihre Verbindungen zur Hoechst AG zugute. Einige sind gleichzeitig beim Chemieriesen angestellt. Und so gelingt es wider Erwarten tatsächlich den Konzern als Hauptsponsor mit ins Boot zu bekommen. Mit so einem Partner im Rücken sind die Verhandlungen mit der Stadt natürlich auch wesentlich leichter. So nimmt der für den 17. Mai 1981 angesetzte erste Stadtmarathon Deutschlands schnell konkrete Gestalt an.

Nicht nur finanziell engagiert sich die Hoechst AG. Fast noch wichtiger ist, dass der Marathon auch die logistischen Möglichkeiten des Werkes nutzen kann. Umkleiden und Duschen findet man zum Beispiel im Wasch- und Badehaus, wo sich an Werktagen auf mehreren Stockwerken die Chemiearbeiter von den Überbleibseln ihrer Tätigkeit säubern. Seltsamerweise sind am Marathontag fast nur die Räume in den unteren Etagen belegt, ja beinahe überfüllt, während oben gähnende Leere herrscht. Wer jedoch sieht, wie sich die vermeintlich Cleveren, die sich in den leeren oberen Umkleiden breitgemacht haben, nach dem Lauf die Treppe herunterquälen, versteht die Verteilung später sehr wohl.

Start und Ziel ist dann auch für alle fünf Rennen, die unter dem Namen Hoechst-Marathon gelaufen werden, direkt vor dem Osttor des riesigen Werksgeländes, das schon Luftlinie über zehn Kilometer von der Frankfurter Innenstadt entfernt ist. Der Marathonkurs ergibt sich dadurch fast von ganz alleine. Nur noch wenige Schlenker sind notwendig, um die Strecke auf die nötige Distanz zu bringen.

Auf der Nordseite des Mains geht es auf die damals noch nicht ganz so zahlreichen Hochhäuser der City zu. Nach der Passage des Römers wechselt man nach etwa der Hälfte der Strecke auf die Südseite und steuert durch Sachsenhausen, Niederrad und Schwanheim zurück in den Stadtteil, der erst in den Zwanzigern nach Frankfurt eingemeindet wurde und auch danach noch mehrere Jahrzehnte Kreisstadt des Main-Taunus-Kreises war.

Über die Rampen der Schwanheimer Brücke, auf der man den Main das zweite Mal überquert, werden auch zweieinhalb Jahrzehnte später noch die Marathonläufer fluchen. Doch nur wenige Kilometer vor dem Ziel wie beim Hoechst-Marathon entwickeln ihre wenigen Meter Höhenunterschied auf der ansonsten nahezu völlig flachen Strecke natürlich eine ganz andere Wirkung. Die letzte Schwierigkeit vor dem Zieleinlauf zwischen Tausenden von Zuschauern am Tor Ost.

Dass sie auf einmal vom Publikum an der Strecke beklatscht werden, ist für die Läufer, die bisher fast nur alleine durch den Wald gerannt waren, ein völlig neues Gefühl. Doch mit Plakaten, Handzetteln und Vorberichten in den Zeitungen haben es die Marathonmacher verstanden auch die Frankfurter zu mobilisieren. Schon bei der ersten Ausgabe werden 100.000 Zuschauer geschätzt. In späteren Jahren wird man auch einmal 300.000 und mehr angeben. Zwar sind solche Zahlen meist mit Vorsicht zu genießen und in der Regel zu hoch gegriffen, doch dass sich die Bevölkerung überhaupt für den Marathon begeistern lässt, ist schon ein absolutes Novum und wohl einer der wichtigsten Faktoren beim inzwischen legendären Ruf des Hoechst-Marathons.

Ein anderer ist die Leistungsdichte. Von 2588 beim ersten Lauf im Ziel registrierten Läufern laufen 568 unter drei und vierzig unter zweieinhalb Stunden. Heutzutage sind für solche Zahlen vier- bis fünfmal soviel Teilnehmer nötig. Und in ganz Deutschland finden sich 2005 insgesamt keine vierzig Läufer, die unter 2:30 kommen könnten. Dabei ist die erste der fünf Ausgaben sogar die qualitativ Schwächste. In den Folgejahren werden die Durchschnittsergebnisse noch etwas schneller werden.

Auch die Siegerzeit des Schweden Kjell-Erik Ståhl von 2:13:20 liegt eher unter dem Durchschnitt. Und zwar sowohl für die Marathons in Frankfurt, wie auch für den Skandinavier selbst. Denn mit einer bemerkenswerten Konstanz spult Ståhl Anfang und Mitte der Achtziger im Monatsabstand seine Rennen herunter, meist im Bereich 2:11 bis 2:14. Mehr als siebzig Mal wird er in seiner Karriere Marathons unter der Marke von 2:20 laufen und noch 1996 als Fünfzigjähriger in Stockholm eine 2:24:26 abliefern.

Kjell Erik Ståhl
Foto: Gustav E. Schröder

Neben dem Amerikaner Doug Kurtis, dem dieses Kunststück sogar noch etwas häufiger gelingt, ist der Schwede das beste Gegenbeispiel für die Theorie, dass erfolgreiches Marathonlaufen auf höchstem Niveau einzig und allein mit nur zwei bis maximal drei Starts im Jahr möglich ist. Seine Herkunft aus dem Lager der Orientierungsläufer, wo er ebenfalls dem Nationalteam angehörte, und eben nicht aus dem der Bahnleichtathleten, lässt ihn vielleicht auch leichter über diese ungeschriebene Regel der Zunft hinweg gehen.

In der absoluten Leistung ist Ståhl jedoch der Bessere der beiden Elite-Marathonsammler. Zwei Jahre nach seinem Sieg in Frankfurt wird er während der ersten Leichtathletik-WM in Helsinki beim vom Australier Robert de Castella gewonnenen Marathon Waldemar Cierpinski im Kampf um die Bronzemedaille nur um eine Sekunde unterliegen und seine Bestzeit und den noch immer gültigen schwedischen Landesrekord von 2:10:38 aufstellen.

Auch beim Hoechst Marathon 1981 ist ein Deutscher sein härtester Konkurrent. Günter Mielke, zu diesem Zeitpunkt noch im Trikot des ASC Darmstadt, später auch eine Zeit lang für den OSC Höchst startend, wird nach 2:13:58 als Zweiter im Ziel gefeiert. Sein Darmstädter Vereinskamerad Falko Will kommt in 2:15:03 vor dem Saarländer Werner Dörrenbächer (2:16:41) ins Ziel.

Der Frauenmarathon steckt Anfang der Achtziger allerdings fast noch in den Kinderschuhen, Schließlich ist es erst gut zehn Jahre her, dass sich Läuferinnen überhaupt auf die lange Strecke begeben durften. Gerade einmal 152 Damen werden dann auch beim ersten Lauf im Höchster Ziel registriert. Doris Schlosser (LG Coop Kurpfalz) ist nach 2:47:18 die Erste von ihnen. Vom anderen Ende der Welt aus Neuseeland stammt ihre Verfolgerin Gillian Drake, die mit 2:48:32 gestoppt wird.

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Nur ein Jahr später haben sich die Teilnehmerzahlen annähernd verdoppelt. 4677 der durch das tschechische Idol Emil Zatopek, von dem auch in den Folgejahren der Startschuss abgegeben wird, auf die Strecke geschickten Läufer finden ihre Namen anschließend in der Ergebnisliste.

1081 davon mit einer zwei als erster Ziffer. Siebzig Zeiten sind gar schneller als 150 Minuten.

Delfim Moreira - Foto: Gustav E. Schröder

Der Sieger der zweiten Auflage, der Portugiese Delfim Moreira, muss sich schon ganz schön lang machen, um den lange führenden Eloy Rodriguez Schleder aus Brasilien, der im Vorjahr schon Dritter war, auf Distanz zu halten. Doch der enge Zweikampf sorgt dafür, dass mit 2:12:54 der zweitschnellste Marathon aller Zeiten auf deutschem Boden gelaufen wird. Zehn Jahre nach Frank Shorters Olympiasieg ist sogar dessen 2:12:19 in Reichweite. Der Brasilianer verbessert sich von 2:14:54 im Jahr 1981 auf 2:13:08.

Bis die nächsten Läufer im Ziel begrüßt werden können, vergehen noch drei Minuten. Doch es sind mit Stephan Pichler (2:16:21), dem für die LG Frankfurt laufenden Lokalmatadoren Jürgen Dächert (2:16:53) und Eberhard Weyel (2:16:59) drei Deutsche.

Lang wird die Laufkarriere des Schnellsten von ihnen Stephan Pichler nicht dauern. Doch wird er bald in der Wirtschaft Karriere machen und zum Vorsitzenden des Reiseunternehmens Thomas Cook aufsteigen.

Im Frauenfeld, das sich mit mehr als dreihundert Zieleinläufen ebenfalls verdoppelt hat, ist Heidi Hutterer mit 2:36:38 die Schnellste. Eine halbe Minute Vorsprung hat die Landshuterin vor Christine Seemann aus Frankreich. Auch die übrigen Damen haben deutlich zugelegt. Vorjahressiegerin Doris Schlosser läuft zwar mit 2:42:26 mehr als sechs Minuten schneller als bei ihrem Erfolg, dennoch bleibt ihr hinter Gabi Wolf (2:41:29) und Heide Brenner (2:42:22) nur Platz fünf.

Heidi Hutterer
Foto: Gustav E. Schröder

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Der dritte Hoechst Marathon bringt zum dritten Mal zwei neue Streckenrekorde. Es sind zwei Türken, die bei kühlen Temperaturen und Nieselregen – den typischen Bedingungen der ersten Frankfurter Marathons – die Konkurrenz dominieren. Ahmet Altun drückt die Bestzeit um dreizehn Sekunden auf 2:12:41. Sein Landsmann Mehmet Terzi muss sich exakt in der alten Rekordmarke mit Rang zwei begnügen. Stig Roar Husby aus Norwegen (2:13:33) ist als Dritter der erste, aber nicht der letzte Läufer aus dem skandinavischen Wintersportland, der in Frankfurt aufs Siegertreppchen klettern darf.

Ralf Salzmann, Abonnementmeister der Jahre 1980 bis 1984 über diese Distanz, bleibt sieben Sekunden später nur der undankbare vierte Platz. Der aus Nordhessen stammende Polizist im Trikot der LG Frankfurt hat einige Jahre neben dem regulären Schichtdienst sein hochleistungssportliches Training zu allen denkbaren Tages- und Nachtzeiten absolviert, inzwischen ist er allerdings versetzt und findet deutlich geregeltere Laufmöglichkeiten.

Verbessern sich die Herren nur in Sekundenschritten, geht es bei den Frauen in Sprüngen von zehn Minuten voran. Nachdem sie im Jahr zuvor als eine von ganz wenigen Deutschen beim traditionsreichen Boston Marathon siegreich war, gewinnt Charlotte Teske vom ASC Darmstadt 1983 in Frankfurt mit neuer deutscher Rekordzeit von 2:28:32. Neben ihr als einziger Frau laufen immerhin 78 Männer unter 2:30. Monika Lövenich ist mit 2:31:37 nicht allzu weit vom Limit, das damals bei den Frauen den Eintritt in die Weltspitze definiert, entfernt. Premierensiegerin Schlosser, nun im Trikot des ausrichtenden OSC, verbessert sich wieder um sechs Minuten und wird in 2:36:31 Dritte.

Ffm-MA 82: Stephan Pichler (TSV Bad Wörishofen)
Foto: Gustav E. Schröder

Mit 5117 Läuferinnen und Läufern im Ziel ist ein weiterer leichter Zuwachs festzustellen. Schon nach zwei Jahren hat der Hoechst Marathon seinen festen Platz bei Marathonis und Anwohnern gefunden. Noch ist auch Berlin nicht die unangefochtene Nummer eins im Land, Frankfurt hält sich teilnehmermäßig auf Augenhöhe. Das Leistungsniveau ist mit 1210 Zeiten unter drei Stunden zudem nicht nur deutschland- sondern weltweit ziemlich führend.

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Doch wer meint, das wäre nicht mehr zu überbieten muss sich im nächsten Jahr eines besseren belehren lassen. Von 5522 im Ziel registrierten Läufern unterbieten am 13. Mai 1984 1431 – über ein Viertel aller Teilnehmer - die Zeit, an der man die Grenze zwischen Freizeit- und Leistungssportlern zieht. Noch bedeutender sind aus heutiger Sicht 99 Ergebnisse unter 2:30 und 33 unter 2:20 - ein Niveau, wie man es nur noch bei Großereignissen wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen findet. Nur zum Vergleich sei erwähnt, dass für den diesjährigen London Marathon, dem Rennen mit der weltweit definitiv besten Besetzung, die Vergleichszahlen 69 und 29 lauten.

Die Frankfurter Siegerzeiten erreichen zwar nicht ganz den inzwischen international üblichen Bereich, doch der Äthiopier Dereje Nedi ist bei seinem Erfolg nur drei Minuten hinter dem gültigen Weltrekord von Rob de Castella und mit 2:11:18 so schnell wie nie jemand vor ihm auf deutschem Boden. Kebede Balcha, ebenfalls aus Äthiopien, der Vizeweltmeister von Helsinki wird auch in Frankfurt in 2:11:40 nur Zweiter vor dem nur zwei Sekunden zurückliegenden Portugiesen Cidalio Caetano.

Für die beiden Ostafrikaner ist der Doppelsieg in Frankfurt allerdings nur ein schwacher Trost für die entgangene Olympiateilnahme. Ihr Land, damals noch zum Einflussgebiet der Sowjetunion zählend, wird nämlich dem Beispiel des großen Bruders folgen und wegen angeblicher Sicherheitsbedenken zwei Monate später die Spiele von Los Angeles boykottieren.

Mit Bruno Lafranchi (2:12:57) und Peter Lyrenmann (2:13:34) auf Rang vier und sechs laufen sich gleich zwei Schweizer mit Klasseleistungen in die Top Ten. Vorjahresgewinner Ahmet Altun wird - obwohl mit 2:13:07 nur unwesentlich langsamer als 1983 – nur Fünfter.

Dagegen gelingt Charlotte Teske die erste Wiederholung eines Sieges in der Mainmetropole. Zwar ist die Zeit der gelernten Krankenschwester mit 2:31:16 etwas schwächer. Doch mit fünf weiteren Ergebnissen unter 2:40 ist auch im Frauenrennen noch einmal eine Steigerung des Leistungsniveaus erkennbar.

Gabi Wolf rettet nach 2:35:41 zwei Sekunden vor Doris Schlosser ins Ziel. Elisabeth Oberli-Schuh (2:36:17), Ilona Zsilak aus Ungarn (2:38:27) und die achtzehnjährige Birgit Lennartz (2:39:41) am Beginn ihrer langen, erfolgreichen Karriere als Ultraläuferin sind die anderen schnellen Damen.

Charlotte Teske - Foto: Gustav E. Schröder

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Der dritte Sieg in Folge bleibt der Darmstädterin aber versagt. Haben bei den Frauen bisher immer Deutsche gewonnen und bei den Männern ausländische Läufer, ist es beim kleinen Jubiläum am 19. Mai 1985 umgekehrt. Erstmals hat der DLV seine Marathonmeisterschaften in einen Citylauf integriert. Prompt steigen die Starterzahlen noch einmal deutlich an. Mit 7297 im Ziel registrierten Teilnehmern macht man einen riesigen Satz nach vorne.

Nicht alle haben natürlich für die Meisterschaften gemeldet. Die Norm bei den Männern liegt schließlich bei 2:45. Dennoch bringt die Entscheidung der Verbandsoberen einen weiteren Schub für den Laufsport. Noch einige Jahre werden die Funktionäre zwischen leichter auf die Landesverbände zu verteilenden reinen Meisterschaftsrennen „auf dem Dorf“ und den inzwischen immer zahlreicheren großen Stadtmarathons hin und her schwanken. Erst in den Neunzigern schlägt das Pendel endgültig zu den Großveranstaltungen aus.

Carla Beurskens aus den Niederlanden ist es, die Teske den Sieg streitig macht. Bei ausnahmsweise wärmeren äußeren Bedingungen wird sie in 2:28:37 gestoppt und schrammt nur um Sekunden am Streckenrekord vorbei. Dass Beurskens mit Hitze gut zurecht kommt, belegen acht Siege beim Marathon von Honolulu - eine Serie, die sie im Dezember des gleichen Jahres beginnen wird. Noch über ein Jahrzehnt später wird man den Namen der extrem beständigen Läuferin in den vorderen Rängen der Ergebnislisten internationaler Marathons finden.

Charlotte Teske folgt drei Minuten später in 2:31:38. Dritte wird nach 2:34:10 die frühere Skilangläuferin Susi Riermeier. Marathonpionierin Christa Vahlensieck, die als direkte Vorgängerin der großen Grete Waitz sieben Jahre zuvor noch Weltrekordhalterin war, hält sich mit 2:35:32 Paola Moro aus Italien (2:35:45) nur knapp vom Leib. Mit 587 Frauen im Ziel bleibt ihr Anteil weiterhin unter zehn Prozent.

Der gefeierte Star des Rennens ist Herbert Steffny. Der in Trier geborene und in Freiburg wohnende Biologe, der nach längerer Pause erst mit dreißig Jahren wieder voll in den Sport eingestiegen ist, lässt in 2:12:12 John Makanya aus Tansania (2:12:31) knapp hinter sich.

Rund zehn Kilometer und bis kurz vor dem Ziel hatte der Ostafrikaner geführt, musste sich dann aber doch der höheren Endgeschwindigkeit des Deutschen geschlagen geben.

Ffm-MA 85: Herbert Steffny
Foto: Gustav E. Schröder

An den lange in Deutschland stationierten belgischen Soldaten Eddy Hellebuyck, der nach 2:13:31 Rang drei belegt, werden sich viele vor allem wegen seiner Siegesserie beim Nürburgringlauf erinnern. Später wird er nach Amerika übersiedeln, sogar die US-Staatsbürgerschaft annehmen und als Mastersläufer noch um etliche Gesamtsiege mitkämpfen, bis man ihn wegen Dopings aus dem Verkehr zieht.

Justin Gloden aus Luxemburg vervollständigt als Vierter in 2:14:03 die Benelux-Abteilung. Premierensieger Kjell-Erik Ståhl muss sich nach 2:14:50 mit Rang fünf abfinden. Und dem in Frankfurt ebenfalls gut bekannten Mehmet Terzi bleibt in 2:15:01 der sechste Platz.

Obwohl der Prozentsatz der Drei-Stunden-Läufer leicht fällt, laufen in absoluten Zahlen so viele wie nie zuvor unter der Traummarke. An diese 1735 wird man in Frankfurt nicht mehr auch nur annähernd herankommen. Und heutzutage ist selbst Berlin mit inzwischen viermal so vielen Läufern von einer solchen Leistungsdichte weit entfernt. Dort ist man schon froh, wenn der Wert gerade so vierstellig wird. Und wo 146 Ergebnisse unter 2:30 herkommen sollen, ist im Moment selbst den kühnsten Optimisten schleierhaft.

Doch der fünfte Hoechst Marathon wird trotz des Erfolges der letzte sein. Dem Chemieriesen wird die Sache zu teuer. Um im plötzlich boomenden Marathonmarkt konkurrenzfähig zu sein, sind immer größere Summen nötig. Inzwischen belaufen sich die Kosten – je nach Berücksichtigung der Sachaufwände – auf über eine Million Mark. Andere Sponsoren sind ebenfalls nicht zu finden und so fällt die bereits terminierte sechste Austragung aus.

Dass die Bundesliga-Fußballer von Eintracht Frankfurt ab der Saison 1986/1987 für ein halbes Jahrzehnt mit der Werbung des Konzerns auf der Brust herum laufen und dies sicher auch nicht zum Nulltarif zu haben ist, sei nur am Rande erwähnt. Nicht nur der Hoechst Marathon ist Geschichte. Die Hoechst AG gibt es ebenfalls nicht mehr. Sie wurde 1999 zu Aventis wegfusioniert. Aber der Marathon in Frankfurt lebt. Ironischerweise ist es auch die Eintracht, allerdings die Leichtathletik- und nicht die Fußballabteilung, die zu seiner Wiederbelebung beiträgt.

Part 1:
1981-1985
Part 2:
1987-1991
Part 3:
1992-1996
Part 4:
1997-2001
Part 5:
2002-2006
Part 6:
2007-2011

Bericht Ralf Klink - Fotos Gustav E. Schröder

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