8.5.11 - Volkswagen Prague Marathon

Schon wieder Rekordergebnisse

von Axel Künkeler

"Paris des Ostens", "das Rom des Nordens", "die Goldene Stadt" - die zahlreichen Beinamen der tschechischen Hauptstadt Prag sind ein beredtes Zeugnis für das große historische und touristische Potenzial der heute über 1,25 Mio. Einwohner zählenden Metropole. Mit dem Bau der Prager Burg auf dem Hradschin im 9. Jahrhundert begann der Aufschwung Prags, das um 1230 Residenzstadt des Königreichs Böhmen und im 14. Jahrhundert Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches und damit zu einem politisch-kulturellen Zentrum Mitteleuropas wurde. Seit dem Mittelalter zählt Prag, für Goethe "der schönste Edelstein in der steinernen Krone der Welt", zu den schönsten Städten auf unserem Globus.

Auf dem historischen Messegelände, mit Zatopek-Konterfei, fand die Marathon-Expo des Volkswagen Prague Marathon statt
Und immer wieder hat man beim Lauf die Prager Burg im Blick

Eine Schönheit, die seit Jahren wieder zunehmend mehr Touristen in die Moldau-Metropole lockt. Ganze Heerscharen bevölkern im beginnenden Frühsommer die Altstadt mit ihren engen Gassen, dem Altstädter Ring mit Teynkirche, Rathaus und astronomischer Uhr, den Hradschin mit der Prager Burg und dem Veitsdom, die Karlsbrücke als die älteste und schönste der vielen Brücken über die Moldau sowie die zahlreichen weiteren Sehenswürdigkeiten. Durch die Jahrhunderte wurde immer wieder auch europäische Geschichte von Prag aus mit geprägt: im 14./15. Jh. begann bereits 100 Jahre vor Luther mit Johan Hus die Reformation, der erste "Prager Fenstersturz" 1419 löste die Hussitenkriege aus und der zweite "Prager Fenstersturz" fast genau 200 Jahre später (1618) den 30-jährigen Krieg.

Fallschirmspringer vor dem Start am Altstädter Ring
Bei KM 1 fällt der Blick zum ersten Mal auf den Hradschin mit der Prager Burg

In der jüngeren Geschichte sind vor allem der "Prager Frühling" von 1968 als ein friedlicher Widerstand gegen die kommunistische Diktatur und die Ereignisse in der Prager Botschaft 1989 im Vorfeld der deutschen Wiedervereinigung vielen noch lebhaft in Erinnerung. Noch jünger ist die Geschichte des Prag-Marathons, der erst 1995 zum ersten Mal stattfand, aber seitdem ebenfalls eine Erfolgsstory geschrieben hat. Von 950 Startern bei der Premiere am 4. Juni 1995 schnellten die Finisher-Zahlen über 2222 (1998) auf 2809 (2002). Nachdem der deutsche Automobilkonzern VW vor zehn Jahren als Titelsponsor einstieg, ging es über 3403 (2005) auf 3976 (2009) weiter rapide nach oben.

Durch enge Altstadtgassen
Start, Ziel und 13km-Querung am Altstädter Ring Bei KM 14 auf der Narodni hatte man die Spitze im Videobild

Und der allgemein zu beobachtenden Stagnation des Marathon-Booms trotzend, können die PIM-Organisatoren (Prag International Marathon) dieses Jahr einen neuen Finisher-Rekord vermelden: 5277 (davon 846 Frauen) bei insgesamt 8.600 Teilnehmern inklusive Staffel- und Team-Marathons. Mit den Rahmen-Wettbewerben, neben den üblichen Walking-, Bambini-, Mini- und Inline-Läufen gehörte auch ein "Walk with Dogs" dazu, zählte das Veranstaltungs-Wochenende weit mehr als 10.000 sportlich Aktive, die heuer aus über 90 Nationen kamen. Dazu trugen auch die tschechischen Marathon-Meisterschaften und die Marathon-WM der Polizei bei. Daher waren diesmal sogar Starter aus Afghanistan, Burundi und der Mongolei mit dabei.

Nicht über 7 Brücken, sondern über 6 - dafür 8mal - musst Du in Prag laufen
Vorbei am Altstädter Turm und der berühmten Karlsbrücke

Den Verantwortlichen der PIM mit OK-Präsident Carlo Capalbo an der Spitze ist jedoch klar, dass damit das Teilnehmer-Limit ausgeschöpft ist. Eine größere Kapazität verträgt jedenfalls die Prager Altstadt mit dem Start-Ziel-Bereich am Altstädter Ring nicht. Schon heuer waren die Bedingungen am Start und auf den ersten 3 Kilometern absolut grenzwertig. Die engen Zuwege zu den Start-Korridoren, eine nicht unbedingt an Zielzeiten orientierte Startaufstellung mit etlichen langsamen Läufern vorneweg und ein nicht ganz einfaches Streckenprofil mit Stufen und Bordsteinkanten, Schlaglöchern und Kopfsteinpflaster nötigen den ambitionierteren Läufern im 8000er-Feld auf den ersten Kilometern höchste Konzentration ab. Entschädigt werden die Teilnehmer dafür mit der äußerst reizvollen Kulisse am Altstädter Ring.

3 der rund 20 Starter des deutschen Vereins ETSV Lauda ...
... wurden von ihren Fans an der Strecke kräftig angefeuert

Die PIM ist gewillt mit diesem Pfund weiterhin zu wuchern und überlegt deshalb bereits wie man mit optimierter Startzone, gestaffelten Startzeiten und der Entzerrung von Einzel- und Team-Startern die Probleme lösen kann. Die Attraktivität Prags bürgt zweifelsohne auch für die Attraktivität des Prag-Marathons, der zum ersten Mal seit sechs Jahren nach der jetzt abgeschlossenen Sanierung wieder über die Karlsbrücke führte. Auch ansonsten führt der Streckenverlauf an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der tschechischen Hauptstadt vorbei. Dabei hat man vor allem immer wieder den Blick auf den Hradschin mit der Prager Burg.

Eviva Espana
Forza Italia

Dennoch ist die Strecke in der "wie Rom auf 7 Hügeln errichteten Stadt" weitgehend flach. Gerade mal zehn Meter beträgt der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Punkt, da der Verlauf über etliche Kilometer der Moldau folgt. Zwar addieren sich durch die wiederholten Brückenquerungen die Gesamt-Höhenmeter auf rund 150, doch damit lassen sich hier immer noch absolute Weltklassezeiten laufen. Als sich das Feld der Eliteläufer und der übrigen Marathonis um 9 Uhr am berühmten Prager Altstädter Ring aufstellte, herrschte diesmal allerdings nahezu sommerliches Wetter: strahlender Sonnenschein und bereits am Vormittag Temperaturen deutlich über 20 Grad schufen für viele Teilnehmer nicht ganz einfache Witterungsbedingungen.

5. Frau - die Südafrikanerin Rene Kalmer
2. Frau wird die Äthioperin Yeshimebet Tadesse 4. Frau Filomena Costa aus Portugal

Für die vielen afrikanischen Elite-Läufer war dies allerdings kein Problem. So erlebten die zahlreichen Zuschauer neben dem Teilnehmerrekord auch einen neuen Streckenrekord: die 33-jährige Kenianerin Lydia Cheromei unterbot die alte Bestmarke, die ihre Landsfrau Helena Kirop mit 2:25:29h erst im Vorjahr aufgestellt hatte, gleich um drei Minuten. Mit 2:22:34h kam Cheromei, die mit 13 Jahren bereits Junioren-Cross-Country-Weltmeisterin war und mit ihrem Rekord-Sieg beim Prager Halb-Marathon vor fünf Wochen schon große Erwartungen geweckt hatte, mit sechs Minuten Vorsprung ins Ziel.

Top-Favorit Yemane Tsegay aus Äthopien wird nur 8.
Boris Prokopyew ist selbst Herausgeber einer Laufzeitschrift in Moskau Schnellster Nicht-Afrikaner auf Rang 13 - Sergio Silva aus Portugal Direkt dahinter der 2. Europäer - Tamas Kovacs aus Ungarn als 14.

Die Kenianerin passierte die 10km mit 33:20 und den HM-Linie in 1:10:41h, war nach der Hälfte der Strecke also auf dem Weg, die 2:20 Marke zu knacken. Doch in der zweiten Hälfte der Strecke konnte sie ihr Tempo verlangsamen, ohne den Sieg zu gefährden. Zu groß war bereits zu diesem Zeitpunkt der Abstand der beiden Äthiopierinnen Yeshimebet Tadesse, die mit 2:28:33h als Zweite ins Ziel kam, während Belainesh Zemedkun in 2:32:15h Dritte wurde.

In der Männerkonkurrenz sicherte sich Benson Barus den Sieg in neuer persönlicher Bestzeit von 2:07:07, blieb damit zum ersten Mal in seiner Karriere unter 2:08h. Allerdings verlief das Rennen deutlich spannender als bei den Frauen. Eine Gruppe von 14 vor allem afrikanischen Läufern durchlief nach 1:03:47h noch gemeinsam die Halbzeitmarkierung. Bei Kilometer 30 war dann jedoch klar, dass der Kampf an der Spitze eine reine kenianische Angelegenheit war.

Mit Sambamusik ins Ziel
Dort warten Tausende im Ziel auf die nahenden Sieger

Bei Kilometer 39 griff Benson Barus an, distanzierte sich schnell von Kenneth Mungara, der 2008 in Prag in 2:11:06 gewonnen hatte, und dem Marathon-Debütanten Samuel Kosgei. Auch Mungara lief mit seinen 38 Jahren eine neue PB von 2:07:36h, während Samuel Kosgei sein Potential mit einem ausgezeichneten Debütlauf in 2:07:47h auf Rang drei ebenfalls unter Beweis stellte. Kosgei, der 2010 in Berlin einen neuen 25km- Weltrekord aufstellte und eine Halbmarathon-PB von 59:39 aufweist, zählte bereits im Vorfeld zum Favoritenkreis. Ebenso wie der Äthiopier Yemane Tsegay, 2009 Vierter der Marathon-Weltmeisterschaften in Berlin und beim Paris Marathon, wo er seine persönliche Bestzeit von 2:06:30 erzielte.

Auch bei den Frauen gewinnt eine Kenianerin - Lydia Cheromei läuft unangefochten dem Sieg entgegen
Sieger des Volkswagen Prague Marathon 2011 wird der Kenianer Benson Barus in einer Zeit von 2:07:07 Stunden Nach zwei weiteren Kenianern auf Platz 2 mit Kenneth Mungara in 2:07:36 und dem 3. Samuel Kosgei in 2:07:47 folgt der Marokkaner Rachid Kisri als 4. in 2:09:42

Tsegay war beim Prag Half Marathon 2010 in neuer persönlicher Bestzeit Dritter und kurz danach beim Prag Marathon Zweiter. Diesmal wollte er unbedingt gewinnen, verfehlte sein Ziel als 8. im Klassement jedoch deutlich. Wesentlich bescheidener gab sich der marokkanische Topläufer Rachid Kisri, der ebenfalls eine PB von 2:06:48h (Paris 2009) zu Buche stehen hat. Er wusste um die starke kenianische Konkurrenz und wurde schließlich hinter den drei Kenianern in 2:09:42h Vierter, zeigte sich damit aber durchaus zufrieden.

Hinter den afrikanischen Eliteläufern, die die ersten 12 Plätze bei den Männern belegten, zeigten aber auch die besten Europäer durchweg gute Leistungen. Der Portugiese Sergio Silva (2:16:21h) und der Ungar Tamas Kovacs (2:17:43h) kamen auf die Plätze 13 und 14, die tschechischen Athleten Petr Pechek als Erster der nationalen Meisterschaften in 2:18:28h (persönlicher Rekord) als 16. und Radka Churanova nach 2:53:12 als 12. Frau. Beste Deutsche wurde Rike Westermann in 3:07:30h als 20., während Hubert Stefan in 2:24:09h Gesamt-23. sowie Ralf Klug in 2:27:03 Gesamt-28. und 1. M45 wurde.

Laufen und Walken mit Hunden war einer der Rahmenwettbewerbe
Wasserverpflegung für Frauchen und Hund Wasser bei der Hitze war aber auch für Zweibeiner besonders wichtig

Teilnehmerstärkste Nation waren die Deutschen diesmal allerdings nicht. Je zur Hälfte kamen die Starter aus Tschechien selbst (51,2%/4272) und dem Ausland (48,8%/4066). Vor allem Franzosen (602) und Italiener (567) waren stark vertreten. Erst danach folgte Deutschland mit 327 Teilnehmern, nur knapp vor der Slowakei (314), Großbritannien (293), Polen (276) und 254 US-Amerikanern. Die Zahl der ausländischen Starter beim Prag International Marathon hat sich von 1557 im Jahr 2003 auf jetzt eben über 4000 fast verdreifacht; wohl auch ein Beleg für die stark gestiegene Attraktivität des größten tschechischen Laufevents.

Trotz Hitze liefen einige im Kostüm
Einige wurden von Sanitätern ins Ziel begleitet Mit nacktem Oberkörper fünf Stunden in der Sonne - war wohl auch nicht ideal

Neben dem Image-Faktor haben diese Zahlen für die Verantwortlichen aber auch ganz klar einen ökonomischen Effekt. Die auswärtigen Besucher, Läufer und deren Begleiter, tätigen durch ihren Prag-Aufenthalt nach Berechnungen der PIM fast 14 Mio. Euro Umsatz in der Stadt, was insgesamt einen Einnahmezuwachs in Höhe von über 32 Mio. Euro für Tschechien bedeutet. Kein Wunder also, dass die in den ersten Jahren zu beobachtende Skepsis der Verwaltung wie der Öffentlichkeit schon längst der Vergangenheit angehört. Diesmal gab sogar der Präsident der tschechischen Republik, Vaclav Klaus höchstpersönlich den Startschuss für den 17. Prag Marathon.

Zieljubel allein
Zieljubel in der Gruppe Zieljubel mit den Kindern

Vor allem für Genussläufer und Sightseeing-Runners ist der Lauf ein absolutes Muss. Mit dem flachen Profil ist er durchaus auch für sportlich ambitionierte Läufer zu empfehlen. Dass hier echte Weltklassezeiten gelaufen werden können, beweist vor allem der Streckenrekord des Kenianers Eliud Kiptanui, den er im Vorjahr mit sehr guten 2:05:39h aufstellte. Hinter den Elite-Startern muss man jedoch unbedingt darauf achten, nicht in der Enge der Startaufstellung und auf den ersten 3 KM zu viel Zeit liegen zu lassen. Genau den Bereich will die PIM ja zudem optimieren.

Zur Akzeptanz des Prag-Marathons bei den Läufern hat neben der Attraktivität der Stadt wohl auch der hohe Sicherheitsstandard beigetragen. Alle 500 Meter entlang der Strecke standen Sanitäter des tschechischen Roten Kreuzes - eine Maßnahme, die sich gerade bei den hohen Temperaturen mit einer ganzen Reihe kollabierender Läufer als sehr sinnvoll erwies. Ebenso die 16 gut bestückten Verpflegungs- und Wasserstellen. Zudem einer der Gründe, warum der Prag-Marathon mit dem Gold Label der IAAF für Straßenläufe ausgezeichnet wurde. Prag ist eben die "Goldene Stadt".

Bericht und Fotos von Axel Künkeler

Informationen unter RUNCZECH.COM

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