Ruderergometer Marathon im Februar 2022

42,195 km rudern anstatt zu laufen

von Hannes Blank 

Die Distanz über 42,195 km anstatt zu laufen, auf einem Ruder-Ergometer zurücklegen – geht das? Und was bedeutet das? Ist das Training auf so einem Gerät eine echte Alternative zum Laufen? Was muss man dabei beachten?

Ich habe es ausprobiert. Ende Februar 2022 nahm ich an einem Ergo-Marathon teil. Anfang September 2021 hatte ich mit dem Training begonnen. Mit allen Nachteilen, die die Pandemie-Situation bereithielt, und mit allen Vorteilen, die diese neue sportliche Herausforderung mit sich brachte.

Ergo-Cup Rhein-Neckar im Gemeinschaftshaus in Ludwigshafen-Pfingstheide mit mehreren hundert Teilnehmern Aufgereihte Ruder-Ergometer beim Ergo-Cup in Neckarelz
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Ein Ruder-Ergometer ist ein Sportgerät, das das Rudern auf dem Wasser auf einem kompakten Indoor-Gerät simuliert. Quasi Trocken-Rudern. Der Athlet zieht an einem Doppelgriff und sitzt mit fixierten Füßen auf einem Rollsitz, den er hin und her bewegt. Also ganz ähnlich wie beim Rudern. Die Sportausübung auf dem Ruder-Ergometer stellt den physischen, den rein körperlichen Teil des Ruderns dar. Denn ein Ruderboot auf dem Wasser perfekt zu beherrschen, das ist eine ganz andere Sache. Ich rudere, seit ich 12 Jahre alt bin - und kann es immer noch nicht richtig. Rudern (im Boot) fordert einen komplexen Bewegungsablauf. Um zum Spaß in breiten, sog. Gigbooten zu rudern, reicht ein Wochenend-Crashkurs. Bei den schmaleren Rennbooten sieht das schon anders aus.

Angenehmerweise gibt es viele Ruderer, die ebenso gut (oder schlecht) wie ich rudern und sich zu Mannschaften zusammenschließen. Wenn wir es schaffen, synchron einen Renndoppelvierer voranzutreiben, kann es zu einer Art Flow kommen. Das fühlt sich dann so an, als würde das Boot fast ganz von alleine durchs Wasser gleiten. Dazu kommen immer wieder schöne Regatta-Erlebnisse auf in- und ausländischen Gewässern.

Zurück zum Ruder-Ergometer, kurz Ruder-Ergo genannt. Trainieren auf dem Ruder-Ergo ist vor allem eines: Schinderei. Kein Gleiten auf dem Wasser, keine Sonnenuntergänge, keine gemeinsamen Mannschaftserlebnisse und kein echtes Boot mit echten geruderten Kilometern draußen, an der frischen Luft. Auf dem Monitor eines Ruder-Ergos werden schlicht verschiedene Daten gezeigt, die dem Athleten fortwährend Informationen über seinen Fortschritt liefern: Geschwindigkeit (Zeit pro 500m), Schlagzahl (Züge pro Minute), Durchschnittszeiten, gefahrene Meter und verstrichene Gesamtzeit sind dabei die wichtigsten. Es lassen sich auch Intervalle vorprogrammieren. Der reale physische Widerstand wird dadurch erzeugt, dass man durch Ziehen an einer Kette ein Windrad bewegt. Das hört sich martialisch an, funktioniert aber dank ausgefeilter Technik gut genug, so dass auch die Länge eines Ruder-Marathon zu schaffen ist. Die erzeugte Lautstärke des Windrads hält sich in Grenzen, erst größere Gruppen von gleichzeitig angetriebenen Ruder-Ergos machen Krach, unterhalten kann man sich dann jedoch immer noch.

30min-Ergowettkampf in Starnberg 2020
Ludwigshafen Ergometer-Ruder-Wettkampf 2017

Das Jahr 2021 war ein wettkampfarmes Jahr, auch im Rudersport und leider hatte ich mich für die falschen Regatten entschieden - nämlich für die, die ausfielen und nicht für die wenigen, die stattfanden. Das sollte 2022 anders werden, und so entschloss ich mich, noch im Winter an einem Wettkampf teilzunehmen. Im Winter finden aber kaum Regatten statt - dafür aber viele Ergometer-Wettkämpfe. Ich meldete mich im Spätherbst bei einem Ruderergo-Marathon an, der Ende Februar stattfinden sollte. Leider wurde die Präsenzveranstaltung in einer Eventhalle schon Anfang Dezember abgesagt. Übrig blieb, es alleine zu machen, an einem Ort meiner Wahl. Das macht schon einen Unterschied, ob man in einer Sporthalle neben vielen anderen Konkurrenten sitzt und schwitzt - oder alleine im Keller, Wohnzimmer, Gymnastikraum, oder wo auch immer.

Die (virtuellen) Geschwindigkeiten, die man auf einem Ruder-Ergometer hat, entsprechen übrigens in etwa denen, die man bei gleicher physischen Kraft beim Laufen erreicht. Gute Ruderer werden mir da widersprechen - Läufer mit wenig Ruderergometer-Erfahrung ebenso. Aber im Durchschnitt ist das so. Ruderer sind meist keine begeisterten Läufer. Ein Hobbyläufer, den ich kenne, klagte, dass es ihm schwer fiele, mehr als 10 bis 12 Kilometer auf seinem gerade erworbenen Ruder-Ergo hinter sich zu bringen, obwohl er diese Umfänge oft im Training läuft. Der große Unterschied zwischen Rudern und Laufen ist: Beim Rudern kommt zwar auch die meiste Kraft aus den Beinen, aber Oberkörper und Arme werden ebenfalls beansprucht - Rudern ist eine Sportart, die fast alle Muskeln beschäftigt. Beim Laufen spielt die Kraftausdauer eine geringere Rolle, beim Rudern ist sie weitaus größer - ich empfehle daher bei der Vorbereitung zu einem Ruderergo-Marathon auch einmal in der Woche ein Krafttraining einzubauen (andere Marathonruderer tun dies jedoch nicht, darauf möchte ich hinweisen). In meiner Trainingsgruppe machen wir viel mit der Kurz- und Langhantel, etwa das klassische Bankdrücken (wo man rücklings auf einer Bank liegt und die Langhantel auf Augenhöhe eingelegt ist) mit 10 bis 15 Wiederholungen und das ganze 3 bis 4 Mal. Wichtig ist eine saubere Ausführung der Übung, nicht sie mit besonders viel Gewicht zu machen.

Ludwigshafen Ergo-Cup 2017 - Leidensfähigkeit ist unbedingte Voraussetzung auf dem Ruderergometer
Ludwigshafen Ergo-Cup 2019 - Foto © Bernd Attner

Aber welche Trainingspläne sollte der geneigte Marathonruderer nutzen? Die gute Nachricht ist: Marathon-Trainingspläne lassen sich auf das Training für einen Ruderergo-Marathon mehr oder weniger 1:1 übertragen. "Ich hatte mir den Tipp geben lassen, vom Laufplan Peter Greifs Impulse für die eigene Vorbereitung zu holen und diese mit ins Training einfließen zu lassen", berichtet mir Jens-Peter Müller, der auch beruflich mit Ruder-Ergometern zu tun hat. Mit Erfolg: Er beendete seinen ersten Ruder-Ergomarathon in deutlich unter 3 Stunden, viele weitere folgten. Er machte in der Vorbereitung die gleichen Erfahrungen wie Laufmarathonis: Lange Grundlagenausdauer-Trainingseinheiten sind der Schlüssel zum Erfolg.

Doch was heißt das, Grundlagenausdauer auf dem Ruder-Ergometer? Der Monitor gibt gefahrene Kilometer und verstrichene Zeit zuverlässig an. Also fing ich Anfang September an, 18km-Einheiten zu fahren und steigerte dies stufenweise bis Mitte Februar auf 27km pro Trainingseinheit. Was bei meinen bescheidenen physischen Möglichkeiten zeitliche Umfänge zwischen 90 und 135 Minuten bedeutete. Einmal in der Woche fuhr ich zudem in der Gruppe ein sehr intensives, etwa einstündiges Intervalltraining auf dem Ergo. Hin- und wieder ging ich auch ein paar Kilometer laufen - aber nur um den Kopf frei zu bekommen. Die meiste Zeit saß ich einfach nur mit dem für Grundlagenausdauer typisch mäßigen Tempo auf dem Ergo. Jens-Peter Müller machte ähnliche Erfahrungen: "Im Verein wurde ich von Woche zu Woche seltsamer angesehen und öfter auf mein Zuhause angesprochen". Denn normalerweise trainiert kaum jemand länger als eine Stunde auf dem Ruder-Ergometer. Aber wenn man bis zweieinhalb Stunden im Club auf dem Ergo sitzt, kommen und gehen die Trainingsgruppen. Da es überwiegend eine Kopfsache ist, einen Marathon zu bestehen, machte ich im Training einmal folgendes Experiment: Ich stellte den Ergo auf 42,195km, sodass der Monitor die Kilometer runterzählte und fuhr los, freilich ohne die volle Distanz fahren zu wollen. Doch es war ein sehr guter Test, nämlich zu spüren, wie es sich anfühlt, wenn man schon zwei Stunden trainiert, und dann stehen immer noch viele zu rudernde Kilometer auf dem Monitor.

Präsenzveranstaltung Ergo-Marathon 2022 abgesagt, somit einsamer Kampf gegen sich selbst in kargen Vereinsräumen
Der Verfasser dieses Berichts kurz vor dem Start des Marathons

Womit wir bei großen Unterschied wären: Beim Laufen präsentiert sich einem in der Regel wechselnde Umgebung, der Ruder-Ergometer bleibt hingegen an Ort und Stelle stehen. Es ist also mitunter recht fade, stundenlang "auf dem Ergo rumzurutschen", wie es manchmal despektierlich heißt. Jens-Peter Müller empfiehlt gegen solche Langstreckendepressionen gemeinsame Trainingseinheiten mit Gleichgesinnten. Ich finde, Musik hilft auch viel über die Zeit. In meinen Verein gibt es eine Musikanlage, die über Bluetooth meine mp3-Dateien vom Smartphone abspielt.

Ich beziehe mich übrigens immer auf ein bestimmtes Ruder-Ergometermodell, nämlich auf den Concept2, Model D, einer Hamburger Firma. Das kommt nicht daher, dass die Hanseaten Marktführer sind. Sondern, weil sie schon seit den 1980er Jahren Ruder-Ergometer herstellen und seit dieser Zeit für die damals aufploppenden Ruderergo-Wettkämpfe Geräte bereitstellten. Der Concept2 wurde damit zum Referenzmodell, auf dem sich alle Ruderer auf der ganzen Welt mit ihren Daten vergleichen. Wer in den Deutschland-Achter will, muss neben einem Test im Boot auf dem Wasser eine entsprechend starke Leistung auf diesem Gerät abliefern, das gilt ebenso für alle, die in Förderkader wollen.

Auf vielen Flüssen und Seen ist es aus Sicherheitsgründen verboten, nach Einbruch der Dunkelheit noch zu rudern - im Winter bei früh hereinbrechender Dunkelheit (und vielleicht zugefrorenen Gewässern) ist der Ruder-Ergo also von Montag bis Freitag schnell zur Alternative geworden. Das führte dazu, dass in vielen Ruderclubs ganze Batterien von Concept2-Ruderergometern aufgestellt sind. Meist mit Blick auf das angrenzende Ruderrevier. Mit Beginn der Pandemie boomte der Verkauf von Ruder-Ergometern an Privatleute. 2022 gibt es viele verschiedene Anbieter. Ich rate aber davon ab, ein Gerät mit Seilzug statt mit Kette zu nehmen. Auch ein hohes Gewicht des Geräts muss nicht von Nachteil sein. Der Ergo sollte sehr stabil und verwindungssteif sein - es fühlt sich nicht gut an, wenn die erbrachte Kraft nicht in den virtuellen Vortrieb geht, sondern nur das Gerät verbiegt - Vor den Kauf also unbedingt den Ruder-Ergo ausprobieren. Um die 1000 Euro sollte man schon investieren wollen (und den Standplatz in der Wohnung haben) - billiger ist da die Mitgliedschaft in einem Ruderverein.

Monitoranzeige, nachdem die Ziellinie (links oben: 0 Meter) überquert wurde. Rechts oben die Schlagzahl zum Schluss, Mitte die Geschwindigkeit zum Schluss - Durchschnitt waren aber die 2:38,4min/500m bei einer Schlagzahl von 20-25. Der Verfasser nach dem Ergo-Marathon, später gab es zuhause Tomatensuppe und Weißweinschorle
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An einem Freitagnachmittag ist es dann schließlich auch für mich soweit. Ich habe den Ergo in den kleinen Gymnastikraum meines Rudervereins aufgestellt. Getränke und Bananen lassen sich bequem daneben stellen. Ein "Boombox" sorgt für Musik, meine Betreuerin hat sich was zu lesen mitgebracht. Nach etwas Aufwärmen und Gymnastik fahre ich dann einfach los, eine feste Startzeit gibt es nicht. Von früheren Lauf-Marathons (Köln, Karlsruhe, Kandel) habe ich viel Respekt vor der Distanz. Ich zwinge mich dazu, auf der ersten Hälfte ein subjektiv gemütliches Tempo zu fahren - die Monitoranzeige ist da unerbittlich. Leichte muskuläre Rückenschmerzen stellen sich früh ein, das nervt. Die Zeit zwischen KM 2 und KM 20 läuft zäh herunter. Die Erreichung der Streckenhälfte ist ein Highlight, der Monitor zeigt an, dass ich in diesem Tempo insgesamt eine 3:50h erreichen würde. Im Anschluss kann ich jedoch mein Tempo steigern. Ab KM 30 wird es zwar mühsam, aber das Gerät zeigt nüchtern an, dass ich die Geschwindigkeit nicht nur halte, sondern in ganz kleinen Schritten weiterhin steigere. Das macht natürlich mehr Freude, als sich nur durchzuschleppen. Als die KM-Anzeige unter noch zu rudernde 5km rutscht, wird mir klar: Ich schaffe das! Ganz am Ende fahre ich zum Spaß einen Endspurt. Dann ist es endlich vorbei und ich fotografiere den Monitor für die Ergebnisliste ab: 3:42:49h - der Sieger fuhr die Strecke in unter 2:30h. Durch meine insgesamt eher behutsame Trainingsgestaltung hatte ich übrigens keine ernsthaften gesundheitlichen Probleme und keine Motivationslöcher.

Fazit: Ein Ruder-Ergometer ist eine mögliche Alternative zum Laufen - nicht mehr und nicht weniger. Abschließend muss man jedoch sagen, dass die Veranstalter von Ruderergometer-Wettkämpfen den Läufer noch nicht als potentiellen Teilnehmer auf dem Schirm haben. Es gibt nur sehr wenige Wettkämpfe mit den klassischen Laufdistanzen von 5km bis Marathon. Mehr als 50 Ruderergometer in der Wettkampfhalle gibt es bisher kaum, der Gedanke des "Dabeisein ist alles" kommt bei so einem elitären Feld nicht zum Tragen. In den Top10 der Ergometer-Marathons stehen meist erfahrene Landstreckenruderer, die z.B. beim Rheinmarathon Düsseldorf (43km) oder der Europäischen Rhein Regatta mit Ziel in Bonn (100km) schon oft brillierten. In den letzten Jahren wurde darüber hinaus eher die Fitnessstudio-Szene auf den Ruderergo-Wettkämpfen gesichtet. Auf den sog. Hyrox-Wettkämpfen ist der Ruder-Ergometer Teil des Wettkampfparcours. Recht beliebt sind auch 30 Minuten-Wettbewerbe, bei denen es darum geht, in einer halben Stunde möglichst viele Kilometer zurückzulegen. Vorteil: Es sind alle gleichzeitig fertig. Ich war z.B. 2020 auf der Ergo-Regatta am Starnberger See, wo ausschließlich 30-Minuten-Wettbewerbe gefahren werden. Dort sah ich zum Teil bizarr anmutende Rudertechniken, die in einem echten Boot nie funktionieren würden, aber auf dem Ruder-Ergo offenbar praktikabel sind. Zu den möglichen gesundheitlichen Langzeitschäden bei diesen Techniken kann ich nichts sagen. Zur Ehrenrettung der Fitnessstudio-Ergoruderer sei gesagt, dass manche durchaus ansprechende Leistungen abliefern, die meist immerhin für das Mittelfeld der Ergebnisliste taugen. Der Rudersport an sich ist eine sehr wenig verletzungsanfällige Sportart und gilt sogar offiziell als Gesundheitssport, die Anerkennung durch die Krankenkassen seht bevor.

Bericht von Hannes Blank
Fotos © Bernd Attner, Hannes Blank, Sarah Kohl

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