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21.8.10 - Reykjavik Marathon (Island)Einmal rund um eine Hauptstadt |
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von Ralf Klink
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Vielleicht gehört Island zu den Ländern, die man am meisten überschätzt. Das hat zum einen mit seiner geographischen Lage zu tun. Denn ziemlich weit im Norden des Globus gelegen, wirkt es durch die kaum anders mögliche Projektion der gewölbten Kugeloberfläche auf die flache Seite im Atlas in der Regel auf der Karte wesentlich größer, als es eigentlich ist.
Doch selbst wenn man die Größenordnung in Bezug auf die Fläche - Island ist etwa so groß wie Portugal oder, um es anders auszudrücken, so groß wie Baden-Württemberg und Bayern zusammen - richtig einschätzen kann, liegt man mit der Angabe der Einwohnerzahl vermutlich ziemlich daneben.
Die kann so klein nicht sein. Schließlich ist Island eine selbständige Nation. Und außerdem begegnet man ja auch immer wieder einmal Isländern in den Medien. Sei es auf dem Gebiet der Musik, wie den Pop-Sängerinnen Björk und Emilíana Torrini. Oder sei es im Sport, wo zum Beispiel in der Fußball-Bundesliga mit Ásgeir Sigurvinsson oder Eyjólfur Sverrisson schon einige Kicker von der Insel im Nordatlantik im Einsatz waren.
Durch eine deftige Klatsche von 1:4 verspielten die deutschen Juniorenkicker gegen Island auch gerade ihre Olympiachancen.
Über die zahlreichen Siege der isländischen Handball-Nationalmannschaft,
die immerhin zuletzt bei den Spielen von Peking mit olympischem und 2010 mit
EM-Bronze bedacht wurden, muss man ohnehin kaum ein Wort verlieren. Praktisch
kein deutscher Erstligist kommt in dieser Sportart inzwischen noch ohne ein
oder zwei Verstärkungen aus dem hohen Norden aus. Im Jahr 1995 war das
Land im Nordatlantik auch Ausrichter der Weltmeisterschaft.
Island hat eine eigene Währung, eine eigene Fischereiflotte - die, weil sie nicht nur Fische sondern auch Wale fängt, immer mal wieder im Gespräch ist - und nicht nur eine sondern sogar zwei eigene Fluggesellschaften. Und haben nicht vor kurzer Zeit isländische Banken so viele Millionen und Milliarden versenkt, dass es auch außerhalb des Landes enorme Auswirkungen hatte? Da muss also doch eigentlich ein bisschen Potential dahinter stecken.
Nun ja, ganz Island bevölkern gerade einmal dreihunderttausend Menschen. Das sind etwa so viele wie Mannheim, Bonn oder Karlsruhe. Bereits Berlin hat dagegen schon eine mehr als zehnfach größere Bevölkerungszahl. Und die beiden Bundesländer mit der gleichen Fläche - also Baden-Württemberg und Bayern - warten sogar zusammen genommen mit siebzigmal so vielen Einwohnern wie Island auf.
Auch der Deutsche Handball-Bund, dessen Auswahl schon öfter einmal gegen die "Isis" den Kürzeren zog, kann alleine mit wesentlich mehr aktiven Spielern aufwarten, als die Insel überhaupt an Köpfen zählen. Völlig egal ob Sportler oder nicht. Und gerechnet vom jüngsten Kind bis zum ältesten Greis. Nur die Kleinstaaten Liechtenstein, Andorra und San Marino sowie die echten Zwerge Monaco und Vatikan haben in Europa noch weniger Einwohner.
Keiner von ihnen nimmt allerdings auch nur ein einziges Prozent der isländischen Landesfläche ein. Selbst im winzigen Malta, das diesen Wert von einem Hundertstel der räumlichen Ausdehnung Islands ebenfalls nicht erreicht, gibt es jedoch schon mehr Menschen.
Die Bevölkerungsdichte der Insel - eigentlich der falsche Ausdruck - liegt damit ziemlich genau zwischen denen von Australien und von Kanada. Allerdings - und damit sei es erst einmal genug mit den Zahlenspielen - leben sogar im Riesenreich Russland statistisch gesehen deutlich mehr Personen auf einem Quadratkilometer als in Island.
Trotz der geringen Einwohnerzahl und des daraus folgernden eher kleinen Reservoirs an Läufern gibt es in Island gleich zwei Marathons. Neben dem zu erwartenden Rennen in der Hauptstadt Reykjavík im Südwesten des Landes ist im Frühsommer auch am Mývatn ein Lauf über diese Distanz ausgeschrieben, bei dem die Wasserfläche, deren Name übersetzt ungefähr "Mückensee" bedeutet, komplett umrundet wird.
Und sogar einen Ultralauf kann man auf der Insel im Nordatlantik in Angriff nehmen. Über den ungefähr fünfundfünfzig Kilometer langen Laugavegur, dem bekanntesten Fernwanderweg des Landes, auf dem man im Normalfall eigentlich vier Tage unterwegs ist, läuft man dann dabei durch eine praktisch absolut unbesiedelte Landschaft.
Während die Rennen am Mývatn und auf dem Laugavegur eher überschaubare Teilnehmerfelder - wobei man gerade beim Ultra mit knapp dreihundert Läufern, drei Viertel davon Isländer, angesichts der geringen Bevölkerung sowie der Länge und Schwere der Strecke dennoch durchaus ansehnliche Werte hat - anziehen, ist der Marathon in Reykjavík tatsächlich eine Großveranstaltung.
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Vulkane prägen das Bild Islands, die größten von ihnen wie der Snæfellsjökull tragen sogar Gletscherhauben |
Eine insgesamt fünfstellige Zahl von Meldungen nehmen die Organisatoren dabei entgegen. Doch muss man, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch einräumen, dass davon eigentlich nur der kleinste Teil wirklich auf der namensgebenden Distanz antritt. Mit schöner Regelmäßigkeit werden nämlich jedes Jahr ungefähr fünf- bis sechshundert Marathonis im Ziel registriert.
Der Rest verteilt sich auf das restliche Streckenangebot, dessen Breite fast nicht mehr zu überbieten ist. Schon deutlich mehr als tausend Läufer sind auf der Halbdistanz unterwegs. Noch dreimal so viele gehen über zehn Kilometer an den Start. Dazu gibt es noch einen drei Kilometer langen "Fun Run" im Stadtzentrum sowie mehrere zwischen siebenhundert und fünfzehnhundert Meter lange Läufe für Kinder. Und seit 2010 kann man sich nun die Marathonstrecke auch noch als Viererstaffel teilen.
Mit rund eintausend aus dem Ausland angereisten Teilnehmern ist die Veranstaltung durchaus ziemlich international besetzt. Dennoch ergibt sich daraus im Umkehrschluss auch eine Zahl von mehr als neuntausend einheimischen Startern. Und das sind - um schon wieder einmal die Statistik zu bemühen - beeindruckende drei Prozent aller Isländer.
Doch muss man dabei auch erwähnen, dass zwei Drittel der Gesamtbevölkerung in oder in wenigen Kilometern Umkreis um Reykjavík leben. Die beiden nach der Hauptstadt mit ihren hundertzwanzigtausend Einwohnern nächstgrößten isländischen Gemeinden sind praktisch sogar direkte Nachbarn.
Und schlägt man einen Kreis mit einem Radius von gerade einmal fünfzig Kilometern um das Reykjavíker Stadtzentrum hat man von den acht größten Orten des Landes sieben erwischt. Nur das im Norden unweit des Mývatn gelegene Akureyri mit seinen knapp zwanzigtausend Menschen fällt nicht in ihn hinein.
Die Tendenz ist weiter steigend. Denn immer mehr Menschen zieht es aus den ländlichen Gebieten in die Hauptstadtregion. Schließlich ist hier auch das absolute wirtschaftliche Zentrum. Kaum ein isländisches Unternehmen, das nicht seine Zentrale, kaum ein ausländisches, das nicht seine Vertretung in Reykjavík hat.
Selbstverständlich hat auch der Titelsponsor des Marathons seinen Sitz in der Stadt. Seit zwei Jahren trägt die Veranstaltung den Namen der Íslandsbanki. Die ist zwar schon länger Werbepartner, doch hieß die Firma bis zum Bankencrash und der anschließenden Verstaatlichung eben Glitnir. Unter dieser Bezeichnung auch international und insbesondere in Nordeuropa aktiv, spielte man eine Zeit lang bei den Marathons von Oslo und Kopenhagen ebenfalls den Namensgeber.
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Auch Kraterseen lassen sich an vielen Orten finden | Schwarz wie dieser bei Vík i Mýrdal sind viele Strände auf der Insel |
Inzwischen beschränkt sich die vermeintliche Großbank in ihren Aktivitäten wieder ganz bescheiden auf Island und hat die alte belastete Identität über Bord geworfen. Die Rennen in der norwegischen und dänischen Hauptstadt mussten sich neue Geldgeber suchen. Dass beide sie gleich wieder bei Banken fanden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der Marathon in Reykjavík kann sich aber auch weiterhin auf die Unterstützung des langjährigen Partners verlassen.
Doch ist nicht nur in dieser Hinsicht vieles gut erprobt und eingespielt. Schließlich blickt man bei der Veranstaltung in der isländischen Hauptstadt nun schon auf eine mehr als ein Vierteljahrhundert währende und vor allem ununterbrochene Geschichte zurück. Seit der Premiere im Jahr 1984 hat sich der Lauf absolut etabliert und ist aus dem Kalender eigentlich nicht mehr weg zu denken.
Und die inzwischen erreichte Zahl von über tausend ausländischen Besuchern zeigt zudem das nicht gerade kleine Interesse, das im Ausland an diesem Lauf herrscht. Zu etwa gleichen Teilen kommen diese Gäste aus Europa und Nordamerika. Wenig verwunderlich, denn auch wenn man Island eigentlich stets zu Europa rechnet, liegt die Insel praktisch genau in der Mitte zwischen beiden Kontinenten, ist die amerikanische Ostküste nur unwesentlich weiter entfernt als Zentraleuropa.
Streng genommen gehört Island sogar wirklich zu zwei Erdteilen. Denn ziemlich genau diagonal durch die Atlantikinsel hindurch verläuft jene Zone, an dem die Europäische und die Nordamerikanische Platte auseinander driften. Das an der Westküste gelegene Reykjavík liegt also aus geologischer Sicht nicht in Europa sondern in Amerika.
Bis zu zwei Zentimeter bewegen sich Ost- und West-Island im Jahr voneinander
weg. Eine Fahrstunde von der Hauptstadt entfernt an der Südwestspitze der
Insel, dort wo der Grabenbruch aus dem Meer heraus an Land geht, haben die isländischen
Tourismusmanager sogar einen kleinen Fußgängersteg über ihn
hinweg errichtet, der werbewirksam als "Brücke zwischen den Kontinenten"
vermarktet wird.
In die sich beim Auseinanderdriften der Kontinentalplatten bildende Spalte strömt an vielen Stellen immer neue Lava nach, so dass sich ein gigantisches Unterwassergebirge gebildet hat. Der Mittelatlantische Rücken, der sich durch den gesamten Atlantik zieht. Auch Island, eine der wenigen Punkte, an denen der Höhenzug über den Meeresspiegel aufragt und die mit Abstand größte Insel auf ihm, ist erst durch diese Vulkane entstanden.
Ein sogenannter Hot Spot, eine hochaktive Magmaquelle ließ die Insel vor gerade einmal zwanzig Millionen Jahren aus dem Ozean wachsen. In erdgeschichtlichen Maßstäben ist Island also nicht nur ein Jungspund sondern sogar fast ein Baby. Und noch immer vergrößert sich Island durch vulkanische Aktivitäten. Der südlichste Punkt des Landes, die Insel Surtsey erhob sich erst 1963, also vor nur ungefähr fünf Jahrzehnten durch einen Vulkanausbruch aus dem Meer.
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Fallendes und steigendes Wasser findet man in Island in vielen Formen, von links nach rechts der Gullfoss, der Strokkur und der Skógafoss |
Überall in Island begegnet man den Spuren des Vulkanismus. Lavafeldern, Kraterseen, Aschekegeln, Basaltsäulen, Stränden mit schwarzem Sand oder auch jenen geothermischen Phänomenen, für die Island besonders bekannt ist. Gemeint sind heiße Quellen, blubbernde Schlammtöpfe und als bekanntestes Element die Geysire, deren weltweite Bezeichnung vom Eigennamen eines isländischen Vertreters dieser Gattung übernommen wurde.
Ausgerechnet jener "Geysir" hatte allerdings für viele Jahre die Arbeit ganz eingestellt. Und selbst wenn er inzwischen wieder ab und zu ausbricht, tut er das sehr unregelmäßig. Da ist der direkt benachbarte Strokkur - das Butterfass, wie der Name ins Deutsche übersetzt lautet - schon deutlich zuverlässiger. Spuckt er doch zur Freude der Touristen seine Wassersäule im Abstand weniger Minuten immer wieder in zwanzig bis dreißig Meter Höhe.
Dennoch sind Geysire in Island eigentlich eher selten. Die größte Konzentration gibt es vielmehr im Yellowstone Nationalpark in den USA, wo zudem deutlich größere Exemplare zu bewundern sind. Und auch in Chile oder auf der russischen Halbinsel Kamtschatka sowie in Neuseeland findet man mehr von ihnen.
Überhaupt sind die isländischen Thermalgebiete im Vergleich zu den anderen Regionen, in denen die Natur solche faszinierenden Erscheinungen hervor gebracht hat, eher unspektakulär. Das Haukadalur mit Geysir und Strokkur wirkt - vielleicht gerade weil es als so große Attraktion angepriesen wird - sogar fast ein wenig enttäuschend. In der Vielfalt von Formen und Farben können die Quellen jedenfalls weder mit der amerikanischen noch mit der pazifischen Konkurrenz wirklich mithalten.
Die auf ihrer Insel vorhandene geothermische Energie haben sich die Isländer allerdings fast perfekt zu Nutze gemacht. Große Teile ihres Bedarfs am Strom und Wärme holen sie sich aus den unzähligen heißen Quellen. Beheizt werden die Häuser zumindest in den Städten praktisch nur mit Fernewärme. Geothermale Kraftwerke wandeln sie in Elektrizität um. Und das warme Wasser, das im Bad aus dem Hahn kommt, muss oft nicht erhitzt sondern eher abgekühlt werden.
Dafür steigt jedoch auch in manchen Gegenden des Landes ständig ein leichter Schwefelgeruch in die Nase, der an jene Momente während der Schulzeit erinnert, in denen ein Lehrer mit einer sogenannten Stinkbombe geärgert werden sollte. Und auf das Zähneputzen könnte man durchaus verzichten, wenn das Leitungswasser wieder einmal irgendwie nach faulen Eiern schmeckt.
Das fast überall verfügbare warme Wasser hat für eine regelrechte Badekultur gesorgt. Kaum eine Ortschaft und sei sie auch noch so klein ohne eigenes Schwimmbad, natürlich jeweils mit Warmwasserbecken von sechsunddreißig, neununddreißig oder oft auch zweiundvierzig Grad. Eine der bekanntesten Touristenattraktionen des Landes ist zum Beispiel das "Blaue Lagune" genannte riesige Thermalbad, das seinen Ursprung in einem simplen Überlaufbecken eines Erdwärmekraftwerks hat.
Alleine die Stadt Reykjavík besitzt sieben Schwimmbäder, für deren Besuch alle Teilnehmer am Marathon einen Gutschein erhalten. Das größte von ihnen findet sich im Laugardalur, im Osten der Stadt. Von den in diesem "Tal der heißen Quellen", das eigentlich nicht viel mehr als eine kleine Senke im Hang ist, einst sprudelnden Warmwasserbrunnen ist allerdings nicht mehr viel zu sehen. Sie werden längst zur Versorgung der Stadt benutzt.
Dafür ist dort ein großer und weiträumig angelegter Sportpark entstanden, in dem neben dem Freizeitbad Laugardalslaug unter anderem auch das isländische Nationalstadion Laugardalsvöllur, das immerhin fünfzehntausend Zuschauer - also fünf Prozent der isländischen Bevölkerung - fasst, seinen Platz gefunden hat. Am gleichen Tag, an dem der Marathon stattfindet, werden die isländischen Fußballfrauen in diesem Stadion zu ihrem entscheidenden Spiel um die WM-Qualifikation antreten und dabei gegen Frankreich 0:1 verlieren.
Direkt unter den Tribünen des "Laugardalsfelds" verteilt man freitags die Startunterlagen. Das ist zwar drei bis vier Kilometer außerhalb des Stadtzentrums, bietet dafür aber mehr als ausreichende Parkmöglichkeiten. Schließlich ist der isländische Verkehr ziemlich autolastig. Ein Eisenbahnnetz, das ohnehin nur aus wenigen kurzen Schmalspurstrecken für den Güterverkehr bestand, gibt es überhaupt nicht mehr. Und abgesehen vom Großraum Reykjavík ist auch der öffentliche Busverkehr zwar durchaus vorhanden mangels Nachfrage aber eher dünn ausgestaltet. Selten besteht zu entfernteren Orten mehr als eine Verbindung pro Tag.
Wer Island auf eigene Faust bereisen möchte kommt um einen Mietwagen also kaum herum. Denn auch das eigene Fahrzeug ist angesichts einer zweitägigen Fährüberfahrt kaum eine echte Alternative. So sieht man dann von ganz wenigen, fast schon exotisch wirkenden Ausnahmen abgesehen ausschließlich isländische Kennzeichen auf den Straßen.
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Auf großen Plakaten wirbt die als Sponsor auftretende Bank für den Marathon | Unter den Tribünen des Nationalstadions Laugardalsvöllur werden am Vortag die Startunterlagen ausgegeben |
Ein wenig überrascht ist man schon, wenn man von den Helfern an der Startnummernausgabe nach dem Namen gefragt wird, wie von überall sonst gewohnt mit dem Nachnamen antwortet und dann aber sofort zu hören bekommt, dass eigentlich der Vorname gemeint gewesen sei. Denn nach diesen ist die Startliste sortiert.
Das ist für Island auch völlig normal. Schließlich ist im isländischen Verständnis der Name eben tatsächlich der Vorname. Selbst die Reihenfolge der Auflistung in den isländischen Telefonbüchern richtet sich nach ihm. Familiennamen im sonst gewohnten Sinn kennt man auf der Insel nämlich eigentlich überhaupt nicht.
Die Nachnamen, die Isländer zur besseren Unterscheidung zwar ebenfalls führen, sind von wenigen Ausnahmen abgesehen, sogenannte Patronyme, bei denen an den Namen - wohlgemerkt den Vornamen - des Vaters oder in Ausnahmefällen auch an den der Mutter entweder die Endung "-son" für Sohn oder "-dóttir" für Tochter angehängt wird.
Isländische Nachnamen geben aus diesem Grund also weniger über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sippe sondern eher über die direkte Abstammung Auskunft. Sie sind eigentlich auch gar kein richtiger Namensbestandteil sondern nur eine Art Erläuterung. Aufgrund der relativ kleinen Bevölkerung und den sich ergebenden vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten funktioniert das System ohne allzu große Verwechslungsgefahr.
Frauen behalten und behielten deshalb selbstverständlich schon immer ihre Namen auch nach der Hochzeit. Und nur in den Fällen, in denen bereits einen Familienname existiert, weil zum Beispiel ein Elterteil aus dem Ausland stammt oder ausländische Vorfahren hat, geht dieser auch an die Kinder über.
Jedenfalls wären Katrín Olafsdóttir und Jón Gunnarsson mit ihren Kindern Arnór Ragnar Jónsson und Hafdís Sigrún Jónsdóttir trotz vier verschiedener Nachnamen eine völlig normale isländische Familie. Wenn sie allerdings gemeinsam in ein anderes Land umziehen würden, könnte diese Konstellation die mit dieser Logik nicht vertrauten dortigen Behörden vermutlich schon an den Rand der Verzweiflung bringen.
Die beiden würden in Island natürlich auch nie und nimmer mit "Frau Olafsdóttir" oder "Herr Gunnarsson" angesprochen, sondern stets mit "Katrín" und "Jón". Der Vorname ist die vollkommen übliche Anrede auch in formalen Situationen. Ein "Sie" kennt man gar nicht. So lauten die Überschriften der Presse nach dem Reykjavík Marathon 2010 dann auch: "Björn und Rannveig siegen". Wessen Sohn und Tochter sie sind, kann man dann irgendwo weiter unten im Artikel nachlesen.
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Am Renntag dient das alte Gymnasium als Organisationsbüro und Umkleidekabine | Direkt davor ist mitten in der Stadt Start und Ziel aufgebaut |
Im Gegensatz zur Startnummernausgabe finden sich Start und Ziel der Wettbewerbe am Samstagmorgen dann allerdings mitten im Zentrum von Reykjavík. Dieses wird später am Tag ohnehin durch die sogenannte Kulturnacht, die Menningarnótt, in Beschlag genommen. Seit über einem Jahrzehnt haben dieses Festival, das sich längst zum wohl größten in Island entwickelt hat, und der Marathon einen gemeinsamen Termin.
Überall in der Innenstadt werden dabei auf meist aus Lastwagen bestehenden mobilen Bühnen Konzerte unterschiedlichster Musikrichtungen veranstaltet. Zwischen den einzelnen Veranstaltungsorten ziehen Zehntausende durch die Straßen. Und nachdem endlich halbwegs Dunkelheit herrscht, wird der Abend mit einem großen Feuerwerk abgeschlossen. Allerdings nur der offizielle Teil, denn das Fest geht in den Kneipen bis zum Sonntagmorgen weiter.
Auf der Lækjargata, einer der ältesten und zentralsten Achsen von Reykjavík ist das Startgerüst aufgebaut. Im direkt daneben auf einem kleinen Hügel stehenden Hauptgebäude der Menntaskólinn finden sich das Wettkampfzentrum, Umkleiden und Taschenaufbewahrung. Obwohl sich das Wort "Schule" - nichts anderes heißt "Skóli" - eigentlich nach viel Platz anhört, ist das eine ziemlich enge Angelegenheit.
Zum einen ist sie nämlich wie so vieles in Island ein wenig kleiner ausgefallen. Und zum anderen stammt das Gebäude des ältesten Gymnasiums der Stadt, das neben etlichen späteren isländischen Minister- und Staatspräsidenten auch der Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness besuchte, bereits aus dem Jahr 1846. Und noch viel weiter reicht seine Geschichte in die Vergangenheit, denn es geht auf die 1056 am damaligen Bischofssitz in Skálholt gegründete Schule zurück.
Damit ist seine Historie keine zweihundert Jahre kürzer als die von Island. Denn nicht vor Mitte des neunten Jahrhunderts gelangten nordische Seefahrer - ob bei absichtlichen Erkundungsreisen oder eher zufällig, ist umstritten - erstmals zur Atlantikinsel. Und erst um 874 siedelten sich die Skandinavier dann auch dauerhaft an der isländischen Küste an. Nicht nur aus geologischer Sicht sondern auch im Hinblick auf seine Besiedlung durch Menschen ist Island also ein ziemlich junges Land.
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Direkt nach dem Start läuft man am Stadtsee Tjörnin entlang | Ein kurzer Blick auf das in den See hinein gebaute Rathaus |
Der aus Norwegen geflüchtete Ingólfur Arnarson, dem man nur wenige Meter vom Start entfernt ein Denkmal gesetzt hat, gilt als erster Isländer. Der Legende nach habe er nach Wikingertradition die Stützen seines Häuptlingssitzes ins Wasser geworfen, um sich dort, wo sie ans Land gespült würden, niederzulassen. Angeblich geschah dies genau an jener Stelle, die er aufgrund des Dampfes der nahe gelegenen warmen Quellen "Rauchbucht", also "Reykjavík" nannte. Die beiden Pfähle, die für die Besiedlung des Ortes verantwortlich waren, zieren heute das Wappen der Stadt.
Rund vierhundert Familien folgten in den nächsten Jahrzehnten aus Norwegen und erbauten rund um die gesamte Insel ihre Bauernhöfe. Diese Einwanderung ist für die damalige Zeit wirklich erstaunlich gut dokumentiert. Das Landnámabók erzählt die Vorgänge in der Periode der Landnahme nämlich in vielen Details und listet nahezu sämtliche Stammbäume mit Vorfahren und Nachkommen jener Siedler auf. Fast alle Isländer können ihre Herkunft bis in jene Jahre zurück verfolgen oder behaupten es zumindest.
Zum einen gilt nämlich die isländische Gesellschaft aufgrund ihrer großen Entfernung zum Rest von Europa als eine der homogensten überhaupt. Denn nach der ersten Phase erfolgte praktisch keine weitere Zuwanderung. Schon alleine aus Gründen der Statistik müssen eigentlich alle Isländer also miteinander verwandt sein. Und zum anderen ist Ahnenforschung eine auf der Insel weit verbreitete Freizeitbeschäftigung, fast schon ein nationales Hobby.
Rein skandinavischen Ursprungs ist die isländische Bevölkerung allerdings keineswegs. Genetische Untersuchungen haben einen erstaunlich großen keltischen Einfluss bei den Erbanlagen festgestellt, der vermutlich von den aus Irland und Großbritannien nach Island verschleppten Sklaven der ersten Siedler stammt.
Relativ früh am morgen ist es noch, als die erste Welle der Laufwilligen dem Stadtzentrum entgegen strömt. Denn für den Marathon und den Halbmarathon ist der Start bereits für 8:40 angesetzt. Fünfzig Minuten später soll dann das noch größere Feld des Laufs über zehn Kilometer auf die Strecke gehen.
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Nach zwei Kilometern ist man am Meer angelangt ... | ... und läuft mit Sicht auf die Halbinsel Reykjanes entlang an der Küste |
Ziemlich kühl ist der Morgen. Denn auch wenn man in Island vom zumindest bis zu diesem Zeitpunkt wärmsten August aller Zeiten spricht, hat das nichts mit echter Hitze zu tun. Die Durchschnittstemperaturen liegen nämlich im Normalfall bei gerade einmal zwölf bis dreizehn Grad und damit ein halbes Dutzend Thermometerstriche niedriger als in Mitteleuropa. Selbst während des Rekordsommers kommt das Mittel nicht richtig in die Nähe der Fünfzehn-Grad-Marke. Und auch das Tagesmaximum beginnt nur selten mit einer zwei.
Die Vorhersagen für diesen Samstag lassen allerdings das Erreichen solcher Werte nicht erwarten. Zwölf bis maximal vierzehn Grad sollen es nach den Berechnungen der isländischen Wetterkundler werden. Eigentlich wäre das ganz gutes Laufwetter. Aber die von ihnen ebenfalls erwarteten Windgeschwindigkeiten bis Stärke fünf lassen die Verhältnisse schon deutlich ungemütlicher erscheinen.
Der Wind ist ohnehin häufig das Thema. Aufgrund der Insellage mitten im Ozean ist es nämlich oft sogar ziemlich windig, windstill dagegen fast nie. Und obwohl Wind natürlich ganz egal, aus welcher Richtung er kommt, frisch ist, fühlt er sich doch noch ein wenig unangenehmer an, wenn er aus nördlicher Richtung und damit mehr oder weniger direkt aus der Arktis heran weht. Genau von dort soll er am Renntag auch kommen.
Womit aber umgekehrt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es trocken bleibt, ziemlich hoch ist. Denn während südliche und westliche Winde meist eher dichte Wolken mitbringen, die dann beim treffen auf die isländische Küste ihre Last über dem Land und damit auch über Reykjavík abladen, ist Polarluft in der Regel nicht ganz so feucht. Und falls doch hat sie sich meist schon im Norden der Insel abgeregnet.
Durch die bis über zweitausend Meter aufragenden Berge ist das isländische Wetter jedenfalls oft zweigeteilt. Regnet es auf der einen Seite, scheint auf der anderen im Windschatten der Gebirge die Sonne. Man muss eben nur die richtige davon erwischen. Und das schwer zugängliche Hochland im Zentrum wird wegen seiner geringen Niederschlagsmengen sogar oft schon zu den Wüsten gerechnet. Ganz so nass, wie es der aus den Wettervorhersagen wohl bekannte Begriff des "Islandtiefs" vermuten lässt, präsentiert sich das Klima auf der Insel dann doch nicht.
Und ein "Eisland" wie der Name des Landes übersetzt ja lautet, ist Island ebenfalls nicht. Denn die Winter sind aufgrund der Ausläufer des Golfstroms für diesen Breitengrad - Island liegt knapp unterhalb des Polarkreises - sogar ziemlich mild. Dauerfrost ist genau wie eine größere Schneemenge zumindest im Süden eher selten. Der unfreundliche Name des Landes hat eher mit den Eisbergen zu tun, denen die Wikinger bei ihren ersten Erkundungsfahrten im Norden der Insel begegneten.
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Auf der anderes Seite der Bucht tauchen die Gebirgsmassive von Akranes und Esja auf |
Dennoch kommt natürlich niemand zu einem Badeurlaub nach Island. Schon am Flughafen wird erkennbar, dass die Insel eine etwas andere Art von Besuchern hat. Wer in Keflavík, dem etwa vierzig Kilometer von Reykjavík entfernten, internationalen Landeplatz aus dem Flieger steigt, trägt zumeist robustes Schuhwerk, eine Wanderhose, eine Allwetterjacke und einen Rucksack. Selbst in anderen Ländern, die einen Ruf als Outdoor-Paradiese haben, ist das in der Regel nicht ganz so extrem zu beobachten.
Die Masse der ständig telefonierenden, auf ihren Laptop herum tippenden, sich für unglaublich wichtig haltenden Geschäftsreisenden fehlt dagegen im Vergleich zu den Flughäfen großer Metropolen nahezu völlig. Und auch Gäste auf der Suche nach kulturellen Reizen sind eher die Ausnahme. Reykjavík ist nämlich nicht unbedingt eine Stadt, in der man an jeder Ecke auf etwas wirklich Sehenswertes stößt.
Denn obwohl sich an dieser Stelle angeblich die ersten eingewanderten Wikinger nieder ließen, ist die Geschichte der isländischen Hauptstadt eigentlich relativ kurz. Bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein fanden sich auf der rund zehn Kilometer langen Halbinsel nur einige wenige Bauernhöfe. Doch nirgendwo auf Island gab es eine Ansiedlung, die auch nur im Entferntesten die Bezeichnung "Stadt" verdient gehabt hätte. Selbst der Sitz der Isländischen Bischöfe in Skálholt, das zu jener Zeit wichtigste Zentrum des Landes, bestand neben der Kirche nur aus wenigen Häusern.
Erst Skúli Magnússon, der seine unter der Oberhoheit des dänischen Königs stehende Heimat als Vogt verwaltete, siedelte in der Rauchbucht um 1750 erste kleine Betriebe an. Als Reykjavík dann 1786 offiziell die Stadtrechte erhielt, zählte es trotzdem nur etwa zweihundert Einwohner. Die Tausendergrenze wurde erst Mitte des neunzehnten Jahrhunderts durchbrochen. Und noch vor hundert Jahren hatte man nur ein Zehntel der heutigen Bevölkerung.
So lässt sich dann im Stadtbild auch nur ganz wenig historische Bausubstanz entdecken. Mittelalterliche Kirchen, alte Schlösser, prunkvolle Theater- oder Opernhäuser sucht man in Reykjavík vergeblich. Das Gebäude der Menntaskólinn zum Beispiel zählt fast schon zu den ältesten Häusern, die man überhaupt findet.
Und auch, was an neueren Bauten die Kameras der Touristen klicken lässt, liegt mehr oder weniger alles im Umkreis von einem Kilometer ums Stadtzentrum. Ohne Reykjavík weh tun zu wollen, muss man feststellen, dass die Stadt eigentlich problemlos und gemütlich an einem einzigen Tag zu besichtigen wäre. Da lohnt sich ein Städtetrip über ein verlängertes Wochenende wohl kaum.
Das Pfund, mit dem Island dagegen wuchern kann, ist seine Natur, die Kombination von arktischer Vegetation und Vulkanismus in praktisch seiner gesamten Bandbreite. Der Tourismus ist eine der Wachstumsbranchen und erhält durch die inzwischen ein wenig angeschlagene finanzielle Situation des Landes nun einen noch höheren Stellenwert.
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Am neuen Konzert- und Konferenzzentrum Harpa wird noch eifrig
gewerkelt |
Eher modern als historisch präsentiert sich die Stadt Reykjavik |
Mit weit über dreihunderttausend ausländischen Besuchern pro Jahr kann man zwar in absoluten Zahlen nicht unbedingt auftrumpfen, gehört aber dennoch zu den wenigen Ländern, die mehr Gäste empfangen, als sie Einwohner haben. Ein Ziel für den Massentourismus ist Island nicht - und wird es wohl auch nie werden. Über das Stadium eines wirklich geheimen Geheimtipps ist man allerdings auch längst hinaus.
Eine große Fremdenverkehrstradition besitzt man jedoch nicht. Und abgesehen
vom Großraum Reykjavík ist die touristische Infrastruktur der Weite
des Landes - rechnerisch kommt abseits der Hauptstadtregion gerade einmal ein
Haus auf zehn oder noch mehr Quadratkilometer - entsprechend nicht gerade dicht
geknüpft. Fünfzig, hundert oder noch mehr Kilometer zwischen zwei
benachbarten Übernachtungsmöglichkeiten sind eher die Regel als die
Ausnahme. Mit Tankstellen oder Supermärkten sieht es kaum anders aus.
Kommen alle drei zusammen, handelt es sich fast schon um ein größeres
Touristenzentrum mit einem dicken Punkt auf der Landkarte. Mehr als zwei- bis
dreihundert Einwohner haben diese touristischen Zentren dennoch selten. Die
durchaus übliche Methode, die benötigten, aber bisher nicht vorhanden
Hotels in früheren Schulen oder ähnlich unansehnlichen Betonklötzen
unterzubringen, lässt Urlaubsort-Idylle sowieso nicht aufkommen. Eine anheimelnde
Architektur sieht sicher anders aus als die auf der Insel meist übliche.
Ein wirklich billiges Reiseland ist Island ebenfalls nicht. Man bewegt sich mindestens auf dem Niveau der auf dem Festland gelegenen skandinavischen Länder, denen man ja keineswegs niedrige Preise nachsagt. Dass man für ein ganz normales Hotelzimmer irgendwo im Nirgendwo auch einmal dreistellige Eurobeträge hinlegen muss, ist jedenfalls nicht gerade selten.
Da liegen die Meldegebühren zwischen fünfundfünfzig und vierundsechzig Euro eigentlich absolut im international üblichen Rahmen. In der englischen Version der Veranstaltungs-Internetseite ist er tatsächlich nur in der europäischen Gemeinschaftswährung und nicht etwa in isländischen Kronen angegeben. Ob diese tatsächlich in nächster Zeit auf der Insel eingeführt wird, ist - trotz anfänglich großem Interesse direkt nach der Bankenkrise - nun genau wie der EU-Beitritt im Land wieder ziemlich umstritten.
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Sie erinnert zwar an ein Wikingerschiff, doch übersetzt bedeutet der Name der Sólfar "Sonnenreisender" |
Im Startgeld enthalten ist auch jenes rote Funktionshemd des Sportsponsors, das einige im Marathon- und Halbmarathonfeld bereits vor dem Start übergezogen haben und über die Strecke tragen. Noch ausgeprägter ist dies aber unter den Läufern über zehn und vor allen denen über drei Kilometern. Das Foto aus dem Vorjahr - als es ebenfalls rote Hemden gab - auf dem Programmheft zeigt jedenfalls eine nahezu komplett in dieser Farbe gekleidete Läuferschlange am Stadtsee Tjörnin.
Denn an dieser Wasserfläche - deren Name nichts anderes als "der Teich" bedeutet - kommen die Läufer nur wenige Meter nach dem Start vorbei. Direkt an die Altstadt anschließend, ist der See sowohl Erholungsraum für die Menschen wie auch Wohnort für etliche Vogelarten. An der gegenüber liegenden Ecke ist das neue Rathaus von Reykjavík in den Tjörnin hinein gebaut. Was ursprünglich eher als eine Notlösung wegen mangelndem Platz ausgeheckt wurde, ist längst zu einem charakteristischen Teil des Stadtbildes geworden.
Eine Brücke unterteilt den Teich in zwei ungleiche Hälften. Und genau auf diese Brücke schwenkt der Kurs ein, nachdem er sich anfangs an der Längsseite orientiert hatte. Der Vergleich mit Binnen- und Außenalter in Hamburg, wo man beim Marathon ja auch die Brücke zwischen den beiden Innenstadtseen überläuft, ist angesichts der nur wenigen hundert Meter langen Ufer des Tjörnin aber dann vielleicht doch nicht ganz passend.
Nach Überquerung des Stadtsees dreht die Strecke schnell wieder in die ursprüngliche südliche Richtung ein. Passend dazu heißt die breite Straße, auf die man eingebogen ist, "Suðurgata", was auf Isländisch nichts anderes als ein simples "Südstraße" bedeutet. Den seltsamen Buchstaben "ð" in der Mitte haben die Isländer beinahe für sich alleine. Nur in der Färöischen Sprache findet man dieses Überbleibsel aus dem Altnordischen noch.
Neben dem im Norwegischen, Dänischen und Färöischen ebenfalls bekannten "æ" gibt es im isländischen Alphabet noch ein anderes aus deutscher Sicht ziemlich ungewöhnliches Schriftzeichen. Und das "þ" ist nun wirklich eine absolute Spezialität der Atlantikinsel. Sowohl ð wie auch þ - die dazu gehörenden Großbuchstaben werden Ð und Þ geschrieben - sind in der Aussprache dem Englischen "th" ähnlich. Das eine ist stimmhaft, das andere stimmlos.
Überhaupt ist das moderne Isländisch noch heute ganz nahe an jenem Altnordischen, das die ersten Siedler sprachen und schrieben. Während sich die skandinavischen Sprachen auf dem Kontinent weiter entwickelten, blieb ihre Variante auf der abgelegenen Insel im Nordatlantik auch mangels Kontakt und Austausch mit den nicht vorhandenen Nachbarn praktisch auf dem ursprünglichen Stand.
Die alten, aus dem Mittelalter stammenden Sagas sind deshalb für Isländer auch weiterhin gut lesbar und ziemlich verständlich. Wie schwer tut man sich dagegen als Deutscher mit einem mittelhochdeutschen Text, der ja irgendwie so gar nichts mehr mit dem zu tun zu haben scheint, was man als seine Muttersprache bezeichnet.
Allerdings gab und gibt es auch eine starke Bestrebung, das Isländische als Teil der nationalen Identität dieses kleinen Volkes ganz bewusst zu erhalten und nach außen abzuschirmen. So wurden dänische Einflüsse auf die Sprache, die sich nach jahrhundertelanger Herrschaft Dänemarks natürlich ergeben hatten, im Bestreben nach Unabhängigkeit vom Mutterland absichtlich wieder zurück gedrängt.
Noch immer existiert ein enormer isländischer Sprachpurismus, der keineswegs nur von irgendwelchen offiziellen Stellen oder Verbänden getragen wird, sondern einen großen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Während es hierzulande ja als absolut "in" und "chic" - man beachte die Wortwahl - gilt, möglichst viele Wörter aus fremden Sprachen einfließen zu lassen, selbst wenn man manchmal ihre Bedeutung gar nicht kennt und sie deshalb völlig falsch einsetzt, ist in Island das genaue Gegenteil der Fall.
Dort schreckt man vor der Übernahme von Begriffen aus fremden Sprachen
regelrecht zurück und benutzt sie wirklich nur dann, wenn es überhaupt
nicht anders geht. Eine Kommission lässt sich für technische Neuerungen,
für die es natürlich keine altnordischen Ausdrücke geben kann,
sogar ständig neue Wörter einfallen.
Gern zitierte Bespiele sind das "Telefon", das man auf Isländisch "Sími" - eine Abwandlung der isländischen Bezeichnung für "Draht" - nennt, und der "Computer", der in Island "Tölva" heißt. Das ist eine ziemlich kreative - aber mit dem hiesigen kulturellen Blickwinkel auch fast schon alberne - Wortschöpfung aus "Tala" und "Völva", was nämlich "Zahl" und "Zauberin" heißt.
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Über einen schmalen Radweg verläuft der Kurs wieder mit herrlicher Sicht auf die gegenüber liegenden Berge direkt am Ufer entlang |
Ein "Büro" ist eine "Skrifstofa", also eine "Schreibstube" selbst wenn man dort nur noch mit einer Tölva schreibt. Und selbst Besucherzentren in einem der isländischen Nationalparks sind mit "Gestastofa" - wörtlich übersetzbar mit "Gaststube", was in deutschen Ohren ja einen ganz anderen Klang hat - ausgeschildert. Wohl weil man das ursprünglich aus dem romanischen Sprachraum kommende Wort "Zentrum" vermeiden möchte, das im Rest von Skandinavien wie selbstverständlich verwendet wird.
Nur durch das Zusammentreffen beider Aspekte, also räumlicher Isolation und bewusstem, ja beinahe trotzigem Sprachpurismus konnte Isländisch - ähnliches gilt übrigens auch für das von noch wesentlich weniger Menschen gesprochene Färöisch - überhaupt seine Eigenständigkeit bewahren.
Inzwischen ist man jedenfalls von den übrigen skandinavischen Sprachen so weit entfernt, dass die gegenseitige Verständigung, die zwischen Norwegern, Dänen und Schweden einigermaßen funktioniert, mit Isländern kaum noch möglich ist. Und für den deutschsprachigen Besucher, der sich aufgrund vieler doch ziemlich ähnlicher Begriffe im Rest von Skandinavien noch einigermaßen zu Recht finden kann, ist zum Beispiel das Entschlüsseln von Verkehrsschildern in Island durchaus eine gewisse Herausforderung.
Jedoch ist wie so oft bei kleinen Nationen, insbesondere bei denen im Norden, die einfach nicht erwarten, dass jemand ihre Muttersprache wirklich versteht, vieles zusätzlich auch auf Englisch zu lesen. Und die meisten Isländer sprechen es auch ziemlich flüssig. Praktisch der komplette Kontakt mit ausländischen Besuchern läuft über das Englische, das längst Dänisch als erste in der Schule gelernte Fremdsprache abgelöst hat.
Die nicht synchronisierten sondern untertitelten Filme und Fernsehsendungen - auch das ist ja in ganz Skandinavien der absolute Regelfall - tragen ein Übriges dazu bei, die Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern. Denn was für jeweils fünf Millionen Dänen, Finnen und Norweger oder neun Millionen Schweden nicht lohnt, nämlich das Übersetzen ausländischer Produktionen, ist für dreihunderttausend Isländer dann wirklich endgültig sinnlos.
Was wirklich auf Isländisch gedreht wird, ist ziemlich überschaubar und reicht kaum, um die einheimischen Fernsehsender auch nur halbwegs mit Programm zu versorgen. In Zeiten der Rund-um-die-Uhr-Berieselung hierzulande kaum noch vorstellbar beginnt der öffentlich-rechtliche Sender Ríkisútvarpið zum Beispiel erst am späten Nachmittag mit seinen Übertragungen.
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Im Rücken der Läufer erhebt sich die Silhouette der Stadt | Esja wird oft als der Hausberg von Reykjavik bezeichnet |
Irgendwie amüsant ist es zu sehen, dass während in Norwegen englischsprachige Filme mit norwegischen Untertiteln laufen, man im isländischen Fernsehen durchaus schon einmal einer ursprünglich aus Norge stammenden Sendung mit eingeblendeten Texten in "íslenska" begegnen kann. Es ist eben immer alles nur eine Frage der Relation.
Überhaupt gibt es, was Sprachen betrifft, im ersten Moment recht überraschende Dinge zu beobachten. So ist die Internetseite der Stadt Reykjavík neben der zu erwartenden englischen Variante noch in zwei weiteren Sprachen verfügbar. Sprachen, mit denen man nun überhaupt nicht gerechnet hätte. Nämlich nicht Spanisch, Französisch oder Deutsch sondern Polnisch und Thailändisch. Doch stammen von den ungefähr zehntausend in Island lebenden Ausländern ziemlich starke Kontingente aus genau diesen beiden Nationen.
Zwischen Nationalmuseum und Nationalbibliothek führt die Suðurgata und damit auch die Marathonstrecke hindurch. Während das eine seinen Besuchern die isländische Kultur und Geschichte näher bringen will, sind im anderen deren wohl wichtigste und wertvollste Zeugen aufbewahrt. Denn die meisten der noch existierenden in Island verfassten Handschriften aus dem Mittelalter finden sich auf den Inventarlisten der Bücherei.
Isländische Geschichte ist schließlich hauptsächlich Literaturgeschichte. Während die Historie anderer Nationen in der Regel über Könige und Fürsten, Kriege und Schlachten, Siege und Niederlagen, Eroberungen und Gebietsverluste erzählt , kann man ähnliches für Island eigentlich nicht tun.
Der kleine, abgelegene Außenposten versank nämlich nach der Phase der Landnahme und den sich daran anschließenden Erkundungsfahrten, die isländische Wikinger nach Grönland und schließlich auch - wie archäologische Grabungen inzwischen eindeutig belegt haben - nach Nordamerika führten, in einen regelrechten Dornröschenschlaf.
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Oberhalb des Nationalstadions nähert sich der Kurs der Halbmarathomarke | Nach einer Schleife läuft man noch einmal auf das Zentrum zu |
Das heißt zwar nicht, dass es dort nun wirklich nur friedlich zuging. Auch auf Island gab es natürlich gelegentlich bewaffnete Auseinandersetzungen. Doch waren das eben eher überschaubare Nachbarschaftsstreitigkeiten als große Feldzüge. Diese waren schon aufgrund der geringen Bevölkerungszahlen von insgesamt nur wenigen zehntausend Menschen gar nicht möglich. Und in die Konflikte auf dem fernen europäischen Kontinent wurde die kleine Kolonie im Nordatlantik auch nie ernsthaft hinein gezogen.
Kaum eine andere Nation hat - insbesondere im Verhältnis zu ihrer Größe - jedoch ähnlich viel an früher Literatur zu bieten. Von historischen Schriften wie dem schon erwähnten Landnámabók und dem sich zeitlich daran anschließende Íslendingabók über die sogenannten Sagas - umfangreiche Erzählungen, die durchaus als Vorläufer heutiger Romane betrachtet werden können - bis zu den Dichtungen der Edda, reicht die Bandbreite.
Hinter der ebenfalls an der Suðurgata gelegenen Universität biegt das Feld noch vor Kilometer zwei kurz in ein Wohngebiet ab. Dort haben sich tatsächlich auch ein paar Anwohner am Straßenrand eingefunden. Eine ganze Reihe von ihnen klopft mit Kochlöffeln auf großen Blechdosen herum und sorgt damit für bemerkenswerten Lärm. Allerdings wird es einer der wenigen Punkte bleiben, an denen unterwegs wirklich etwas Stimmung herrscht.
Die Veranstalter haben zwar an einer Handvoll Stellen musikalische Untermalung organisiert, doch die Bevölkerung selbst nimmt ansonsten eigentlich relativ wenig Notiz vom Marathon. Abgesehen von den wirklich zahlreichen Helfern sowie einigen Verwandten und Freunden verirrt sich kaum jemand an die Strecke. Nur im Start- und Zielbereich wird das Publikum dann tatsächlich etwas dichter.
Allerdings ist nicht nur das Desinteresse der Reykjavíker sondern auch der Zuschnitt des Kurses für den geringen Zuschauerzuspruch verantwortlich. Dieser führt nämlich eher um als durch die Stadt. Die wenigen hundert Meter im Wohngebiet bringen die Läufer nämlich direkt zur Südküste der Halbinsel. Und an dieser orientiert sich der Marathon für die nächsten Kilometer.
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Auf großen Brücken geht es über Hauptstraßen
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... auf kleinen über Bäche |
Anfangs verläuft die Straße nur durch einen Grasstreifen vom Wasser getrennt parallel zum Ufer. Über das tiefblaue Wasser reicht der Blick bis hinüber nach Reykjanes, der Südwestspitze von Island, die eine ähnliche Form aber andere Ausrichtung wie der italienische Stiefel hat. Rund vierzig Kilometer schiebt sie sich noch einmal ins Meer hinaus, bevor die isländische Küstenlinie endgültig nach Osten abdreht.
Dort drüben liegen neben dem Freizeitbad Blaue Lagune, der Brücke zwischen den Kontinenten und dem internationalen Flughafen Keflavík auch Lavafelder, Vulkane und Klippen. Schon kurz nach der Landung kann man sich also einen ziemlich guten Eindruck von der isländischen Landschaft holen.
Noch einmal verschwindet die Strecke für einen Kilometer in einem Wohngebiet, bevor sie erneut an die Küste schwenkt. Da hat man Reykjavík schon verlassen und befindet sich in Seltjarnarnes. Denn das äußerste Ende der Halbinsel wird von einer kleinen Gemeinde eingenommen, die zwar so vollständig mit der Hauptstadt verwachsen ist, dass man schon gut aufpassen muss, um den Pfeiler mit ihrem Wappen am Straßenrand nicht zu verpassen, aber eben nach wie vor politisch selbstständig ist.
Dass dieser Vorort mit seinen nicht einmal fünftausend Bewohnern auf einer Landzunge liegt, kann man schon am Namen erkennen. Denn nichts anderes bedeutet die Endung "-nes". Genauso wie das "-vik" für Bucht kennt man sie aus Ortsnamen auf dem skandinavischen Festland insbesondere aus Norwegen, von wo die Vorväter der Isländer ja einst aufgebrochen waren.
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Das kleine Wäldchen ist eine Seltenheit im baumarmen Island | Wasserfälle gibt es dagegen in jeder Größe, sogar mitten in Reykjavik |
Auch das "-foss", mit dem die Isländer ihre vielen mächtigen Wasserfälle bezeichnen, benutzen die Norweger ebenso. Und die Berge auf Island sehen zwar anders aus, doch ihre mit "-fjell", "-fell" oder "-fjall" endenden Namen, haben sprachlich sehr wohl mit den kahlen Hochflächen zu tun, die in Schweden "Fjäll" und jenseits der nordischen Grenze "Fjell" heißen.
Andere Begriffe sind allerdings absolut typisch für Island. Wenig verwunderlich ist, dass "-laugar" dazu gehört. Denn warmen Quellen liefen die Wikinger erst auf der Atlantikinsel über den Weg. Doch auch einen "-jökull" findet man nirgendwo sonst. Die Vermutung, dass es sich dabei um einen Vulkan handeln könnte, schließlich hat der Ausbruch des Eyjafjallajökull ja den gesamten Flugverkehr in Europa lahm gelegt, ist jedoch nicht richtig.
Jökull bezeichnet das, was die Norweger einen Bre nennen, nämlich einen Gletscher. Ein solcher bedeckt nämlich den Vulkan mit dem Namen, bei dessen Verlesung sich deutsche Nachrichtensprecher gleich zuhauf einen Knoten in die Zunge machten. Dass sich die Isländer sehr wohl klar darüber sind, dass diese Buchstabenfolge für Fremde nicht ganz so einfach ist, zeigt die mit viel Selbstironie aufgelegte Souvenirserie, in der die korrekte Aussprache auf T-Shirts, Aufklebern und Tassen Silbe für Silbe erläutert wird. Schlussfolgerung ist dabei, so schwer sei es doch gar nicht.
Selten ist ein Jökull auf Island nicht unbedingt. Rund ein Zehntel des Landes ist vergletschert. Ganz so falsch ist der Begriff "Eisland" also auch nicht. Achtzig Prozent dieser Flächen gehen allerdings alleine auf das Konto des Vatnajökull. Er wird zumeist auch als der größte Gletscher Europas genannt, wobei es allerdings auf der norwegischen Arktisinsel Spitzbergen einen ernstzunehmenden Konkurrenten gibt.
Auf jeden Fall ist der Vatnajökull der größte Nationalpark Europas, denn seine gesamte Fläche von über achttausend Quadratkilometern sowie sein Umland stehen inzwischen unter dieser hohen Stufe des Naturschutzes. Übrigens liegt er südöstlich der eigentlichen Grabenbruchzone und damit auch geologisch tatsächlich in Europa.
Nur kurz ist der Weg von der Süd- zur Nordküste, auf dem man kurz nach Kilometer fünf durch Seltjarnarnes hindurch schneidet. Der Rückweg zum Ziel, denn auch der Marathon beginnt mit der Runde, auf der das Rennen über zehn Kilometer gelaufen wird, hält sich ebenfalls am Ufer. Fast noch eindrucksvoller als die südliche Seite ist dieser Abschnitt sogar.
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Nach achtundzwanzig Kilometern führt eine Fußgängerbrücke zurück ans Meer |
Denn nun richten sich die Augen auf die kahlen Gebirgsmassive von Akrafjall und Esja, die sich in dunkelgrünen Farben hinter dem Kollafjörður erheben. Auch Fjorde hat man nämlich in Island, wobei der kurze und breite im Norden von Reykjavík mit seinen norwegischen Brüdern zwar die Entstehung nicht aber das Aussehen gemeinsam hat. Im Osten und Norden, insbesondere aber auf der nordwestlichen Halbinsel mit dem bezeichnenden Namen Vestfirðir - Westfjorde - finden sich allerdings durchaus ähnliche Formen wie in Norwegen.
Esja gilt als der Reykjavíker Hausberg. Eigentlich ist es kein einzelner Berg sondern ein Höhenzug, der bis über neunhundert Meter aufragt. Und obwohl er zum Greifen nah erscheint und irgendwie zum Stadtpanorama gehört, sind es doch über zwanzig Straßenkilometer bis dorthin, denn erst im großen Bogen um die Bucht ist er erreichbar.
Bei wirklich klarem Wetter könnte man noch weiter am Horizont auch den Snæfellsjökull sehen, der sich ganz an der Spitze der nach ihm benannten schmalen Halbinsel Snæfellsnes mit seiner Gletscherhaube fast fünfzehnhundert Meter über dem Atlantik erhebt. Auch der "Schneeberggletscher" ist eigentlich ein Vulkan und zudem ebenfalls ein - allerdings deutlich kleinerer - Nationalpark. In seinem Umfeld kann man gerade einmal zwei Fahrstunden von der Hauptstadt entfernt jedoch fast alle Landschaftsformen Islands auf engstem Raum vorfinden.
So ist der Blick dann auch mehr nach links übers Meer gerichtet als nach rechts auf die Stadt. Dort gibt es ohnehin eher wenig zu sehen. Die schnell gewachsenen, manchmal regelrecht aus dem Boden gestampften Vororte und Außenbezirke der Stadt sind nämlich ziemlich austauschbar, könnten auch in vielen anderen Städten auf beiden Seiten des Atlantik stehen. Ein wirklich einheitliches, harmonisches Stadtbild bietet Reykjavík kaum. Es ist eher ein bunter Stilmix, der sich gerade im Übergangsbereich zwischen Altstadtkern und Vorstädten ausbreitet.
Das Gebiet des alten Hafens, in das die Marathonis nach drei Kilometern auf der Uferstraße einbiegen, ist eigentlich ein Paradebeispiel dafür. Zwischen etlichen nüchternen Zweckbauten aus Beton steht da ab und zu auch noch eines jener bunt gestrichenen Häuser älteren Datums im für Island typischen Stil.
In Form- und Farbwahl ähneln sie sehr wohl, dem was man auch auf dem skandinavischen Festland findet. Allerdings sind praktisch alle zum Schutz vor der Witterung komplett mit Wellblech verkleidet. Und auch die Dächer in knalligem Rot, Blau oder Grün, die der Stadt von oben etwas ziemlich Buntes geben, sind aus diesem Werkstoff gefertigt, der vielleicht nicht ganz so gemütlich und freundlich wirkt wie das sonst im Norden übliche Holz, aber eben kostengünstig und zweckmäßig ist.
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Kilometerlang führt der Kurs auf einem Radweg um die ganze Stadt herum | Flach ist es am Ufer nicht, immer wieder warten kleine Wellen auf die Läufer |
Ganz anders wirkt da die Baustelle des neuen Konzert- und Konferenzzentrum Harpa, über der direkt am Hafenbecken noch die Kräne in den Himmel ragen. Schon im halbfertigen Zustand hat das etwas architektonisch ziemlich interessantes. Man kann sich schon vorstellen, wie es mit den gläsernen Waben, die das gesamte Gebäude umgeben sollen, einmal endgültig aussehen wird.
Bis zum kommenden Jahr soll es nach Zeitplan bereits fertig sein. Die Teilnehmer des nächsten Reykjavík Marathons können es also bereits im Endzustand bewundern. Im Verhältnis zum Umfeld und für isländische Verhältnisse ganz allgemein kommt es allerdings ziemlich wuchtig daher. Achtzehnhundert Menschen soll alleine der Konzertraum fassen.
Wie klein, beschaulich und unspektakulär wirkt dagegen doch die Dómkirkja, der Sitz des lutherischen Bischofs von Island, die sich nur einen Steinwurf von der Ziellinie entfernt erhebt. Zur Zeit ihrer Erbauung fasste sie zwar die gesamte Bevölkerung der Stadt. Doch bestand die damals nur aus wenigen hundert Menschen. Und so sind dann eigentlich auch die meisten Pfarrkirchen hierzulande größer als die Reykjavíker Kathedrale.
Kaum auffälliger ist auch das direkt daneben stehende Alþingshúsið, in dem das isländische Parlament, das Alþing tagt. Der relativ schmucklose Bau aus Basaltstein dürfte locker von vielen deutschen Provinzrathäusern in den Schatten gestellt werden. Doch vielleicht gerade wegen dieser auf jeglichen Prunk verzichtenden architektonischen Bescheidenheit besitzt das isländische Machtzentrum durchaus einen gewissen Charme.
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Die Hallgrímskirkja überragt auf einem Hügel die Innenstadt von Reykjavik | Das neue Rathaus kann man auf einer Brücke über den Tjörnin erreichen |
Am Harpa ist die zehn Kilometer lange Einführungsrunde praktisch abgeschlossen. Die Kurzstreckler werden an dieser Stelle später nach rechts auf die Zielgerade abbiegen. Sowohl die Marathon- wie auch die Halbmarathonläufer bleiben allerdings weiter auf der Küstenstraße, die nun auch wieder direkt am Ufer verläuft. Wenig später piept für sie die erste Zwischenzeitmatte.
Als Erster löst sie nach gut fünfunddreißig Minuten Björn Margeirsson aus. Ein wenig überraschend ist es schon, dass er eine grün unterlegte Startnummer trägt. Denn diese sind für die Marathonis reserviert. Doch schon als es direkt nach dem Start am Tjörnin vorbei ging, hatte er sich an die Spitze des Feldes gesetzt und einen kleinen Vorsprung heraus gelaufen.
Erst eine Minute nach dem bisher hauptsächlich als Mittelstreckler in Erscheinung getretenen Führenden kommen mit Sveinn Margeirsson und dem Deutschen Oliver Steininger die schnellsten Läufer auf der Halbdistanz vorbei. Noch eine weitere halbe Minute lässt Andrew Owens aus Kanada als Dritter auf sich warten. Bis mit den beiden Briten David Coales und Anthony Forsyth die beiden nächsten Marathonis folgen vergehen sogar über vier Minuten.
Erstmals nach der Premiere, als Sigurður Sigmundsson gewann, könnte
es also auf der Königsdistanz bei den Männern einen einheimischen
Sieger geben. Ein Jahr nach seinem Erfolg in Reykjavík stellte Sigurður
- um in der isländischen Logik zu bleiben - in Berlin auch den noch immer
gültigen Landesrekord von 2:19:46 auf. Sogar noch etwas schneller ist die
Streckenbestzeit in der isländischen Hauptstadt. Denn diese wurde vom Litauer
Ceslovas Kundrotas 1993 auf 2:17:06 nach unten geschraubt.
Nicht ganz so selten sind dagegen aus Island stammende Siegerinnen. Mit Anna Jeeves, Rannveig Oddsdóttir, Bryndis Ernstsdóttir und Veronika Bjarnsdóttir gab es bisher vier davon. Doch nur Bryndis Ernstsdóttir schaffte dies mit einer Zeit unter drei Stunden. An die 2:35:15, mit denen Martha Ernstsdóttir 1999 ebenfalls in Berlin eine neue nationale Bestzeit hinlegte, kamen sie damit nicht annähernd heran.
Auch in Reykjavík hat Martha deutliche Spuren in den Ergebnislisten hinterlassen, allerdings im Halbmarathon. Neben den 1996 erzielten 1:11:40, die gleichzeitig Strecken- und Landesrekord sind, steht ihr Name noch dreizehn weitere Male - also bei mehr als der Hälfte aller Rennen in der isländischen Haupstadt - ganz oben. Mit vierzehn Siegen bei einer einzigen Veranstaltung - allerdings nicht in ununterbrochener Folge sondern über mehr als zwanzig Jahre verteilt - hält sie dadurch auch eine der längsten Erfolgsserien der internationalen Laufszene.
In diesem Jahr ist Martha Ernstsdóttir allerdings nicht am Start. Und so führt Íris Anna Skúladóttir im Halbmarathon das Frauenfeld mit einem komfortablen Vorsprung von über zwei Minuten an. Auf der doppelt so langen Distanz hat mit Rannveig Oddsdóttir ebenfalls eine Isländerin die Spitzenposition inne.
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Manchmal felsig, manchmal auch sandig ist es an den Küsten rund um Reykjavik |
Wenig später taucht zwischen Laufstrecke und Meer die höchstwahrscheinlich meistfotografierte Skulptur Islands auf. Sólfar heißt sie. Und obwohl man dies eigentlich mit "Sonnenfahrer" übersetzen müsste, erinnert sie stark an ein Drachenboot der Wikinger. Zwar zeigt sie praktisch direkt nach Norden. Dennoch gibt es um die Sommersonnenwende Tage, an denen man diese beinahe in dieser Richtung entdecken kann.
Tage, an denen die Sonne überhaupt nicht hinter dem Horizont verschwindet, gibt es im knapp unterhalb des Polarkreises gelegenen Island nicht. Es wird allerdings insbesondere je weiter man nach Norden kommt im Juni auch kaum richtig dunkel. Und im Westen des Landes kann man tatsächlich bei geeigneter Witterung auch um und nach Mitternacht die Sonne am Himmel stehen sehen.
Das hat jedoch hauptsächlich mit der Wahl der Zeitzone zu tun. Denn obwohl Island von seiner Lage her eigentlich eine oder gar zwei Stunden Unterschied zur Greenwich Mean Time - und damit bis zu drei zur mitteleuropäischen Zeit - haben müsste, gehen die Uhren dort zumindest im Winterhalbjahr genau wie die in London. Auf die Einführung der Sommerzeit, durch die in Reykjavík die Sonne zum Teil erst nach ein Uhr nachts untergehen würde, verzichtet man dann aber doch lieber. So hat man im Marathonmonat August also zwei Stunden Zeitverschiebung zu Mitteleuropa.
In einem Viertel aus Hochhäusern und modernen Büro- und Hotelgebäuden steht auf der seeabgewandten Seite der Straße auf einmal ein kleineres Holzhaus. Höfði ist das offizielle Gästehaus für prominente politische Besucher der Stadt Reykjavík. Und es hat auch ein wenig große Geschichte geschrieben, fand in ihm doch 1986 ein Gipfeltreffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow statt.
Wirklich neutraler Boden war es eigentlich nicht. Schließlich gehört
Island zu den Gründungsmitgliedern der NATO. Doch eigene Streitkräfte,
eine Armee oder eine Marine besitzt es nicht. Nur einige Schiffe und Hubschrauber
der Küstenwache sichern die isländischen Gewässer. Der Beitrag
des Inselstaats zum Bündnis bestand hauptsächlich in der Bereitstellung
des Flugfeldes von Keflavík als Militärbasis für die US Air
Force. Nach Abzug der Amerikaner, deren Präsens im Land zum Schluss ziemlich
umstritten war, arbeitet man inzwischen enger mit den früheren Mutterländern
Norwegen und Dänemark zusammen.
Vor der Hauptverwaltung der Íslandsbanki zeigen Fahnen, die im zur Freude der Läufer noch nicht mit der angedrohten Stärke blasenden Wind flattern, die nächste Verpflegungsstelle an. Rund ein Dutzend von ihnen sind in nicht ganz regelmäßigen Abständen gut ausgestattet auf der Marathonstrecke verteilt. Angesichts der Tatsache, dass in Reykjavík kaum eine Hitzeschlacht zu erwarten ist, reichen sie auch völlig aus.
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Heftig bläst der Wind den Läufern beim Umrunden des Vogelschutzgebietes Bakkatjörn ins Gesicht |
Diese kann man sogar gleich doppelt nutzen. Denn auch in der Gegenrichtung wird man später noch einmal an ihr vorbei kommen. Eine große Schleife führt die Läufer anfangs über einen herrlichen Spazierweg mit Blick auf Esja und Kollafjörður, danach weit weniger ansehnlich durch das Gelände des neuen Hafens nämlich nach einigen Kilometern an diese Stelle zurück.
Es ist gar nicht so leicht festzustellen, wie lange der Schlenker tatsächlich ist. Während die ersten Kilometer nämlich durch große Tafeln gekennzeichnet waren, muss man seit der Zehn-Kilometer-Marke nicht mehr nach oben sondern nach unten schauen. Nur noch orangefarbene Baustellenhütchen zeigen nämlich für den Rest der Distanz die jeweilige Zahl an. Allerdings sind nicht alle von ihnen tatsächlich auch Kilometerzeichen. Denn natürlich steht an einigen Straßenquerungen ein Hütchen auch einmal wirklich einzig und allein zur Sicherung herum. Schnell gewinnt man aber ein Gefühl dafür, wo man etwas genauer hinsehen muss.
Als es beim Reykjavíkurmaraþon Íslandsbanka - so die isländische Namensvariante - zum zweiten Mal an der Bankzentrale, die in ihrer ziemlich unauffälligen Architektur so gar nicht an die Glaspaläste erinnert, die von der internationalen Konkurrenz an anderen Finanzplätzen nach oben gezogen worden sind, vorbei geht, liegt Björn Margeirsson auch weiterhin klar in Führung.
Einer Gefahr, die bei gemeinsam gestarteten Feldern latent besteht, ist man in Reykjavík allerdings aus dem Weg gegangen. Denn wenn der Marathonführende vor allen Halbmarathonis im Ziel durchläuft, um auf seine zweite Runde zu gehen, hätte er ja eigentlich auch die kürzere Distanz gewonnen und der schnellste Läufer dort wäre ein Sieger zweiter Klasse. Doch nach gut achtzehn Kilometer trennen sich die Wege der beiden Strecken.
Während die einen auf schon bekannten Wegen zum Ziel zurück streben, steht für die anderen ein kleiner Anstieg hinauf zum Laugardal an. Ganz eben ist der Kurs nämlich keineswegs. Er bewegt sich zwar nur zwischen null und dreißig Metern über dem Meer. In der Summe dürfte die überwundene Steigung aber dennoch knapp dreistellig sein. Und kurz vor der Halbzeit befindet sich der höchste Punkt.
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Am Leuchtturm an der Nordwestspitze der Halbinsel beginnt der Rückweg |
Doch schon vorher nämlich nach zwanzig Kilometern am Wechselpunkt der Staffeln liegt eine Chipmatte. Diese bestätigt, dass Alleinunterhalter Björn Margeirsson seinen Vorsprung auf Anthony Forsyth und David Coales auf über acht Minuten ausgebaut hat. An der nächsten Matte nur einen guten Kilometer weiter sind dann schon wieder zwanzig Sekunden dazu gekommen. Schon als Gesamtsiebte läuft Rannveig Oddsdóttir mit einem auf eine Endzeit von unter drei Stunden hindeutenden Tempo an beiden Messpunkten durch. Fünf Minuten zurück folgt die Deutsche Barbara Dieterle.
Im Zickzack geht es zwischen den beiden Zeitnahmen erst oberhalb des Stadions und dann an der Laugardalshöllin, der ebenfalls im Sportpark gelegenen Sporthalle entlang, deren Name Kommentatoren, die stimmungsträchtige Hallen ja gerne einmal mit einem ziemlich warmen Ort vergleichen, sogar in mehrfacher Hinsicht zu Wortspielen verleiten könnte.
Hier fand nicht nur die Handball-WM 1995 sondern in den Siebzigern auch jenes berühmte Schachduell zwischen dem damaligen Amerikaner Bobby Fischer und dem Russen Boris Spasski statt. Später siedelte Fischer nach Island über, verbrachte hier seine letzten Lebensjahre und wurde sogar isländischer Staatsbürger.
Nachdem zum zweiten Mal kurz nacheinander die orangefarbenen Matten Laut gegeben haben, windet sich der Kurs auf schmalen Parkwegen nun wieder in östlicher Richtung um den Botanischen Garten und den kleinen Zoo der Stadt herum. In beiden setzt man weniger auf Exotik als auf einheimische Natur, was angesichts der doch manchmal eher ungemütlichen Witterungsverhältnisse auch durchaus nachvollziehbar ist.
Während man im Garten unter anderem alle auf Island heimischen Pflanzen zeigt, gibt es im ohnehin mehr als Familienzoo ausgelegten Tierpark zumindest alle Säugetierarten der Insel zu sehen. Das sind allerdings zumeist Haustiere, denn außer dem Polarfuchs gab es vor der Landnahmeperiode nur Vögel, ein typisches Phänomen auf Vulkaninseln, die weit entfernt vom nächsten Festland liegen und nie mit diesem verbunden waren.
Natürlich gibt es dort auch Islandpferde zu sehen. Wenn es ein Charaktertier der isländischen Landschaft gibt, dann ist es nämlich diese kleine und robuste Pferderasse, die neben den drei allseits bekannten Gangarten Schritt, Trab und Galopp mit Tölt und Rennpass noch zwei weitere besitzt. Fast einhunderttausend von ihnen kann man auf den Weiden des Landes zählen. Und fast überall trifft man an der Straße auf Schilder, die für Reiterhöfe werben.
"Hestur" oder in der Mehrzahl "Hesta" ist das "Pferd" bedeutende Schlüsselwort, dem man mit ein wenig Phantasie die Beziehung zum deutschen "Hengst" ansehen kann. Damit sind immer Islandpferde gemeint, denn andere Rassen gibt es nicht. Pferde dürfen nämlich nicht auf die Insel eingeführt werden. Selbst isländische Tiere, die einmal das Land zum Beispiel für Wettbewerbe verlassen haben, sehen wegen des Importverbotes ihre Heimat nie wieder.
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Trotz des Windes kann man angesichts herrlicher Ausblicke auf Meer und Gebirge durchaus Spaß haben |
Ein wenig exotischer soll der Zoo nun aber doch werden. Das hat zumindest der gerade neu gewählte Bürgermeister Jón Gnarr in seinem Wahlprogramm gefordert. Dort ist nämlich unter anderem die Forderung nach einem Eisbären für den Reykjavíker Tierpark aufgelistet. Wie wenig ernst das aber gemeint ist, wird klar, wenn man hört, dass der Jungpolitiker bis zur letzten Wahl Fernsehkomiker war.
Mit einer eher als Jux gegründeten Partei und revolutionären Ideen wie "offene statt verdeckte Korruption" war er angetreten. Und die nach der Finanzkrise von den eigenen Politikern enttäuschten Bürger bescherten dem Politclown in einer Protestwahl im Frühjahr tatsächlich die meisten Stimmen. Wie er weitere Vorschläge à la "ein drogenfreies Parlament bis 2020" umsetzen will, wird man sehen.
Während die Marathonis hinter der Halbzeitmarke weiter dem östlichen Stadtrand entgegen rennen, sind im Stadtzentrum die Entscheidungen auf der halb so langen Distanz bereits gefallen. Ganz zum Ende kann sich Oliver Steininger aus "Þýskaland", wie Deutschland auf Isländisch heißt, von seinem Begleiter Sveinn Margeirsson absetzen und das Rennen in 1:16:11 für sich entscheiden. Der Isländer wird zwölf Sekunden dahinter mit 1:16:23 im Ziel registriert. Dessen Landsmann mit dem schönen Namen Þórólfur Ingi Þórsson fängt den Kanadier Andrew Owens noch ab und läuft sich mit 1:19:05 und acht Sekunden Vorsprung auf Rang drei.
Auch bei den Frauen sind die Abstände keineswegs größer. Gerade
einmal neun Sekunden hinter der 1:26:55 laufenden Íris Anna Skúladóttir
ist auch schon die trotz eines vorhandenen Familiennamens ebenfalls aus Island
kommende María Kristín Gröndal im Ziel. Kristjana Hildur
Gunnarsdóttir wird in 1:28:55 dritte Frau und gleichzeitig Dritte der
in Reykjavík "F 20 - 39 ára" genannten Hauptklasse.
Jenseits der vierzig wird die Einteilung kaum feiner und vollführt in den
höheren Altersklassen dann Zehnjahressprünge.
Fast zeitgleich mit den schnellsten Damen auf der Halbmarathonstrecke laufen im Nachbarkanal auch die Siegerinnen über die zehn Kilometer ein. Dort ist Arndís Ýr Hafþórsdóttir in 39:01 vor Gerður Rún Guðlaugsdóttir in 39:19 und Jóhanna Skúladóttir mit 39:48 erfolgreich. Bei den Männer gewinnt Jósep Magnússon nach 34:50 mit drei Sekunden gegen Sigurður Böðvar Hansen. Dahinter kann sich Tómas Zoëga Geirsson durch eine 35:10 über Rang drei freuen.
Für eine halbe Stunde Zeit herrscht wirklich Hochbetrieb im Einlauf. Doch dann kehrt wieder deutlich mehr Ruhe ein. Bis das nach der Trennung von den Halbdistanzlern doch ziemlich ausgedünnten Marathonfeld ins Ziel kommt, wird noch etwas Zeit vergehen. Es sind hauptsächlich Rad- und Fußwege, die von diesem nun unter die Füße genommen werden. Immerhin sind sie nahezu durchgängig asphaltiert. Das ist durchaus erwähnenswert, schließlich können sich nicht einmal alle isländischen Überlandstraßen eines Asphaltbelages rühmen.
Zu erkennen ist das sowohl an der Nummerierung wie auch auf der Karte nur bedingt. Ganz plötzlich kann eine gut ausgebaute Straße in eine Schotterpiste übergehen. Und diese haben zudem ziemlich unterschiedliche Zustände. Auf einigen kann man die auf ihnen erlaubten achtzig Kilometer pro Stunde tatsächlich beinahe fahren. Andere sind nur aus Schlaglöchern und Querrillen bestehende Rüttelpisten, bei denen man froh sein darf, wenn man überhaupt halb so schnell vorwärts kommt.
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Immer am Wasser entlang geht es dem Ziel entgegen |
Nicht ohne Grund sind Geländewagen in Island überdurchschnittlich weit verbreitet. Ins Hochland im Zentrum der Insel gelangt man ohne Allradantrieb sowieso nicht. Und die Tatsache, dass viele Busse ziemlich hochbeinig aussehen, hat sehr wohl seine Gründe. Denn auf eher abgelegenen Seitenstrecken muss man sogar ab und zu einen Fluss durchqueren.
Neben der Warnung vor dem Übergang von Asphalt auf Schotter gibt es weitere interessante Verkehrsschilder in Island. Für die vielen unübersichtlichen Kuppen gibt es nicht nur ein eigenes Zeichen sondern auch die intuitiv verständliche Bezeichnung "Blindhæd". Auch einer "einbreið brú" begegnet man recht häufig, handelt es sich dabei doch um eine einspurige Brücke. Die zweite Spur kann man sich angesichts geringen Verkehrs in der Regel nämlich sparen.
Die um die ganze Insel führende Ringstraße ist allerdings durchgehend asphaltiert. Und auch zu den wichtigsten Touristenzielen im Umland von Reykjavík kann man fahren ohne auf Strecken zu landen, deren Untergrund an die Wellblechverkleidung der isländischen Häuser erinnert. Neben dem Haukadalur mit Geysir und Strokkur gehören zur als "Golden Circle" vermarkteten Route, an dem praktisch kein Islandtourist vorbei kommt, noch der mächtige Gullfoss, der goldene Wasserfall und das Þingvellir.
Das "Thingfeld" ist sowohl geologisch als auch historisch interessant. Denn zum einen kann man hier in eindrucksvollen Felsformationen und -spalten wieder die Kräfte der Plattentektonik erkennen. Zum anderen tagte hier seit 930 einmal jährlich die isländische Volksversammlung. Jenes Alþing, auf dessen Tradition sich das heutige Parlament beruft, weshalb Island ab und zu auch einmal als "älteste Demokratie" bezeichnet wird.
Die sowohl gesetzgebende wie auch rechtsprechende Versammlung aller freien Bauern hatte in den Anfangsjahren des sogenannten isländischen Freistaates seine größte Macht. Doch auch, nachdem die Norweger die Herrschaft über die Insel übernahmen, tagte es weiter. Und als Norwegen seinerseits durch eine Personalunion unter die Regentschaft der dänischen Könige kam und für viele Jahrhunderte ein nordisches Großreich entstand, blieb die Tradition bestehen, selbst wenn der Einfluss auf die Entscheidungen im fernen Kopenhagen immer geringer wurde. Erst 1799 wurde dort das letzte Treffen abgehalten.
Als der Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit immer stärker wurde, trat das Alþing wieder zusammen. Doch auch wenn es einige Romantiker gerne gehabt hätten, nicht mehr auf dem Þingvellir sondern als Parlament moderner Prägung in Reykjavík. Aus dem anfänglichen Beratungsgremium für die dänischen Herrscher wurde schließlich 1918 das Gesetzgebungsgremium eines eigenständigen Staates, allerdings noch unter dem Dach des Königreichs.
Der Kurs nähert sich der wie eine Autobahn ausgebauten Schnellstraße, die zwar nicht wirklich auf der politischen Grenze von Reykjavík verläuft, für die Hauptstädter aber doch den klar erkennbaren Übergang zu den Vorstädten definiert. Für ein kurzes Stück verlassen die Marathonis nun dieses Gebiet, denn eine Unterführung bringt sie bei Kilometer vierundzwanzig auf die andere Seite.
Für Island ist dieser Ausflug, der trotz der Nähe zur Autobahn an einen Landschaftslauf erinnert, schon etwas Ungewöhnliches. Führt es doch durch ein kleines, allerdings ziemlich lichtes und aus niedrigen Bäumen bestehendes Wäldchen. Diese sind auf der Insel eine absolute Seltenheit. Denn nicht einmal ein Prozent der Oberfläche Islands ist bewaldet.
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Auf dem letzten Kilometer passiert man noch einmal das Hafengelände |
Das war zur Zeit der Landnahme anders. Doch der große Holzbedarf der neuen Siedler, die kurzen Vegetationszeiten und die immer größere Zahl von Weidetieren, von denen die Jungen Triebe sofort wieder abgebissen wurden, sorgten dafür, dass man heutzutage kaum noch Bäume auf der Insel hat und man hauptsächlich weiten Grasflächen und Tundra begegnet. Inzwischen bemüht man sich zwar um Aufforstung. Und wenn man genau hinsieht, erkennt man auch erste Erfolge: Doch ist es natürlich ein langer Weg, bis es wieder wirklich größere Wälder gibt.
Zwei schmale Holzbrücken führen über einen Bach und kurz darauf wieder zurück. Zwischen den beiden liegt durchaus passend für das Land ein kleiner Wasserfall. Denn nicht nur Jökull und Geysir sind typische Landschaftsformen sondern eben auch der Foss. Mehrere Dutzend von ihnen listen umfangreiche Reiseführer als sehenswert auf. Und einige von ihnen zählen zu den wichtigsten Attraktionen, die Island zu bieten hat.
Ganz nebenbei deckt der Wasserreichtum des Landes auch den nicht aus Erdwärme gewonnenen Rest des isländischen Energiebedarfes. So kann man auf der Atlantikinsel abgesehen vom Benzin für Autos, Schiffe und Flugzeuge auf den Einsatz fossiler Brennstoffe praktisch vollständig verzichten. Wie groß dabei die Kapazitäten sind, zeigt sich zum Beispiel darin, dass die komplette, vierzig Kilometer lange Verbindungsstraße zwischen Reykjavík und dem Flughafen Keflavík mit Straßenlaternen versehen und nachts beleuchtet ist. Und zwar auch dort, wo rundherum nichts als Lavafelder sind.
Nicht einmal einen Kilometer lang bleiben die Marathonis im Osten, also auf der falschen Seite der Autobahn, dann führt eine zweite Unterführung wieder zurück.
Doch auch weiterhin verläuft die Strecke über einen Rad- und Fußweg durch Parkgelände. Diesmal läuft man allerdings wirklich praktisch genau auf der Stadtgrenze. Denn die Grünzone zieht sich in der kleinen Senke zwischen Reykjavík und der Nachbargemeinde Kópavogur hin. Längst ist man wieder auf dem Rückweg, hat nun ziemlich genau westliche Richtung eingeschlagen.
Zwei, drei Kilometer geht es abgesehen von ganz kleinen Schlenkern und einigen leichten Wellen mehr oder weniger immer geradeaus, bevor eine lange Fußgängerbrücke zum einen eine weitere jener breiten Ausfallstraßen überquert, die Reykjavík manchmal durchaus etwas Amerikanisches geben, und zum anderen wieder ans Meer führt. Dieses wird im Schlussdrittel praktisch ununterbrochen Begleiter der Marathonis sein.
Das Meer ist zuerst einmal nur eine schmale Bucht mit dem Namen Fossvogur - das Isländische kennt ziemlich viele verschiedene Begriffe für die verschiedenen Formen und Größen von Meeresarmen, neben "-vík" und "-fjörður" gibt es unter anderem noch "-flói" und "-vogur" in der Benennung. Doch am Stadt-Flughafen einen Kilometer später weitet sie sich bereits ein wenig, wenn man auch bei der ziemlich ausgefransten Küstenlinie rund um Reykjavík noch lange nicht vom offenen Ozean sprechen kann.
Neben dem internationalen Flughafen von Keflavík besitzt die isländische Hauptstadt nämlich noch einen weiteren Landeplatz direkt in der Stadt, über den der größte Teil der inländischen Flugbewegungen abgewickelt werden. Das "in der Stadt" ist dabei wirklich wörtlich zu nehmen, denn vom Zentrum sind es vielleicht gute fünfzehn Minuten bis zur Abfertigungshalle. Und zwar zu Fuß. Eine der Start- und Landebahnen endet nur wenige hundert Meter vor dem Stadtteich. Die Flugzeuge schweben genau über Rathaus, Parlament und Dom ein.
Das Flugfeld wurde im zweiten Weltkrieg von den Briten erbaut, die - nachdem die Deutschen in Dänemark einmarschiert waren - das strategisch wichtige Island besetzt hatten. Später übernahmen dann die Amerikaner den Schutz der Insel, die durch die ausländischen Truppen einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte.
Ausgerechnet in jenen Jahren lief auch der Unionsvertrag mit dem dänischen Königreich aus. Und Island nutzte die Chance, diesen einseitig nicht zu verlängern und sich endgültig für unabhängig zu erklären. Im Mai 1944 wurde auf dem Þingvellir die isländische Republik ausgerufen. Rein juristisch war dieses Vorgehen vollkommen korrekt. So mancher Däne verübelt den Isländern aber bis heute ein wenig den Zeitpunkt der Entscheidung.
Island ist also neben Geologie und Besiedlung auch in politischer Hinsicht ein recht junges Land. Und Reykjavík, das zu diesem Zeitpunkt gerade einmal ein Drittel seiner heutigen Bevölkerungszahlen hatte, war nun nicht nur zu einer der kleinsten, sondern auch die am weitesten nördlich gelegene Hauptstadt einer selbstständigen Nation geworden.
Über das Flugfeld reicht der Blick hinüber zur auf einem Hügel errichteten Hallgrímskirkja, mit deren Errichtung zu jener Zeit begonnen wurde. Doch auch ohne die erhöhte Position würde ihr fünfundsiebzig Meter hoher Turm die Stadt klar überragen. Schon aus großer Entfernung kann man sie bei der Fahrt in Richtung Reykjavík erkennen. Sie und nicht der Dom ist die größte Kirche der Stadt und ganz Islands. Ihre vierzigjährige Bauzeit ähnelt aber durchaus auch der von großen Kathedralen.
Die abgestuften Betonpfeiler der Fassade erinnern an die an vielen Stellen in der isländischen Landschaft anzutreffenden Basaltsäulen und geben dem Gotteshaus ein unverwechselbares Aussehen. Wenn es überhaupt ein Wahrzeichen für die isländische Hauptstadt gibt, dann ist es definitiv die Hallgrímskirkja.
Nach der Umrundung der äußersten Spitze des Flugfeldes beginnen mit der letzten Wechselzone der Staffeln auch für die Marathonis die abschließenden zwölf Kilometer. Auf jedem von ihnen könnte der Führende Björn Margeirsson inzwischen fast eine Minute auf das britische Duo hinter ihm verlieren und wäre trotzdem noch der Sieger. Auch Rannveig Oddsdóttir hat inzwischen einen ziemlich komfortablen Vorsprung und liegt noch immer auf Kurs für eine Endzeit unter drei Stunden.
Ganz langsam hat der Wind aufgefrischt, sich in die angekündigte ziemlich steife Brise aus nördlicher Richtung verwandelt. Noch geben die Häuser der Stadt den Läufern ein wenig Schutz. Doch in den offeneren Küstenstücken pfeift es inzwischen schon recht ordentlich. Die Aussicht die man dabei hat, dürfte den meisten ziemlich bekannt vorkommen. Nach ungefähr zweiunddreißig bewältigten Kilometern ist man nämlich wieder auf genau jener Passage angekommen, die man bereits kurz nach dem Start auf der ersten Schleife unter den Füßen hatte.
Allerdings läuft man nun nicht mehr auf der Uferstraße sondern auf dem parallel verlaufenden Radweg. Und durch jenes Wohngebiet, das halb zu Reykjavík und halb zu Seltjarnarnes gehört, wird man sogar größtenteils auf dem Gehweg geführt. Die Straße ist nämlich bereits wieder für den Verkehr freigegeben. Allerdings fällt dieser recht spärlich aus. Und so sucht sich das ebenfalls schon weit auseinander gezogene und deshalb ziemlich dünne Feld seinen Weg manchmal auf und manchmal neben dem Asphalt.
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Wie vieles in Island ist auch der Sitz des Regierungschefs kurz vor dem Ziel eher etwas kleiner ausgefallen | Die letzten Kilometer führen über die Lækjargata, eine der zentralen Straßen der Innenstadt |
Die Kilometermarken zeigen jedoch irgendwie, dass man nicht ganz den gleichen Weg nehmen kann wie in der Einführungsrunde. Denn um wirklich auf die Marathondistanz zu kommen, fehlen dazu noch mehr als zwei Kilometer. Und tatsächlich, diesmal geht es an jener Straßenecke, an der man bei Kilometer fünf nach rechts abgebogen war, um innerhalb weniger hundert Meter die nördliche Küstenlinie zu erreichen, weiter geradeaus.
Hinaus ins freie Gelände führt der Weg auf die äußerste Spitze der Halbinsel zu. Und jetzt kann der Wind wirklich ungehindert zuschlagen. Trifft eine Böe von vorne, scheint man trotz großer Anstrengung auf einmal nicht mehr richtig voran zu kommen, ja beinahe zu stehen. Und von der Seite sorgen sie dafür, dass man ständig aufpassen muss, sich nicht selbst ein Bein zu stellen. Es gibt für Läufer ohnehin wenige Momente, in denen sie Wind als etwas Positives empfinden. Die letzten Kilometer eines Marathons gehören mit Sicherheit nicht dazu.
Wenn man sich zu Fuß schon so abmühen muss, stellt sich natürlich schon die Frage, wie es den überraschend vielen Radfahren, die man vollbepackt auf Islands Straßen sieht, unter diesen Bedingungen gehen muss. Es ist wohl schon wirklich eine ganz spezielle Art Mensch, die davon träumt, in Kälte, Wind und Regen rund um die ganze Insel zu radeln. Doch verrückt sind eben immer nur diejenigen, die mehr machen als man selbst.
Rund um das Vogelschutzgebiet Bakkatjörn führt der zwar anstrengende, aber landschaftlich auch wirklich schöne Umweg. Noch sechs Kilometer sind zu laufen, als man das südwestliche Ende der Halbinsel erreicht. Den ausgerechnet dort gelegenen, auf drei Seiten vom Meer umgebenen Golfplatz darf man allerdings nicht betreten.
Es ist bei weitem nicht der einzige, dem man auf der Insel begegnet. Mehr als sechzig von ihnen soll es angeblich in Island geben. Rein statistisch kommt also ein Golfplatz auf fünftausend Isländer. Dabei ist das Land doch nun wahrlich nicht gerade mit dem konstant guten Wetter gesegnet, in dem man sich diese Freiluftsportart eigentlich vorstellt. Doch andererseits zeigt sich das Klima im Heimatland des Golfs ganz oben im Norden Großbritanniens ja bekanntlich auch oft ziemlich wechselhaft und ungemütlich.
Der Rechtschwenk am Golfplatz lässt die Marathonis nun endgültig
voll im Wind stehen. Der knappe Kilometer bis zur Nordwestecke zieht sich deshalb
wie Kaugummi und wirkt gefühlt fast doppelt so lang. Der Leuchtturm Grótta
besetzt die zweite Spitze von Seltjarnarnes. Auch zu ihm wahrt man allerdings
einen gewissen Abstand, schließlich sitzt er auf einem nur bei Ebbe über
eine felsige Landbrücke zu erreichendem Eiland.
Aus Gegenwind wird wieder Seitenwind, der allerdings doch ziemlich an der Startnummer zerrt und auch den Helfern an der Verpflegungsstelle den einen oder anderen Becher durch die Luft wirbelt. Einigermaßen vorausschauend haben sie ihre Tische aber schon im Schutze eines kleinen Schuppens aufgebaut. Nach einem Vierteljahrhundert hat man schließlich so seine Erfahrungen, auch und gerade mit dem Wetter.
Die letzten zehn Prozent der Strecke kennen die Marathonis dann wieder. Denn
nachdem der Kurs für die zweite Schleife einfach nur etwas weiter ausgeholt
hatte, stoßen sie bald darauf auf die virtuellen Fußspuren, die
sie zwischen Kilometer sechs und zehn hinterlassen haben. Noch einmal geht es
in einem leichten Bogen hinüber zum alten Hafen, wo bereits lange vor dem
Abend die ersten Festivitäten zur Menningarnótt begonnen haben.
Nur selten kommt man dabei an Zelte und Bühnen ohne isländische Fahne als Schmuck aus. Nicht nur in der Spracherhaltung zeigt sich der - allerdings ziemlich unaufdringliche - Nationalstolz dieses kleinen Volkes. Da die Flagge jedoch die gleichen Farben wie die norwegische nur in anderer Anordnung führt - sie kehrt deren inneres nach außen - wird sie zum Leidwesen der Isländer oft mit dieser verwechselt.
Auch die Marathonis dürfen nun am unfertigen Harpa-Konzerthaus in die Lækjargata einbiegen. Noch sind die Letzten der Halbdistanz - hauptsächlich Nordamerikaner und darunter wieder insbesondere Kanadier aus eine Wohltätigkeitsgruppe - bei Weitem nicht alle im Ziel, da stürmt auch schon Björn Margeirsson als schnellster Langstreckler heran. Margeir war also der Name des Vaters.
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Nur mit Hütchen sind die Kilometer markiert | Wärmeschutzfolien können auch im isländischen Sommer nicht schaden | Mit der Gieskanne wird das Elektrolytgetränk im Ziel ausgeschenkt |
Zwar muss der Isländer seinem Anfangstempo zum Schluss hin doch etwas Tribut zollen und verliert auf der zweiten Hälfte ungefähr fünf Minuten, doch ist sein Sieg in 2:33:57 völlig ungefährdet. Anthony Forsyth lässt schließlich als Zweiter volle elf Minuten auf sich warten. Der Brite nimmt mit 2:44:51 seinem Landsmann und Langzeitbegleiter David Coales, der mit 2:45:26 gestoppt wird, noch einige Sekunden ab. Immerhin kann sich Coales jedoch über den Sieg in der M40 freuen.
Fast gleichmäßig läuft Rannveig Oddsdóttir zum Sieg bei den Frauen und auf Gesamtrang sechs. Wesentlich schneller als bei ihren ersten Erfolg im Jahr 2002 ist sie dabei, bleibt mit 2:57:33 auch einigermaßen sicher unter drei Stunden. Nur noch ein weiterer Läufer nach ihr unterbietet diese Marke. Schon der achte Eintrag in der Ergebnisliste beginnt mit einer drei.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Reykjavík Marathons gibt es damit tatsächlich einen einheimischen Doppelsieg. Die Vizeränge gehen dann jedoch wieder jeweils ins Ausland. Im Frauenfeld folgt mit Barbara Dieterle nämlich nach 3:14:17 eine deutsche Läuferin auf Platz zwei. Dritte wird jedoch wieder eine Isländerin. Sæbjörg Snædal Logadóttir wird nicht allzu weit zurück in 3:16:29 gestoppt.
Selbst wenn sie an der Spitze recht gut vertreten sind, stellen die "Isis" beim Reykjavíkurmaraþon auf der Königsdistanz nur ungefähr ein Drittel der Teilnehmer. Der größte Teil dieses Feldes ist jedoch aus dem Ausland angereist. Dennoch ist die Veranstaltung in der isländischen Hauptstadt natürlich absolut keines jener von außen in ein Land ohne eigene Laufszene importierten Kunstprodukte sondern durch und durch isländisch.
Mehr als zwei Dutzend vertretene Nationen belegen ein ziemlich weit gestreutes Interesse. Sicher ist es nicht die Stadt Reykjavík selbst, die dafür verantwortlich ist. Und auch der Marathon ist nicht unbedingt die Hauptattraktion. Selbst wenn er durchaus gut organisiert ist und eine abwechslungs- und aussichtsreiche Streckenführung bietet. Ein Stadtmarathon in einer großen Metropole ist es allerdings mitnichten und deshalb auch sicher kein Muss für jeden Läufer.
Der Reiz liegt wohl eher in der - in diesem Fall etwas anders als gewöhnlich aufzufassenden - Exotik des Landes Island. Eine Insel im Nordatlantik, irgendwo zwischen Europa und Nordamerika. Oder anders und genauer gesagt: Sowohl in Europa als auch in Nordamerika. Nicht ganz so groß, wie von vielen angenommen. Dafür aber ziemlich menschenleer. Eine wirklich interessante und ziemlich einzigartige Mischung aus Feuer, Eis und Wasser. Und unter diesem Aspekt, verbunden mit einer Islandreise, die mehr als nur die Hauptstadt beinhaltet, ist der Reykjavíkurmaraþon sehr wohl einmal eine denkbare Alternative.
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Bericht und Fotos von Ralf Klink Ergebnisse und Infos www.marathon.is/reykjavik-marathon Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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