Wachau Marathon (16.9.12)

Emmersdorf - Krems

Zwischen Fels, Fluss und Reben

von Ralf Klink

Ein Fluss, der in seinem Lauf zehn Staaten und vier Hauptstädte passiert, ist sicher alles andere als der Normalfall, selbst wenn er dafür rund dreitausend Kilometer benötigt. Mit der Donau können in dieser Hinsicht - wenn überhaupt - sicher nicht allzu viele Ströme konkurrieren. Insbesondere da sie an ihrer Mündung in Schwarze Meer zudem Wasser führt, das ihre Nebenflüsse noch aus neun weiteren Staaten heran geschafft haben.

Während manchmal - wie zum Beispiel im Falle von Polen - dabei jedoch nur ganz kleine Zipfel betroffen sind, gibt es für Bäche in Ungarn zur offenen See dagegen überhaupt keinen anderen Weg als die Donau. Und auch in Österreich gehören mehr als fünfundneunzig Prozent der Fläche zum Einzugsgebiet dieses Stromes. Einzig das Bundesland Vorarlberg ganz im Westen entwässert größtenteils zum Rhein hin.

Obwohl die "Alpenrepublik" im Ausland oft hauptsächlich als Hochgebirgsland wahrgenommen wird - was so falsch nicht ist, da es rund zur Hälfte oberhalb von tausend Metern und gar zu zwei Dritteln über fünfhundert Metern liegt - ist das Donautal nicht nur die historische Keimzelle sondern auch Wirtschaftszentrum und Bevölkerungsschwerpunkt Österreichs. Die erste Zeile der Nationalhymne, die "Land der Berge, Land am Strome" lautet, hebt diese beiden so gegensätzlichen Bestandteile dann auch deutlich hervor.

Schon alleine die Ausnahmestellung Wien, in deren Bereich etwa ein Viertel der Einwohner des Landes leben, sorgt jedoch dafür dass die etwa dreihundertfünfzig österreichischen Flusskilometer keineswegs völlig zersiedelt und zubetoniert sind. Das ebenfalls an der Donau gelegene Linz zählt als immerhin drittgrößte Stadt Österreichs schließlich mit etwa zweihunderttausend gerade einmal ein Zehntel der Menschen der Hauptstadt. Die übrigen Städtchen der Region bewegen sich dann schon nur noch im vier- bis maximal fünfstelligen Bereich.

Im idyllischen kleinen Dörfchen Emmersdorf wird der Marathon gestartet

Auch die Donau selbst trägt mit ihrem in einigen Abschnitten doch recht kurvigen Verlauf zu dieser Situation bei. Denn aus diesem Grund entfernen sich die großen, für moderne Gewerbeansiedlung so wichtigen Verkehrswege wie Auto- und Eisenbahnen immer wieder einmal ein ganzes Stück vom Fluss und lassen an seinem Ufer noch genug Raum für kleine idyllische Dörfer und ziemlich viel Landschaft zwischen ihnen.

Gleich mehrfach zwängt sich die Donau dabei auch durch das den Norden Österreichs einnehmende Mittelgebirge, das von den Geologen den eher seltsamen Namen "Böhmische Masse" bekommen hat. Auch die Bezeichnung "Österreichisches Gneis- und Granithochland" für diesen Teil des Berglandes ist im Gegensatz zu den Nachbarn "Bayerischer Wald" oder "Böhmerwald", die beide ebenfalls zum Massiv zählen, nicht wirklich eingängiger.

Letztes und eindeutig auch bekanntestes dieser Durchbruchstäler ist die Wachau etwa achtzig Kilometer vor Wien. Zwischen den beiden - im Allgemeinen als Endpunkte der Region definierten - Städten Melk und Krems erstreckt sie sich über eine Länge von knapp vierzig Kilometern auf beiden Seiten des Flusses, dem an manchen Stellen wahrlich nicht viel Platz bleibt, um sich zwischen den gelegentlich vierhundert oder mehr Meter über ihn aufragenden Bergen hindurch zu winden.

Den vielleicht größten Anteil am Ruf der Wachau hat jedoch der dort angebaute Wein. Das relativ enge und darum windgeschützte Tal bietet sich dazu regelrecht an. Und die Kombination aus steilen Hängen und den sich zwischen ihnen ausbreitenden Rebflächen macht die Region touristisch noch deutlich interessanter. Der Vergleich mit dem Mittelrheintal ist da durchaus legitim, zumal sich auch entlang der Donau eine ganze Reihe von Burgen und Schlössern finden lassen.

Auf einem Felsen hoch über der Donau markiert Stift Melk den Anfang der Wachau

Die Tatsache, dass beide inzwischen in der UNESCO-Welterbeliste auftauchen, verbindet die Wachau ebenfalls mit dem angeblich so romantischen Rheinabschnitt zwischen Bingen und Koblenz. Und noch etwas haben sie gemeinsam. Denn in jeder der zwei Regionen wird ein Marathonlauf ausgetragen - und zwar mit durchaus ähnlichem Konzept. Die sich jeweils an den Fluss anschmiegende und damit weitgehend ebene Landstraßen machen das Abstecken von landschaftlich reizvollen, aber dennoch schnellen Punkt-zu-Punkt-Strecken möglich.

Doch so wie im Jahr 2000 der Eintrag der "Kulturlandschaft Wachau" - oder in der offiziellen englischen Variante "Wachau Cultural Landscape" - bei der UNESCO etwas vor dem für das erst 2002 aufgenommenen Mittelrheintal zustande kam, ist auch die österreichische Laufveranstaltung die ältere. Mit dem Gründungsjahr 1998 liegt man dabei sogar noch deutlicher vor dem deutschen Gegenstück und zählt im angesichts von nicht einmal zwanzig Rennen recht übersichtlichen Marathonmarkt der Alpenrepublik damit zu den Etablierten.

Auch in Bezug auf die Teilnehmer muss man sich nicht verstecken. Gegen den Hauptsstadtlauf kann man selbstverständlich nicht bestehen. Doch selbst wenn die Veranstaltungen in Graz und Linz sowie der von Österreich aus organisierte und in Bregenz endende Dreiländermarathon zuletzt meist etwas näher an der Marke von tausend Marathonis lagen oder diese sogar durchbrachen, hält man in der Wachau angesichts von sieben- bis achthundert Läufern auf der Königsdistanz durchaus noch gut den Anschluss.

In seinen Rekordjahren Anfang des neuen Jahrtausends konnte der Wachau-Marathon allerdings auch schon einmal doppelt so viele Teilnehmer vermelden. Doch der Blick auf die gerade genannte Konkurrenz zeigt, dass die anderen in diesem Zeitraum ebenfalls deutliche Einbußen verzeichnen mussten. Die Entwicklung in Österreich verläuft in dieser Hinsicht also kaum anders als im großen nordöstlichen Nachbarland.

Der riesige Komplex des Benediktinerkloster oberhalb des gleichnamigen Städtchens steht auf der Weltkulturerbe-Liste

Doch im Gegensatz zur rheinischen Entsprechung, bei der man von weit über dreitausend Premierenstartern inzwischen auf weniger als fünfhundert abgestürzt ist, stiegen die Zahlen in der Wachau zuletzt wieder etwas an. Den ebenfalls unter fünfhundert liegenden Tiefstwert hatte man im Jahr 2008, als der aktuelle Veranstaltungschef Michael Buchleitner die Leitung übernahm.

Dass damals in einer für potentielle Teilnehmer ziemlich verwirrenden Konstellation eine Zeit lang gleich zwei verschiedene Wachau-Marathons angekündigt wurden, weil der vorherige und nach einigen Querelen vom Land Niederösterreich nicht mehr mit der Ausrichtung beauftragte Veranstalter Helmut Paul auf seiner Internetseite ebenfalls Meldungen entgegen nahm, spielte dabei jedoch sicher auch einen erhebliche Rolle.

Die dominierende Strecke an der Donau ist allerdings wie nahezu überall der Halbmarathon, den man von Beginn an im Programm hatte und der auch in der Vergangenheit stets deutlich größere Felder anzog. Selbst in "guten" Jahren betrug das Verhältnis nie weniger als eins zu drei. Inzwischen ist man angesichts von mehr als fünftausend Läufern auf der Halbdistanz bei einer Relation von mehr als eins zu sieben angekommen.

Einen Viertelmarathon gibt es ebenfalls im Angebot, der aber - vielleicht aufgrund seiner etwas krummen Distanz - mit nicht einmal zweitausend Startern nicht im Entferntesten an die doppelt so lange Strecke heran kommt. Den Marathon kann man zudem als Zweier-, Dreier- oder Viererstaffel absolvieren. Und im Halbmarathon gibt es auch noch eine gesonderte Wertung für Nordic Walker. Zusammen mit den bereits samstags rund um das Ziel in Krems ausgetragenen Kinderläufen stößt man so fast schon in fünfstellige Teilnehmerzahlen vor.

Gleich mehrere große Kirchen und das "Steiner Tor" (mitte) lassen sich beim Bummel durch den Zielort Krems bewundern

Da nicht nur der Marathon sondern auch die beiden anderen Distanzen auf der Uferstraße gelaufen und von verschiedenen Orten gestartet werden, ist deshalb eine ziemlich umfangreiche Logistik nötig. Sieht man sich jedoch in der Ausschreibung oder auf der Internetseite all die möglichen Varianten an, zwischen denen man als Teilnehmer in dieser Hinsicht wählen kann, stellt sich fast schon eine Überforderung ein. Im Versuch möglichst jede denkbare Konstellation abzudecken, scheinen die Organisatoren jedenfalls ein wenig über das Ziel hinaus geschossen zu sein.

Schon Startnummern werden nicht nur am Samstag und am frühen Sonntagmorgen im Zielort Krems ausgegeben. Man kann sie während der Woche auch schon in Wien im als einer der Sponsoren auftretenden Sportgeschäft abholen. Anscheinend ist der Zuspruch aus der - zwar nicht unbedingt direkt um die Ecke gelegenen, aber dennoch von der Wachau nicht allzu weit entfernten - Bundeshauptstadt groß genug um eine solche Sonderregelung zu rechtfertigen.

Auch zwei Sonderzüge starten sonntags noch vor sieben Uhr von dort, um die Läuferschar bei mehreren Zwischenhalten aufzusammeln und rechtzeitig zu den jeweiligen Startpunkten zu bringen. Ihre Nutzung ist für die Teilnehmer kostenlos und bereits in den - angesichts des beträchtlichen organisatorischen Aufwandes durchaus angemessenen - fünfundvierzig bis fünfundsechzig Euro Startgeld beim Marathon enthalten.

Auf der Halbdistanz werden je nach Meldetermin ebenfalls vertretbare fünfundzwanzig bis fünfundvierzig Euro fällig. Der Viertelmarathon lässt sich dagegen mit einer Meldegebühr, die jeweils nur fünf Euro weniger als die der doppelt so lange Distanz beträgt, dann - lässt man die eventuell mögliche kostenlose Zuganfahrt einmal außer Acht - nicht mehr unbedingt als "Schnäppchen" bezeichnen.

Auch die Kremser Altstadt ist Bestandteil der UNESCO-Stätte "Kulturlandschaft Wachau"

So muss man zum Beispiel schon ab Anfang Mai schließlich stolze dreißig Euro für eine Startnummer des etwas zu lang geratenen Zehners auf den Tisch legen. Wenn man sich gleich als Viererteam zu Teilnahme entschließt - auch dabei gibt es eine Sonderwertung durch Addition der Einzelzeiten - kommt bei Vormeldung mit insgesamt sechzig bis achtzig und selbst bei Nachmeldung mit maximal hundert Euro davon.

Immerhin erhalten dafür die Kurzstreckler aber wie alle anderen Teilnehmer neben dem eventuellen Transport noch eine Portion Pasta zum Auffüllen der Kohlehydratspeicher und im Ziel auch eine Medaille. Ein T-Shirt ist beim Wachau-Marathon allerdings nicht im Preis inbegriffen. Wer davon noch nicht genug im Schrank sitzen hat, muss es also zusätzlich käuflich erwerben.

Außer in Richtung Wien, wohin auch im regulären Fahrplan regelmäßig Regionalzüge verkehren, ist der Zielort Krems allerdings mit öffentlichen Verkehrsmitteln eher schlecht an die wenigen größeren Städte des Landes angebunden. Die Tatsache, dass die wichtigsten Fernverkehrsverbindungen auf der sogenannten "Westbahn" ein Stück südlich an der Wachau vorbei führen, erhält der Region im Gegensatz zum oft lärmgeplagten Rheintal zwar deutlich mehr Ruhe und Beschaulichkeit.

Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass man noch ein- oder zweimal zusätzlich umsteigen muss, um sie überhaupt zu erreichen. Die einfachste Variante führt über die in der Luftlinie etwa dreißig Kilometer entfernte Landeshauptstadt St. Pölten, in der praktisch alle Fernzüge halten und von der man über eine einspurige, nicht elektrifizierten Querbahn stündliche Verbindungen hinüber nach Krems hat.

An die etwas ungewöhnlichen Namen, mit denen die Österreichischen Bundesbahnen ihre Züge ausgestattet haben, muss man sich allerdings erst einmal gewöhnen. Schließlich rollen dabei nicht wie man erwarten könnte "Haydn" oder "Mozart", "Maria Theresia" oder "Franz Joseph", "Großglockner" oder "Brenner" durchs Land. Vielmehr kann ein Intercity auch schon einmal "Beste Gesundheit" oder "Österreich liest" heißen.

Am Marathonstart in Emmerdorf hält der Rennleiter und frühere Spitzenläufer Carsten Eich die Fäden in der Hand

Wem das noch nicht schräge genug ist, der sollte sich bei der privaten Konkurrenz, die ebenfalls die Strecke von Wien nach Salzburg bedient und ein wenig verwirrend unter "WESTbahn" firmiert, umsehen. Denn dort werden bei der Benennung gleich noch Werbebotschaften unter die Leute gebracht. Wenn über den Lausprecher im Bahnhof dann die Einfahrt von "Vier WESTCafés im Zug" und "Gratis WLAN im Zug" verkündet wird, klingt das definitiv mehr als seltsam.

Wer seine Startnummer nicht schon in Wien in Empfang genommen hat, muss jedenfalls auf irgendeine Art mindestens einmal nach Krems, das mit seinen fast fünfundzwanzigtausend Einwohnern die restlichen Wachau-Gemeinden weit in den Schatten stellt. Denn nur dort und nicht in den drei Startorten werden die Unterlagen verteilt. Vielleicht etwas übertrieben tragen die kleinen Ausstellungshallen am Rande des Stadtzentrums, in denen man sie erhält, den Namen "Messegelände". Aber für einige Verkaufsstände ist in ihnen natürlich dennoch Platz genug.

Auch dank dieser günstigen Lage ist der Wachau-Marathon - so seltsam es angesichts von Punkt-zu-Punkt-Strecken klingen mag - eigentlich eine Veranstaltung der kurzen Wege. Denn nur wenige Meter von den Hallen entfernt ist im Stadtpark der etwas ungewöhnliche, weil durch einen Mittelpfosten geteilte Zielbogen aufgebaut. Zwischen Ziel und Messe stehen zudem die Zelte für die Nudelparty. Angesichts des relativ milden und trockenen Wetters haben die meisten nach dem Einlösen ihres Pasta-Bons an diesem Samstag allerdings im Freien Platz genommen.

Bis zu den Duschen in der Sporthalle und dem Schwimmbad der Stadt wird es am nächsten Tag auch nicht wirklich weit sein, die liegen nämlich auf der anderen Seite der Messe. Nur weil dazwischen die Bahnlinie verläuft und man erst einmal zur nächsten Unterführung muss, wird der Fußmarsch auf einige Minuten verlängert werden. Und auch zum Kremser Bahnhof, über den man ja nicht nur anreisen kann sondern von dem auch die Züge für den Läufertransport abfahren, sind es nicht allzu viele Meter.

Doch nicht nur mit der Bahn können die Sportler zu ihrem Start gelangen. Für fast zehntausend Teilnehmer wäre es wohl ohnehin kaum möglich auf der ebenfalls nur eingleisigen und nicht elektrifizierten Wachaulinie ausreichende Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. So bietet man von Veranstalterseite zusätzlich noch Busse und auf den beiden kürzeren Strecken - man höre und staune - auch Schiffe an.

Nach dem Start geht es erst einmal flussaufwärts an Emmersdorf vorbei

Pendelbussen verbinden in Krems zudem Bahnhof, Schiffsanleger und die Parkplätzen für die mit dem eigenen Fahrzeug angereisten Teilnehmer. Für die Marathon-Macher fällt also schon im Vorfeld bei der Koordination dieses komplexen Netzes aus verschiedenen Verkehrsmitteln ein enormer Organisationsaufwand an, den man bei der Ausrichtung einer Sportveranstaltung im ersten Moment nun wahrlich nicht vermuten würde.

Die freie Wahl, sich je nach Wetter das schönste Transportmittel auszusuchen, haben die Läufer übrigens nicht. Schon bei der Anmeldung muss man sich verbindlich für eine der Varianten entscheiden. Und sowohl Transportmittel wie auch die jeweiligen Abfahrtszeiten sind als eine Art Fahrkarte auf die - dank eines halben Dutzend auf ihnen verewigten Werbepartnern ziemlich bunt geratenen - Startnummern aufgedruckt.

All das ist im Informationsmaterial bis ins Detail erläutert. Selbst für Teilnehmer, die irgendwo in einem der Wachau-Dörfchen an der Strecke wohnen, sind dort genaue Fahrpläne angegeben, wann und wie sie wohin gelangen können. Doch wie oft verkomplizieren eben auch in diesem Fall gerade die große Auswahl und die vielen Möglichkeiten die Entscheidung erheblich.

Für die Marathonis gibt es außerdem noch einen ganz anderen Ansatz für die Anreise. Und diese Alternative führt als große Ausnahme von der Regel auch nicht über den Zielort Krems sondern beginnt am anderen Ende der Wachau am Bahnhof von Melk. Zwar wird in diesem am südlichen Donauufer liegenden Städtchen nicht gestartet, das Rennen beginnt vielmehr auf der anderen Seite des Flusses in Emmersdorf. Doch hat man von der Station aus dorthin ebenfalls einen Pendelverkehr eingerichtet.

Tobias Sauter gewinnt den Marathon mit einer schnelleren zweiten Hälfte Bei den Frauen ist am Ende Gertraud Schneitl die Schnellste Der Südtiroler Martin Agstner wird als Gesamtsiebter Sieger der Altersklasse M50

Viel mehr als eine Handvoll Fahrgäste findet der - angesichts der geringen Inanspruchnahme seiner Dienste etwas enttäuschte - Busfahrer allerdings auch nach dem Abwarten des dritten ankommenden Zuges nicht. Dabei wäre gerade für aus westlicher Richtung kommenden Marathonis diese Variante beinahe ideal. Bei einer Startzeit von zehn Uhr könnte man auf der am Sonntagmorgen bereits gut befahrenen Westbahnlinie schließlich selbst aus etwas größerer Entfernung noch rechtzeitig heran kommen.

Aber die fehlende Nummernausgabe am Startort macht diese eigentlich gute Ausgangsbasis gleich wieder zunichte. So bleiben am Ende nur einige wenige Sportler, die bereits am Vortag ihre Unterlagen abgeholt haben und sich an diesem Morgen den zeitraubenden Umweg über Krems ersparen wollen, übrig.

Ginge es nur um die repräsentative Wirkung wäre Melk sicher auch ein guter Startplatz für den Wachau-Marathon. Denn obwohl sich das Donautal eigentlich erst hinter dem Städtchen wirklich verengt, dürfte es vermutlich trotzdem der meistbesuchten und wohl auch am häufigsten fotografierte Ort der Region sein. Und das ist hauptsächlich auf das Benediktinerkloster zurück zu führen, das eigentlich nicht zu übersehen auf der nach drei Seiten steil abfallenden Felsnase sitzt, die zwischen Stadt und Fluss aufragt.

Mehr als eine halbe Million Menschen besichtigen den barocken Prachtbau, der nicht nur als wichtiger Bestandteil der Gesamtregion sondern auch als Einzelobjekt UNESCO-Schutz genießt, schließlich in jedem Jahr. Längst ist er zu einem unverkennbaren Wahrzeichen der Wachau geworden. Mit einer Seitenlänge von mehreren hundert Metern, einem halben Dutzend verschiedener Innenhöfe sowie anschließender Parkanlage hat der gesamte Komplex des Stifts Melk fast schon riesige Ausmaße.

Angesichts dieser Dominanz wird das ebenfalls nicht völlig unansehnliche Städtchen zu Füßen der Klosteranlage von vielen Touristen ziemlich stiefmütterlich behandelt. Doch immerhin muss man, um die imposante Gesamtansicht mit den beiden über das Bauwerk aufragenden Türmen und die noch höhere Kuppel zu bekommen, vom Klosterhügel hinunter in die Gassen der Altstadt oder ans Ufer der Donau steigen.

Nach zweieinhalb Kilometern wird eine kleine Wendeschleife absolviert und von nun an flussabwärts gelaufen

Auch vom Marathon-Startort Emmersdorf auf der gegenüberliegenden Seite ist das Stift Melk dank seiner erhöhten Position gut zu erkennen. Und gerade weil im Gegensatz dazu das gleichnamige Städtchen weitgehend vom Klosterkomplex und dem Felsen darunter sowie einem Auwäldchen verdeckt wird, lässt sich die symbolische Bedeutung der Benediktinerabtei als markantes Eingangstor zur Wachau absolut nachvollziehen.

In nicht einmal zehn Minuten hat der Pendelbus die wenigen Kilometer über die Donaubrücke, die Melk und Emmersdorf verbindet, zurück gelegt. Und schon dort, wo die halbkreisförmige Auffahrtsrampe die ihrerseits auch unter der Brücke hindurch führende Uferstraße trifft, kann er seine Fahrt beenden. Denn der Startbereich befindet sich am Sportplatz von Emmersdorf gleich am Ortseingang.

Dort hält Carsten Eich die Fäden in der Hand. Organisationschef Michael Buchleiter hat seinen einstigen deutschen Konkurrenten nämlich zum Rennleiter gemacht. Während in Spitz, wo mehr als fünftausend Halbmarathonläufer ins Rennen gehen, wahrscheinlich doch ein ziemliches Gewimmel herrschen dürfte, ist die Stimmung ein Stück flussaufwärts jedoch ziemlich entspannt.

Denn auch in Emmersdorf sind die Wege relativ kurz. Direkt neben dem Startbogen sind auf dem Parkplatz des Sportgeländes Tische und Bänke aufgestellt, an denen sich die Marathonis umziehen und auf den Start warten können. Das relativ sonnige und warme Wetter, das sich gegenüber dem Vortag noch einmal verbessert hat, lässt aber auch wirklich keine Wünsche nach überdachten oder gar beheizten Räumen aufkommen.

Die ehemalige kaiserliche Sommerresidenz Schloss Luberegg findet sich in der Nähe des Umkehrpunktes

Die Busse, mit denen die Kleiderbeutel zum Ziel transportiert werden, stehen ebenfalls um die Ecke. Ein wenig ungewöhnlich ist allerdings, dass dort keineswegs freiwillige Helfer die Plastiksäcke entgegen nehmen. Vielmehr geht jeder Teilnehmer selbst in den Bus und deponiert seine Utensilien irgendwo auf oder zwischen den Sitzen. Noch erstaunter darf man später aber darüber sei, dass sich auch im Zielbereich das Procedere nicht viel anders darstellen wird und jeder seinen eigenen Pack genau dort abholen muss, wo er ihn abgelegt hat.

Die bei Entgegennahme und Ausgabe eingesparten Leute lassen sich jedenfalls gut an anderer Stelle einsetzen. Aber natürlich orientiert man sich mit dieser Methode auch deutlich weniger als bei anderen Veranstaltungen mit der Lenin zugeschriebenen Redewendung mit dem "guten Vertrauen" und der "besseren Kontrolle" sondern geht von der Ehrlichkeit und dem guten Willen aller Beteiligten aus.

Wer sich von den Marathonis im Vorfeld nicht genauer mit dem Streckenplan beschäftigt hat, wird angesichts der Startaufstellung ein wenig überrascht sein. Denn das Feld wird keineswegs gleich flussabwärts in Richtung Krems geschickt. Vielmehr gilt es erst einmal auf einer genau entgegengesetzten Schleife einige Kilometer zu sammeln. Vom in der Vergangenheit praktizierten Start im ein Stück weiter westlich gelegene und vom Ziel tatsächlich ungefähr die Marathondistanz entfernten Weitenegg, haben sich die Organisatoren inzwischen verabschiedet.

Über Mobiltelefon koordiniert werden die Marathonis in Emmersdorf genau zeitgleich mit dem Halbdistanzlern in Spitz auf die Strecke entlassen. Das macht es insbesondere für die Zeitnahme natürlich deutlich einfacher. Und auch die Strecken- und Zielsprecher brauchen sich beim Blick auf die Uhr später keine Gedanken über eventuell einzurechnende Differenzen zu machen. Das ist durchaus interessant. Schließlich werden die Schnellsten der langen Distanz noch einige hundert Läufer vom Schwanz des Halbmarathonfeldes einsammeln.

Nur wenige Meter hinter der Startlinie ist die Strecke schon direkt an die Donau vorgestoßen. Gegenüber des Stromes thront Stift Melk als markanter Blickpunkt auf seinem Felsen. Von Emmersdorf bekommen die Läufer deshalb allerdings auch nur die Häuser direkt an der Uferstraße zu Gesicht. In die engen idyllischen Gassen des eigentlichen Dorfkernes führt der Marathon nicht hinein.

Am rechten Donauufer kann man von der Laufstrecke immer wieder das Kloster von Melk entdecken

Auch in allen anderen passierten Ortschaften wird dies nicht anders sein. Die Laufstrecke hält sich stur an der Bundesstraße, die sich meist möglichst nahe an der Donau orientiert, während die Dörfer und Städtchen der Wachau in der Regel einige Meter vom Fluss zurück gesetzt liegen. Was direkt nach dem Start angesichts des noch ziemlich dichten Feldes wohl tatsächlich noch ein wenig eng wäre, sollte, wenn sich die Läuferschlange nach einigen Kilometern weiter auseinander gezogen hat, eigentlich durchaus möglich sein.

Gegen das Durchlaufen der Ortszentren spricht wohl unter anderem jedoch, dass trotz der Sperrung der Uferstraße alle Gemeinden an der Strecke nahezu vollständig von der Rückseite über Seitentäler erreichbar sind. Würde das Läuferfeld die Donau dagegen immer wieder einmal für einen Schlenker verlassen, wäre die Zufahrtsregelung an einigen Stellen deutlich komplizierter. Ein wenig schade ist es allerdings dennoch. Denn einen Teil des Reizes der Wachau machen eben auch die romantischen kleinen Örtchen aus.

So ist der Blick, den man auf Emmersdorf werfen kann, dann auch ziemlich äußerlich. Der höher gelegene Teil mit der Kirche bleibt nahezu vollkommen unsichtbar. Selbst die Hauptstraße der unteren Dorfhälfte mit den dicht aneinander klebenden Gasthäusern und Bauernhöfen, die eigentlich nur wenige Meter entfernt ist, lässt sich mehr erahnen als erkennen. Die kleine Kapelle die zwischen ihnen aufragt, ist da eigentlich schon der optische Höhepunkt.

Und nur wenn man genau die richtige Ecke kennt, entdeckt man von der Laufstrecke aus kurz die Bögen des mitten im Ort gelegenen und deshalb zu dessen Wahrzeichen gewordenen Eisenbahnviaduktes. Über die Brücke rollen inzwischen nur noch in absoluten Ausnahmefällen Züge. Denn vor wenigen Jahren hat die ÖBB den Betrieb auf der sogenannten "Wachaubahn" aus Kostengründen weitgehend eingestellt.

Beim zweiten Durchlauf von Emmersdorf hat sich nach fünf Kilometern das Marathonfeld schon deutlich entzerrt

Busse haben ihre Rolle weitgehend übernommen. Nur noch zwischen Krems und Emmersdorf gibt es überhaupt gelegentlich eine Bahnverbindung. Weiter flussaufwärts ist die Strecke vollkommen stillgelegt. Und die gerade einmal drei Züge in jede Richtung, die während des Sommerhalbjahres an den Wochenenden sowie im Juli und August täglich verkehren, haben hauptsächlich noch touristische Bedeutung.

So viel Verkehr wie während des Wachau-Marathons erlebt die landschaftlich natürlich wirklich schöne Strecke ansonsten jedenfalls nicht mehr. Denn nicht nur die Züge, mit denen die Läufer zu den Startorten gebracht werden sind unterwegs. Dank eines Sonderfahrplans können Zuschauer und Anwohner sämtliche Bahnhöfe der Wachau nämlich auch für den Rest des Tages im Stundentakt erreichen.

Bevor die Tafel mit der "1" am Straßenrand auftaucht, hat man Emmersdorf auch schon hinter sich gelassen und ist in eine Landschaft aus kleinen Wäldchen und sattgrünen Wiesen hinaus gelaufen. Statt eines höheren Mittelgebirges sind es noch eher sanft gewellte Hügel, die sich dahinter erheben. Gleich mehrfach tauchen dazwischen aber auch kleine Häusergruppen auf. Schon dieser erste Eindruck zeigt, dass es auf der Marathonstrecke keineswegs langweilig und eintönig werden wird.

Nach zwei Kilometern wird wieder eine etwas geschlossenere Siedlung erreicht. Aber viel mehr als ein größerer Weiler ist Luberegg, das verwaltungstechnisch noch zu Emmersdorf gehört und sich sowohl ober- als auch unterhalb eines steilen Hanges ausdehnt, eigentlich nicht.

Unübersehbar bildet der langgestreckte Bau des ebenfalls Luberegg heißenden Schlosses seinen Mittelpunkt. Doch passend zur Gegend handelt es sich dabei keineswegs um einen großen Prunkbau. Gerade gegenüber dem Stift Melk am anderen Ufer fällt es im Vergleich ziemlich bescheiden aus und wirkt vielmehr wie ein zu groß geratener Gutshof.

Nach mehreren Kilometern durch Felder, Wiesen und Wälder… …stößt die Strecke in der Nähe des Dorfes Aggsbach Markt wieder direkt auf die Donau

Ein wenig überraschend ist unter diesen Voraussetzungen allerdings, dass es Anfang des neunzehnten Jahrhunderts trotzdem von Kaiser Franz - der letzte Habsburger auf dem Thron des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" und gleichzeitig der erste Kaiser Österreichs - für einige Jahre als Sommersitz auserkoren wurde.

Inzwischen hat auch der Gegenverkehr begonnen. Denn am westlichen Ende Luberegg befindet sich nach etwas über zweieinhalb Kilometern auch der Umkehrpunkt der Marathonstrecke. Es ist jedoch keine wirklich scharfe Wende sondern ein großer Bogen, mit dem man auf den Uferweg einbiegt, der sich an dieser Stelle ein wenig von der Straße entfernt. Bis beide wieder direkt zusammen treffen sind einige hundert Meter zurück gelegt.

Übrigens ist der Radweg, auf dem kaum mehr als zwei oder drei Läufer nebeneinander Platz haben, natürlich auch ein schnell verfügbares Gegenargument zur These, das Marathonfeld würde einzig und allein aus Kapazitätsgründen nicht durch die Dorfkerne geführt. Sehr viel schmaler kann schließlich auch die engste Altstadtgasse nicht sein.

Im trotz der touristischen Attraktivität der Wachau sowie der Internationalität des durch sie fließenden Stromes größtenteils österreichisch und sogar stark regional besetzten Feld wird es ein wenig lauter, als auf der Gegenspur der erste Läufer auftaucht. Denn mit Wolfgang Wallner, der obwohl er Jahrgang 1964 angehört, aufgrund der nur in Zehnerschritten vorgenommenen Wertung in der Altersklasse M40 startet, liegt dort ein Lokalmatador in Front. Da verwundert es kaum, dass so mancher aufmunternde Zuruf für den Vorjahressieger ertönt.

Mit einem angesichts der relativ kurzen Renndauer doch schon ziemlich deutlichen Abstand folgt mit Alexander Frühwirth ein weiterer Niederösterreicher. Noch einmal ein Stück weiter zurück liegt der Deutsche Tobias Sauter auf Rang drei. Und der dürfte vielleicht sogar der bekannteste Name in der Startliste sein. Denn immerhin war er über die Marathondistanz schon WM-Teilnehmer.

Manchmal ist zwischen Hang und Fluss nur wenig Platz für die Straße… …doch überall dort, wo das Tal nur etwas breiter wird, baut man Obst oder Wein an

Dem sonst den Läufern mit seinen harten - gegenüber den Vorgabe des internationalen Verbandes noch einmal verschärften - Normen wenig entgegenkommenden DLV war im Jahr 2009 als Ausrichter in Berlin gar nicht anderes übrig geblieben, als eine Marathonmannschaft an den Start zu schicken. Sauter bekam deshalb auch ohne die in letzter Zeit wieder so gerne hervorgeholte "Endkampfchance" seine Weltmeisterschafts-Nominierung.

Der Weg zurück nach Emmersdorf bietet zwar natürlich wenig vollkommen Neues, aber wie so oft sieht eine Laufstrecke aus dem entgegengesetzten Blickwinkel trotzdem ein wenig anders aus. Zumindest sind die Berge, zwischen denen sich die Donau auf dem nun folgenden Abschnitt hindurch zwängen muss, jetzt deutlich vor dem Marathonfeld zu erkennen. Und nach gut fünf Kilometern hat man dann auch die Startlinie ein zweites Mal, nun tatsächlich auch in der "richtigen" Richtung überquert.

Unter der schon bekannten Brücke führt der Weg hindurch. Doch wird es für längere Zeit die letzte feste Donauüberquerung gewesen sein. Der nächsten wird man erst kurz vor dem Zielort Krems begegnen. In der gesamten Wachau gibt es - bezieht man sich auf die enge Definition des eigentlichen Durchbruchstals - ansonsten nämlich nur einige Fähren. Eine weitere Parallele zum Mittelrheintal, das zwischen Mainz und Koblenz ja ebenfalls von keiner einzigen Brücke überspannt wird.

Hinter Emmersdorf taucht die Marathonstrecke erst einmal in ein längeres Waldstück ein, das auf den nächsten beiden Kilometern bis Schallemmersdorf das Bild bestimmen wird. Doch obwohl nach der Passage des kaum hundert Einwohner zählenden Dörfchens die Bundesstraße - und damit auch der Marathonkurs - wieder in offeneres Gelände mit Wiesen und Maisfeldern hinaus führt, bleibt die Donau auch weiterhin vorerst unsichtbar. Noch eine ganze Zeit wird ein dichtes Auwäldchen den Blick versperren.

Mehrere Kilometer lang hat man die auf der gegenüber liegenden Seite der Donau oben am Berg thronende Burgruine Aggstein fast ständig im Blick

Das jenseits des Flusses am Südufer auf einem Felsen direkt über dem Wasser gelegene Schloss Schönbühel bekommt man deshalb ebenfalls nicht zu Gesicht. Dafür werden die Berge nun allerdings doch deutlich höher und schroffer. Zudem rücken sie auch wesentlich dichter an die Laufstrecke heran und verengen so langsam das Tal zu dem in der Ferne bereits erkennbaren schmalen Durchlass.

In der Ausschreibung wird Grimsing als der erste Wechselpunkt für die Staffeln - und zwar für die mit vier Läufern - angegeben. Doch in Wahrheit liegt das ebenfalls nur ungefähr einhundert Bewohner zählende Dorf zum einen ein ganzes Stück abseits der Straße. Und zum anderen müssen die Startläufer vom entsprechenden Abzweig noch über einen Kilometer weiter laufen, bevor sie direkt an der Zehn-Kilometer-Marke ihre Nachfolger auf die Reise schicken dürfen.

Mit mehr als hundert Teams ist der Viererwettbewerb das noch quantitativ am stärksten besetzte Rennen. Zu dritt - dort haben die ersten Läufer alleine die einundzwanzig Kilometer bis Spitz zu bewältigen, während sich zwei weitere die restliche Strecke aufteilen - treten dagegen nicht einmal vierzig Staffeln an. Und von den Doppeln, die jeweils einen Halbmarathon absolvieren, sind sogar weniger als zwanzig dabei. Große Teilnehmermassen generieren die Staffeln also trotz des organisatorischen Mehraufwandes eigentlich nicht.

Der leichten Bogen, den die Bundesstraße in der Wechselzone schlägt, ist dringend nötig. Denn der Berg zwängt sie in den schmalen Streifen, der nun zwischen Fluss und Hang noch bleibt. Meist ist die Böschung noch einigermaßen mit Bäumen und Sträuchern bewachsen, doch an einigen Stellen können sie sich aufgrund der Steilheit nicht behaupten und blanke Felswände ragen heraus.

Erst nach zwei Kilometern weitet sich das Tal wieder ein wenig. Und prompt findet sich dort mit Aggsbach Markt dort wieder eine Siedlung. Auf der anderen Seite des Flusses, wo weit weniger ebene Fläche vorhanden ist, liegt als Gegenstück Aggsbach Dorf. Beide gehören allerdings zu verschiedenen politischen Einheiten. Das links der Donau gelegene Aggsbach Markt ist Hauptort von "Aggsbach", jenseits des Stromes heißt die Gemeinde "Schönbühel-Aggsbach", dessen zweiter Ortsteil sich rund ums gleichnamige Schloss erstreckt.

Bei Schwallenbach erreicht man die vierte von einem vollen Dutzend gut bestückter "Labestationen", die für die Marathonis aufgebaut sind

Einfach machen es die Wachauer ihren Gästen mit dieser Namensgebung nun wahrlich nicht unbedingt. Zumal hoch oberhalb von Aggsbach Dorf dann auch noch die Burgruine "Aggstein" auf dem Berg sitzt. Auch dank des Hakens, den die Marathonis am anderen Donauufer um die Marktgemeinde schlagen, bleibt die mehrfach neu- und umgebaute Befestigungsanlage eine ganze Zeit im Blickfeld.

Waren bei Emmersdorf neben Wiesen und Wäldchen auch noch Maisfelder zu sehen, wachsen rund um Aggsbach hauptsächlich Obstbäume. Ganz überraschend ist das nicht. Denn Niederösterreich, das größte - mit rund neunzehntausend Quadratkilometern übertrifft es flächenmäßig Schleswig-Holstein, Thüringen und Sachsen - österreichische Bundesland ist traditionell in vier Viertel eingeteilt, von denen drei in der Wachau aufeinander treffen.

Und neben dem Waldviertel im Nordwesten, dem man nachsagt, dass es dort acht Monate Winter und die restlichen vier Monate kalt ist und dem bei Krems beginnenden Weinviertel im Nordosten, gibt es da eben auch noch das Mostviertel, das sich ganz streng genommen allerdings nur südlich der Donau ausdehnt, also genau bis Aggsbach Dorf reicht. Einzig das ohnehin wenig idyllisch klingende Industrieviertel rund um Wien reicht nicht bis an die Wachau heran.

Erneut rücken die Felsen dichter an die Straße. Und erst jenseits der Fünfzehn-Kilometer-Marke ist das Tal breit genug, um mit Groisbach und Willendorf zwei weiteren kleinen Dörfern Platz zu bieten. Während man Aggsbach zumindest ein wenig länger berührte, liegen seine beiden Ortsteile wieder ein Stück abseits der Straße. Groisbach ist außerhalb der Wachau weitgehend unbekannt, doch das kaum größere Willendorf hat selbst im Ausland einen gewissen Namen.

Grund dafür ist die sogenannte "Venus von Willendorf", die Anfang des vergangenen Jahrhunderts beim Bau der Wachaubahn entdeckt wurde und als eine der wichtigsten archäologischen Funde des Landes heute im Naturhistorischen Museum von Wien zu sehen ist. Die aus der Steinzeit stammende Frauenfigur belegt eindrucksvoll, dass die Region schon vor rund fünfundzwanzigtausend Jahren besiedelt war.

Zwischen Schwallenbach (links) und Spitz (rechts) führt die Laufstrecke an einigen ziemlich auffälligen Felsformationen vorbei

Doch spielt Niederösterreich eben auch in der nicht ganz so weit zurück liegenden Geschichte eine ziemlich entscheidende Bedeutung für die Entwicklung Österreichs. Ist es doch die Keimzelle jenes "Ostarrichi", aus dem der heutige Staat werden sollte. Im neunten Jahrhundert als "Marcha orientalis" - was ins Deutsche übersetzt den historisch ziemlich belasteten Begriff "Ostmark" ergibt - zur Sicherung der östlichen Grenze des Frankenreiches entstanden, wurde das Gebiet in der Folgezeit immer wieder von den Ungarn bedroht und später auch erobert.

Erst nach der Entscheidungsschlacht auf dem Lechfeld, mit der die Ungarneinfälle im Jahr 955 beendet wurden, konnte die Region wieder ins Reich eingegliedert werden. Zwei Jahrhunderte später entstand das "Herzogtum Österreich" als unabhängiges und dem Kaiser direkt unterstelltes Territorium. Und erneut etwas über hundert Jahre danach begann mit der Habsburgerdynastie der Aufstieg zur Großmacht. Der Bezeichnung des Stammlandes übertrug sich auch auf das größer werdende Gebiet und blieb bis in die heutige Zeit erhalten.

So flach wie man es angesichts seines Namens vermuten könnte, ist Niederösterreich, das als einziges Bundesland in der Bevölkerungszahl mit Wien mithalten kann, allerdings keineswegs. Zwar liegt der größte Teil des Bundeslandes im Donauraum oder der nördlichen Mittelgebirgszone. Doch hat man eben auch einen Anteil an den Alpen und kann dort immerhin als höchsten Punkt einen Zweitausender vorzeigen. Und die Semmeringbahn, die als erste Gebirgsbahn der Welt gilt, verläuft ebenfalls weitgehend über niederösterreichisches Gebiet.

Nicht einmal siebzehn Kilometer sind erreicht, als die Marathonis am Gerätehaus der Willensdorfer Feuerwehr vorbei kommen, das sich als einziges von wenigen Gebäuden des Ortes an die Bundesstraße heran gewagt hat. "In einem Kilometer kommt eine Labestelle" ruft einer der Freiwilligen Brandlöscher, die es sich in Campingstühlen davor bequem gemacht, den Läufern zu.

In Spitz, dem Startort des Halbmarathons, ist für die Langstreckler die Hälfte geschafft

Und er hat tatsächlich recht. Im Nachbarort Schwallenbach ist in Sichtweite der ungewöhnlich schmalen, dafür aber im Verhältnis dennoch relativ hohen Kirche und des nicht minder auffälligen Wehrturmes eines mit dem ungewöhnlichen Namen "Glöckerl vom Schwallenbach" ausgestatten früheren Adelsitzes - wie gewohnt liegen beide jedoch etwas abseits der Laufstrecke - nämlich wenig später bereits der vierte dieser Versorgungspunkte aufgebaut.

Vielleicht liegt es ja am deutschen Rennleiter Carsten Eich, auf dem Schild, das die "Labestelle" ankündigt, wird jedenfalls nicht dieser für Nichtösterreicher eher ungewohnt klingende Begriff verwendet. Dort kann man vielmehr von einer kommenden "Verpflegungsstation" lesen. Viel enger als der offiziell vorgegebene Fünf-Kilometer-Rhythmus ist das Netz zwischen ihnen geknüpft. Insgesamt zwölf davon sind nämlich entlang der Strecke aufgebaut.

Und bis auf eine einzige, an der es auf dem mit vier Versorgungsposten auf nicht einmal zehn Kilometern noch einmal dichter bestückten Schlussabschnitt wirklich nur Wasser gibt, sind alle anderen auch von der Breite des Angebotes gut aufgestellt. Wasser, Elektrolytgetränke und Cola, Riegel und Bananen bekommt man nämlich von Anfang an überall. Selbst bei der inzwischen durchaus spürbaren Wärme ist dies durchaus ausreichend.

Schon drei Kilometer später am Halbmarathonstartpunkt in Spitz gibt es schließlich das nächste Mal zu trinken. Auf dem Weg dorthin gibt es einige der bisher markantesten Felsformationen am Streckenrand zu bewundern. Doch während die Hänge zuvor entweder bewaldet oder aber völlig kahl waren, tauchen nun dazwischen auch immer öfter Terrassen mit Weinstöcken auf.

Verglichen mit den zuvor durchlaufenen Dörfern Aggsbach, Willendorf oder Schwallenbach hat die wenig später erreichte Marktgemeinde Spitz wesentlich mehr Platz, um sich auszudehnen. Denn gleich zwei Seitentäler treffen an dieser Stelle auf die Donau. Zwischen beiden ragt ein Hügel empor, um den sich der Ort nahezu vollständig herum zieht. Und nicht nur dieser ist nahezu vollständig mit Rebstöcken bedeckt, auf fast alle anderen Hänge wird ebenfalls Wein angebaut.

Hinter Spitz drängt eine Steilwand immer dichter an die Straße heran, bis nur noch ein ganz schmaler Streifen verbleibt… ... erst an der Wehrkirche St. Michael weitet sich das Tal wieder ein wenig

Der Wachau-Marathon trägt zwar als Untertitel das Wortspiel "weinmalig", aber eigentlich beginnt das Hauptanbaugebiet erst auf der zweiten Hälfte der langen Strecke. Für die Halbmarathonläufer führt dagegen ein weitaus größerer Teil ihres Rennens durch Rebflächen. Während die Marathonis nun also erst in sie hinein kommen, haben ihre Kollegen von der kurzen Distanz - zumindest die Schnelleren von ihnen - aufgrund des gleichzeitigen Startes sie schon längst wieder hinter sich.

Und schnell geht es in diesem Rennen tatsächlich zu. Denn in der Wachau tritt nicht nur die Masse über einundzwanzig Kilometer an. Auch die von den Veranstaltern verpflichteten Asse laufen den Halbmarathon. Das ist, selbst wenn es im Gegensatz zur ansonsten meist üblichen Praxis steht, bei der schon einmal vorkommen kann, dass die Marathon laufende Elite vor den ersten Halbdistanzlern vorbei kommt, durchaus konsequent.

Wenn er schon quantitativ das absolute Hauptrennen ist, kann man ihn schließlich auch qualitativ dazu machen. So tummeln sich dann bei zur Jagd auf Sieg- und Zeitprämien auch gleich ein ganzes Dutzend ostafrikanischer Profis an der Startline zu Füßen der Ruine Hinterhaus, denn auch Spitz hat - fast ist man geneigt zu sagen "natürlich - seine eigene Burg.

Ein neuer Streckenrekord - der alte stand bei 1:01:10 - ist als Ziel vorgegeben. Und der Wunsch der Organisatoren wird erfüllt. Denn der Kenianer Robert Langat drückt in weitere fünf Sekunden näher an die Stundengrenze. Auch sein Landsmann Benson Oloisunga bleibt mit 1:01:07 noch unter der alten Marke. Daniel-Kinyua Wanjiru und Josphat-Bett Kipkoech, die lange ebenfalls mitgehalten hatten, müssen sich am Ende in 1:01:19 und 1:01: 34 mit den Rängen drei und vier begnügen.

Noch bevor mit dem Ungarn Roland Kedves der erste Europäer die Ziellinie überquert, sind auch die Spitzenplätze bei den Frauen verteilt. Hier gewinnt die 1:10:26 laufende Magdalene Mukunzi vor Josephine Chepkoech, die sich zwar weit über die Hälfte der Distanz an der Siegerin festbeißt, sich schlussendlich mit 1:11:07 aber doch ziemlich eindeutig auf der zweite Treppchenstufe wieder findet. Jane Muia hat dagegen schon wesentlich früher den Anschluss verloren und bringt als Dritte ein eher einsames Rennen in 1:12:36 nach Hause.

Direkt neben den dicken Mauern und wehrhaften Türmen der ältesten Kirche der Wachau wartet wieder eine der vielen Verpflegungsstellen

Kurz nachdem Jane Muia in Krems als Gesamtelfte das Ziel erreicht hat, passiert der Führende im Marathon in 1:13:30 die Zeitmessmatte in Spitz. Auf mehr als zweieinhalb Minuten hat Wolfgang Wallner seinen Vorsprung gegenüber seinem ersten Verfolger ausgebaut. Das ist inzwischen Tobias Sauter, der sich genau wie der Wiener Lukas Maukner an Alexander Frühwirth vorbei geschoben hat.

Bei den Frauen hat Gertraud Schneitl die Führungsposition inne und legt dabei ein Tempo vor, das auf eine Zeit knapp über drei Stunden hinaus laufen würde. Drei Minuten später folgt mit Veronika Limberger die Zweite. Und noch einmal zwei Minuten vergehen, bevor Elisabeth Reiter als Dritte den abgesperrten und mit reichlich Reklame versehenen Halbmarathon-Startbereich durchquert.

Auf den Reklamebanden taucht neben dem schon erwähnten Sportgeschäft und dem in Österreich kaum anders als in Deutschland aussehenden Sparkassen-Symbol unter anderem auch ein gelbes "N" auf blauem Grund auf, das aufgrund der Farbgestaltung bei oberflächlicher Betrachtung erst einmal stark an das Logo eines großen deutschen Reiseunternehmens erinnert. Allerdings soll der Buchstabe nur für "Niederösterreich" werben.

Blau und Gelb stehen ohnehin für das größte österreichische Bundesland. Denn während alle anderen Landesteile zumindest eine der beiden Nationalfarben in Fahne und Wappen führen, fällt Niederösterreich mit seinen fünf gelben Adlern auf blauen Grund und einer Flagge, die sich nur im Blauton leicht von der ukrainischen unterscheidet, ziemlich aus der Reihe.

Fast noch ungewöhnlicher ist, dass das Bundesland bis vor einem Vierteljahrhundert nicht einmal eine eigene Hauptstadt besaß, sondern Regierung und Parlament ihren Sitz in Wien hatten, das zwar vollständig von Niederösterreich umschlossen, aber ebenfalls ein eigenständiges Land ist. Somit war Wien gleich dreifache Hauptstadt, sowohl für das gesamte Österreich als auch für die Bundesländer Wien und Niederösterreich.

Schon lange bevor man es erreicht, ist das Örtchen Weißenkirchen hinter Obstbäumen und Weinreben zu erkennen

Das hat durchaus historische Gründe. Denn während in der Kaiserzeit bereits die Herzogtümer Steiermark, Kärnten und Salzburg oder eine "Gefürstete Grafschaft Tirol" mit den gleichen Hauptstädten wie heute existierten, umfasste das "Erzherzogtum Österreich unter der Enns" als eigentliches Kernland der Habsburgermonarchie bis zu deren Ende sowohl Wien als auch das jetzige Niederösterreich. Erst 1922 erfolgte dann die endgültige Trennung.

Die Verwaltung des neu entstanden Bundeslandes blieb jedoch weiter in Wien. Und da meist nichts länger hält als Provisorien, dauerte es bis 1986, bevor schließlich Sankt Pölten offiziell zur Landeshauptstadt bestimmt wurde. Bis die letzten Behörden aus Wien in die neue Kapitale umgezogen waren, vergingen noch weitere zehn Jahre. Dafür kann man nun aber auch ein ziemlich modernes und absolut kompaktes Regierungsviertel präsentieren.

Inzwischen hat sich das Marathonfeld zwar weit auseinander gezogen. Doch dafür bevölkern nun immer mehr Radfahrer den meist direkt neben der Laufstrecke entlang führenden Radweg. Dabei dürften die Veranstaltung und die damit verbundene Sperrung der Bundestraße viele sogar noch abgehalten haben. Denn am Vortag konnte man noch wesentlich mehr Radler beobachten. Von Leistungsportlern mit Rennmaschinen bis zu ganzen Gruppen mit einheitlichen, geliehenen Hollandrädern reichte dabei das Spektrum.

Längst ist der Radtourismus ein zusätzliches Standbein für die Region und die Zeiten, in denen verschwitzte Zweiradler in Hotels abgelehnt wurden, gehören der Vergangenheit an. Kaum ein anderer Fernradweg wird in Europa häufiger befahren als die Donau-Strecke zwischen Passau und Wien. Ob auf eigene Faust oder als organisierte Radreise ist dabei völlig egal. Auch eine ganze Reihe lokaler Veranstalter bietet Ausflüge unterschiedlichster Länge an. Und so wimmelt es gerade an den Wochenenden in manchen Abschnitten der Wachau geradezu von Rädern.

Gerade hinter Spitz müssen sich sowohl Radfahrer wie auch Läufer allerdings ein wenig mehr anstrengen als im Rest der Wachau. Denn die ansonsten weitgehend steigungsfreie Strecke muss diesmal nicht nur erneut durch eine Engstelle des Donautales hindurch sondern zu ihrer Überwindung auch einige Meter an Höhe gewinnen.

Auch in Weißenkirchen führt die Marathonstrecke nicht mitten durch den dichtbebauten Dorfkern, sie bleibt auf der um ihn herum verlaufenden Bundesstraße

Verglichen mit dem war man in den österreichischen Alpen geboten bekommen würde, ist es eigentlich nicht einmal ein echter Anstieg. Doch nach nun schon fast fünfundzwanzig nahezu vollkommen ebenen und tendenziell sogar leicht bergab führenden Kilometern, fällt er eben trotzdem unangenehm auf. Und wenn man den Blick ein wenig weg vom Fluss in Richtung auf die senkrechte Felswand mit dem sie durchstoßenden Eisenbahntunnel lenkt, könnte man sich vielleicht sogar tatsächlich für einen kurzen Moment im Hochgebirge wähnen.

Mit dem Passieren des Halbmarathonstartes haben sich nun auch die Zwischenmarkierungen verändert. Denn für die Marathonis werden nicht mehr die vollen Kilometer angezeigt. Auf einer gemeinsamen Tafel für beide Distanzen endet die ihnen zugedachte Zahl jetzt stets mit "Komma eins", während die Halbdistanzler glatte Werte vorfinden.

Ein echtes Problem ist das aber wohl wirklich nur für absolute Neurotiker, die ständig irgendwelche vorgegebenen Marschtabellen mit der Realität abgleichen müssen. Schließlich bewegt sich der Zeitzuschlag für die nun verrutschten hundert Meter selbst bei einer Endzeit von sechs Stunden gerade einmal im Bereich von fünfzig Sekunden. Und von Kilometer zu Kilometer stimmt es dann ja ohnehin wieder.

Dort wo die Straße sich wieder bis fast hinunter zum Fluss abgesenkt hat, wartet mit der Wehrkirche Sankt Michael endlich einmal eine Sehenswürdigkeit der Wachau, an der man praktisch direkt vorbei laufen darf. Dass diese in der jetzigen Form aus dem späten Mittelalter stammende Kirche nicht nur als Gotteshaus diente sondern durchaus auch eine Funktion als Befestigungsanlage besaß, sieht man den sie umgebenden trutzigen Mauern und insbesondere dem ihren Eingang bewachenden Burgturm eindeutig an.

Der stete Wechsel von engen Felsdurchbrüchen und deutlich weiteren Talabschnitten, die den Lauf durch die Wachau so abwechslungsreich und eigentlich in keiner Minute langweilig machen, setzt sich auch hinter Sankt Michael fort. Denn bis zur noch ungefähr drei Kilometer entfernten Hauptgemeinde Weißenkirchen führt der Weg die Marathonis nun wieder durch größere Wein- und Obstanbauflächen.

Zwischen Fluss und Fels nähert sich die Strecke Dürnstein, wo mit dem Viertelmarathon die dritte Laufdistanz gestartet wird

Noch einmal wesentlich weiträumiger als in Spitz ist das Gelände rund um Weißenkirchen ausgefallen. Die Berge ziehen sich ein ganzes Stück vom Fluss zurück und bieten so auch noch den auf dem Weg zum Zentrum der Gemeinde passierten Ortsteilen Wösendorf und Joching ausreichend Raum. Wie üblich läuft man an ihnen aber in einem gewissen Abstand vorbei.

Und auch die Kirche die dem Hauptort den Namen gab, kann man von der Uferstraße aus nur etwas weiter oben am Hang bewundern. Aus der Entfernung lässt es sich nur schwer erkennen, doch auch sie ist wie Sankt Michael ein Stück stromaufwärts stark befestigt. Beide entstanden schließlich in einer Zeit, in der die Habsburger mit dem aufstrebenden Osmanischen Reich um die Vorherrschaft im Südosten Europas rangen und die Türken gleich zweimal bis Wien vorstießen, um die österreichische Hauptstadt zu belagern.

Zwischen Weißenkirchen und Dürnstein beschreibt die Donau fast einen Halbkreis. Die meist nordöstliche Fließrichtung durch die Wachau kehrt sich erst einmal nach Süden um. Ein zweiter großer Bogen lässt den Strom bald darauf wieder nach Osten schwenken. Die sich dadurch ständig verändernden Aussichten machen die ohnehin schon reizvolle Region in diesem Abschnitt nur noch interessanter.

Natürlich ist das auch vom Wasser aus so. Denn neben dem Rad ist das Schiff eines der populärsten Verkehrsmittel der Wachau. Und das nicht nur zum Transport der Läufer zu den Startplätzen sondern selbstverständlich hauptsächlich für Touristen. Um die Mittagszeit hat der Betrieb auf dem Fluss längst erkennbar zugenommen. Mit schöner Regelmäßigkeit zieht eines der zum Teil ziemlich großen Ausflugsschiffe an den Marathonis vorbei.

Dürnstein, einer der bekanntesten und vielleicht auch schönsten Wachau-Orte wird nicht durchquert sondern nur in großem Bogen umlaufen

Damit auch sie den ersten Eindruck auf Dürnstein in Ruhe genießen können, hat man Autofahrern sogar eigens eine Parkbucht an den Straßenrand gebaut. Selbst wenn nun nach rund dreißig Kilometern die Beine durchaus ein gewisses Interesse daran hätten, bleibt für die Läufer dagegen eigentlich auch ohne Zwischenstopp Zeit genug für den Blick über die weite Donauschleife auf das Örtchen, das sich zwischen Fluss und die bis fast direkt ans Ufer heranrückenden Felsen hinein quetscht.

Hoch über Dürnstein kann man auch schon die Ruine der Burg erkennen, die ihrerseits ein wenig dazu beigetragen hat den Namen des Örtchens noch weiter bekannt zu machen. Denn hinter ihren damals noch ziemlich jungen Mauern soll der englische König Richard Löwenherz bei seiner Rückkehr vom Dritten Kreuzzug im Winter 1192 / 1193 durch den österreichischen Herzog Leopold V gefangen gehalten worden sein.

Angeblich waren die beiden ein Jahr zuvor bei der Belagerung von Akkon heftig aneinander geraten. Nach der Eroberung der Stadt soll der Engländer die auf einem Turm gehisste Standarte Leopolds, der als Anführer der deutschen Kreuzritter damit seine Beteiligung am Sieg anzeigen wollte, wegen des niedrigeren Ranges des Österreichers in den Burggraben habe werfen lassen. Doch in Wahrheit handelte der Herzog wohl eher in Abstimmung mit dem ebenfalls mit Richard zerstrittenen Kaiser Heinrich VI.

Später wurde "Richard the lionheart" dann auch an Heinrich übergeben und auf der pfälzischen Burg Trifels festgesetzt. Erst gegen die Zahlung eines immensen Lösegeldes, von dem auch Leopold seinen Anteil bekam, wurde der Engländer schließlich freigelassen. Unter anderem wurde mit dem Geld die Errichtung einer neuen Stadtmauer in Wien finanziert. Vor allem gründete Leopold aber eine eigene österreichische Münzprägeanstalt und die riesige Silbermenge, die Richard zu bezahlen hatte, diente bis in die Neuzeit zur Absicherung der österreichischen Währung.

In einem Tunnel hat man den Berg hinter Dürnstein unterquert, so bleibt nur der Blick zurück auf die Barockkirche mit ihrem unverkennbaren blauen Turm und die Burgruine Dürnstein über dem Ort

Selbst wenn solche einfachen Schlussfolgerungen meist zu kurz greifen, ist es vielleicht dennoch nicht verkehrt, den späteren Aufstieg Österreichs auch mit dieser Geiselnahme in Verbindung zu bringen. Dass Leopold, dem aufgrund des besonderen Schutzes für Kreuzfahrer für diese Tat vom Papst mit der Exkommunizierung gedroht wurde, ausgerechnet den Beinamen "der Tugendhafte" erhielt, kann man eigentlich nur unter Ironie der Geschichte verbuchen.

Immer näher kommt auch der markante hellblaue Turm der Dürnsteiner Stiftskirche, der ebenfalls in keinem Wachau-Bildband fehlen darf. Das Kloster, zu dem der prächtige Barockbau einst gehörten, existiert im Gegensatz zum Stift Melk allerdings inzwischen nicht mehr. Und so dient das Gotteshaus heute hauptsächlich als ganz normale Pfarrkirche.

Kurz bevor man sie erreicht, schwenkt die Straße jedoch nach links auf den Berg zu und verschwindet in einem mehrere hundert Meter langen Tunnel. Als die Marathonis an seinem anderen Ende wieder ans Tageslicht kommen, haben sie Dürnstein, das zwar weniger als tausend Einwohner zählt, aber dennoch Stadtrechte besitzt, bereits hinter sich. Ein kleines Seitensträßchen würde zurück ins viel besuchte - der große Parkplatz neben dem Tunnelausgang ist dafür ein guter Beleg - Zentrum führen.

Doch die Marathonstecke lässt das Städtchen komplett rechts liegen und führt in einem langen Bogen zurück zu Donau, die man einen halben Stromkilometer unterhalb von Dürnstein wieder erreicht. Und ausgerechnet dort werden mit einer Wendeschleife auf dem Uferweg einige hundert zusätzliche Streckenmeter heraus geschunden. Ganz einsichtig ist diese Lösung nicht unbedingt. Denn Ähnliches hätte man sicher auch mit einem - wesentlich attraktiveren - Schlenker nach Dürnstein hinein erreichen können.

Mit einer Wendeschleife am Startpunkt des Viertelmarathons werden einige hundert zusätzliche Meter heraus geschunden … ...bevor rund um die beiden Dörfer Oberloiben und Unterloiben noch einmal Obstbäume und Weinstöcke das Bild bestimmen

Einzig die Zwischenzeitmessung an der Startmatte des Viertelmarathons könnte als Argument dienen. Wobei diese sich jedoch keineswegs an einem wirklich aussagekräftigen Punkt sondern irgendwo zwischen dreiunddreißig und vierunddreißig Kilometern befindet. Die schon um halb zehn auf die Reise gegangenen Teilnehmer auf der kürzesten angebotenen Strecke wurden nämlich in die Gegenrichtung gestartet.

Anschließend führte sie ihr Weg erst einmal auf der Flusspromenade an Dürnstein vorbei, so dass sie als einzige ein wenig mehr von diesem Städtchen zu Gesicht bekamen. Erst am Tunneleingang auf der anderen Seite hatten sie dann auf den Marathonkurs eingeschwenkt, um wieder - allerdings ohne die Zusatzschleife noch einmal zu absolvieren - in der Nähe des Starts vorbei zu kommen.

Mit Manuel Wyss ist mitten im österreichischen Kernland nach 34:49 ausgerechnet ein Schweizer auf dieser Distanz erfolgreich. Exakt sechzig Sekunden holt er dabei auf den schnellsten Einheimischen Philipp Gintenstorfer heraus. Und Stefan Aichinger ist als Dritter in 36:40 sogar fast noch eine weitere Minute zurück.

Bei den Damen sind dagegen zwei Ungarinnen vorne. Zsanett Kis lässt gerade einmal zwölf Herren den Vortritt, bevor sie nach 38:52 die Ziellinie überquert. Die 41:32 laufenden Anna Hajdú hat da nicht den Hauch einer Chance gegen die Konkurrentin aus dem eigenen Land. Als Dritte hält Carina Posch in 42:25 die österreichischen Farben auf der kürzesten Strecke dann wenigstens ein bisschen hoch.

Kurz vor Stein an der Donau, einem Stadtteil von Krems, markiert eine Tafel am Straßenrand das Ende des Weinbaugebietes Wachau

Nach der Wendeschleife nimmt die Bundesstraße die Läufer erneut auf und führt sie durch die Rebflächen von Oberloibern und Unterloibern, zwei winzigen, weit verstreuten Weindörfern, die als Ortsteile zur Gemeinde Dürnstein gehören. Genau an dieser Stelle, an der sich zum letzten Mal zwischen Fluss und Berg einer jener für die Wachau typischen geschützten Talkessel bildet, bevor der Strom dann in eine deutlich ebenere Landschaft austritt, wurde im November 1805 zwischen Franzosen und Russen die Schlacht von Dürnstein geschlagen.

Die Russen waren den mit ihnen verbündeten Österreichern zu Hilfe gekommen, die drei Wochen zuvor bei Ulm gegen Napoleon eine heftige Niederlage erlitten hatten. Nun galt es den Vormarsch der auf Wien vorrückenden Franzosen zu stoppen oder zumindest zu verzögern, um die eigenen Kräfte neu zu sammeln. Zwischen Dürnstein und Krems trafen dabei zwei jeweils ungefähr zwanzigtausend Mann starke Einheiten aufeinander.

Doch denkbar ungünstiger als die Weingärten der Wachau hätte das Gelände für ein Gefecht mit den Taktiken der damaligen Zeit kaum sein können. Zwischen den Reben war an geordnete Formationen kaum zu denken. Und so wurde einen ganzen Tag lang hauptsächlich im verbissenen Nahkämpfen miteinander gerungen, die am Ende mehr als sechstausend Soldaten das Leben kosten sollten.

Anfänglichen russischen Gebietsgewinnen folgte ein französischer Gegenangriff. Doch entschieden wurde die Schlacht durch geländekundige österreichische Offiziere, die dem Verbündeten als Unterstützung zugeordnet worden waren und einen Teil der Truppen in weitem Bogen über die Berge ums Schlachtfeld herum geführt hatten, um den Franzosen am Engpass von Dürnstein den Weg abzuschneiden. Diesen blieb schließlich nichts anderes übrig, als sich so schnell wie möglich über die Donau abzusetzen.

Dem wenige Kilometer vor dem Ziel passierten Stein sieht man durchaus noch an dass es früher ein eigenständiges Städtchen war

Geholfen hat dieser mit viel Blut erkaufte Teilerfolg allerdings wenig. Nur drei Wochen später wurden Russen und Österreicher in der sogenannten Dreikaiserschlacht von Austerlitz vernichtend geschlagen. Napoleon konnte dem schon erwähnten Kaiser Franz und Zar Alexander seine Friedensbedingungen diktieren. Der seltsame Bau, der in der Ebene von Loiben aus den Rebstöcken heraus ragt, ist jedenfalls ein Denkmal, das an diese wohl ziemlich grausamen Kämpfe erinnern soll.

Am Weiler Rothenhof endet der Talkessel. Und wenig später verkündet ein Schild am Straßenrand das "Ende des Weinbaugebietes Wachau". Denn selbst wenn aus nachvollziehbaren Gründen die Grenzen in Tourismusprospekten deutlich weiter gezogen werden, gehört Krems weintechnisch bereits zum Anbaugebiet "Kremstal". Wenig später machen auch zwei Bauwerke deutlich, dass man dabei ist, die Wachau zu verlassen. Es sind die passenden Gegenstücke zum Beginn der Region bei Emmersdorf und Melk.

Denn zum einen spannt sich nun vor den Läufern wieder eine Brücke über den Fluss. Und zum anderen ist auf der anderen Seite der Donau in der Ferne Stift Göttweig sichtbar, ein weiteres Kloster der Region, das auf der UNESCO-Liste steht. Nicht direkt am Strom wie Melk sondern einige Kilometer zurück gesetzt, sitzt es hoch oben auf einem Berg. Nicht ganz so populär wie die Entsprechung am anderen Wachau-Ende ist die Anlage deshalb dennoch nicht weniger imposant.

Hinter der Brücke beginnt Stein an der Donau, das sich rund einen Kilometer am Fluss entlang zieht. Inzwischen ist es längst mit Krems zusammen gewachsen und in die Nachbarstadt eingemeindet. Doch gleich eine ganze Reihe eindrucksvoller Kirch- und Wehrtürme zeigen, dass es sich dabei um ein früher sehr wohl selbstständiges - und vermutlich auch selbstbewusstes - Städtchen handelt.

Vorbei am Steiner Tor, dem letzten verbliebenen der früher vier Stadttore … ...mit Blick auf die Pfarrkirche St. Veit und die oberhalb gelegene Piaristenkirche… …sowie entlang der Dreifaltigkeitssäule führt eine kurze Abschlussrunde durch Krems

Der von eher moderneren Gewerbebauten umgebene Kreisel zwischen Stein und Krems beendet den langen Ausflug entlang der Uferstraße. Denn an ihm führt der Marathonkurs nicht mehr weiter geradeaus sondern schwenkt nach links weg in die Stadt hinein. Noch sind beinahe drei Kilometer zu laufen. Aber nach einer weiteren Kurve kann man am Ende der Gerade schon die Zielaufbauten erkennen. Nur zwei Häuserblöcke, bevor man den auffälligen Doppelbogen erreicht hat, biegt der Kurs in eine Seitenstraße ab.

Die Läufer werden anschließend auf einer Parallelstraße der Zielgeraden am Stadtpark vorbei geführt. Vor ihnen taucht deshalb das "Steiner Tor" auf, das letzte verbliebene Tor der einstigen Stadtbefestigung. Mit seiner später ergänzten barocken Spitze hat es allerdings nur noch wenig Mittelalterliches. Würde man das Tor - das seinen Namen natürlich deswegen führt, weil es dem benachbarten Stein zugewandt und nicht etwa weil es aus Stein gebaut ist - durchqueren, wäre man in der Fußgängerzone und der Altstadt von Krems angelangt.

Doch die Hoffnung, dass man zumindest in Krems die nun zur Marathondistanz noch fehlenden beiden Kilometer durch die hinter dem Tor liegenden engen und winkligen Gassen absolvieren könnte, trügt. Die Strecke umrundet weiter den Stadtpark und kommt so tatsächlich bis auf wenige Schritte ans Ziel heran. Dort wo auf der Gegenspur die etwas Schnelleren bereits ihre letzten Meter absolvieren, gilt es nun sich erst einmal wieder immer weiter von der Linie zu entfernen. Viel härter für die Psyche kann eine solche Zusatzrunde wohl kaum noch ausfallen.

Auf der breiten Allee ist Platz genug für beide Laufrichtungen. Doch mit ihrer Mischung aus Gründerzeithäusern und modernen Wohn- und Bürobauten kann sie natürlich nicht unbedingt mit dem Flair der nahe gelegenen Altstadtgassen konkurrieren. Immerhin haben die Marathonis, als sie diese schnurgerade Straße nach einigen hundert Metern wieder verlassen und mit der Wendeschleife beginnen, einen schönen Blick auf die Türme der Pfarrkirche St. Veit und der oberhalb gelegene Piaristenkirche.

Die Zielgerade wird mit einem etwa zwei Kilometer langen Umweg über das Zentrum von Krems gleich doppelt belaufen

Auch an der Dreifaltigkeitssäule auf den gleichnamigen Platz, mit dem der verkehrsberuhigte Bereich beginnt, führt die kurze Abschlussrunde durch Krems vorbei. Doch direkt danach verschwindet der Kurs wieder in eher unspektakulären Wohnstraßen. Und spätestens in dem Moment als man am vom Ziel am weitesten entfernten Punkt der Strecke auf einer mit Autos gut gefüllten Straße landet, auf der nur eine Spur für die Läufer abgesperrt ist, darf man sich schon fragen, ob sich nicht doch bessere Alternativen finden ließen.

Sicherlich gibt es für genau diese Kursführung Gründe. Wer sich einmal als Organisator einer Sportveranstaltung mit den ganzen Genehmigungsverfahren herum geschlagen hat, kann sicher ein Lied davon singen. Und nicht nur Behörden können sich quer stellen. Oft genug hat man erlebt, dass schon ein einziger Geschäftsmann, der sich darüber beschwert, dass sein Laden nicht wie gewohnt zu erreichen ist, ein ganzes Streckenkonzept zum Kippen bringen kann.

Trotzdem fällt es bei oberflächlicher Betrachtung doch etwas schwer zu verstehen, warum man in Krems - und genauso in Dürnstein - nun ausgerechtet diese wenig werbewirksamen Umwege gewählt hat, um die Kurse auf die richtige Länge zu bringen. Ein wenig nach "Notlösung" sieht das Ganze jedenfalls schon aus.

Die nach einundvierzig autofreien Kilometern doch eher unerfreuliche Begegnung mit dem in diesem Moment leicht chaotisch wirkenden Verkehr ist relativ schnell wieder beendet. Und nachdem man vorhin die Entgegenkommenden durchaus ein wenig beneidet hat, darf man nun die Zielgerade selbst in umgekehrter Richtung in Angriff nehmen. Noch fast einen Kilometer geht es immer geradeaus, bis man endlich die Stimme der Zielsprecherin hört.

Nicht alle Läufer haben beim psychologisch nicht ganz einfachen Schlenker in den Stadtkern noch einen Blick für die Sehenswürdigkeiten am Streckenrand

Bemerkenswert ist dabei durchaus, wie einige der Läufer von ihr begrüßt werden. Denn wie zur Bestätigung der Vorurteile über den österreichischen Hang zu Titeln, gilt der Empfang neben einigen "Doktoren" und "Professoren" auch "Ingenieuren", "Architekten" und "Magistern". Sogar die seltsame Bezeichnung "Doppelmagister" wird einmal erwähnt. Das zugehörige Feld im Anmeldeformular ist also nicht nur vorhanden sondern von den Teilnehmern auch entsprechend rege gefüllt worden.

Eigentlich ist das Ganze nur konsequent. Warum schließlich ausgerechnet ein Doktortitel die unterste Grenze der zu nennenden Anreden darstellen sollte, während Diplomen und andere Hochschul-Abschlüssen keinerlei Bedeutung beigemessen werden muss, ist mit rein logischen Argumenten und ohne die "Haben-wir-schon-immer-so-gemacht"-Scheuklappen jedenfalls nur schwer zu begründen.

Doch andererseits ist auch diese Abgrenzung eher willkürlich. Denn genauso könnte man dann ja auch den "Bankprokuristen", den "Chefredakteur" oder den "Polizeikommissar" nennen. Und warum sollte jemand, der gerade Abitur - oder "Matura", wie man in Österreich sagt - gemacht hat, dies nicht ebenfalls mit dem Titel "Abiturient" sichtbar machen dürfen. Stolz ist er darauf vermutlich kaum weniger als der Doktor. Und gerade nach den jüngsten Skandalen, ließe sich ja die ketzerische Behauptung aufstellen, dass er dafür vielleicht sogar mehr getan hat.

Es ist sicher eine subjektive Meinung, aber die Frage, ob überhaupt irgendeine Bezeichnung aus dem Berufs- oder Ausbildungsumfeld - also auch Professoren- und Doktortitel - etwas im Sport zu suchen hat, muss erlaubt sein. Mit der Tatsache, wie gut man laufen - oder auch schwimmen, Rad oder Ski fahren, Fußball oder Handball spielen - kann, hat es schließlich nichts zu tun. Und darüber dass inzwischen nicht mehr - wie vor einem Jahrhundert durchaus üblich - der früher erreichte militärische Dienstrang erwähnt wird, würde sich ja heute auch niemand mehr aufregen.

Während einige ihre Zusatzschleife gerade erst beginnen, haben andere sie bereits hinter sich und dürfen ins im kleinen Stadtpark aufgebaute Ziel einlaufen

Es ist nicht auszuschließen, dass sogar einige der Sieger und Platzierten mit ihren jeweiligen Abschlüssen empfangen werden. Denn auch bei ihnen taucht hinter so manchem Namen ein entsprechendes Kürzel in der Ergebnisliste auf. Für die läuferische Leistung, um die es ja eigentlich gehen sollte, ist das allerdings vollkommen egal.

Auf den letzten Kilometern gelingt es Tobias Sauter noch, den lange führenden Wolfgang Wallner abzufangen. Erst zwischen Dürnstein und Krems zieht der Deutsche am etwas nachlassenden Vorjahressieger vorbei. Sauter läuft dagegen - als einer von ganz wenigen Teilnehmern überhaupt - eine deutlich schnellere zweite Rennhälfte und gewinnt in 2:28:44 den fünfzehnten Wachau-Marathon am Ende relativ unangefochten. Der sicher auch ein wenig resignierende Wallner folgt in 2:31:21 auf Rang zwei.

Erst volle zehn Minuten später macht dann Lukas Maukner nach 2:41:38 das Siegertreppchen komplett. Wie die beiden danach folgenden Alexander Frühwirth (2:42:36) und Herbert Reiter (2:44:25) muss er dabei seinem hohen Anfangstempo deutlich Tribut zollen. Alle drei verlieren nämlich gegenüber ihren Durchgangszeiten in Spitz noch sieben bis acht Minuten. Sogar noch heftiger bricht die Führende bei den Frauen Gertraud Schneitl ein. Denn trotz nur etwas mehr als neunzig Minuten für den ersten Teilabschnitt wird für sie im Ziel eine 3:14:58 gestoppt.

Doch selbst wenn Veronika Limberger zum Ende hin noch einmal etwas näher an Schneitl heran kommt, bleibt ihr mit 3:16:12 nur die zweite Position, denn auch sie lässt fast neun Minuten auf der zweiten Hälfte liegen. Da die Dritte Elisabeth Reiter (3:20:30) ebenfalls in ähnlicher Größenordnung Zeit einbüßt, ändert sich an der schon nach wenigen Kilometern bestehenden Reihenfolge bis zum Ziel nichts mehr.

Hinter dem etwas ungewöhnlich geteilten Zielbogen warten wie üblich Medaille und Verpflegung auf die Marathonis

Mit etwa fünfzehn Prozent nicht wirklich hoch fällt die Frauenquote aus. Nur etwas über hundert der gut siebenhundert Teilnehmer, die das Ziel erreichen, sind weiblich. In dieser Hinsicht scheint das Potential für den Wachau-Marathon also sicher noch nicht ausgereizt. Doch den Frauenanteil zu erhöhen, um an die im angelsächsischen Sprachraum durchaus üblichen dreißig, vierzig oder gar fünfzig Prozent heran zu kommen, stellt auch für andere mitteleuropäische Veranstalter eine bisher nicht wirklich gelöste Aufgabe dar.

Nicht anders verhält es sich allerdings auch hinsichtlich der Besucher aus den Nachbarländern. Denn obwohl aufgrund der nicht gerade überwältigenden Größe Österreichs gleich ein halbes Dutzend von ihnen im Umkreis von wenigen hundert Kilometern zu finden sind, kommt man auf der Marathondistanz kaum über einhundert ausländische Gäste hinaus, von denen fast die Hälfte zudem auch noch Deutsch sprechen. Von der Internationalität der Donau ist im Kernland der früheren Donaumonarchie eher wenig zu spüren.

Dabei ist das Konzept des Wachau-Marathons durchaus eingängig und die Organisation ziemlich gut eingespielt. Selbst wenn es im Detail natürlich immer Verbesserungsvorschläge geben kann, bleibt unter dem Strich eine wirklich solide organisierte Veranstaltung in einer ziemlich abwechslungsreichen Landschaft mit guter touristischer Infrastruktur, in der man durchaus ein paar Tage mehr als nur ein Wochenende verbringen könnte. Den Marathon zwischen Fels, Fluss und Reben könnte man da problemlos einflechten.

Bericht und Fotos von Ralf Klink

Infos und Ergebnisse www.wachaumarathon.com

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