Die deutsche Marathonszene im Jahr 2023

Analyse der deutschen Marathonszene
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER
Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken & Foto: Constanze Wagner 

Teil 1: Die Marathons mit den meisten Finishern

Stand Oktober 2023 - veröffentlicht am 1.11.2023 
 
Die Grafik umfasst die 29 Marathons mit 300 Finishern und mehr.
Die Balken geben die Gesamtfinisher wieder. Die rote Fläche deuten den darin enthaltenen Frauenanteil an. Die Plus- bzw. Minuszeichen geben an, welcher Marathon Finisher hinzu gewinnen konnte bzw. mit weniger Teilnehmern im Ziel als 2022 abgeschnitten hat. Mainz, Bonn, Leipzig und Heilbronn hatten 2022 keinen Marathon organisert und deshalb kein Zeichen.

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2023

Teil 2: Das Ranking
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Platzierung 2023 2022 Änderung
Berlin 1 1 0
Frankfurt 2 2 0
Hamburg 3 3 0
München 4 4 0
Köln 5 5 0
Rennsteiglauf 6 7 +1
Münster 7 8 +1
Hannover 8 6 -2
Dresden Stadt 9 9 0
Freiburg 10 10 0
Bremen 11 12 +1
*Mainz 12 12 0
Dresden Oberelbe 13 11 -2
*Bonn 14 14 0
Duisburg 15 13 -2
*Leipzig 16 19 +3
Karlsruhe 17 15 -2
Monschau 18 16 -2
Ulm 19 21 +2
Brocken Marathon 20 17 -3
Essen 21 20 -1
Regensburg 22 19 -3
Kandel 23 28 +5
Lübeck 24 24 0
Allgäu Panorama 24 26 +2
*Heilbronn 26 23 -3
Füssen 27 27 0
Schwarzwald 28 29 +1
Würzburg 29 22 -7

*Die Marathonläufe Mainz, Bonn, Leipzig, Heilbronn, die 2022 nicht stattfanden, sind in der 2022er-Spalte mit ihrem Rang von 2019 aufgeführt. Der Marathon Deutsche Weinstrasse, veranstaltet im 2-Jahres-Rhythmus, wird 2024 fortgesetzt. Der MDW lag 2022 auf Rang 14.

Stand Oktober 2023 - veröffentlicht am 1.11.2023 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2023

War da irgendwas?

Teil 3: Gewinner & Verlierer
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Zwischen 2006 und 2019 hatte LaufReport jährlich einen Blick in die Ergebnislisten der deutschen Marathons geworfen, Zahlen zusammengestellt, miteinander verglichen, in Grafiken aufbereitet und kommentiert. Dann kam der große Bruch. Und zwar ziemlich unfreiwillig. Denn weder 2020 noch 2021 gab es - aus einem ziemlich bekannten Grund - nicht viele Veranstaltungen, die man hätte auswerten können. Und die wenigen Läufe, die in diesem Zeitraum überhaupt angesetzt wurden, fanden nahezu ausnahmslos mit verschobenen Terminen, begrenzten Teilnehmerfeldern und etlichen Auflagen statt.

Zumindest im zweiten Corona-Jahr hätte es vielleicht sogar tatsächlich noch die eine oder andere Zahl zum Betrachten gegeben. Doch für statistische Auswertungen waren diese natürlich nicht wirklich nutzbar. Ohne weitgehend identische Rahmenbedingungen bei ihrer Entstehung sind Daten schließlich nicht vergleichbar. Und eine ernsthafte Analyse von ihnen ist dann auch ziemlich sinnlos.

Langzeitentwicklung der Marathons von 2005 bis 2023

Die Grafik zeigt deutlich, wie der Berlin Marathon - denn nur dieser befindet sich in der Klasse über 20.000 Teilnehmer - zunehmend die deutsche Szene dominiert. In der folgenden Gruppe von 10.000 bis 19.999 Sportler gab es 2022 erstmals gar keinen Marathon mehr und dies blieb auch 2023 so. Die größten nach Berlin sind im Block jener über 5.000 bis 9.999, der 2019 noch verwaist war. Im 2022 noch unbesetzten Block von 4.000 und 4.999 befindet sich 2023 einzig und allein München. Eine gewisse Stabilität zeigen in neuerer Zeit erst die Gruppierungen darunter. Der unterste Block, jener von 200 bis 499 Finisher, verliert seit Corona wieder an Boden und am relativen Einfluss aufs Gesamtgeschehen.

Selbst wenn insbesondere in der ersten Jahreshälfte der Kalender noch die eine oder andere Lücke aufwies, waren jedoch spätestens im Jahr 2022 dann einigermaßen "normale" Voraussetzungen - insbesondere eine freie Anmeldung ohne Teilnehmerlimits - zurückgekehrt, bei denen man auch wieder eine halbwegs aussagekräftige Untersuchung des Zahlenwerks vornehmen konnte.

Der zuvor in den LaufReport-Analysen stets übliche Vorjahresvergleich zur Ermittlung von Zu- und Abgängen bei den Zieleinläufen - und damit der Beliebtheit bei den Läufern - hätte allerdings wenig gebracht. Nach kurzer Diskussion wurde beschlossen, den Daten von 2022 jene von 2019 als Berechnungsbasis gegenüberzustellen. Dass dabei nahezu überall und oft auch erhebliche Verluste herauskamen, war nicht unbedingt überraschend.

Doch im Jahr 2023 scheint nun endgültig wieder Normalität für Läufer und Veranstalter - und eben auch für statistische Auswertungen - eingekehrt zu sein. Jetzt gibt es schließlich wieder zwei aufeinanderfolgende Jahre mit einigermaßen gleichen Ausgangsbedingungen, die man nebeneinander legen kann. Und für fast jede Veranstaltung findet sich auch ein Gegenstück im entsprechenden Zeitraum.

Wie das "fast" schon aussagt, existieren allerdings durchaus Ausnahmen. Neben dem Marathon an der Weinstraße, der nach seiner Auflage 2022 im üblichen zweijährigen Rhythmus wieder ganz regulär eine Pause einlegte, fehlen trotz ihrer Durchführung im vergangenen Jahr diesmal unter anderem die Läufe von Fürth und Mannheim sowie der zuletzt in Gelsenkirchen ausgetragene VivaWest Ruhr-Marathon in der Liste.

Während man sich in Franken auf einen städteverbindenden Lauf von Fürth nach Nürnberg konzentrieren will, der für Mitte Juni des kommenden Jahres terminiert ist und für den auch schon Anmeldungen entgegengenommen werden, wurde die Absage des Marathons von Mannheim mit der direkt neben der Strecke stattfindenden Bundesgartenschau begründet. Allerdings ist für 2024 bisher noch kein Datum für einen Wiedereinstieg verkündet und auch ansonsten gibt es keinerlei neue Informationen. Ganz ähnliches gilt für den Gelsenkirchener Ruhr-Marathon, der ebenfalls komplett abgetaucht ist.

Da beide Rennen, die in ihren Anfangsjahren immerhin mehrere tausend Marathonläufer auf die Beine brachten, zuletzt nur noch einige hundert Starter auf der langen Distanz zählten, kann man fast davon ausgehen, dass die Einstellung endgültig sein wird. Die angesichts schwindender Teilnehmerzahlen schon länger erwartete und durch Corona eindeutig verstärkte Marktbereinigung, hat die nächsten Opfer gefordert.

Dazu muss man sicher auch Düsseldorf - immerhin 2019 noch die Nummer sieben in Deutschland - zählen, das nach der Zwangspause gar nicht erst wieder zurückgekehrt war. Die Rheinländer waren zwar hinsichtlich der Größe ihrer Starterfelder weniger unter Druck als mancher Mitbewerber, doch dafür schon mehrfach mit Wechseln bei der Organisationsmannschaft aufgefallen.

Und Mainz, wo man nicht nur zwei sondern sogar drei Jahre pausierte, hat mit seinem Comeback in diesem Jahr auch gleichzeitig seine Abschiedsvorstellung gegeben - zumindest, was den Marathon angeht. Die Stadt, die bisher als Veranstalter auftrat, ist für das kommende Jahr aus der Organisation ausgestiegen und hat diese an das motion events Team von Jo Schindler übergeben, das schon lange für den Marathon im nahegelegenen Frankfurt verantwortlich ist und diesen inzwischen zur Nummer zwei im Land gemacht hat.

Absolut

Da die Marathonläufe Mainz, Bonn, Leipzig, Heilbronn 2022 nicht stattfanden, erübrigt sich ein Vergleich.

Ohne eine lokalpatriotische Brille auf der Nase hat sich die neue Mannschaft aber dafür entschieden, sich zukünftig auf den Halbmarathon zu beschränken. Dieser hatte ohnehin schon seit vielen Jahren fünf- bis sechsmal so viele Starter angelockt wie die doppelt so lange Strecke. Ob diese Zahlen ohne den Titel "Marathon" im Namen gehalten werden können, ist ein Experiment auf das insbesondere einige Mitbewerber mit ähnlich gelagerten Größenordnungen sicher mit Spannung blicken dürften.

In diese Kategorie gehören zum Beispiel die Läufe in Bonn und Heilbronn, die sich 2023 ebenfalls im Marathongeschäft zurückgemeldet haben. Im Gegensatz zu Mainz hatten beide allerdings im Vorjahr bereits einen Halbmarathon angesetzt, wobei Bonn zudem auch noch vom Frühjahr in den Herbst ausgewichen war. Und nach drei Jahren Pause ist nun auch Leipzig wieder da, so dass die Zahl der größeren Veranstaltungen weitgehend unverändert geblieben ist.

Dass gegenüber dem Vorjahr dennoch statt fünfundzwanzig nun wieder neunundzwanzig Marathons über die vor vielen Jahren einmal als untere Grenze für eine genauere Betrachtung in der LaufReport-Analyse festgelegte Schwelle von dreihundert Zieleinläufen kommen, liegt an den im letzten Jahr noch knapp an dieser Marke gescheiterten Läufen von Sonthofen Allgäu-Panorama Marathon, Füssen Königsschlösser Marathon, Kandel Bienwald Marathon und Bräunlingen Schwarzwald Marathon.

Um die Maßstäbe ein bisschen zurecht zu rücken, sei aber auch erwähnt, dass es vor knapp zwei Dekaden noch beinahe doppelt so viele waren. Und selbst wenn der Rückgang mehr oder weniger schon damals zu bemerken war, gab es 2019 im letzten Jahr vor dem Einschnitt durch Corona immerhin neununddreißig Veranstaltungen oberhalb der Einstiegshürde.

Denn ein erstes grobes Überfliegen des Zahlenwerks zeigt schon, dass sich die größeren Rennen 2023 durchaus im Rahmen ihrer Ergebnisse aus den Jahren vor der Zwangspause bewegen, die mittleren und kleinen Läufe sich allerdings gelegentlich erheblich schwerer tun, die alten Werte wieder zu erreichen. Und nicht nur im oberen Teil des Tableaus ist die eine oder andere Veranstaltung auf der Strecke geblieben.

Ganz im Gegenteil tun sich deutlich sichtbare Lücken insbesondere bei jenen Marathons auf, deren Daten in der Vergangenheit gesammelt wurden, weil sie mit niedrigen dreistelligen Teilnehmerzahlen zwar immer die Dreihunderter-Einstiegsmarke in Reichweite hatten, die aber dann doch in der Regel daran scheiterten. Gerade bei diesen in der Regel von Vereinen organisierten Rennen hat die unfreiwillige Unterbrechung in der gewohnten Routine sicher häufig für eine komplette Neubewertung der Lage gesorgt. Eine Beobachtung, die natürlich nicht nur für Marathons sondern auch für alle anderen Volksläufe gilt.

Abgesehen vom doch noch mit einem Fußnoten-Sternchen zu versehenden Vorjahr ergibt die Summierung aller erfassten Daten deswegen dann auch den niedrigsten Wert an Zieleinläufen seit - wie es bei den Meteorologen so schön heißt - dem Beginn der Aufzeichnungen, wobei diese allerdings in Falle der LaufReport-Marathon-Analyse "nur" bis 2005 zurück reichen. Selbst unter Berücksichtigung aller Kleinstveranstaltungen, bei denen die Grenzen zum privaten Trainingslauf fließend sind, dürfte die Marathonstrecke auf deutschem Boden keine einhunderttausend Mal bewältigt worden sein.

Das macht die Übermacht des Berlin Marathons, der mit 43047 Läufern im Ziel nach 2019 die zweithöchste Teilnehmerzahl seiner Geschichte verzeichnen konnte, noch größer als in der Vergangenheit. Inzwischen steuert die Hauptstadt fast die Hälfte des gesamten Ergebnisses bei. Schon im Vorjahr war der Anteil ähnlich hoch. Und so verwundert es kaum, dass die Berliner Wachstumsrate von knapp einem Viertel gegenüber 2022 ziemlich genau der Gesamtveränderung über alle Läufe entspricht.

Allerdings bewegen sich auch die Zuwächse der nächsten vier Veranstaltungen der Größenrangliste in Bereichen von etwas über einundzwanzig bis zweiunddreißig Prozent. Und mit diesen Rennen sind dann bereits fast die Zahl siebzigtausend und damit beinahe drei Viertel aller Zieleinläufe in Deutschland erreicht. Selbst wenn der Rest der Marathons dann eine etwas größere Streuung der Veränderungsrate zeigt, kann diese kaum noch ins Gewicht fallen.

Dass Frankfurt als Nummer zwei im Land von den "Big Five" das geringste Wachstum gegenüber dem Vorjahr verzeichnet, schmerzt die Macher noch viel mehr, weil man mit 9665 Läufern im Ziel die angestrebte und vor Corona fast ein Jahrzehnt lang konstant erreichte Fünfstelligkeit knapp verpasste - und das ausgerechnet bei der vierzigsten Auflage des Traditionsrennens am Main. Beim letzten runden Jubiläum im Jahr 2011 hatte man hingegen den heute noch gültigen Teilnehmerrekord erzielt.

Trotzdem blieb man erneut vor dem Konkurrenten aus Hamburg, mit dem sich die Hessen seit genau jener dreißigsten Auflage ihres Laufes mit schöner Regelmäßigkeit um den Vizerang hinter den weit enteilten Hauptstädtern streiten. Da beide in absoluten Zahlen annähernd gleich zulegen konnten, hatten die Hanseaten auch keine wirkliche Chance den deutlichen Rückstand aus dem Vorjahr aufzuholen. Das immerhin neun Prozentpunkte höhere relative Wachstum ist dann auch eher dem niedrigeren Ausgangswert geschuldet.

Es sollte die Frankfurter aber ein wenig trösten, dass sie neben Berlin einen der wenigen Marathons in Deutschland ausrichten, dessen Starterfeld sich seit der ersten LaufReport-Auswertung vergrößert hat. Nahezu alle anderen schreiben meist erhebliche Verluste. Hamburg ist zum Bespiel gegenüber dem ersten erfassten Wert von 2005 inzwischen ziemlich genau halbiert.

Relativ

Da die Marathonläufe Mainz, Bonn, Leipzig, Heilbronn 2022 nicht stattfanden, erübrigt sich ein Vergleich.

Es geht durchaus noch schlimmer. Denn in Köln kommt man trotz mehr als dreißig Prozent Wachstums gegenüber dem Vorjahr aktuell nur noch auf ein Drittel des damaligen Wertes. Damit landeten die Domstädter erneut hinter dem Marathon von München, mit dem man sich praktisch genauso lange wie es das "Duell" um Platz zwei zwischen Frankfurt und Hamburg gibt, immer wieder auf den Rängen vier und fünf ablöst. Und auch hier waren die Zuwächse wieder bei beiden Läufen nahezu gleich.

Selbst der durch Corona verschuldete Einschnitt hat nichts an den weitgehend festgefahrenen Strukturen der deutschen Marathonszene verändert. Denn um das letzte Mal zu entdecken, als der Rennsteiglauf nicht als Sechster oder Siebter genannt wurde, muss man bis ins erste Jahr der LaufReport-Datensammlung zurückgehen. Damals waren die Thüringer nämlich Neunter.

Ohnehin ist das Rennen auf dem bekannten Höhenweg ein Muster an Konstanz. Abgesehen vom noch von vielen Sondereffekten geprägten Vorjahr, wo man nur gut achtzehnhundert Marathonis zählte, schlägt praktisch kein anderer Lauf hinsichtlich der Teilnehmerzahlen über beinahe zwei Dekaden weniger aus. Zwischen 2704 und 3415 bewegen sich die für diesen Zeitraum aufgeführten Werte. Mit 3208 Läufern landete man also auch diesmal wieder im üblichen Korridor.

Aufgrund der niedrigen Ausgangsbasis der Auflage von 2022 ist der Rennsteiglauf neben Berlin, Frankfurt und Hamburg dann allerdings auch die einzige Veranstaltung, die in absoluten Zahlen vierstellig zulegen konnte. Und das relative Wachstum von über siebzig Prozent wird von keinem anderen Marathon in der Liste übertroffen. Dass an der diesjährigen Auflage bereits die stolze Ordnungszahl "Fünfzig" klebte, war dabei definitiv kein Nachteil. Die Teilnahme an einem goldenen Jubiläum bekommt man als Läufer schließlich noch immer recht selten angeboten.

Der Marathon selbst ist allerdings nicht ganz so alt. Einige Jahre nach der Premiere wurde zuerst eine Distanz von fünfundvierzig Kilometern eingeführt, die später dann auf dreiundvierzig Kilometer geändert wurde. In der LaufReport-Analyse ging er wegen dem extrem geringen Unterschied zur üblichen Länge - die Abweichung lag ja nur bei etwa zwei Prozent - von Anfang an ein. Erst 2016 wurde die Strecke dann tatsächlich auf die weltweit inzwischen seit hundert Jahren übliche Norm angepasst.

Nicht nur deswegen handelt es sich beim Rennsteig um den absoluten Exoten im Vorderfeld. Immerhin ist er unter den ganzen Stadtmarathons der einzige echte Landschaftslauf. Zudem werden die wichtigsten Siege auf dem Fernwanderweg durch den Thüringer Wald eben nicht über die berühmten zweiundvierzig Kilometer erlaufen. Die Königsdistanz ist vielmehr der noch einmal einunddreißig Kilometer längere "Supermarathon", der als größter deutscher Ultra noch einmal rund zweitausend Menschen bewegt.

War der Rennsteiglauf der große Gewinner des Jahres, nimmt Hannover die Rolle des größten Verlierers ein. Nur ganz wenige der erfassten Marathons schrieben gegenüber dem Vorjahr überhaupt rote Zahlen. Doch die einundzwanzig Prozent Minus, die sich für den Lauf in der niedersächsischen Hauptstadt errechnen, bewegten sich noch einmal in einer ganz anderen Dimension. War man im vergangenen Jahr noch eine der wenigen Veranstaltungen, die sich schon wieder im Bereich der Zeit vor Corona bewegten, ist man jetzt deutlich weiter vom Wert aus der Saison 2019 entfernt als die Konkurrenz.

Doch gibt es für diesen erheblichen Schwund mit ein bisschen gutem Willen noch eine halbwegs plausible Begründung. Sie lautet "Deutsche Marathonmeisterschaften". Die wurden nämlich im Vorjahr am Maschsee ausgetragen und sind 2023 nach Köln weitergezogen. Über die Hälfte der rund vierhundertfünfzig Läufer, die in Hannover diesmal fehlen, ließe sich mit dem Blick in die DM-Resultate des letzten Jahres deswegen halbwegs erklären.

Übrigens kann man am neuen Austragungsort Köln andererseits keinen echten Meisterschaftsbonus in den Zahlen erkennen. Wie schon erwähnt sind die dortigen Zuwächse sowohl absolut als auch relativ nahezu identisch wie beim Münchner Rivalen. Aber vielleicht wäre der Abstand zwischen Platz vier und fünf ohne die gut zweihundert Meisterschaftsläufer auch nur noch ein bisschen größer geworden.

Die Hannoveraner haben damit nicht nur den im Vorjahr kurzzeitig vom Rennsteiglauf übernommenen Platz sechs wieder an seinen "angestammten Inhaber" zurückgeben müssen. Auch der Marathon von Münster ist an ihnen vorbeigezogen. Und das obwohl man dort mit knappen neunzehn Prozent nur unterdurchschnittlich hinzugewonnen hat. Wobei andererseits die Rückgänge im vergangenen Jahr auch glimpflicher ausgefallen waren als bei den meisten anderen Läufen.

Im Gesamtergebnis hat Münster jedenfalls - genau wie der Rennsteiglauf - als einer von wenigen Marathons seine Teilnehmerzahlen sogar gegenüber 2019 leicht gesteigert. Der Oberelbe-Marathon von Dresden legt diesbezüglich eine Punktlandung hin und zählt sowohl vor vier Jahren als auch diesmal 797 Läufer im Ziel. Zwischenzeitlich war man zwar 2022 auf 618 zurückgefallen, bewegte sich damit aber sowohl in die eine als auch in die andere Richtung absolut im normalen Rahmen.

Ein noch größeres Kunststück gelingt allerdings Freiburg, Duisburg und Regensburg, die bereits im Vorjahr ihre Werte aus dem Jahr 2019 übertroffen hatten und nun alle drei - Freiburg allerdings nur knapp - weiter zugelegt haben. Diesem Trio scheint es tatsächlich gelungen zu sein, einen langjährigen Abwärtstrend umzudrehen. Denn um für sie höhere Teilnehmerzahlen in den Ergebnislisten zu finden, muss man schon bis 2016 bzw. 2015 zurückblättern.

Dass insbesondere Duisburg dabei auch ein wenig vom finalen Rückzug des einst so groß aufgezogenen und später ziemlich zurecht gestutzten Gelsenkirchener Ruhrmarathons profitiert hat, sollte nicht verschwiegen werden. Interessant ist es aber doch zu sehen, dass im vor noch gar nicht so langer Zeit eng gedrängten Marathonkalender der Rhein-Ruhr-Region ausgerechnet die Urgesteine den längsten Atem zu haben scheinen.

Denn neben Duisburg, das mit seiner Erstauflage 1981 zu den ältesten Stadtmarathons in Deutschland gehört, bleibt auch der Essener Lauf rund um den Baldeneysee ´- wenn auch bei knapp fünfhundert Läufern in einer im Vergleich zur Vergangenheit deutlich geschrumpften Form - weiter im Geschäft. Und dieser ist angesichts von nun bereits einundsechzig Austragungen und dem Gründungsjahr 1963 die älteste noch bestehende Veranstaltung über diese Distanz im Land.

Ein anderes "-burg", das im Vorjahr zu den Gewinnern gehörte, musste dagegen diesmal rote Zahlen melden und bewegte sich damit bereits zum zweiten Mal in Folge genau entgegen dem allgemeinen Trend. Ursache für den Rückgang beim Würzburg Marathon um knapp zehn Prozent dürfte dabei das Jubiläum der zwanzigsten Austragung 2022 sein. Wie sich immer wieder beobachten lässt, ziehen runde Geburtstage stets ein paar Teilnehmer mehr an. Der einundzwanzigste Marathon ist dann dagegen weit weniger verlockend.

Der dritte Marathon über der Dreihunderter-Marke, der in der aktuellen Saison gegenüber dem Vorjahr eine negative Teilnehmerentwicklung zu verzeichnen hatte, ist Lübeck. Allerdings muss man diese wirklich mit der Lupe suchen. Sie findet sich schließlich erst im Nachkommabereich. Denn in absoluten Zahlen errechnet man für die Hanseaten eine Veränderung von "-1".

Ohnehin liest sich die Abfolge der Werte für 2019, 2022 und 2023 eher wie der nicht ganz gelungene Versuch rückwärts zu zählen. Sie lautet nämlich "380, 378, 377". Betrachtet man sich die Ergebniszeitreihe über ein Dutzend Jahre, entdeckt man zwei dieser drei Zahlen gleich noch ein weiters Mal. Und auch eine 376 und eine 371 tauchen darin auf. So punktgenau bekommt das selbst der ziemlich konstante Rennsteiglauf nicht hin.

Zurück zu den oberen Rängen der Größenrangliste. Als letzte Veranstaltung schafft es der Dresdner Stadtmarathon in der Vierstelligkeit - ein Sprung, der den Sachsen im Vorjahr nicht ganz gelungen war. Ansonsten lässt sich an den Zahlenwerten kaum etwas Besonderes entdecken. Wie so viele andere Läufe auch landet man im Bereich der letzten Vor-Corona-Werte. Und ein Wachstum von etwa einem Viertel gegenüber 2022 entspricht ebenfalls exakt dem großen Bild.

Freiburg schafft es dank gerade einmal zehn Teilnehmern mehr als Bremen auf den zehnten Platz, während die Hansestädter sich mit Rang elf begnügen müssen. Auch der Lauf an der Weser gehört ja eigentlich zu den Stadtmarathons der ersten Stunde und hat eine bis in die frühen Achtziger zurückreichende Geschichte. Danach verschwand er aber über ein Jahrzehnt von der Bildfläche und fand erst während des großen Booms Anfang des neuen Jahrtausends mit seiner Neuauflage den Weg zurück in den Marathonzirkus.

Verglichen mit dem Vorjahr gehörten die Bremer zu den großen Gewinnern. Mehr als fünfzig Prozent Wachstum lesen sich extrem gut. Nur wenige andere Veranstaltungen konnten schließlich ähnliche Gewinne verzeichnen. Doch war man im Gegenzug dazu im Vorjahr eben auch stärker gerupft worden als die meisten Konkurrenten. Und im Endeffekt steht man nun doch nur wieder dort, wo man sich in den Jahren vor Corona befand.

Noch bei zwei weiteren Veranstaltungen erreichten die Zuwachsraten mehr als fünfzig Prozent. Und auch bei diesen beiden handelt es sich um absolute Traditionsläufe mit langer Geschichte. Es geht nämlich um den Bienwald-Marathon von Kandel und den Schwarzwald-Marathon von Bräunlingen, die im Jahr 2023 immerhin bereits in der achtundvierzigsten bzw. sogar in der fünfundfünfzigsten Auflage stattfanden.

Doch so sehr es diesen "ehrwürdigen Senioren" aufgrund ihrer Verdienste für die Entwicklung des Laufsportes zu wünschen wäre, dass mit diesem Wachstum nach langer Stagnation tatsächlich ein echter Aufwärtstrend verbunden wäre, handelt es sich wie bei den Bremern eben doch nur um das Ausgleichen der über die Corona-Jahre entstandenen Verluste und das Zurückkehren auf das Ausgangsniveau.

Obwohl nahezu alle Veranstaltungen wieder in ihren üblichen Größenordnungen angekommen sind, bilden gerade einmal neun Läufe mit mehr als tausend Teilnehmern den zweitniedrigsten Wert in den LaufReport-Annalen. Düsseldorf, das bisher stets sicher über zweitausend Läufer kam, ist komplett weggefallen. Und Wackelkandidaten wie Mainz und Bremen, die in der Vergangenheit manchmal über und manchmal unter die Grenze rutschten, beginnen im Gegensatz zu 2019 diesmal eben mit einer "9" statt einer "10".

Nur in der vergangenen Saison waren es mit acht mindestens vierstelligen Rennen noch weniger. Und 2018 - ein Jahr, in dem wirklich alle typischen "Fahrstuhlmarathons" knapp unter der Tausendermarke hängen blieben - kam man ebenfalls auf neun. In den ersten Auswertungen an dieser Stelle konnte man vor knapp zwei Jahrzehnten dagegen noch von deutlich mehr als zwanzig Marathons in diesen Bereichen berichten.

Und da zudem Frankfurt und Hamburg beide erneut keine zehntausend Teilnehmer im Ziel begrüßen konnten, sieht ein oberflächlicher Blick auf die Verteilung der Marathons in die einzelnen Größenklassen verglichen mit früheren Jahren erst einmal eher ernüchternd aus. Doch ohne das regnerische und windige Wetter am letzten Oktobersonntag hätten die Hessen vielleicht diesmal schon wieder die nächste Zehnerpotenz übertroffen. Und auch den Hamburgern ist zuzutrauen, im nächsten Jahr diese Marke erneut ins Visier zu nehmen.

Ein paar Plätze weiter unten wird sich zwar Mainz im kommenden Jahr endgültig aus dem Marathongeschäft verabschieden. Doch hat neben Bremen nun auch Freiburg nach einigen schwächeren Jahren wieder Witterung aufgenommen, um sowohl den Sprung auf über tausend Teilnehmer zu schaffen als auch sich dauerhaft den Platz in die Top Ten zu sichern.

Durch die Aufgabe einiger Konkurrenten sind schließlich durchaus einige Potentiale und Marktanteile frei geworden, die man zur eigenen Entwicklung nutzen kann. Das Angebot hat sich tatsächlich ein bisschen ausgedünnt. Ob es für die Nachfrage ebenso aussieht, muss und wird sich vermutlich in den nächsten zwei bis drei Jahren erst noch zeigen.

Der eine oder andere Marathon mag in den vergangenen Jahren tatsächlich auf der Strecke geblieben sein. Doch wäre dies für den aufmerksamen Beobachter der Szene auch ohne Corona über kurz oder lang zu erwarten gewesen. Die Pandemie hat diese Entwicklung maximal noch etwas beschleunigt.

Wenn man hingegen nur auf die Überlebenden und deren Zahlen blickt, scheint sich gegenüber der Welt vor vier, fünf Jahren eigentlich überhaupt nichts verändert zu haben. Die großen Veränderungen sind ausgeblieben. Alles ist eigentlich wie gehabt. Die Normalität ist auch bei den deutschen Marathons zurück. "War da irgendwas?"

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 
veröffentlicht am 10.11.2023 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2023

Teil 4: Halbmarathon kontra Marathon

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Zwar ist die jährliche LaufReport-Analyse mit "die deutsche Marathonszene" überschrieben, doch wenn man sich dabei nur auf Rennen beschränken würde, die wirklich nichts anderes als einen Marathon anbieten, wäre man ziemlich schnell fertig damit. Denn inzwischen hat von allen ausgewerteten Veranstaltungen einzig und alleine Berlin keinen weiteren Lauf im Angebot. Der gesamte Rest hat das Programm inzwischen mit anderen Wettbewerben unterfüttert.

Frankfurt belässt es dabei bei einer Staffel, in der sich vier Sportler auf unterschiedlichen Distanzen die Originalstrecke aufteilen. Bei allen anderen Veranstaltungen kann man auch sich alleine zu weiteren Läufen anmelden. Und bis auf den Monschau Marathon, wo man das Angebot für Einzelstarter nur nach oben um gleich zwei verschiedene Ultras erweitert hat, sind es wenig überraschend - manchmal sogar mehrere - kürzere Strecken, mit denen man weitere Teilnehmer anlocken will.

Und fast immer ist ein Halbmarathon die nächstniedrigere Strecke. Unter den betrachteten Marathons weichen nur Essen mit seiner knapp achtzehn Kilometer langen Baldeneysee-Runde und der - im Jahr 2023 knapp an der Dreihundert-Teilnehmer-Grenze hängen gebliebene - Rurseemarathon mit einem 16,5 Kilometer langen Lauf nach unten sowie Münster mit einem Zwei-Drittel-Marathon nach oben leicht von diesem inzwischen nahezu überall etablierten Standard ab. Für eine genauere statistische Betrachtung gibt es also wahrlich genug Daten.

24 Marathonveranstaltungen mit mehr als 300 Finishern haben zudem einen Halbmarathon im Programm, mitunter mit deutlich mehr Teilnehmenden. Die y-Achse zeigt das Verhältnis der Halbmarathonfinisher zu den Marathonfinishern an. Die x-Achse ist nach der Größe der Abweichung sortiert.

Fängt man von "oben" mit der Analyse der vorliegenden Zahlen an, stellt man gleich einmal fest, dass in der Summe über alle Veranstaltungen auf der halben Strecke etwas mehr Läufer als beim Marathon ins Ziel kommen. Und dabei ist Berlin, das zwar keinen Halbmarathon anbietet, aber mehr als dreiundvierzigtausend Marathonis beisteuert, noch mitberücksichtigt. Nimmt man den Hauptstadtlauf aus der Berechnung heraus, ist man hingegen augenblicklich bei einem Gesamtverhältnis von eins zu zwei.

Die deutsche Nummer zwei aus Frankfurt bringt ohne Halbmarathon ebenfalls keine Erhöhung der entsprechenden Gesamtsumme. Und Hamburg als drittgrößter deutscher Marathon hat zwar vor einigen Jahren einen Halben eingeführt, überlässt die Verteilung der Teilnehmer auf die beiden Distanzen aber noch nicht ganz dem freien Spiel der Kräfte. Hier sind die Anmeldungen für die kürzere Strecke gedeckelt. Deswegen stehen an Alster und Elbe 8634 Marathon- nur 3571 Halbmarathonläufer gegenüber.

Womit sich für die übrigen Veranstaltungen die Quote nur noch weiter verschiebt und einer dreifachen Übermacht des Halbmarathons annähert. Und das ist wohlgemerkt nur der Durchschnittswert. Bei einzelnen Veranstaltungen liegt der Wert mehr als doppelt so hoch. Die Königsdistanz ist also eigentlich hauptsächlich Namensgeber, ansonsten jedoch beim Blick auf die Teilnehmerzahlen eher ein Nebenwettbewerb. Die wirkliche Musik spielt im vermeintlichen Rahmenprogramm.

All das ist keine neue Entwicklung. Vielmehr sieht das Ergebnis eigentlich schon seit vielen Jahren so aus. Und die Hoffnung, dass sich die Situation noch einmal drehen könnte, ist gering. Noch keinem einzigen Lauf ist es jedenfalls gelungen, die Teilnehmerwanderung von der langen zur kürzeren Strecke wieder spürbar umzukehren. In all den Jahren, in denen sich LaufReport mit den Daten beschäftigt hat, gibt es bisher keinen Fall, in dem ein Marathon durch die Einführung der Halbdistanz wirklich gestärkt worden wäre.

Immerhin wurden die absoluten Spitzenwerte, die in vergangenen Jahren bei einzelnen Marathons auch schon einmal ein Verhältnis von mehr als eins zu acht auswiesen, in der Saison 2023 nicht erreicht. Von den Marathons mit mehr als dreihundert Teilnehmern hat Freiburg diesmal mit 669 Prozent das größte Ungleichgewicht zwischen den beiden Strecken. Lässt man den Blick in der Liste noch ein wenig weiter nach unten wandern, stehen in Kassel 207 Marathonis 1484 Halbmarathonläufer gegenüber, was sich auch ohne Taschenrechner zu einem Wert von über eins zu sieben abschätzen lässt.

Auch diese Beobachtungen sind nicht wirklich überraschend. Denn schon in der Vergangenheit gehörten diese Läufe zu jenen, bei denen die Halbdistanz am extremsten dominierte. Und dahinter folgen mit Heilbronn, Karlsruhe, Bonn, Mainz und Ulm weitere der "üblichen Verdächtigen". Bereits in den Jahren vor der unfreiwilligen Unterbrechung durch Corona lagen ausnahmslos alle bisher Genannten stets auf einem der ersten zehn Ränge der entsprechenden Liste.

Eine weitere Veranstaltung, die mit schöner Regelmäßigkeit dort auftauchte, fehlt diesmal. Obwohl es weiterhin keine offizielle Aussage dazu gibt, scheint der Mannheim Marathon nämlich endgültig aufgegeben zu haben. Und auch Mainz wird im nächsten Jahr ja seinen Platz freigeben. Einen Halbmarathon soll es in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt zwar weiterhin geben. Doch ohne einen Marathon, auf den man ab 2024 verzichten wird, lässt sich eben keine Quote mehr errechnen.

Am unteren Ende der Skala findet man ebenfalls ziemlich alte Bekannte. Denn neben Hamburg haben mit den Marathons in Füssen und Wernigerode noch zwei weitere Veranstaltungen eine etwas stärkere Langdistanz zu vermelden. Und auch dieses Duo findet sich eigentlich immer in genau dieser Region knapp über oder knapp unter einer Verteilung von eins zu eins.

Wobei zu erwähnen ist, dass beide ein wenig vom üblichen Schema abweichen. Während in allen anderen Fällen, der Halbmarathon zeitgleich mit dem Marathon - und in der Regel meist auch auf einer Runde eines Zwei-Runden-Marathonkurses - stattfindet, wird er im Ostallgäu nämlich am Samstagabend auf einem Stadtkurs gestartet, während das lange Rennen auf einer großen Schleife entlang der umliegenden Seen und mit Blick auf die Königschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein bisher immer am Sonntagmorgen ausgetragen wurde.

Im Jahr 2024 soll der Marathon zwar ebenfalls auf Samstag wechseln. Doch bei der Aufteilung zwischen einem Morgen- und einem Abendlauf wird es trotzdem bleiben. Obwohl diese zeitliche Trennung ganz Eifrigen sogar den Doppelstart ermöglichen würde, war der Halbmarathon - wie auch diesmal wieder - in der Vergangenheit zumeist zahlenmäßig etwas schwächer besetzt.

Sind in Füssen die Märchenschlösser der bayerischen Könige das herausragende Merkmal so ist es beim Harzgebirgslauf in Wernigerode der Marathon über den Brocken, der die Teilnehmer anlockt. Die Unterdistanz, die ebenfalls noch recht wellig und zu allem Überfluss auch noch etwas zu lang geraten ist, reizt da anscheinend doch deutlich weniger - zumindest nicht jenen Läufertyp, den man üblicherweise auf den Halbdistanzen von Stadtmarathons vorfindet.

Andererseits lässt sich bei seinem "nahen Verwandten" Rennsteiglauf durchaus ein doppelt so starker Halbmarathon entdecken. Doch rangiert man damit immer noch im hinteren Viertel der Liste. Und zudem gibt es neben dem Marathon auf dem Thüringer Höhenweg ja auch noch einen Ultralauf mit ebenfalls noch zweitausend Teilnehmern. Nimmt man die beiden langen Strecken zusammen, bewegen sich oberhalb der Halbmarathons dann fast schon wieder so viele Läufer wie über die einundzwanzig Kilometer.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Allgäu-Panorama-Marathon in Sonthofen, der sein Programm ebenfalls noch mit einem Ultralauf angereichert hat. Zudem hat man neben einem eher flachen Halbmarathon auch noch einen achtzehn Kilometer langen Berglauf im Angebot. Interessanterweise verteilen sich die Teilnehmer dabei weit gleichmäßiger auf die vier verschiedenen Distanzen als bei Stadtmarathons.

Es ist durchaus auffällig, dass sich nahezu alle Landschaftsläufe weit im hinteren Bereich der Quoten-Liste einsortieren. Und da sie dies schon über längere Zeit tun, ist das auch kein Zufall. Wenn man ein wenig unter die Dreihundert-Teilnehmer-Marke schaut, findet man sogar weitere Beispiele. Anscheinend sprechen solche Veranstaltungen doch eine etwas andere Zielgruppe an, die weit weniger vor langen Distanzen zurückschreckt.

Einzig Heilbronn, wo man ja ebenfalls keinen echten Stadtmarathon vorfindet, ließe sich noch als Gegenargument zu dieser These aufführen. Doch mit seiner Strecke "über die Dörfer" gehört er halt auch nicht wirklich in die Klasse der Naturläufe sondern bewegt sich irgendwo dazwischen im Niemandsland und ist nur schwer richtig zu kategorisieren.

Viele der größten Halbmarathons sind in eine Marathonveranstaltung integriert. Von den 31 Halbmarathons mit über 1.500 Finishern, sind 17 an einen Marathon angedockt (rote Balken). In der Top10 sind nur 3 Läufe ohne Marathon (blaue Balken). Alle aufgeführten Veranstaltungen haben im Vergleich zu 2022 Finisher gewonnen. Es erübrigt sich somit die Kennzeichnung mit Plus- oder Minuszeichen.

Umgekehrt findet sich abgesehen von - dem aufgrund der Teilnehmer-Deckelung beim Halbmarathon ein wenig "außer Konkurrenz" zu betrachtenden - Hamburg mit München nur noch ein weiteres Cityrennen, das nicht einen mindestens doppelt so starken Halbmarathon aufweist. Zum einen ist die bayerische Metropole durchaus attraktiv für internationale Lauftouristen, was sich tendenziell positiv auf die Teilnehmerzahlen der langen Distanz auswirkt. Immerhin kommt etwa ein Drittel des Marathonfeldes aus dem Ausland.

Zum anderen hat man an der Isar allerdings neben einem Halbmarathon eben auch noch einen Zehner und eine Staffel im Angebot. Man wirft also so ziemlich alles auf den Markt, was an Unterdistanzen nur denkbar ist. Und natürlich zieht man sich damit wieder selbst Potenzial von den einundzwanzig Kilometern auf andere Wettbewerbe ab. München steht mit einer so breit gefächerten Palette an Läufen jedoch keineswegs alleine da. Auch viele andere Veranstaltungen habe ihr Angebot entsprechend - wie es im Managerdeutsch heißen würde - diversifiziert.

Was aus finanzieller Sicht durchaus sinnvoll erscheinen mag, denn mit wenig zusätzlichem Aufwand kann man viele neue Teilnehmer und damit höhere Einnahmen generieren, bringt aber auf Dauer auch eine ziemliche Unübersichtlichkeit und Verzettelung. Bösartig könnte man es sogar "Beliebigkeit" nennen. Doch scheinen selbst größere Marathons angesichts kleiner werdender Starterfelder und gleichzeitig stetig zunehmender organisatorischer Aufwände ohne Nebenstrecken kaum noch überlebensfähig zu sein.

Andererseits wirkt es fast so, als ob es diesen Marathon braucht, um einen Halbmarathon zu einer ansehnlichen Teilnehmerzahl zu bringen. Denn von den zehn größten deutschen Rennen über einundzwanzig Kilometer werden sieben zusammen mit einem doppelt so langen Lauf ausgetragen. Von den ersten zwanzig sind es immerhin zwölf. Und unter den einunddreißig Halbmarathons mit mehr als fünfzehnhundert Teilnehmern im Ziel ist es noch immer mehr als die Hälfte.

Wie beim Marathon findet das größte Rennen auch auf der Halbdistanz in Berlin statt. Und selbst wenn die Übermacht der Hauptstadt hier nicht ganz so groß ist, hat man noch über doppelt so viele Teilnehmer am Start wie der erste Verfolger. Mit 26.074 Läufern im Ziel kommt man zwar längst nicht an jene 43.047 heran, die der "große Bruder" sechs Monate später registrieren konnte. Doch auch hier lohnt sich noch einmal ein genauerer Blick.

Dank entsprechender Suchfunktionen lässt sich in den Ergebnislisten nämlich einschränken, wie viele Teilnehmer dort mit dem Nationenkürzel "GER" aufgeführt sind. Und beim Marathon werden dabei - für viele sicher ziemlich erstaunlich - nicht einmal mehr vierzig Prozent des Feldes ausgewiesen. Deutlich mehr als die Hälfte der Starter reist angelockt von etlichen Weltrekorden aus dem Ausland an. Alleine weit über sechstausend US-Amerikaner stehen in der Startliste. Der Berlin Marathon ist längst ein vollkommen internationales Rennen.

Selbst wenn der Halbmarathon ebenfalls viele Lauftouristen aus aller Welt anlockt, besteht dessen Feld hingegen trotzdem immer noch mehrheitlich aus deutschen Sportlern. Und überraschenderweise sind es nicht nur relativ zur Größe des Gesamtfeldes sondern sogar in absoluten Zahlen mehr einheimische Starter als beim vermeintlich so übermächtigen Marathon. Aus dieser Perspektive erscheinen die Werte auf einmal logisch und absolut nachvollziehbar.

Neben dem Berliner Halbmarathon schafft es nur noch ein weiterer Lauf in die Fünfstelligkeit. Doch auch hier ist der Nachrichtenwert eigentlich ziemlich gering. Denn so wie man den Lauf an der Spree eigentlich schon ohne großes Nachschlagen der Ergebnisse auf Rang eins der Rangliste setzen könnte, hat Köln seit über einem Jahrzehnt ein Abonnement auf die Position dahinter.

Die Domstädter sind allerdings ein Paradebeispiel dafür, wie man mit dem Hinzunehmen eines Halbmarathons den eigenen Marathon kannibalisiert. Nur ein Jahr nachdem man die kürzere Distanz im Jahr 2007 eingeführt hatte, war sie auch schon am "Hauptlauf" vorbeigezogen. Inzwischen ist dieser von damals 9760 Teilnehmern auf nur noch 3756 abgerutscht. Der Halbe ist im gleichen Zeitraum dagegen von 7721 auf 10.647 Läufer angewachsen.

Auf Rang drei findet sich ebenfalls beinahe schon gewohnheitsmäßig der Halbmarathon von Hamburg - und zwar wohlgemerkt nicht jener, der im Rahmen des Marathons ausgetragen wird, sondern eine weitere separate Veranstaltung einer konkurrierenden Agentur im Juni. Den Erstgenannten entdeckt man mit ungefähr halb so vielen Teilnehmern immerhin auch noch auf Platz vierzehn der größten deutschen Rennen auf dieser Distanz. Dass beide Läufe sogar auf nahezu identischer Strecke ausgetragen werden, macht die ganze Sache irgendwie noch deutlich seltsamer.

Dahinter folgt mit München eine Veranstaltung, die nicht nur in der Halbmarathon- sondern auch in der Marathonrangliste Rang vier belegt. Und der hier fünftplatzierte Rennsteiglauf bewegt sich ebenfalls auf beiden Distanzen in ähnlichen Regionen, denn beim doppelt so langen Gegenstück veranstalten die Thüringer das sechstgrößte Rennen in Deutschland. Dass man völlig unangefochten dann auch noch den größten Ultra des Landes hat, kommt als Sahnehäubchen oben drauf und zeigt die inzwischen erreichte Bedeutung der Veranstaltung für die deutsche Laufszene.

Mit Freiburg, Hannover, Mainz und Bonn finden sich dann noch vier typische mittelgroße Marathons mit deutlich stärkerem Halbmarathon unter den ersten zehn. Zwischen 6202 (Freiburg) und 4643 (Bonn) Läufern liegen dabei die Werte. Karlsruhe, Ulm, Dresden - allesamt ebenfalls noch mit mehr als dreitausend Teilnehmern - sowie der knapp an der Dreitausendermarke scheiternde Bremen Marathon sind weitere Beispiele für diese Konstellation auf den Rängen bis zwanzig.

Dazwischen schiebt sich als Nummer acht noch der März-Halbmarathon von Frankfurt. Es ist durchaus bemerkenswert, dass die drei Städte mit den größten Marathons des Landes auch die drei größten eigenständigen Halben besitzen. Das Rennen am Main unterscheidet sich aber durchaus von den beiden anderen - schon alleine dadurch, dass als Veranstalter keine professionelle Agentur sondern mit Spiridon Frankfurt einer der größten deutschen Laufvereine auftritt.

Auch bewegt man sich in Berlin und Hamburg mitten in der Stadt sowie größtenteils auch auf vom Marathon bekannten Gelände. In Frankfurt dagegen wird das eigentliche Zentrum maximal berührt. Start und Ziel befinden sich am außerhalb gelegenen Stadion. Und fast die Hälfte des Kurses führt bei An- und Ablauf dorthin durch den Stadtwald. Immerhin eröffnet eine mehrere Kilometer lange Passage am Mainufer Blicke auf die bekannte Skyline. Hauptattraktion der Strecke ist für viele der fast fünfeinhalbtausend Teilnehmer aber vermutlich der Einlauf in der Fußballarena.

Eine Tartanbahn für die Leichtathletik gibt es dort allerdings genauso wenig mehr wie in Stuttgart, wo im Normalfall das Ziel ebenfalls im Stadion liegt. Im Jahr 2023 war dies wegen Bauarbeiten allerdings nicht der Fall. Doch konnte man immerhin mit dem kleinen Jubiläum der dreißigsten Auflage in die Werbung einsteigen. Damit schafften es die Schwaben als erste Nicht-Marathon-Stadt auf Rang elf, obwohl sie wie die meisten anderen noch leicht hinter den Vor-Corona-Werten zurückblieben.

Im Vergleich mit 2019 zugelegt hat neben den Frankfurtern einzig und allein noch der München Marathon. Obwohl es auch im Halbmarathonbereich zum ziemlich schwachen Vorjahr natürlich überall ein spürbares Plus zu verzeichnen gab, lässt sich insgesamt noch ein gewisser Aufholbedarf erkennen. In der Summe über alle gesammelten Daten fehlen jedenfalls mehrere zehntausend Zieleinläufe gegenüber dem alten Wert.

Und waren es vor vier Jahren immerhin noch siebenundfünfzig Halbmarathons, die eine vierstellige Teilnehmerzahl vermelden konnten, kommt man in der abgelaufenen Saison nur noch auf vierundvierzig. Würde man den Strich bei fünfzehnhundert Läufern ziehen, lauten die entsprechenden Zahlen einundvierzig und einunddreißig. Bei einer Grenze von zweitausend stehen dreiunddreißig Läufe im Jahr 2019 nur noch fünfundzwanzig 2023 gegenüber.

Knapp die Hälfte der Differenz entsteht dabei durch Veranstaltungen, die nun unter die Tausender-Marke gerutscht sind. Die bekanntesten "Opfer" sind der Lauf in Altötting und der Halbe des Schwarzwald Marathons. Doch fehlen eben auch eine ganze Reihe jetzt überhaupt nicht mehr stattfindende Rennen in der Liste. Und fast ausnahmslos handelt es sich dabei um Halbmarathons die zusammen mit einem Marathon ausgerichtet wurden. Neben dem schon erwähnten Mannheim wäre da zum Beispiel Düsseldorf zu nennen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der eine oder andere davon als reiner Halbmarathon wieder auftaucht ist sicher höher als ein Wiedereinstieg in die Marathonszene. Schließlich ist das Teilnehmerpotential auf der kürzeren Strecke deutlich höher. Organisatorisch ist es sicher auch einfacher, wenn eine Stadt nur drei anstatt sechs oder sieben Stunden lahmgelegt wird.

Insbesondere wenn das Mainzer "Experiment" gelingt und der Lauf als reiner Halbmarathon auch ohne Rahmen-Marathon etliche tausend Läufer anlockt, dürften viel eher weitere Veranstalter darüber nachdenken, sich auf die kürzere Distanz zu beschränken. Die Zeiten, in denen es einfach zum guten Ton gehörte, einen Marathon in der eigenen Gemarkung auszurichten und sich deswegen auf engem Raum etliche Veranstaltungen regelrecht auf den Füßen standen, scheinen inzwischen ohnehin vorbei zu sein.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 
veröffentlicht am 8.12.2023

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2023

Teil 5: Die Schnellsten & die Besten

Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Wenn der Sieger des Rennens mit der zu jenem Zeitpunkt achtschnellsten jemals erzielten Marathonzeit gestoppt wird und diese Leistung sowohl bei den Organisatoren als auch unter den Pressevertretern nicht mehr als ein enttäuschtes Schulterzucken hervorruft, belegt das ziemlich klar, welche Erwartungshaltung es in Bezug auf den Marathon von Berlin inzwischen gibt.

Nicht mehr und nicht weniger als "die schnellste Strecke der Welt" findet man schließlich in Berlin vor. Und da Tigst Assefa bei den Frauen am gleichen Tag auf genau diesem Pflaster den alten Weltrekord mit einer 2:11:53 regelrecht pulverisiert und die Bestmarke in Bereiche vorschiebt, die vor nicht allzu langer Zeit nur von wenigen Herren erreicht wurden, scheint diese in der nationalen und internationalen Szene größtenteils akzeptierte These auch 2023 nur ein weiteres Mal eindrucksvoll bestätigt worden zu sein.

Schnellste deutsche Marathons - relativ zum Weltrekord

Grundlage der Bewertung sind die Siegerzeiten, die zum Männer- bzw. Frauenweltrekord ins Verhältnis gesetzt werden (Kelvin Kiptum - 2:00:35 und Tigst Assefa - 2:11:53). Aus der Summe der aus den prozentualen Abweichungen ermittelten Faktoren ergibt sich der Rang. Der relativ schnellste Marathon hat nach dieser Methode dann die niedrigste Summe.

* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern zwei aufgrund der persönlichen Leistungen (Männer unter 2:30 h / Frauen unter 2:55 h) hinzugekommen.

Die Grafik endet beim Gesamtfaktor 64,41 (25 Stück) ...weitere in folgender Tabelle:
Ort Männersieger Zeit Frauensiegerin Zeit
Faktor ges.
Berlin Eliud Kipchoge 2:02:42 Tigst Assefa 2:11:53
1,76
Hamburg Bernard Koech 2:04:09 Dorcas Tuitoek 2:20:09
9,23
Frankfurt/M Brimin Kipkorir Misoi 2:04:53 Buzunesh Getachew Gudeta 2:19:27
9,30
Hannover Amanal Petros 2:07:02 Matea Parlov Kostro 2:25:45
15,86
Münster Charles Yosey Muneria 2:09:07 Rebecah Jeruto Cherop 2:29:13
20,22
München Bernard Muia Katui 2:09:17 Catherine Cherotich 2:31:34
22,14
Dresden Stadt Collins Kemboi Kipsang 2:10:42 Lilian Jebitok 2:31:58
23,62
Kassel * (207 Fin) Joel Kipsang Kositany 2:16:35 Mercy Jeptoo Tuitoek 2:34:27
30,38
Köln Amos Kipkorir Changwony 2:14:43 Esther Jacobitz 2:37:00
30,77
Mainz Pramau Uladzislau 2:17:16 Vaida Žusinaite-Nekriošiene 2:40:31
35,55
Bonn Jochen Uhrig 2:26:04 Sabine Burgdorf 2:43:58
45,46
Kandel Manuel Schräder 2:24:09 Mariia Radko 2:47:00
46,17
Freiburg Felix Köhler 2:25:14 Anja Röttinger 2:47:52
47,73
Leipzig Nic Ihlow 2:30:03 Yvonne van Vlerken
2:44:27
49,13
Essen Marcel Bräutigam 2:20:36 Lisa Geldermann 2:55:29
49,66
Füssen Andreas Dietrich 2:33:03 Maria Elisa Legelli 2:48:03
54,35
Würzburg Philipp Karpeles 2:27:49 Alexandra Bauer 2:55:25
55,59
St. Wendel* (90 Fin) Alexander Bock 2:29:55 Julia Keck 2:56:20
58,03
Heilbronn Kay-Uwe Müller 2:34:00 Isabel Leibfried 2:53:12
59,04
Karlsruhe Omar Tareq 2:30:20 Sophie Lohmann 2:59:02
60,42
Schwarzwald Lennart Nies 2:34:09 Stefanie Doll 2:57:12
62,20
Regensburg Helmuth Mair 2:40:42 Maria Elisa Legelli 2:50:04
62,22
Bremen Simon Bong 2:25:22 Jennifer Janele 3:07:12
62,50
Dresden Oberelbe
Peter Frohnwieser 2:34:30 Maria Elisa Legelli 2:59:19
64,09
Duisburg Gabriel Barros 2:33:50 Katharina Wehr 3:00:28
64,41
Lübeck Lars Schwalm 2:28:52 Petra Herrmann 3:09:53
67,43
Rennsteiglauf Erik Hille 2:32:21   Anne Barber 3:07:42
68,67
Ulm Christian Lutz 2:40:53 Sabine Geyer 3:05:35
74,14
Monschau Markus Mey 2:50:43 Margit Klockner 3:02:50
80,21
Brocken Peter Bech 2:50:01 Isabelle Schöffl 3:28:56
99,42
Allgäu Pnorama Kilian Obermeyer
3:27:14 Sandra Müller 4:06:55
159,08
* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern zwei aufgrund der besonderen Leistungen (Männer unter 2:30 h / Frauen unter 2:55 h) hinzugekommen.

Für eine kurze Periode von zwei Wochen waren damit sogar beide gültigen Marathon-Weltrekorde in Berlin aufgestellt worden. Dann allerdings wurde die 2:01:09, die Eliud Kipchoge im Vorjahr an der Spree erzielt hatte, vom neuen kenianischen Superstar Kelvin Kiptum in Chicago unterboten und die neue Messlatte auf 2:00:35 gelegt. Es scheint inzwischen nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann die zwei Stunden auch in einem regulären Rennen fallen.

Nachdem der offizielle Weltrekord der Männer achtmal in Folge in Berlin verbessert worden war, liegt er damit nun wieder in einer Stadt, die bis ungefähr zur Jahrtausendwende gemeinsam mit Rotterdam und London die Bestenlisten dominierte. Ironischerweise hatte die Metropole am Michigansee gerade zwei Wochen zuvor den Frauenweltrekord, den seit 2019 Brigid Kosgei mit 2:14:04 hielt, an Berlin verloren. Im Endeffekt hat man also jetzt nur mit der deutschen Hauptstadt getauscht.

Doch sind zu den bereits Genannten inzwischen noch weitere Konkurrenten um den inoffiziellen Titel des schnellsten Kurses hinzugekommen. Denn neben Chicago und London (ebenfalls Kelvin Kiptum in 2:01:25) hat auch Valencia in diesem Jahr eine bessere Herren-Siegerzeit zu bieten. Sisay Lemma lief dort nämlich in 2:01:48 einen neuen Streckenrekord. Der alte stand jedoch ebenfalls bereits bei 2:01:53. Erzielt hatte ihn wieder ein gewisser Kelvin Kiptum, dessen Stern im Vorjahr in Valencia praktisch aus dem Nichts aufgegangen war.

Inzwischen sind fünf der zwanzig besten Marathonleistungen aller Zeiten auf dem Asphalt der spanischen Hafenstadt erzielt. Noch haben die Berliner hier mit sieben die Nase etwas vorne. Doch ist es den Valencianern in den letzten Jahren stets gelungen, extrem leistungsstarke Felder zusammen zu bekommen, die jedes Mal für gleich mehrere vordere Plätze in der Jahresbestenliste gut sind. Auch im Frauenbereich, wo Berlin trotz Weltrekord nur noch ein weiteres Mal - und zwar mit der Vorjahreszeit von Tigst Assefa - in den absoluten Spitzenrängen auftaucht, ist Valencia ähnlich gut vertreten.

Und mit fast sechsundzwanzigtausend Läufern im Ziel hat man der nationalen Konkurrenz aus Barcelona, Sevilla und Madrid nicht nur leistungs- sondern auch teilnehmermäßig längst den Rang abgelaufen. Die Reihenfolge dieser Auszählung ist keineswegs zufällig gewählt. Sie entspricht der Bedeutung der Marathons. Denn sowohl hinsichtlich der Größe des Starterfeldes als auch der erzielten Zeiten ist die spanische Hauptstadt nur die Nummer vier im Land.

Nicht viel anders sieht es übrigens auch beim Halbmarathon aus, wo alle vier Städte zusätzlich jeweils ein eigenständiges Rennen mit fünfstelligen Teilnehmerzahlen bieten können. Zwar kann hier Madrid immerhin Sevilla hinter sich lassen. Doch auch auf dieser Distanz ist Valencia - die in einer Mischung aus Spanisch und Englisch selbsterklärte "Ciudad del Running" - mit rund zwanzigtausend Läufern wieder der absolute Marktführer.

Blickt man in die Rekordlisten wird die Dominanz sogar noch größer. Denn neben der absoluten Bestmarke 1:02:52 von Letesenbet Gidey stammt auch die zweitschnellste jemals gelaufene Frauenzeit über einundzwanzig Kilometer von Valencianer Straßen. Und bei den Männern wurde dort zwar nicht der Weltrekord von 57:31 erzielt. Den lief der Ugander Jacob Kiplimo 2021 in Lissabon. Doch die Streckenbestzeit in Valencia ist nur eine Sekunde langsamer. Und acht der zehn besten jemals gelaufenen Halbmarathons sind in der spanischen Stadt absolviert worden.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Männer

Berlin Eliud Kipchoge
2:02:42
Hamburg Bernard Koech
2:04:09
Frankfurt/M Brimin Kipkorir Misoi
2:04:53
Hannover Amanal Petros
2:07:02
Münster Charles Yosey Muneria
2:09:07
München Bernard Muia Katui
2:09:17
Dresden Stadt Collins Kemboi Kipsang
2:10:42
Köln Amos Kipkorir Changwony
2:14:43
Kassel* (207 Finisher) Joel Kipsang Kositany
2:16:35
Mainz Pramau Uladzislau
2:17:16
Essen Marcel Bräutigam
2:20:36
Kandel Manuel Schräder
2:24:09
Freiburg Felix Köhler
2:25:14
Bremen Simon Bong
2:25:22
Bonn Jochen Uhrig
2:26:04
Würzburg Philipp Karpeles
2:27:49
Lübeck Lars Schwalm
2:28:52
St.Wendel* (90 Finisher) Alexander Bock
2:29:55
Leipzig Nic Ihlow
2:30:03
Karlsruhe Omar Tareq
2:30:20
Fränkische-Schweiz* (161 Fin) Philipp Karpeles
2:30:43
Bad Füssing* (174 Finisher) Matthias Ewender
2:31:33
Rennsteiglauf Erik Hille
2:32:21
Füssen Andreas Dietrich
2:33:03
Duisburg Gabriel Barros
2:33:50
Heilbronn Kay-Uwe Müller
2:34:00
Schwarzwald Lennart Nies
2:34:09
Dresden Oberelbe Peter Frohnwieser
2:34:30
Rothaarsteig* (234 Finisher) Benjamin Polin
2:34:55
Regensburg
Helmuth Mair
2:40:42
Ulm Christian Lutz
2:40:53
Brocken Peter Bech
2:50:01
Monschau Markus Mey
2:50:43
Allgäu-Panorama Kilian Obermeyer
3:27:14
* In der Betrachtung sind zu den 29 Marathons mit mindestens 300 Finishern aufgrund der besonderen Leistungen (Männer unter 2:35 h) 5 hinzu gekommen.

Doch zurück zum Marathon. Mit Tokyo gibt es noch einen weiteren Lauf, der in den ewigen Weltbestenlisten sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen Einträge unter den ersten zehn beisteuert. Dass man mit einem Sieger namens Eliud Kipchoge dort landen kann, ist nicht unbedingt verwunderlich. Doch brachte in diesem Jahr Rosemary Wanjiru die japanische Nummer eins auch im weiblichen Bereich endgültig in die vordersten Ränge.

Diesen Veranstaltungen gemeinsam ist nicht etwa, dass ihre Strecken einzigartig flach wären. Wirklich hügelig ist zwar auch keine von ihnen. Doch zwanzig oder dreißig Meter zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Punkt des Kurses findet man bei allen. Da gibt es unter den vielen tausend Marathons weltweit definitiv noch ebenere - und damit vermeintlich "schnellere" - Läufe.

Vielmehr werden von den Organisatoren entsprechende Summen in die Zusammensetzung der Elitefelder investiert. Und während im angelsächsischen Raum Tempomacher eher verpönt sind - sowohl in London wie auch in New York und Boston gibt es sogar einen zeitlich separaten Start für die Frauenelite - werden in Europa die Rennen mit etlichen "Hasen" für verschiedene Gruppen meist regelrecht durchchoreographiert. Und die Berliner können das zwar wirklich gut - aber eben nicht nur sie.

Japan, nimmt diesbezüglich übrigens noch eher eine Mittelposition ein. Denn bis weit in dieses Jahrtausend hinein gab es im Land der aufgehenden Sonne hauptsächlich reine Eliteläufe mit kleinen, aber feinen Feldern. Meist wurden sie auf Wendepunktkursen mit Start und Ziel im Stadion ausgetragen. Auch Tokyo besaß, bevor es 2007 erstmals einen Massenmarathon ausrichtete, zwei entsprechende Rennen - eins für Männer, eins für Frauen.

Innerhalb kürzester Zeit hat sich dort aber der hierzulande übliche Veranstaltungstyp mit gemeinsamem Start von Spitzen- und Breitensport durchgesetzt. Es gibt mit dem Frauenmarathon in Osaka und dem Männerrennen in Fukuoka zwar noch ein paar Restanten. Doch der Trend geht in eine völlig andere Richtung. So hat man den Herrenelite-Lauf am Lake Biwa vor kurzem einfach mit dem Osaka-Marathon fusioniert. Und auch Fukuoka hatte in der Corona-Phase schon seinen Rückzug verkündet und wurde eigentlich nur wegen seiner jahrzehntelangen Tradition dann doch wieder neu belebt.

Wie sehr die japanischen Läufer auf diesen Wechsel gewartet haben müssen, lässt sich leicht an den Teilnehmerzahlen ablesen. Denn nicht nur der Tokyo Marathon könnte seine vierzigtausend vorhandenen Startnummern gleich mehrfach absetzen. Auch etliche andere Veranstaltungen sind überbucht und verlosen ihre Plätze. Die Zahl der Rennen mit fünfstelligen Starterfeldern nähert sich den zwei Dutzend. Japan hat inzwischen vermutlich sogar die größte Marathonszene weltweit und verzeichnet mehr Zieleinläufe als die fast dreimal mehr Einwohner besitzenden USA.

Mit dieser Umstellung setzen auch die japanischen Marathons verstärkt auf Tempomacher, die es bei den reinen Eliterennen in dieser Form nicht gab - insbesondere natürlich männliche Begleiter bei den Frauen. Doch aufgrund der extrem hohen Leistungsdichte - in den letzten Jahren liefen jede Saison knapp fünfzig japanische Herren unter 2:10 - gibt es im eigenen Land zusätzlich genug ehrgeizige Läufer, die selbst ohne Vorgabe durch im Vorfeld bestimmte Hasen die Geschwindigkeit ziemlich hoch halten würden.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Frauen

Berlin Tigst Assefa
2:11:53
Frankfurt/M Buzunesh Getachew Gudeta
2:19:27
Hamburg Dorcas Tuitoek
2:20:09
Hannover Matea Parlov Kostro
2:25:45
Münster Rebecah Jeruto Cherop
2:29:13
München Catherine Cherotich
2:31:34
Dresden Stadt Lilian Jebitok
2:31:58
Kassel* (207 Fin) Mercy Jeptoo Tuitoek
2:34:27
Köln Esther Jacobitz
2:37:00
Mainz Vaida Žusinaite-Nekriošiene
2:40:31
Bonn Sabine Burgdorf
2:43:58
Leipzig Yvonne van Vlerken
2:44:27
Kandel Mariia Radko
2:47:00
Freiburg Anja Röttinger
2:47:52
Füssen Maria Elisa Legelli
2:48:03
Regensburg
Maria Elisa Legelli
2:50:04
Heilbronn Isabel Leibfried
2:53:12
Würzburg Alexandra Bauer
2:55:25
Essen Lisa Geldermann
2:55:29
Magdeburg* (278 Fin)
Nadja Koch
2:55:37
St.Wendel* (90 Fin) Julia Keck
2:56:20
Hunsrück* (64 Fin) Margit Klockner
2:56:45
Schwarzwald
Stefanie Doll
2:57:12
Flensburg* (189 Fin)
Begitte Hansen
2:57:57
Fränkische-Schweiz* (161 Fin) Alexandra Bauer
2:58:26
Karlsruhe Sophie Lohmann
2:59:02
Hockenheim Marathon* (218 F) Lina Kabsch
2:59:02
Dresden Oberelbe Maria Elisa Legelli
2:59:19
Bad Füssing* (174 Fin) Tina Fischl
2:59:19
Duisburg Katharina Wehr
3:00:28
Monschau Margit Klockner
3:02:50
Ulm Sabine Geyer
3:05:35
Bremen Jennifer Janele
3:07:12
Rennsteiglauf Anne Barber
3:07:42
Lübeck Petra Herrmann
3:09:53
Brocken Isabelle Schöffl
3:28:56
Allgäu-Panorama Sandra Müller
4:06:55
* In der Betrachtung sind zu den 29 Marathons mit mindestens 300 Finishern aufgrund der besonderen Leistungen (Frauen unter 3:00 h) 8 hinzu gekommen.

In Deutschland sind diese hingegen seit vielen Jahren nicht nur in Berlin der absolute Standard. Und ob mit den entsprechenden Budgets nicht auch in Frankfurt oder Hamburg, München oder Köln, Hannover oder Münster Rekorde erzielt werden könnten, sei einmal dahingestellt. Vor zwölf Jahren war Wilson Kipsang ja am Main einmal nur um Sekunden an einem neuen Weltrekord vorbei geschrammt. Selbst wenn sie noch aus der Zeit vor der Ära der "Wunderschuhe" stammt, taucht diese Leistung weiter unter den ersten fünfzig der ewigen Bestenliste auf.

Frankfurt ist wie üblich auch gemeinsam mit Hamburg erster Anwärter für den Platz hinter dem wieder einmal auch in dieser Kategorie deutlich führenden Hauptstadtmarathon. Denn obwohl beide eher selten Zeiten für absolut vorderen Ränge der Jahresweltbestenlisten beisteuern, muss man andererseits fast nie weiter als bis zum zwanzigsten oder dreißigsten Eintrag blättern, bevor man die entsprechenden Ergebnisse findet. Die anderen deutschen Marathons spielen da im internationalen Vergleich doch mindestens eine Liga niedriger.

Waren im letzten Jahr sowohl im Männer- als auch im Frauenrennen die Siegerzeiten bei den Hanseaten besser und damit der zweite Rang leicht zu vergeben, ist es diesmal eine Millimeterentscheidung. Die 2:04:09 von Bernard Koech in Hamburg ist vierundvierzig Sekunden schneller als die 2:04:53 von Brimin Kipkorir Misoi in Frankfurt. Dafür ist dann die Frauenzeit am Main mit 2:19:27 durch Buzunesh Getachew Gudeta wieder zweiundvierzig Sekunden besser als Dorcas Tuitoeks 2:20:09 im Norden.

In der simplen Zeitenaddition ergibt sich also ein marginaler Vorteil für die Hamburger. Und auch wenn man den mathematisch etwas genaueren relativen Abstand zu den jeweiligen Weltrekorden zugrunde legt, bewegt sich der Unterschied zwischen den Ergebnissen im absoluten Nachkommabereich. Es ist nämlich weniger als ein Zehntelprozentpunkt, der die beiden trennt. Hamburg liegt auch hier wieder hauchdünn vorne. Doch eigentlich müsste man trotzdem fast von einem Unentschieden sprechen.

Danach wird die gewohnte Hackordnung der deutschen Marathons aber tatsächlich etwas aufgebrochen. Denn nicht etwa in München oder Köln werden die nächstschnellsten Siegerzeiten gelaufen. Und der Rennsteiglauf ist aufgrund seiner mit Höhenmetern gespickten Strecke und dem völligen Verzicht auf ostafrikanische Laufprofis ohnehin außen vor. Er findet sich ganz im Gegenteil eher am anderen Ende der Skala.

Es ist der Hannover Marathon, der sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern die viertbesten Spitzenzeiten hat. Amanal Petros ist mit seiner 2:07:02 auch schnellster einheimischer Sieger. Dass damit nicht gleich auch der Spitzenplatz in der DLV-Bestenliste verbunden ist, liegt daran, dass Petros im September mit 2:04:58 noch einen weiteren Satz nach vorne machte und den eigenen Landerekord - übrigens 2021 in Valencia erzielt - um eineinhalb Minuten verbesserte. Dabei im internationalen Spitzenfeld von Berlin nur Neunter geworden zu sein, dürfte Petros verschmerzen können.

Auch der amtierende Europameister Richard Ringer und Haftom Welday kamen mit 2:08:08 bzw. 2:09:40 - also Zeiten, mit denen sie andere Marathons durchaus hätten gewinnen können - in Hamburg bloß auf die Ränge sechs und acht. Beide verbesserten sich Anfang Dezember in Valencia jeweils um über eine Minute auf 2:07:05 und 2:08:24. Dass sie dabei "nur" Achtzehnter und Dreißigster wurden, zeigt allerdings auch, dass Siegerzeiten alleine nicht immer alles aussagen und ein tieferer Blick in die Listen manchmal nicht schaden kann.

Samuel Fitwi und Hendrik Pfeiffer, die in 2:08:28 und 2:08:48 in Berlin die Plätze achtzehn und zwanzig belegten, sind weitere Beispiele. Filimon Abraham lief als Barcelona-Achter mit 2:08:22 noch etwas schneller. Und Simon Boch konnte mit 2:09:25 sogar einen Marathon gewinnen, dies allerdings im österreichischen Linz, weshalb auch er nicht in der Liste der Sieger deutscher Marathons auftaucht.

Dass eine schwarz-rot-goldene Flagge gleich für sieben Läufer und zehn Zeiten unter 2:10 in der entsprechenden Spalte der Jahresweltrangliste erscheint, ist jedenfalls ein absolutes Novum. Mehr als zwei oder drei waren es zuvor nie. Die Konkurrenz - insbesondere um die Olympiastartplätze - hat hier eindeutig das Geschäft belebt. Immerhin ist es gerade einmal wenige Jahre her, dass man mit Zeiten im Bereich des heutigen Frauenweltrekordes die deutsche Herren-Bestenliste sicher anführte. Unter der internationalen Norm von 2:08:10 für Paris 2024 blieben bisher aber nur Petros und Ringer.

Leistungsdichte - Männer unter 3:00 h

Vergleich 2023 -2022 - 2019

Alle 7 Marathons dieser Grafik hatten mehr als 1500 Finisher und über 50 Männer unter 3:00 Stunden

Die schnellste deutsche Siegerin Esther Jacobitz, die in Köln nach 2:37:00 über die Ziellinie lief und damit auch die nationalen Meisterschaften für sich entschied, ist im Gegensatz zu Amanal Petros ziemlich weit von einem Start bei den Spielen in der französischen Hauptstadt entfernt. Denn bis zur Olympia-Qualifikationszeit von 2:26:50 fehlen mehr als zehn Minuten und vor ihr rangiert zudem ein volles Dutzend anderer Athletinnen.

Schnellste von ihnen war Domenika Mayer, die in Berlin 2:23:47 lief und damit beim Rekordrennen Vierzehnte wurde. Obwohl sie durch die Leistung hinter Irina Mikitenko und Uta Pippig drittschnellste Deutsche aller Zeiten über die Marathondistanz ist, reicht es in der wie üblich von Äthiopien und Kenia dominerten Jahresweltrangliste gerade noch für einen Eintrag unter den ersten hundert Läuferinnen.

In der deutschen Liste auf Rang zwei steht mit Laura Hottenrott eine Athletin mit einer doch etwas unkonventionellen Herangehensweise. Weniger, dass sie nur gute zwei Monate nach einer 2:29:38 in Berlin in Valencia 2:24:30 ablieferte, ist dabei das absolut Ungewöhnliche. Doch im Juli hatte sie zuvor auch den mit achtzehnhundert Höhenmetern versehenen Bergmarathon in Zermatt gewonnen.

Es war zudem nicht der erste Ausflug in dieses Terrain, auf dem sich die meisten Sportler dieser Leistungskategorie sonst eher selten blicken lassen. Denn für die Jahre 2021 und 2022 steht sie auch in den Siegerlisten des vergleichbar schweren Jungfrau Marathons. Und zum dritten Mal in Folge wurde sie in dieser Saison deutsche Meisterin im Berglauf. Allerdings unternimmt auch Domenika Mayer gelegentliche Ausflüge ins steile Gelände und war gemeinsam mit Hottenrott am Team-Silber bei der diesjährigen Berglauf-WM beteiligt.

Noch zwei weitere Deutsche unterboten 2023 die Olympia-Norm. Fabienne Königstein als Hamburg-Achte in 2:25:48 sowie Deborah Schöneborn, die im Februar in Sevilla gerade einmal vier Sekunden langsamer war. Und mit ihrer Zwillingschwester Rabea, die 2023 nur eine 2:31:05 erreichte, der EM-Vierten Miriam Dattke (2:28:12 in Frankfurt), Melat Yisak Kejeta (2:27:51 in Ottawa) sowie den zuletzt verletzungsgeplagten Katharina Steinruck und Kristina Hendel haben einige weitere noch Ambitionen, die Norm im kommenden Frühjahr anzugreifen. Bis zur endgültigen Nominierung bleibt es sicher spannend.

Während sich abgesehen von Eliud Kipchoge und Tigst Assefa angesichts der in ihren Heimatländern vorhandenen Leistungsdichte von den ostafrikanischen Siegern deutscher Marathons eigentlich niemand ernsthafte Hoffnungen darauf machen kann, in Paris dabei zu sein, dürfte die Kroatin Matea Parlov Kostro, die in Hannover als Erste eine 2:25:45 ablieferte, ihren Startplatz relativ sicher haben.

Ohnehin wurden außer in Berlin, Hamburg, Frankfurt und Hannover die Olympia-Qualifikationszeiten nirgendwo erreicht. Charles Yosey Muneria siegte in Münster mit 2:09:07, Bernard Muia Katu lief in München nach 2:09:17 als Erster ins Ziel. Das sind zwar keineswegs schlechte Leistungen. Doch haben die beiden damit einen fast genauso großen Abstand zur absoluten Weltspitze wie ihre weiblichen Pendants Rebecah Jeruto Cherop (2:29:13, Münster) und Catherine Cherotich (2:31:34, München).

Und das gilt nicht nur für die zeitliche Differenz zu den beiden Fabelweltrekorden sondern auch für die Position in der Weltrangliste, die man mit solchen Ergebnissen noch erreichen kann. Denn 2023 liefen mehr als dreihundert Männer den Marathon schneller als 2:10 - über hundert davon kommen alleine aus Kenia. Und bei den Frauen sind es genauso viele, die unter 2:30 bleiben konnten. Die absolute Elite ist eher noch ein bisschen weiter entfernt als zuvor, doch dahinter wird das "Gedränge" immer größer.

Für den "normalen" Läufer sind solche Zeiten natürlich trotzdem praktisch unerreichbar. Doch die Drei-Stunden-Marke ist mit ein wenig Talent und viel Training durchaus ein machbares Ziel. Gerade für solche Sportler ist es natürlich interessant, wo nicht nur an der Spitze Profiläufer mit durchkomponierten Rennen schnell sein können, sondern man auch in der Breite gute Zeiten erzielt.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Vergleich 2023 -2022 - 2019

Alle 7 Marathons dieser Grafik hatten mehr als 1500 Finisher und über 18 Frauen unter 3:20 Stunden

Dass dabei in Berlin die mit Abstand meisten Ergebnisse mit einer Zwei am Anfang erzielt werden, wundert überhaupt nicht. Doch hat es erst einmal weniger mit einer superschnellen Strecke zu tun als vielmehr mit purer Mathematik. Denn wenn an der Spree inzwischen fast die Hälfte alle Marathon-Zieleinläufe in Deutschland zustande kommen, müsste schon wirklich viel passieren, wenn dabei nicht auch die meisten unter drei Stunden darunter wären.

In relativen Zahlen sieht es dagegen schon ein wenig anders aus. Während nämlich in Berlin 7,4 Prozent des Feldes diese Marke unterbieten, sind es in Frankfurt mit 9,6 Prozent fast ein Zehntel des Starterfeldes. Und Hannover, wo man im Vorjahr dank der dort ausgerichteten Deutschen Meisterschaften sogar tatsächlich eine zweistellige Quote hatte, lag mit 8,9 Prozent ebenfalls wieder klar vor der "schnellsten Strecke der Welt".

Sollten die internationalen Lauftouristen auf ihrer Jagd nach Bestzeiten eventuell nicht besser in Niedersachsen oder Hessen starten? Allerdings müsste man ihnen aufgrund dieser Rangliste vielleicht sogar doch noch eher einen Start in einem kleinen pfälzischen Städtchen im Oberrheingraben empfehlen. Beim Traditionslauf von Kandel kamen nämlich genau wie 2022 auch 2023 wieder über zehn Prozent aller Teilnehmer in weniger als einhundertachtzig Minuten ins Ziel.

Jedoch gilt es hier wie bei sämtlichen statistischen Auswertungen, die nicht auf beliebig oft unter immer identischen Bedingungen zu wiederholenden Versuchen beruhen - also eigentlich alle, die irgendwie auch nur entfernt mit Menschen zu tun haben - einen Rückkopplungseffekt zu berücksichtigen, der Ursache und Wirkung miteinander vermengt. Denn eine angeblich "schnelle" Strecke zieht auch genau jene ambitionierten und wettkampforientierten Sportler an, die eine solche suchen.

Und von Kandel erzählt man sich in Läuferkreisen eigentlich schon seit Jahrzehnten, dass dort besonders gute Zeiten möglich sind. Umgekehrt wird man auf den langen und - vorsichtig ausgedrückt - recht zuschauerarmen Geraden durch den Bienwald, kaum jenen Typ Hobbyläufer finden, den hauptsächlich die Stimmung an der Strecke interessiert und dem es eigentlich egal ist, ob die Uhr am Ende ein paar Minuten mehr oder weniger zeigt.

Prozentualer Anteil der Finisher unter 3 Stunden

Von allen 29 Veranstaltungen mit mehr als 300 TN hatte der schwierige Landschaftsmarathon -
Allgäuer Panoramamarathon - keine Zeit unter 3 h aufzuweisen

Als Beispiel für den umgekehrten Fall ließe sich Köln aufführen, wo der Kurs vielleicht ein wenig winkliger ist, die zu bewältigenden Höhenmeter sich aber ebenfalls in einem ziemlich überschaubaren Rahmen halten. Doch trotz der in diesem Jahr in der Domstadt ausgetragenen Deutschen Meisterschaften kommt man über einen Mittelfeldplatz nicht hinaus und kann die Drei-Stunden-Quote gegenüber dem Vorjahr gerade einmal von 4,2 auf 4,4 Prozent steigern.

Eigentlich lässt sich das aber fast schon als Erfolg bewerten. Vor Corona waren die Werte schließlich in manchen Jahren nur halb so hoch. Die Karnevalshochburg steht zwar in dem Ruf neben dem Rosenmontag auch den Marathon ordentlich zu feiern. Doch als ein für eine neue persönliche Bestzeit geeignetes Rennen ist der Kölner Lauf in der Szene nicht unbedingt bekannt. Und so gibt es am Rhein für Männer und Frauen insgesamt lediglich 164 Zeiten unter drei Stunden, in Kandel, wo das Feld nur ein gutes Zehntel so groß ist, dagegen immerhin 43.

In München sind Gesamtzahlen und Quote sogar noch niedriger. Mit 128 entsprechenden Ergebnissen kamen dort gerade einmal 3,1 Prozent aller Läufer ins Ziel, bevor die erste Ziffer der Anzeige auf eine Drei umgesprungen war. Womit der Lauf in der bayerischen Landeshauptstadt trotz spürbaren Teilnehmerzuwachses sogar deutlich weniger schnelle Zeiten aufweist als im Vorjahr und sich hinsichtlich des Drei-Stunden-Anteils auf einmal kurz vor dem hügligen, am gleichen Tag ausgetragenen Schwarzwald-Marathon wiederfindet.

Dieser "verkauft" sich diesbezüglich aber auch extrem gut. Denn wenig überraschend haben ansonsten mit dem Allgäu-Panoramamarathon von Sonthofen, dem Rennsteiglauf, dem Monschau Marathon und dem Harzgebirgslauf von Wernigerode vier Rennen die niedrigsten Anteile, bei denen es besonders viel bergauf geht. Da schneidet der Bräunlinger Lauf, der dann aber doch ein paar Höhenmeter weniger hat, meist deutlich besser ab und stößt in die hinteren Regionen der Stadtmarathons vor.

Allerdings muss man auch so ehrlich sein, zu sagen, dass die berechneten Quoten immer zufallsabhängiger werden, je kleiner die Teilnehmerzahlen sind. Denn an der LaufReport-Einstiegsgrenze von dreihundert Läufern bringt eine einzige Zeit mehr oder weniger unter drei Stunden schon einen Sprung um mehr als drei Zehntelprozentpunkte und gegebenenfalls auch um mehrere Plätze in der entsprechenden Liste.

Natürlich gilt diese Kalkulation auch, wenn man den Strich eine Stunde weiter hinten zieht. Doch sind die Auswirkungen trotzdem etwas geringer. Denn es geht dann eben bei der Reihung nicht mehr um minimale Sprünge in einer bei zwei, drei oder vier Prozent liegenden Quote. Die Streuung für den Vier-Stunden-Anteil reicht vielmehr von 4,0 bis 62,4 Prozent. Und selbst wenn man die vier besonders bergigen Marathons - der Minimalwert stammt natürlich von extrem schweren Alpinmarathon in Sonthofen - außen vor lässt, verteilen sich die übrigen immer noch auf einen Bereich von dreißig Prozentpunkten.

Auch hinsichtlich der vier Stunden hat Kandel wieder die Nase vorn. Das ist jedoch nicht wirklich ungewöhnlich. Die Pfälzer haben zwar kein Abonnement auf diesen Spitzenplatz, finden sich allerdings aus den bereits genannten Gründen stets in den vordersten Rängen der entsprechenden Rangliste. Für Hannover und Frankfurt korrespondiert die gute Platzierung in der Vier-Stunden-Quote - beide kommen hier auf fast sechzig Prozent - ebenfalls mit dem Gegenstück bei drei Stunden.

Die zwei großen und bekannten Marathons aus Berlin und Hamburg, die sich bei drei Stunden noch auf den Plätzen direkt dahinter finden, rutschen dagegen ein ganzes Stück weiter zurück. Nicht einmal alsie Hälfte des Starterfeldes kommt nämlich in den beiden einwohnerstärksten deutschen Metropolen unter einer Nettolaufzeit von zweihundertvierzig Minuten im Ziel an.

Prozentualer Anteil der Finisher unter 4 Stunden

Alle 29 Veranstalter mit mehr als 300 TN

Diese Beobachtung lässt sich ohnehin immer häufiger bei den deutschen Veranstaltungen machen. Und auch in der Gesamtsumme über alle für LaufReport erfassten Daten tauchen seit einigen Jahren mehr Ergebnisse über als unter vier Stunden auf. Es ist zwar eine schleichende Verschiebung hin zu langsameren Zeiten, aber sie ist ziemlich stetig. Noch vor einem Jahrzehnt lag die Mehrheit nämlich auf der anderen Seite der Vier-Stunden-Marke.

Und selbst diese Werte stammen ja bereits aus der Periode nach dem großen deutschen Marathon-Boom am Anfang des neuen Jahrtausends, mit dem die zweiundvierzig Kilometer endgültig zu einer Distanz für Jedermann wurden, die man vermeintlich auch ohne langes Training in Angriff nehmen konnte - mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Ergebnisliste.

Altgediente, die auch davor bereits in der Laufszene aktiv waren, werden sich hingegen noch an Zeiten in den Achtzigern oder Neunzigern erinnern, in denen bei den großen Marathons regelmäßig zwei Drittel, drei Viertel oder gar vier Fünftel aller Teilnehmer vor dem Ablauf von vier Stunden ins Ziel kamen. Und der eine oder andere kleinere Veranstalter machte zu diesem Zeitpunkt sogar schon Schluss und begann mit dem Abbau.

Natürlich gibt es neben der Tatsache, dass viele inzwischen einen Marathon weit weniger gut und langfristig vorbereitet angehen als vor zwei oder drei Jahrzehnten, weitere Gründe für die Tendenz zur Langsamkeit. Denn gerade die weitere Verschiebung in den letzten Jahren geht darauf zurück, dass die Läuferfelder sowohl immer älter als auch immer weiblicher werden. Und diese Veränderung lässt sich - ohne einer der beiden Gruppen zu nahe treten zu wollen - auch an den Ergebnissen ablesen.

Dazu sind auch die Jüngeren, die zuletzt in die Marathonszene nachrückten, längst nicht mehr so leistungsorientiert wie ihre Vorgängergeneration. Das lässt sich zum Beispiel daran ablesen, dass nicht nur der Anteil der Drei-Stunden-Läufer geschrumpft ist. Es sind auch in absoluten Zahlen weniger Sportler geworden, die eine solche Leistung erbringen. Das oft gebrauchte Argument, die Verhältnisse würden sich nur deshalb verschieben, weil sich jetzt auch Langsamere auf die Marathondistanz trauten, lässt sich damit statistisch durchaus widerlegen.

So waren nicht nur in Berlin sondern auch in Frankfurt und Hamburg die laufenden Nummern der Ergebnislisteneinträge während der Neunziger meist schon vierstellig, bevor erstmals eine Drei an der ersten Stelle der Zeit auftauchte. Für manche jener Jahre reicht es sogar schon die entsprechenden Daten dieser drei - schon damals wichtigsten deutschen - Marathons zu addieren, um auf höhere Werte als heutzutage insgesamt zu kommen. Bei vier Stunden gilt das in ganz ähnlicher Form. Auch diesbezüglich waren die Zahlen damals meist höher als heute - und das alles bei deutlich weniger Teilnehmern.

Die Schere zwischen der absoluten Spitze und dem Schwanz des Feldes öffnet sich immer weiter. Und das gilt ganz besonders in Berlin. Während vorne wieder einmal ein Weltrekord erzielt wurde, waren auf der gleichen Strecke siebeneinhalbtausend Läufer - also mehr als ein Sechstel aller im Ziel Ankommenden - über fünf und davon sogar fünfzehnhundert Teilnehmer mehr als sechs Stunden unterwegs. Auch in dieser Hinsicht ist der Hauptstadtlauf zumindest unter den Citymarathons nahezu uneinholbar vorne.

Was für die Elite aufgrund der für sie existierenden Rahmenbedingungen vielleicht wirklich eine der schnellsten Strecken der Welt sein mag, führt also nicht unbedingt auch in der Breite zu herausragenden Ergebnissen und einer allgemeinen Bestzeitengarantie. Und wie die Daten schon seit vielen Jahren zeigen, kann auch anderswo in Deutschland ziemlich schnell gelaufen werden.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 
veröffentlicht am 20.12.2023

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2023

Teil 6: Die Frauenquote
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Es gibt statistische Auswertungen, bei denen die zugrunde liegenden Daten in relativ kurzer Zeit deutliche Ausschläge zeigen. Und es gibt andere, die reagieren so träge, dass man größere Veränderungen erst bemerkt, wenn man sich die Zahlen über eine längere Periode betrachtet. In diese Kategorie gehört eindeutig der Anteil, den Frauen an den Teilnehmerfeldern deutscher Marathons stellen. Meist sind es nämlich nur ein paar Zehntelprozentpunkte, die ein Jahreswert von dem des Vorjahres abweicht.

Geht man allerdings ein wenig weiter zurück, gibt es wirklich Erstaunliches zu entdecken. Denn vor fünfzehn Jahren waren im Durchschnitt über alle für die LaufReport-Analyse erfassten Veranstaltungen 17,8 Prozent der in den Ergebnislisten genannten Teilnehmer eines Marathons weiblich. Fünf Jahre danach konnte man schon 20,3 Prozent errechnen. Im Jahr 2018 ergaben sich mehr als 24,5 Prozent. Und ein weiteres halbes Jahrzehnt später ist die Quote bereits auf 27,2 Prozent gestiegen, berücksichtigt man nur die Marathons mit mehr als dreihundert Zieleinläufen sogar auf fast 27,7 Prozent.

 

Beinahe noch bemerkenswerter ist allerdings, dass obwohl insgesamt in diesem Zeitraum mehrere zehntausend Marathon-Zieleinläufe - und zudem auch eine Reihe von Rennen - verloren gegangen sind, die Frauen völlig gegen den allgemeinen Trend auch in den absoluten Zahlen erkennbar zugelegt haben. Rund viertausend Sportlerinnen mehr als noch 2008 bewältigen auf deutschem Boden im Jahr 2023 die Distanz von zweiundvierzig Kilometern.

Doch einen Wermutstropfen muss man hier dennoch gleich hineingießen. Weit mehr als die Hälfte davon geht nämlich einzig und alleine auf das Konto des Berlin Marathons. In der Hauptstadt sind schließlich 14.405 Teilnehmer und damit ziemlich genau ein Drittel des Feldes weiblich. Alle übrigen betrachteten Marathons - und das sogar inklusive des "Perspektivkaders" jener Rennen, die ein wenig unter der Dreihundert-Teilnehmer-Marke hängen blieben - steuern dagegen nur noch etwa elftausend weitere Ergebnisse bei.

Der Berliner Lauf hat sich ja ohnehin in den letzten Jahren langsam dem Punkt genähert, an dem er alleine so groß ist wie alle anderen deutschen Marathons zusammen. Betrachtet man nur den weiblichen Part, hat er diese Schwelle jedoch bereits deutlich überschritten. Und dass der Frauenanteil höher wird, wenn man sich auf die größeren Veranstaltungen konzentriert, hat weniger damit zu tun, dass die Werte bei kleinen Läufen so viel schlechter wären, als vielmehr mit dem dann noch stärker greifenden Einfluss des Berliner Ausreißers.

Ohne die Daten des Megarennens an der Spree errechnet sich auf einmal nur noch ein Quotient, der um mehr als fünf Prozentpunkte tiefer liegt. Genau in diesem Bereich finden sich dann auch die Anteile bei den übrigen Rennen aus dem festgefügten Kreis der "Großen Fünf". Hamburg hat dabei mit 23,6 Prozent Frauenanteil zwar die Nase vorn, liegt aber trotzdem rund zehn Prozentpunkte tiefer als die Hauptstadt. Dahinter sortieren sich Köln (22,3%), Frankfurt (21,7%) und München (21,1%) ein.

Auch hier ist ein längerfristiger Blick durchaus interessant. Denn zuletzt lassen sich für diese vier Läufe kaum Veränderungen registrieren. Während in Berlin die Frauenquote innerhalb von fünf Jahren um rund drei Prozentpunkte wächst, verharren die übrigen vier mehr oder weniger dort, wo sie schon 2017 oder 2018 waren. In Köln und München fallen die aktuell berechneten Quotienten sogar etwas niedriger aus als damals. Zur deutlichen Änderung im Gesamtverhältnis leisten sie also eigentlich überhaupt keinen Beitrag.

Dabei lässt sich wieder einmal ablesen, wie weit sich Berlin inzwischen nicht nur in der Größe sondern auch in der Struktur seines Teilnehmerfeldes von den übrigen deutschen Läufen entfernt hat. Die über Jahre gesammelten Daten zeigen diesen kontinuierlichen Prozess ziemlich anschaulich. Denn obwohl der Hauptstadtmarathon eigentlich schon immer den höchsten Frauenanteil besaß, wich man vor fünfzehn Jahren diesbezüglich nur um einen halben Prozentpunkt von Hamburg ab.

Fünf Jahre später war der Unterschied bereits auf mehr als drei gewachsen. Und während die Berliner schon 2013 fast ein Viertel weibliche Teilnehmer im Feld hatten, hingen abgesehen von den Hanseaten alle anderen größeren Mitbewerber weiter - wenn auch knapp - unter der der Zwanzig-Prozent-Marke fest. Inzwischen beträgt der Abstand zu den übrigen Läufen, die mit den Berliner Sprüngen einfach nicht mithalten können, nun schon mehr als zehn Prozentpunkte. Und die Schere hat sich auch 2023 wieder etwas weiter geöffnet.

Doch woher kommt diese Sonderrolle? Gibt es für sie Gründe? Nun es gibt sie tatsächlich. Spannend wird es nämlich, wenn man sich in Berlin nur auf die deutschen Teilnehmer beschränkt, die ja inzwischen nicht einmal mehr vierzig Prozent des Gesamtfeldes ausmachen. Und dann scheint die Kluft plötzlich gar nicht mehr so unüberwindlich. Zwar sind 25,8 Prozent Frauen noch immer mehr als überall sonst, doch bewegen sich die Abstände in einem von früher gewohnten Rahmen.

Die Werte sehen ganz anders aus, wenn man sich beim Berlin Marathon die Verteilungen in den Kontingenten anderer Nationen betrachtet. Denn unter den mehr als zweieinhalbtausend angetretenen Briten ist genau jenes Drittel weiblich, dass sich auch für das Gesamtfeld ergibt. Wer die Laufszene im Königreich ein bisschen im Blick hat, ist von einer solchen Verteilung jedoch nicht unbedingt überrascht.

Ein wenig unerwarteter sind dann aber andere Zahlen. Denn mit mehr als zwölfhundert Brasilianern und sogar über fünfzehnhundert Mexikanern hätten beim Berlin Marathon wohl die wenigsten gerechnet. Noch erstaunlicher ist allerdings die Geschlechterverteilung der Läufer aus den vermeintlichen Machokulturen in Südamerika. Denn für Brasilien liegt der Anteil der weiblichen Teilnehmer bei 38,7 Prozent. Und aus Mexiko sind sogar mehr als vierzig Prozent Frauen angereist.

Sowohl in ihrer Gesamtzahl als auch hinsichtlich des Frauenanteils ganz vorne sind jedoch die US-Amerikaner. Mehr als sechseinhalbtausend von ihnen stehen in der Berliner Ergebnisliste, womit sie alleine fast ein Sechstel des Starterfeldes stellen. Und davon sind mehr als die Hälfte - nämlich beinahe dreieinhalbtausend - weiblich. Das benachbarte Kanada, das eine nahezu identische Laufkultur besitzt, kommt bei seinen über sechshundert Berlin-Startern ebenfalls beinahe auf eine Eins-zu-eins-Verteilung.

Übrigens treten damit an der Spree fast genauso viele Kanadier an wie Dänen, die einst die mit Abstand größte Abordnung stellten, inzwischen aber nur noch unter "ferner liefen" rangieren. Ohnehin bedeutet "international" in Berlin keineswegs, dass die Teilnehmer hauptsächlich aus den europäischen Nachbarländern anreisen. Vielmehr stammt ein hoher Prozentsatz der gemeldeten Läufer aus Übersee.

So finden sich zum Beispiel ähnlich viele Australier - auch mit knapp vierzig Prozent Frauenanteil - in den Ergebnislisten wie Norweger oder Schweizer. Und obwohl sie für einen Start in Berlin um die halbe Welt fliegen mussten, sind die Läufer von Down Under damit sogar deutlich zahlreicher vertreten als ihre Sportkameraden aus Österreich und Schweden, die es doch eigentlich wesentlich näher gehabt hätten.

Betrachtet man die Frauen separat, ergibt sich, dass beim Hauptstadtmarathon mehr als ein Viertel aller angetretenen Läuferinnen aus Nordamerika stammen. Das sind ziemlich exakt genauso viele, wie Deutsche am Start stehen. Und dabei ist Mexiko, bei dem man darüber streiten kann, ob es zu Nord- oder Mittelamerika gehört, noch nicht einmal mitgerechnet. Selbst für den deutschen Gesamtwert an weiblichen Zieleinläufen stellen die Berlin-Starterinnen aus den USA noch knapp fünfzehn Prozent.

Es ist genau dieser enorme internationale Einfluss, der den Berliner Marathon so von den anderen Läufen im Land unterscheidet und zu einem statistischen Ausreißer macht. Denn als kleiner Vergleich sei erwähnt, dass zum Beispiel weder in Hamburg noch in Frankfurt, Köln oder München die Gesamtzahl der US-Amerikaner am Start überhaupt dreistellig wird. Somit sind auch Auswirkungen auf statistische Kennzahlen wie den Frauenanteil durch sie praktisch nicht vorhanden.

Doch ist Berlin eben nicht nur bei vielen Parametern ein Ausreißer. Bei den mit ihnen durchgeführten Berechnungen verschiebt der Megamarathon durch seine schiere Größe auch viele Ergebnisse stark in seine Richtung. So liegen dann auch bei der Frauenquote nahezu alle anderen Veranstaltungen in Deutschland - zum Teil sogar ziemlich deutlich - unter dem von der Hauptstadt verzerrten Durchschnitt.

Die Grafik zeigt den Fauenanteil bei den Marathonveranstaltungen mit 300 Finishern und mehr. Die Marathons von Platzierung 18 bis 29 (300-599 Finisher) sind in einem Balken zusammengefasst.

Nur zwei weitere Marathons schaffen es über diese Marke. Beide übertreffen sogar die dreißig Prozent. Und auch hierbei gibt es wieder einen Aha-Effekt. Denn ausgerechnet diese Rennen hätte man dann vielleicht doch nicht unbedingt so weit oben in der Liste erwartet. Schließlich warten bei Rennsteiglauf (31,4% Frauenquote) und Monschau Marathon (30,8%) besonders anspruchsvolle Höhenprofile auf die Teilnehmer.

In Monschau hat man aus der Not eine Tugend gemacht und bietet neben dem wettkampfmäßigen Absolvieren der Distanz noch einen sogenannten "Genussmarathon" an, der eindreiviertel Stunden vor dem eigentlichen Rennen gestartet wird und zwar eine Zeitnahme, aber keine Rangliste bietet. Während auf dem "klassischen Lauf" 265 Männern 66 Frauen gegenüber stehen, sind bei der entspannteren Variante 148 Starter männlich und 118 weiblich. Zahlen, die das Bild der zumeist deutlich weniger wettkampfaffinen Frauen zu bestätigen scheinen.

Auf den Rennsteig gibt es zwar nur einen einzigen Marathon-Start, doch kann man sich dort sogar noch ein bisschen mehr Zeit lassen, als beim Genusslauf in der Eifel. Bei einer Startzeit von neun Uhr ist der Zielschluss nämlich erst um sechs Uhr am Abend. Nirgendwo sonst in Deutschland bleibt der Einlauf so lange geöffnet. Wobei diese Angabe allerdings eher formaler Natur ist. Denn weit über neunundneunzig Prozent aller Läufer sind vor Ablauf von acht Stunden im Ziel. Und nach neun Stunden tut sich überhaupt nichts mehr.

Allerdings sind von den über tausend Frauen beim Rennsteigmarathon fast zwanzig Prozent länger als sieben Stunden auf der welligen Strecke. Im Herrenbereich ist der Anteil nur ungefähr ein Drittel so hoch. Und selbst wenn es wie üblich schwer ist, Ursache und Wirkung zu trennen, könnte es durchaus einen gewissen Zusammenhang mit der hohen Zahl an weiblichen Teilnehmern geben. Ohne die Einläufe jenseits der Sieben-Stunden-Marke wäre die Frauenquote am Rennsteig jedenfalls einige Prozentpunkte niedriger.

Neben langen Zielöffnungszeiten, waldreicher Strecke und vielen Höhenmetern haben der Rennsteiglauf und der Monschau Marathon aber noch etwas anderes gemein. Die zweiundvierzig Kilometer sind nämlich bei beiden nicht die längste Distanz. Es gibt zusätzlich noch Ultraläufe. Und bei denen liegt der Anteil weiblicher Starter ein ganzes Stück niedriger als beim Marathon. Am Rennsteig sind es sogar weniger als zwanzig Prozent.

Diese Beobachtung steht absolut nicht im Widerspruch zur allgemeinen Tendenz, dass die Frauenquote größer wird, wenn die Streckenlänge abnimmt - auch und insbesondere falls bei einer Veranstaltung mehrere Distanzen angeboten werden. Unter allen deutschen Marathons, die zusätzlich einen Halbmarathon im Programm haben, gibt es schließlich keinen einzigen, bei dem sich für den kurzen Lauf ein schlechteres Verhältnis errechnen würde. Ganz im Gegenteil, es liegt in den meisten Fällen zehn, manchmal sogar zwanzig Prozentpunkte höher.

 

Selbst in der Gesamtsumme aller erfassten Rennen wird dabei der Quotient von Berlin übertroffen, der doch im Marathonbereich einen totalen Ausreißer darstellt. Auch die niedrigsten Frauenanteile liegen über zwanzig Prozent, die meisten beginnen jedoch bereits mit einer Drei. Den absoluten Spitzenwert liefert dabei der Halbe, der im Rahmen des Hamburg Marathons ausgetragen wird. Er nähert sich mit sechsundvierzig Prozent nämlich beinahe schon der Gleichverteilung.

Das ist noch einmal eine leichte Verschiebung gegenüber dem Vorjahr, wo man ebenfalls bereits ganz oben in der Liste stand. Auch insgesamt hat sich der Frauenanteil beim Halbmarathon weiter erhöht. Und selbst wenn es natürlich die eine oder andere Veranstaltung gibt, für die sich die Quote etwas abgesenkt hat, ist dieser Zuwachs im Unterschied zum Marathon mit seinem Berlin-Effekt ein breit zu beobachtender Trend.

Bei den weiteren Rennen mit besonders hohem Frauenanteil - den in den Marathon integrierten Läufen in Köln und München sowie den eigenständigen Halbmarathons von Berlin und Hamburg - steigt der Quotient ebenso weiter an. Die Domstädter bleiben dabei tatsächlich nur in der zweiten Nachkommastelle unter der Vierzig-Prozent-Linie kleben. Sechs Frauen mehr im Ziel - oder neun Männer weniger - hätten bei mehr als zehntausend Teilnehmern schon für den Sprung über diese Marke ausgereicht.

Ganz ähnlich wie beim Marathon gibt es eine gewisse Tendenz zu einer höheren Quote bei größeren Veranstaltungen. So muss man bei einer Sortierung nach Teilnehmerzahl schon bis Platz elf zurückgehen, bevor mit dem Stuttgart-Lauf ein Halbmarathon - wenn auch nur knapp - weniger als dreißig Prozent Frauen am Start hat. Ein oder zwei Dutzend Plätze weiter hinten tauchen dann doch schon ein paar Zahlen mehr im Zwanzigerbereich auf.

Übrigens liegt der Rennsteig-Halbmarathon mit gut sechsunddreißig Prozent Frauenanteil zwar genau wie der Marathon etwas über dem deutschlandweiten Durchschnitt, doch ragt er damit längst nicht so heraus. Und der Abstand zwischen den Quotienten der beiden Strecken ist mit fünf Prozentpunkten einer der niedrigsten überhaupt. Der klare Bruch, der für die meisten anderen Veranstaltungen vom halben zum ganzen Marathon zu erkennen ist, tritt in Thüringen erst zwischen Marathon und Ultra auf.

Selbstredend lohnt sich der Blick in den Rückspiegel für die Frauenanteile bei Halbmarathons durchaus ebenfalls einmal. Denn vor zehn Jahren lag der Schnitt nur bei achtundzwanzig Prozent und damit sechs Prozentpunkte niedriger als in der gerade abgelaufenen Saison. Die zwei Kurven für volle und halbe Marathon laufen also ziemlich parallel. Nur hat die der kürzeren Distanz einen gewissen Vorsprung.

Es wird zwar immer und immer wieder gemacht, doch wissenschaftlich ist es natürlich ziemlich unsauber, aus einigen wenigen Messwerten der Vergangenheit die Zukunft einfach kontinuierlich fortzuschreiben zu wollen. Viel zu viele Nebenbedingungen nehmen schließlich auf die Ergebnisse Einfluss. Doch zeigen die aktuellen Quoten beim Halbmarathon trotzdem, was vielleicht auch im Marathonbereich in ein paar Jahren möglich sein könnte.

Die Grafik zeigt den Fauenanteil bei den größten Halbmarathonveranstaltungen. Aufgeführt sind nur 14 Veranstaltungen mit mehr als 3500 Finishern

Zumal der Blick übers Meer belegt, dass auch diese Werte noch lange nicht das Ende der Fahnenstange darstellen müssen. Denn wie man schon aufgrund der oben aufgeführten Zahlen vermuten konnte, liegt selbst Berlin mit seinem Frauenanteil im internationalen Vergleich maximal im Mittelfeld. Von den sechs als "Marathon Majors" zusammen geschlossenen Veranstaltungen besitzt die deutsche Hauptstadt nämlich die zweitniedrigste Quote.

Sowohl London und Boston als auch New York und Chicago haben inzwischen weit über vierzig Prozent weibliche Teilnehmer in ihren Feldern. Und in absoluten Zahlen sind es - abgesehen vom mit Abstand traditionsreichsten, aber auch kleinsten Rennen dieses exklusiven Sextetts in Boston - auch jeweils mehr als zwanzigtausend Läuferinnen, die an der Startline stehen.

Ein wenig aus dem Rahmen fällt da nur Tokyo, wo auf eine Frau etwa drei Männer kommen. Man sollte in diesen Wert jedoch keinesfalls hineininterpretieren, dass es in Japan nur wenige Marathonläuferinnen geben würde. Denn nachdem der frühere Elitelauf in Nagoya seine Pforten vor einem Jahrzehnt für alle interessierten Sportlerinnen geöffnet hat, ist er sich zum größten reinen Frauenmarathon weltweit geworden.

Auch ohne Herren kommt man dort auf deutlich mehr als zwanzigtausend Anmeldungen. Und davon werden gerade einmal dreieinhalbtausend Startplätze für den internationalen Markt zurückgehalten. Der Rest bringt man im Inland unter die Leute. So schafft es neben New York und Chicago eben auch Nagoya mit einem einzigen Lauf ähnlich viele Marathon-Zieleinläufe von Frauen zu produzieren wie alle deutschen Veranstaltungen zusammen.

Sehr interessant ist, dass trotz aller regionalen Unterschiede überall auf der Welt ähnliche Tendenzen zu erkennen sind. Denn rund um den Globus wächst die Zahl der weiblichen Starter eigentlich von Jahr zu Jahr. Dabei haben größere Rennen nahezu immer auch höhere Frauenanteile. Und die deutliche Kluft zwischen Marathon und Halbmarathon bei der Geschlechterverteilung lässt sich nicht nur in Deutschland oder Europa sondern genauso in Nord- und Südamerika, Asien und Australien in stets gleicher Form entdecken.

Dass Frauen eher kürzere Distanzen und teilnehmerstarke Läufe bevorzugen, scheint also wenig mit den jeweiligen - und in verschiedenen Ländern durchaus recht unterschiedlichen - Laufkulturen zu tun zu haben, sondern wirkt fast wie eine allgemeingültige Konstante. Voneinander abweichend sind für diese Beobachtungen eigentlich nur die Aufsatzpunkte auf der Zahlengeraden, von denen alles Übrige dann jedoch ziemlich identisch wirkt.

Selbst wenn in Nordamerika einige Marathons schon recht nahe am Gleichstand zwischen männlichen und weiblichen Starten sind, liegt die Quote im Halbmarathonbereich dann eben trotzdem noch ein bisschen höher. Ohne Probleme lassen sich deshalb unter den größten Rennen über - wie man in den USA rechnet - etwas mehr als dreizehn Meilen, gleich mehrere mit einem Frauenüberschuss finden.

Nicht ganz so hoch wie jenseits des Atlantiks, aber doch noch größer als hierzulande bei vergleichbaren Läufen sind die Anteile auf den britischen Inseln - und zwar sowohl im Königreich als auch in der Republik Irland. Dreißig Prozent bei einem Marathon und vierzig bei einem Halben - also Werte, mit denen man hierzulande die Ranglisten anführt - sind dort der absolute Standard.

In etwas abgeschwächter Form gilt dies außerdem für die einst zum Empire gehörenden Länder Australien und Neuseeland. Obwohl sie ziemlich weit entfernt sind und schon unabhängig wurden, bevor die weltweite Marathonbewegung überhaupt richtig in Gang kam, haben sich die Laufszenen zumindest im Hinblick auf weibliche Beteiligung trotzdem recht ähnlich entwickelt.

Dagegen gibt es in Nordeuropa durchaus mit Deutschland vergleichbare Quoten, wenn sie auch bei identischer Feldgröße vielleicht meist doch noch ein bisschen besser ausfallen als hierzulande. Die Werte sinken jedoch erkennbar ab, je weiter man sich nach Osten oder nach Süden bewegt. Bei kaum einem Marathon übertrifft man am Mittelmeer oder auf dem Balkan die Marke von zwanzig Prozent. Wobei sich zum Beispiel auf der Iberischen Halbinsel sogar noch ein gewisses Gefälle von Nordost nach Südwest erkennen lässt.

Interessant daran ist zudem, dass die Frauenanteile bei vielen Läufen in Südamerika höher sind als in den einstigen Mutterländern Spanien und Portugal - und oft sogar über den deutschen Werten liegen. Ganz ähnliches gilt auch für Südafrika, dem einzigen Land der Welt, in dem ein Marathon von den meisten Läufern nur als Training angesehen wird, weil die wichtigsten Rennen am Kap der etwa neunzig Kilometer lange Comrades und der Two Oceans mit seinen immerhin auch noch sechsundfünfzig Kilometer sind.

Sowohl bei der Anzahl als auch der Größe der Veranstaltungen ist die südafrikanische Ultralaufszene aufgestellt wie in den meisten anderen Ländern der Marathonbereich. Mit Quoten zwischen zwanzig und dreißig Prozent gilt das auch für die Beteiligung von Frauen. Bei Marathons - die Zahl dieser "Trainingsläufe" ist übrigens dreistellig - und insbesondere für Halbmarathons liegen sie tendenziell höher als in Deutschland. Und gerade wenn der Halbe an einem Ultra oder Marathon hängt, sind die Männer auf dieser Strecke durchaus öfter einmal in der Minderheit.

Für Ostasien, wo es neben Japan zum Beispiel auch in Südkorea und Taiwan eine extrem große Marathonbegeisterung gibt, ist es schon aufgrund der anderen Schriften nicht immer einfach, an entsprechende Daten zu kommen. Viele Marathons bieten auf ihren Internetseiten nur eingeschränkte Informationen auf Englisch. Oft sind sie sogar wirklich einzig und alleine in der Landessprache und dem jeweiligen Schriftsystem verfügbar. Dort wo man aber Ergebnislisten findet und sie entschlüsseln kann, ähneln die Frauenanteile doch zumeist noch eher Süd- als Nordeuropa.

Auch in dieser Auflistung spiegeln sich ziemlich genau die Zahlen der oben aufgeführten Nationen-Gliederung für den Berlin Marathon wider. Insgesamt betrachtet bewegen sich die deutschen Veranstaltungen also hinsichtlich des Frauenanteils sowohl in Europa als auch weltweit irgendwo in der Mitte. Und da dieser nicht nur hierzulande sondern eigentlich überall in ähnlicher Weise wächst, wird sich an dieser Position wohl so schnell auch nichts ändern.

Neu sind diese Erkenntnisse nicht. Schon vor über einem Jahrzehnt wurde an dieser Stelle der LaufReport-Analyse schließlich über die deutlich höheren Quoten im angelsächsischen Sprachraum berichtet und auch in den Jahren danach immer wieder einmal darauf hingewiesen. Trotz stetiger Steigerung scheint der Weg zu den Verhältnissen, die man in Nordamerika vorfindet, angesichts der nur marginalen jährlichen Sprünge noch immer ziemlich weit.

Aber wer hätte vor drei oder vier Jahrzehnten, als selbst bei den größten heimischen Marathons nur wenige hundert Frauen liefen und eine Quote von zehn Prozent so gut wie nie erreicht wurde, auch nur im Traum daran gedacht, dass es in Deutschland einmal einen Marathon geben würde, bei dem mehr als ein Drittel des Feldes weiblich ist? Warum sollten also in absehbarer Zeit nicht auch vierzig oder fünfzig Prozent denkbar sein?

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 
veröffentlicht am 29.12.2023

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink
Grafiken/Foto Constanze Wagner
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