Ottawa Marathon - Kanada (26.5.13)

Rekordlauf in einer unbekannten Hauptstadt

39. Ottawa Race Weekend

von Ralf Klink

Es gibt eine ganze Reihe von Hauptstädten, die man sofort nennen kann, wenn man danach gefragt wird. Berlin für Deutschland gehört sicher dazu, selbst wenn dem einen oder anderen vielleicht doch noch einmal ein "Bonn" heraus rutscht. Um auf London und Paris als Kapitalen von Großbritannien und Frankreich zu kommen, braucht es auch nicht viel. Washington ist praktisch ohnehin jeden Tag in den Nachrichten.

Die Kombination Wien und für Österreich fällt ebenfalls nicht allzu schwer. Rom ist nicht nur wenig überraschend Hauptstadt von Italien sondern ließe dank Papst und Vatikan eigentlich sogar gleich doppelt nennen. Und eventuell mit etwas nachdenken kann man in der Regel auch Kopenhagen, Oslo, Stockholm und Helsinki im Norden Europas aufzählen. Doch wie heißt die Hauptstadt von Kanada?

"Toronto, nicht wahr?" Nein, falsch geraten. "Dann eben Montréal?" Wieder daneben. "Aber Vancouver oder Calgary können es doch eigentlich auch nicht sein." Mancher dürfte jetzt schon geneigt sein, mit dem Fluchen zu beginnen. Wo sitzt denn nur die kanadische Regierung, wo tagt das kanadische Parlament? Der Rätsels Lösung lautet "Ottawa". Und selbst bei Nennung dieses Namens stellt sich nicht bei jedem der Aha-Effekt ein. "Ottawa? Nie gehört". Unter den Hauptstädten der westlichen Welt gehört die kanadische sicher zu den unbekanntesten.

Zu verdanken hat Ottawa seine Rolle Königin Victoria. Im Jahr 1857 bestimmte sie nämlich eine größere Holzfäller-Siedlung zur Hauptstadt der "Province of Canada", die zu jenem Zeitpunkt nur aus den südlichen Teilen der heutigen Provinzen Québec und Ontario entlang der Großen Seen und des Sankt-Lorenz-Stromes bestand. Angeblich habe sie einfach eine Nadel in die Karte gesteckt, um einen Punkt zwischen den schon vor fast zwei Jahrhunderten miteinander konkurrierenden Städten Montréal und Toronto festzulegen.

In Wahrheit war wohl eher die Lage im Hinterland für die Wahl entscheidend. Denn nach zwei Kriegen traute man den Amerikanern im Süden noch immer nicht über den Weg. Montréal lag und liegt jedoch nicht allzu weit von der Grenze entfernt. Und Toronto am Ontariosee war sogar mit vom anderen, dem amerikanischen Ufer herüber gekommenen Schiffen zu beschießen. Auch die ebenfalls in der engeren Auswahl befindlichen Kandidaten Kingston und Québec - diesmal ist die Stadt gemeint - hatten den gleichen Nachteil.

Dank ihrer Lage auf einem steil zum Ottawa River abfallenden Höhenzug bietet die kanadische Hauptstadt immer wieder herrliche Blicke über den Fluss
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Außerdem war Ottawa durch den gleichnamigen Fluss an die kanadische Lebensader Sankt-Lorenz-Strom angebunden. Und die Stadt hatte sogar schon zu diesem frühen Zeitpunkt einen Anschluss ans Eisenbahnnetz. Jedenfalls bekam Ottawa Hauptstadtstatus. Und es behielt diesen auch als 1867 die Kolonie in die Provinzen Ontario und Québec aufgeteilt und gleichzeitig mit den beiden am Atlantik gelegenen, ebenfalls britisch beherrschten Territorien New Brunswick und Nova Scotia zu einer Konföderation, dem "Dominion of Canada" zusammen gefasst wurde.

Ganz so ungewöhnlich ist im angelsächsischen Sprachraum - einmal abgesehen von London im Mutterland - das Konzept, nicht unbedingt die größte Metropole des Landes als Hauptstadt auszuwählen, allerdings keineswegs. Denn auch in Australien hat man nach langem Hin und Her keines der beiden - sich in ebenfalls in ziemlicher Rivalität verbundenen - Zentren Sydney und Melbourne zur Kapitale gemacht, sondern sich auf das etwa in der Mitte dazwischen im Busch liegende Canberra festgelegt.

In Neuseeland ist es nicht das über eine Millionen Einwohner zählende Auckland der Regierungssitz. Vielmehr hat das nicht einmal ein Drittel so viele Menschen zählende Wellington an der Südspitze der Nordinsel diese Rolle übernommen, was für die Bevölkerung der südlichen der beiden etwa gleich großen, aber recht ungleich besiedelten Inseln deutlich akzeptabler ist.

Und selbst das schon erwähnte Washington hat abgesehen von der Politik für die USA kaum Bedeutung. Ansonsten dominieren ganz andere Zentren wie Chicago oder Los Angeles. Und die eigentliche amerikanische Weltstadt ist sowieso New York, das seine tatsächlich einmal vorhandene Hauptstadtfunktion bald nach der Unabhängigkeit an Philadelphia abgeben musste, bevor man dann das auf dem Reißbrett entworfene Washington neu gründete.

Eines allerdings hat Ottawa mit all den oben aufgezählten europäischen Hauptstädten gemeinsam. Und darin unterscheidet es sich gleichzeitig von seinen Schwestern Washington, Canberra und Wellington. Denn im kanadischen Regierungszentrum - und nicht etwa in den wirtschaftlich und kulturell wesentlich bedeutenderen Metropolen Toronto oder Montréal - wird der größte Marathon des Landes ausgerichtet.

Doch klingt diese Bezeichnung imposanter, als es die nackten Zahlen dann wirklich hergeben. Denn natürlich kann man nicht mit den Megamarathons von Berlin, Paris oder London mithalten. Und auch das ebenfalls noch fünfstellige Stockholm oder regelmäßig mit dieser Marke kämpfende Rom sind doppelt bis dreifach so groß. Denn in den letzten Jahren zählte man in Ottawa jeweils vier- bis fünftausend Läufer auf der zweiundvierzig Kilometer langen Strecke.

Zum echten Großereignis wird die Veranstaltung - wie viele ihrer Geschwister hierzulande auch - erst durch die Nebendistanzen. Außer bei einem Halbmarathon am Marathonsonntag kann man nämlich samstags auch noch über zehn, fünf und zwei Kilometer starten. Und rechnet man all die Läufer in diesen Wettbewerben mit dazu, hat sich die Zahl der Teilnehmer am "Ottawa Race Weekend" augenblicklich fast verzehnfacht.

Gerade für kanadische Verhältnisse sind solche Werte dann wirklich enorm. Denn man muss sich dabei immer wieder die Distanzen und Bevölkerungszahlen in diesem mit einer fast unendlichen Weite ausgestatteten Land vor Augen halten. Ganze fünfunddreißig Millionen Menschen leben dort nämlich auf einer Fläche, in die man die gesamte europäische Union mit ihren mehr als fünfhundert Millionen Bewohnern gleich doppelt hinein packen könnte.

Der Rideau Canal ist der andere Wasserweg, der das Bild der Innenstadt von Ottawa bestimmt

Und selbst wenn man die praktisch unbesiedelten Territorien in arktischen Norden, die rund die Hälfte der Landesfläche ausmachen, in denen aber gerade einmal etwas über hunderttausend Kanadier gezählt werden, heraus rechnet, bleibt eine aus europäische - und insbesondere deutsche - Verhältnisse kaum vorstellbar geringe Bevölkerungsdichte übrig. Das Einzugsgebiet für eine Laufveranstaltung muss also relativ weit angesetzt werden, um überhaupt in solche Größenordnungen wie in Ottawa vorstoßen zu können.

Obwohl die Hauptstadt sich inzwischen zum immerhin viertgrößten kanadischen Ballungsraum entwickelt hat, gäbe es schließlich im hierzulande meist als üblich betrachteten Umkreis von einhundert Kilometern nicht einmal zwei Millionen potentielle Teilnehmer - vom Baby bis zum Greis. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass insgesamt jeder fünfzigste Einwohnern der "National Capital Region" für die Veranstaltung gemeldet hätte.

Dem ist natürlich nicht so. In Nordamerika nimmt man für den Start bei einem Rennen weitaus längere Anreisen und durchaus auch einmal die eine oder andere Hotel-Übernachtungen in Kauf. Die zentrale Lage Ottawas im noch am dichtesten besiedelten, historischen Kernland Kanadas ist allerdings durchaus hilfreich. Denn so ist zumindest nicht immer gleich die Benutzung eines Flugzeuges notwendig, das ansonsten angesichts der riesigen Distanzen zwischen den einzelnen kanadischen Städten eine ziemlich wichtige Transportfunktion übernimmt.

Allerdings täuschen auch hierbei die Dimensionen ein wenig. Denn dieser nach den beiden Endpunkten benannte "Québec-Windsor-Korridor" entlang des Ontario-Sees und des Sankt-Lorenz-Stromes, in dem sich beim Blick auf die Karte die Städte zu ballen scheinen und der - trotz der in den letzten Jahren gewachsenen Bedeutung der westlichen Metropolen Vancouver, Calgary und Edmonton - noch immer rund die Hälfte aller Kanadier beherbergt, erstreckt sich über eine Länge von deutlich mehr als tausend Kilometern.

Die rund zweihundert Straßenkilometer zwischen Ottawa und Montréal scheinen aus europäischem Blickwinkel noch ziemlich normal zu sein. Von Toronto oder der Ville de Québec sitzt man dagegen dann schon wieder jeweils fünf oder sechs Stunden hinter dem Lenkrad, um die Hauptstadt mit dem Auto zu erreichen. Man muss wohl - wie die Kanadier - an solche Entfernungen einfach gewöhnt sein, um sie noch als "nah" zu empfinden.

Jenseits der Grenze zu den USA finden sich im weiten Umkreis um Ottawa allerdings erst einmal keine größeren Städte. Zudem haben die Läufer beim südlichen Nachbarn ohnehin eine deutlich größere Angebotspalette. Und so bleiben die Wettbewerbe in der Hauptstadt Kanadas dann tatsächlich auch eine weitgehend innerkanadische Angelegenheit. Die Zahl der ausländischen Teilnehmer bewegt sich nur im dreistelligen Bereich. Und selbst im Marathon, bei dem sich wie üblich der höchste Anteil findet, stellen sie weniger als ein Zwanzigstel des Feldes.

Zieht man dann auch noch die US-Amerikaner sowie die afrikanischen Profis, die nicht nur beim Marathon sondern auch im Zehner gleich zu Dutzend um Sieg- und Platzprämien kämpfen, ab, bleiben nur noch wenige Hände voll Lauftouristen übrig, die sich tatsächlich aus Übersee auf den Weg nach Ottawa gemacht haben. Doch wer hat schließlich schon einmal davon gehört, dass dort der größte Marathon des Landes veranstaltet wird? Wer hat dieses Rennen auf der Wunschliste? Wer kennt denn überhaupt die kanadische Hauptstadt?

Die Schleusentreppe vom Ottawa River hinauf zum Kanal und … …. die neugotischen Bauten auf dem Parliament Hill präsentieren sich von der Wasserseite besonders eindrucksvoll

Dabei ist Ottawa - zumindest für eine nordamerikanische Metropole - durchaus sehenswert. Natürlich kann sie angesichts einer gerade einmal zweihundert Jahre andauernden Geschichte nicht auf die historische Bausubstanz der meisten ihrer europäischen Gegenstücke zurück greifen. Doch neben den zum Teil ziemlich imposanten Bauten der in der Stadt gebündelten politischen Institutionen und den jenseits des Atlantiks fast unvermeidlichen Glastürmen der Innenstadt hat sie eben auch noch eine ganze Reihe von Museen mit dem Namenszusatz "National" zu bieten.

Und schon die Lage des Stadtzentrums selbst ist beeindruckend. Es dehnt sich nämlich auf einem steil zum Fluss abfallenden Höhenzug aus. Die dreißig bis vierzig Meter hohen Felsen, auf denen das so von der Wasserseite weithin sichtbare Regierungsviertel errichtet wurde, eröffnen ihrerseits wieder weite Ausblicke auf den rund einen halben Kilometer breiten Ottawa River zu ihren Füßen und die Schwesterstadt Gatineau am anderen Ufer.

Die Anreise stellt ebenfalls kein wirkliches Problem dar. Der Flughafen der kanadischen Hauptstadt ist nicht nämlich nur mit den großen internationalen Drehkreuze Montréal und Toronto bei täglich jeweils etwa ein Dutzend Maschinen in dichtem Takt verbunden, sondern wird durch Air Canada zudem einmal am Tag von Frankfurt aus direkt angesteuert. Dass er dabei auch noch deutlich kleiner und übersichtlicher ausfällt als seine großen Brüder im Osten und Westen, ist vermutlich sogar ein Vorteil.

Welche Bedeutung das Ottawa Race Weekend für die Stadt hat, lässt sich erkennen, als gleich mehrere Grenz- und Zollbeamte, die am Macdonald-Cartier Airport - benannt nach zwei Gründervätern des kanadischen Bundes - den Grund der Einreise erfragen, nicht nur von der in den kommenden Tagen anstehenden Laufveranstaltung gehört haben sondern sich auch gleich noch nach der gewählten Strecke erkundigen. In den beiden nicht allzu weit entfernten Metropolen wäre eine solche Situation vor den dortigen Marathons nämlich doch eher unwahrscheinlich.

Vierzigtausend Aktive lassen sich aber in einer Stadt wie Ottawa auch wirklich nur schwer übersehen. Das auf zwei Tage verteilte Programm mit seinem breiten Streckenangebot bietet sich ja für einen Ausflug mit der ganzen Familie oder dem Laufteam geradezu an.

Und so begegnet man im Zentrum immer wieder kleinen und größeren Gruppen, die anhand von Schuhe und Jacken unschwer als zukünftige Teilnehmer zu identifizieren sind. Nach dem Rennen kommen dann auch noch die stolz getragenen T-Shirts und Medaillen als Erkennungsmerkmale dazu.

Am deutlichsten wird dies natürlich rund um Startnummernausgabe und Marathonmesse im gerade einmal zwei Jahre zuvor fertig gestellten neuen Convention Centre. Im Gegensatz zu seinen noch aus den Achtzigern stammenden und deshalb eher von nacktem Beton geprägten Nachbarn, dem Westin Hotel und der Einkaufszentrum Rideau Centre ist es mit seiner nach außen gewölbten, an ein überdimensionales Auge erinnernden Glasfassade architektonisch extrem auffällig und unverkennbar.

Während man die Startunterlagen direkt hinter dem Eingang erhält, werden die T-Shirts im obersten Stockwerk ausgegeben. Das ist zwar "nur" das vierte - nach europäischer Rechnung, die dem Erdgeschoss die Ordnungsnummer null verpasst, während die Nordamerikaner gleich bei eins zu zählen anfangen, wären sogar nur drei - doch hat man dank einer Grünanlage gegenüber von dort trotzdem einen ziemlich guten Blick über die Stadt.

Wie die Startnummern sind auch die im - für den Marathon hundert kanadische Dollar, also ungefähr fünfundsiebzig Euro betragende - Startgeld enthaltenen Funktionshemden je nach gewählter Strecke in einer jeweils anderen Farbe gehalten. Die Medaillen werden später ebenfalls verschiedene Formen haben und ihre Bänder farblich zu unterscheiden sein. Teilnehmer des Zehners oder des Halbmarathons lassen sich also sehr wohl hinterher von den echten Marathonis unterscheiden und können sich schlecht mit falschen Federn schmücken.

Neben den Parlamentsgebäuden wie dem East Block und … … der äußerlich an eine mittelalterliche Kirche erinnernden Bibliothek … … wird das schlossähnliche Luxushotel Château Laurier in Ottawa wohl am häufigsten fotografiert

Und natürlich sind die großen Fahnen, die als Kilometermarken dienen, für jede Distanz ebenfalls anders eingefärbt. Doch ein durchgängiges System, das jeder Streckenlänge genau einen Farbton zuordnet, gibt es nicht. Das Ganze geht ziemlich durcheinander. Für den Marathon ist das T-Shirt zum Beispiel dunkelblau und orange. Die Startnummer hat im Gegensatz dazu einen roten Hintergrund. Und das Medaillenband leuchtet in einem recht hellen Blau.

Dass die Markierungen auf der langen Distanz gelb sind, die des Halbmarathons dagegen grün, hängt eher mit dem Hauptsponsor Tamarack Homes - einer in Ottawa ansässigen Wohnungsbaugesellschaft - zusammen, der diese Farben in seinem Namenszug führt. Auch das zuvor blau-gelbe Veranstaltungslogo des Rennwochenendes hat mit dem Einstieg des neuen Geldgebers schließlich seine Farben gewechselt. Ähnliches lässt sich jedoch hierzulande inzwischen ebenfalls recht häufig beobachten.

Bemerkenswert ist der Sprachmix, den man dabei zu Ohren bekommt. Denn obwohl Ottawa selbst sich noch in der englischsprachigen Provinz Ontario befindet, hört man zu fast gleichen Teilen sowohl Englisch wie auch Französisch. Das liegt zum einen natürlich an den angereisten frankokanadischen Läufern. Doch jenseits des Flusses beginnt eben auch schon Québec, in dem die Französischsprachigen eine überwältigende Mehrheit besitzen.

Fast auf seiner gesamten Länge bildet der Ottawa River - oder der "Rivière des Outaouais", wie man ihn auf der anderen Seite zu nennen pflegt - die Grenze zwischen den beiden Provinzen, die in Kanada hinsichtlich Bevölkerungszahlen und Wirtschaftskraft noch immer eine dominierende Rolle einnehmen. Auch im Nachhinein stellt sich die Entscheidung Queen Victorias, ausgerechnet Ottawa zur Hauptstadt zu machen, als ziemlich glücklich und ausgewogen heraus.

Selbst wenn Ottawa offiziell die alleinige Hauptstadt ist, dehnt sich die "National Capital Region" als "Région de la capitale nationale" auch ins andere Sprachgebiet aus. Und eine ganze Reihe von Behörden hat ihren Sitz tatsächlich auf der Québecer Seite des Flusses. Da man zudem über ein halbes Dutzend Brücken problemlos zwischen beiden Ufern hin und her pendeln kann, ist die Trennung zwischen Anglo- und Frankophonen weit weniger stark ausgeprägt als im Zentrum der jeweiligen Landesteile.

Das "hi, bonjour", mit dem an erst einmal abklopft, welche Sprache dem Gegenüber lieber ist, stellt ähnlich wie in Montréal, das zwar in Québec liegt, aber eine starke angelsächsische Minderheit hat, eine übliche Begrüßungsformel dar. Für die Einstellung bei einer Bundesbehörde sind inzwischen sowieso zumindest Grundkenntnisse in den zwei offiziellen Landessprachen Kanadas notwendig

Doch auch ansonsten sind in der Region viele in der Lage, bei Bedarf von Französisch auf Englisch oder umgekehrt zu wechseln. Immerhin weit über ein Drittel der Bevölkerung hat bei der letzten Volkszählung angegeben, sich in allen beiden verständigen zu können. Auch die Verwaltung der Stadt Ottawa ist ganz offiziell zweisprachig, was sich zum Beispiel in Details wie Straßenschildern zeigt, die vor dem jeweiligen Namen ein "rue" und dahinter ein "street" führen.

Auch das Hauptpostamt von Ottawa mit seiner spitzwinkligen Hausecke … … der Kontrast zwischen viktorianischen Häusern und modernen Hochaustürmen im Stadtzentrum … ... und der nun als Konferenzzentrum dienende ehemalige Hauptbahnhof geben interessante Motive ab

Das Logo, das für die Hauptstadtregion wirbt, löst das Problem der unterschiedlichen Bezeichnungen ebenfalls ziemlich geschickt. Denn an den schwarzen Schriftzug "Capital" schließt sich ein geschwungener Bogen in rot an, den man entweder als "e" oder aber als jenen Weg interpretieren kann, die das ebenfalls abgebildeten Ahornblattes nach seiner Aufwirbelung durch einen Windstoß in der Luft zurück gelegt hat.

Natürlich sind beim Ottawa Race Weekend alle Informationen auch auf Französisch verfügbar. Und die Urkunde, die man sich nach dem Rennen aus dem Netz herunter laden kann, ist selbstverständlich zweisprachig gehalten. "Fin de semaine des courses" heißt die Veranstaltung dabei stets und verwendet damit eine eigentlich nur in Kanada übliche Formulierung. Denn im einstigen Mutterland hat sich - der alle Anglizismen möglichst meidenden offiziellen Sprachpolitik zum Trotz - längst das englische "weekend" als Bezeichnung fürs Wochenende durchgesetzt.

Auch auf der hinter der T-Shirts-Ausgabe beginnenden Marathonmesse ist die Lage Ottawas genau auf der Naht zwischen dem englisch- und dem französischsprachigen Kanada spürbar. Die mehreren Dutzend Anbieter, die dafür sorgen, dass die Expo ihren Namen in diesem Fall auch wirklich verdient hat, kommen jedenfalls eindeutig aus beiden Landesteilen. Ab Donnerstagabend dürfen die Läufer dort Geld ausgeben, denn bereits da sind die Pforten des hochmodernen Tagungszentrums für sie geöffnet.

Und auch den ganzen eher kühlen und windigen Freitag über kann man seine Unterlagen abholen und anschließend ein bisschen an den Verkaufsständen entlang schlendern. Doch ungewöhnlich früh endet die Startnummernausgabe. Samstags bleiben nämlich nur noch die sieben Stunden zwischen neun und vier Uhr. Genau zu diesem Zeitpunkt beginnt wenige hundert Meter entfernt vor der Ottawa City Hall bereits der sportliche Teil der Veranstaltung mit dem Start des Laufes über zwei Kilometer.

Zwar gibt es auch dabei eine Ergebnisliste, die sich mittels der in die Startnummer integrierten Chips unschwer erstellen lässt. Und hinter dem ersten dort verzeichneten Namen ist eine Zeit von knapp sieben Minuten verzeichnet. Doch mit einem echten "race" hat dieser Auftakt nur bedingt zu tun. Denn die mehr als dreitausend Teilnehmer sind im Durchschnitt über sechszehn Minuten unterwegs.

Von "M1-8" und "F1-8" bis zu "M80+" und "F80+" reicht die Bandbreite der gewerteten Altersklassen. Und alleine die Jüngsten liefern dabei weit über tausend Einträge. Das Ganze erinnert deswegen mehr an einem sportlichen Familienausflug, bei dem Großeltern und Enkel oder Eltern und Kinder einmal gemeinsam aktiv sein können. Im mittleren und hinteren Teil der Auflistung tauchen jedenfalls ziemlich häufig gleiche Familiennamen direkt hintereinander auf. Genau so ist es vermutlich auch gedacht.

Vielmehr haben die Erwachsenen, die meinen, bei diesem Lauf unbedingt vorneweg rennen zu müssen, dessen Sinn anscheinend nicht ganz verstanden. Für diejenigen, die sich wirklich sportlich messen wollen, gäbe es eine Stunde später schließlich auch noch die fünf Kilometer, bei denen es an der Spitze allerdings noch einmal deutlich schneller zur Sache gehen wird und man längst nicht so glänzen kann.

Moderne Glaspaläste wie die Erweiterung der Bank of Canada treffen im Regierungsbezirk auf historisierende Gebäude aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert

Zu diesem Zeitpunkt ist der Platz vor dem Rathaus, das neben dem Convention Centre - die Kanadier schreiben keineswegs "Center" wie die US-Amerikaner im Süden sondern halten sich an die im britischen Mutterland gebräuchliche Form - den Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung darstellt, längst mehr als gut gefüllt. Während die einen noch auf ihren Start warten, trudeln die Teilnehmer der ganz kurzen Strecke nun wieder langsam ein, um sich mit ihrem Anhang zu treffen.

Dass sich das Wetter zumindest optisch gegenüber dem eher bedeckten Vortag deutlich verbessert hat, trägt eindeutig dazu bei. Statt trüber Wolken lässt sich ziemlich häufig die Sonne am Himmel sehen und auch die Temperaturen sind mit knapp zwanzig Grad ganz erträglich. Es gibt also keinen Grund sich bis zuletzt irgendwo im Warmen zu verstecken. Nur die eine oder andere Windböe, die durch die Straßen pfeift, macht sich ziemlich störend bemerkbar und lässt dann durchaus schon einmal eine Absperrung auf den Boden krachen.

Während die Startlinien sich in den Straßen vor der City Hall befinden, dient der Park gegenüber als Ziel- und Versorgungsbereich sowie als "family reunion area". Hinter dem Rathaus ist ein Zelt für die Kleideraufbewahrung aufgebaut. Und auch der Einlauf befindet sich auf dieser - dem Start genau entgegen gesetzten - Seite der Stadtverwaltung. Allerdings ist er dann doch einige hundert Meter entfernt. Denn wegen der großen Masse von Läufern ist hinter dem Ziel selbstverständlich eine etwas längere Auslaufzone nötig.

Über zwei Kilometer wird mehr oder weniger nur eine Schleife gegen den Uhrzeigersinn um ein paar Häuserblocks gedreht, um das Ziel am Ufer des Rideau-Kanals zu erreichen, der das Stadtzentrum quer zum Ottawa River noch einmal in zwei Hälften teilt. Die Fünf-Kilometer-Strecke führt dagegen erst einmal in genau die entgegengesetzte Richtung, um den Bogen zur gegenüberliegenden Rathausseite andersherum - also mit dem Zeigerlauf - zu schlagen. Erst auf den letzten fünfhundert Metern treffen beide Kurse dann wieder zusammen.

Als Einzige dürfen die Läufer dabei kurz in die Hochhausschluchten von Downtown Ottawa eintauchen. Allerdings bleibt auch in dieser Hinsicht in der Hauptstadt alles eine Nummer kleiner als in Toronto oder Montréal, denn praktisch keiner der Türme übertrifft die Hundert-Meter-Marke. In den beiden großen Metropolen des Landes, aber auch in Vancouver oder Calgary baut man gelegentlich durchaus zwei- bis dreimal so hoch. Doch der eigentliche optische Höhepunkt ist die Passage vorbei am Parlamentsgebäude, auf die der Fünfer ebenfalls die Exklusivrechte hat.

Streng genommen sind es sogar gleich drei von der kanadischen Volksvertretung belegte Bauten, an denen man vorbei läuft. Denn neben dem "Centre Block" gibt es auch noch den "East Block" und den "West Block" die sich auf drei Seiten um eine Grünfläche gruppieren, auf der in den Sommermonaten - der Mai gehört noch nicht dazu - jeden Tag eine große Wachablösung stattfindet. Und die kanadischen Soldaten tragen dabei sehr wohl den roten Rock und die Bärenfellmützen ihrer britischen Pendants.

Auch sind alle drei Gebäude nicht ganz zufällig im gleichen neugotischen Baustil wie das Vorbild von London errichtet. In manchen Details fühlt man sich deswegen durchaus an mittelalterliche Kathedralen erinnert. Insbesondere die am mittleren Bauteil hinten angebaute Parlamentsbibliothek ginge auf den ersten Blick zweifellos als Kirche durch. Wobei es mit dem "angebaut" streng genommen eigentlich anders herum ist, denn als 1916 ein Großbrand fast das Gebäude in Schutt und Asche legte, blieb die Bücherei als einziges weitgehend verschont.

Rund um die die Markthallen des ByWard Market befindet sich in Lower Town - einem der ältesten Viertel Ottawas - das Ausgehviertel der Stadt mit vielen Restaurants und Kneipen

Beim Wiederaufbau wurde dem zentralen Bau dann auch der zweiundneunzig Meter hohe "Peace Tower" angefügt, der den alten Glockenturm um fast das Doppelte übertraf. Obwohl er in Wahrheit einige Meter niedriger ist als sein Gegenstück am Westminster Palace von London, wirkt der Turm durch seine extrem schlanke Form fast noch größer. Die schwerste der darin schlagenden Glocken kommt zwar gewichtsmäßig nicht an Big Ben heran. Doch die Melodie, die man von ihr zu hören bekommt, ist genau die gleiche wie in der Hauptstadt des Mutterlandes.

"Parliament Hill", wie man die drei Gebäude, den umliegenden Park und die darin stehenden Monumente zusammen kurz nennt, ist eindeutig die wichtigste Sehenswürdigkeit Ottawas. Die Besichtigung ist kein Problem. Auf dem gesamten Gelände kann man sich - abgesehen von den Baustellen, die es wegen der gerade durchgeführten Renovierung gibt - nämlich vollkommen frei bewegen. Von Barrikaden und strengen Kontrollen, wie sie in den USA inzwischen selbst bei weniger bedeutenden öffentlichen Gebäuden üblich sind, gibt es keine Spur.

Blaugekleideten Helfer von der Touristen-Information mit einem großen Fragezeichen auf dem Rücken schwirren durch die Anlagen und fragen jeden freundlich, ob sie irgendetwas erklären sollen. Und sie erkundigen sich zusätzlich auch, ob man nicht Interesse an einer kostenlosen Besichtigungstour hätte. Gäste sind also nicht nur willkommen sondern werden sogar regelrecht gesucht. Übrigens lauten ihre ersten beiden Worte fast immer "hi, bonjour". Denn selbstverständlich können alle in zwei Sprachen Auskunft geben.

Zumindest vom Fluss aus bestimmen die Bauten von Parliament Hill - von den Frankokanadiern, die vom anderen Ufer zu ihm hinüber schauen auch "Colline du Parlement" genannt - eindeutig das Stadtbild. Denn er erhebt sich nicht nur hoch über den Ottawa River, er ragt aus der übrigen Uferlinie auch noch ein wenig hervor. Wegen seiner markanten Position überlegte man sogar eine Zeit lang, dort eine Festung zu bauen. Als Ottawa dann allerdings zur Hauptstadt Kanadas erklärt wurde, entschied man sich schließlich, den Hügel als Regierungsbezirk zu nutzen.

Im Jahr 1859 legte der damalige Kronprinz und spätere König Edward - bis zu seinem Amtsantritt musste er allerdings noch über vier Jahrzehnte warten - den Grundstein. Dass die Gebäude auch fast zehn Jahre nach Baubeginn bei Gründung der neuen Konföderation mit Nova Scotia und New Brunswick noch nicht fertig gestellt waren und dennoch bereits ein Vielfaches der veranschlagten Kosten verursacht hatten, belegt wieder einmal, wie wenig neu dieser Typ von "Skandalen" eigentlich ist.

Bis die Bauarbeiten 1876 beendet werden konnten, waren bereits British Columbia, Manitoba und Prince Edward Island als weitere Landesteile dem Bund beigetreten. Und zudem hatte man von der Hudson's Bay Company auch die Verwaltung des größten Teils der übrigen britischen Besitzungen im Westen und Norden übernommen, so dass Kanada fast schon seine heutige Größe besaß.

Die City Hall von Ottawa bildet den Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung

Die Parlamentsbauten von Ottawa zählen - zumindest im eigenen Land - sicher zu den kanadischen Gebäuden mit dem größten Wiedererkennungswert. Und es ist sicher kein Zufall, dass sowohl auf den Geldscheinen aus der letzten, nun auslaufenden Serie als auch auf den jetzt in Umlauf gebrachten Polymer-Banknoten neben den Köpfen von Königin oder früheren Premierministern auf der Vorderseite jeweils ein Bauteil des Parliament Hill abgebildet ist.

Insgesamt 9500 Startplätze stehen für den Fünf-Kilometer-Lauf laut Ausschreibung zur Verfügung. Doch seien diese schon im Februar ausgebucht gewesen, als sie versucht habe sich anzumelden, berichtet eine Zuschauerin auf der am Parlament vorbei führenden, für den Lauf nur halbseitig gesperrten Wellington Street. Man sieht ihrem ständigen Hin- und Herwandern beim Vorbeilaufen des riesigen Feldes irgendwie an, dass sie wohl wirklich gerne dabei gewesen wäre.

Immerhin habe ihre Tochter kurzfristig noch eine Nummer bekommen und deswegen stehe sei nun an der Strecke. Nur so - nämlich durch die in Ottawa gegen eine Ummeldungsgebühr durchaus erlaubte Weitergabe von Startplätzen - lässt sich wohl auch erklären, dass im Ziel schließlich 8387 Teilnehmer registriert werden. Aus hiesiger Sicht ist dabei sicher mehr als bemerkenswert, dass mehr als fünftausend davon weiblich sind. In Ottawa ist das jedoch keineswegs etwas Besonderes.

Denn abgesehen vom Marathon stellen die Frauen auch bei allen anderen Rennen die Mehrheit. Wie beim Fünfer sind es auch beim Zehner nämlich etwa sechs Zehntel des Starterfeldes. Im Halbmarathon tauchen immerhin bei fünfundfünfzig Prozent aller Einträge in die Ergebnisliste ein "female" bei der Altersklassen-Zuordnung auf. Und selbst auf der ganz langen Distanz beträgt der Anteil noch ein volles Drittel - ein Wert, von dem man hierzulande noch weit entfernt ist.

Doch sieht man auch sonst in der kanadischen Hauptstadt mindestens so viele Frauen laufen wie Männer. Ohnehin fallen die vielen Jogger auf, die zu fast jeder Tageszeit in Ottawa unterwegs sind. Vermutlich haben die Menschen der Region nach dem Winter aber auch einfach das Bedürfnis ins Freie zu kommen. Verglichen mit hiesigen Werten fällt die kalte Jahreszeit in Kanada schließlich noch um einiges kälter aus.

Die langjährigen Durchschnittswerte liegen im Januar mehr als zehn Grad unter dem Gefrierpunkt. Zwanzig Grad minus sind überhaupt nichts Besonderes, dreißig Grad unter null durchaus einmal denkbar. Nur in wenigen anderen Hauptstädten der Welt - Moskau zum Beispiel - da kommt man auf ähnlich tiefe Werte. Umgekehrt entsprechen die Daten im Sommer allerdings ungefähr denen der hierzulande als besonders sonnen- und wärmeverwöhnt geltenden Städte Freiburg und Karlsruhe.

Mit dem für Kinder, Familien und Anfänger gedachten Lauf über zwei Kilometer wird das "Ottawa Race Weekend" am Samstag eröffnet

Blickt man einmal genauer auf die Karte ist das aber eigentlich gar nicht so ungewöhnlich. Denn entgegen aller intuitiven Ansätze muss man, um nach Ottawa zu gelangen, keineswegs nach Norden sondern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum leicht in Richtung Süden fliegen. Ziemlich genau in der Mitte zwischen Pol und Äquator ist die Stadt nämlich positioniert. Und die europäischen Entsprechungen auf diesem Breitengrad heißen Venedig, Verona, Mailand und Turin.

Brauchbare Trainingsstrecken können Läufer in Ottawa jedenfalls sogar mitten im Stadtzentrum finden. Denn sowohl entlang des Ottawa River als auch am Rideau Canal verlaufen auf beiden Seiten weitgehend kreuzungsfreie Fuß- und Radwege, auf denen sich viele Kilometer absolvieren lassen, ohne wirklich mit dem Autoverkehr in Berührung zu kommen oder in irgendeinem Park immer wieder die gleichen Runden drehen zu müssen.

Die Fünf-Kilometer-Route des Race Weekend orientiert sich nach dem kurzen Abstecher in die Innenstadt ebenfalls weitgehend am Kanal. Nach dessen Überquerung zieht sie sich - allerdings nicht auf dem Uferweg sondern über die parallel dazu verlaufenden Straße - erst ein Stück den künstlichen Wasserweg hinauf und steuert dann nach einem erneuten Seitenwechsel gegenüber in umgekehrter Richtung dem Ziel entgegen.

Gleich drei Läufer werden dort mit Zeiten unter sechzehn Minuten gestoppt. Der noch in der Jugendklasse M17-19 startende David Cashin aus dem rund hundertfünfzig Kilometer entfernten Pembroke absolviert die Strecke in 15:39. Die beiden Lokalmatadoren Kieran Day und Joseph Boland folgen dahinter mit 15:48 und 15:58. Schnellste Frau ist Georgette Mink nach 18:04 vor Erin Lee (18:34) und Arielle Fitzgerald (19:06). Dann wird das Feld aber auch bei den Damen schnell dichter, denn insgesamt vierzehn von ihnen bleiben noch unter zwanzig Minuten.

Nachdem auch die Letzten aus dem ersten wirklichen Rennen langsam wieder im Ziel eingetroffen sind, füllt sich die zuvor als Startgerade für die beiden mit zehn Minuten Abstand auf die Strecke geschickten Wellen dienende Elgin Street rund um die City Hall und das benachbarte Ottawa Courthouse erneut, diesmal allerdings am Straßenrand. Denn mit dem Zehner steht um halb sieben der erste sportliche Höhepunkt des Wochenendes an.

Neben mehr als neuntausend Läufern, die sich in der in rechtem Winkel zur Elgin Street verlaufenden Laurier Avenue direkt vor dem Rathaus aufstellen - ein für alle Rennen gemeinsames Ziel macht bei genauer Vermessung der jeweiligen Strecken natürlich verschiedene Startpunkte unvermeidlich - werden nämlich auch etliche internationale Spitzenathleten auf dieser Distanz antreten.

Als Einzige dürfen die Teilnehmer am Fünfer auch direkt am kanadischen Parlament vorbei laufen

Eindeutig bekanntester Name ist dabei Geoffrey Mutai, der zwar schnellster Marathonläufer aller Zeiten aber trotzdem nicht Weltrekordler ist, weil seine Bestmarke von 2:03.02 auf der wegen zu weit auseinander liegenden Start und Zielorte sowie zu viel Gefälle den strengen Regeln zufolge gleich doppelt irregulären Bostoner Traditionstrecke erzielt wurde. Bereits 2012 hatte der Kenianer in Ottawa gewonnen und im Vorfeld wurde über einen Angriff auf den bei 27:24 stehenden Streckenrekord - gehalten von Deriba Merga, einem anderen Boston-Sieger - spekuliert.

Vier Minuten vor den Männern gehen aber erst einmal die Elite-Frauen auf die Strecke. Der Handicap-Start soll für einen zusätzlichen Spannungsbogen sorgen, bei dem es darum geht, ob die schnellsten Herren diesen Vorsprung noch aufholen können. Schließlich ist neben den Preisgeldern in den jeweiligen Kategorien eine zusätzliche Prämie für das allererste Überqueren der Ziellinie ausgeschrieben.

Auch wenn der größte Teil der Publikum, dessen dichtes Spalier sich über mehrere Häuserblocks die Elgin Street - im Gegensatz zum Fünfer nun wieder von der Innenstadt weg - entlang zieht, den Start selbst überhaupt nicht sehen kann, ist schon durch den plötzlich anschwellenden Geräuschpegel der Moment unverkennbar, in dem sich die Läuferinnen in Bewegung setzen. Eine regelrechte Welle trägt die rund zwei Dutzend "elite women" zuerst um die Ecke und dann die schnurgerade Straße hinauf.

Weitaus lauter und schriller als hierzulande sind schließlich die Anfeuerungsrufe der Nordamerikaner. Im Extremfall können auch schon einmal einige wenige Zuschauer einen fast ohrenbetäubenden Lärm veranstalten. Beim Marathon am Folgetag wird sich dies beim Durchlaufen des einen oder anderen Stadtviertels ziemlich gut beobachten lassen. In der von tausenden Menschen gesäumten Verkehrsachse wird daraus ein regelrechter Orkan der Begeisterung.

Vier Minuten später wiederholt sich das gleiche Schauspiel noch ein weiteres Mal. Nur schwillt der erneut so plötzlich entstandene Sturm dieses Mal so schnell nicht wieder ab. Denn nun ist auch das Hauptfeld mit auf die Reise gegangen und viele Minuten lang strömen immer neue Läufer aus dem Startbereich hinaus auf die Elgin Street. Und auch all diesen wird natürlich entsprechender Jubel zuteil.

Nach eineinhalb immer geradeaus führenden Kilometern werden sie auf den im Bogen verlaufenden Rideau Canal treffen und ihn bis zum Ende des Rennens eigentlich nicht mehr verlassen. Denn der Zehner holt zwar deutlich weiter aus als der Fünfer, er führt aber - wenn auch größtenteils auf einem anderen Abschnitt - ebenfalls praktisch nur an einem Ufer des Kanals hin und dann am anderen wieder zurück.

Als der riesige und dichte Pulk dann langsam beginnt auszudünnen und schließlich auch die Letzten ihren Weg angetreten haben, setzt augenblicklich eine massive Abwanderungsbewegung ein. Immerhin sind es einige hundert Meter bis hinüber zum Zieleinlauf. Und viel Zeit bleibt angesichts des von den Assen angeschlagenen Tempos nicht mehr, um noch rechtzeitig dorthin zu gelangen.

Die vier Minuten Abstand zwischen Frauen und Männern entsprechen zwar nicht ganz der etwas engeren Differenz der beiden Weltrekorde, doch stellen sie sich auf den letzten Metern in Ottawa als ziemlich perfekt gewählt heraus. Dann kaum hat sich die Marokkanerin Malika Assahah mit einem kurzen energischen Antritt etwa fünfhundert Meter vor dem Ziel von ihrer letzten Begleiterin Firehiwot Dado aus Äthiopien leicht gelöst, da rauscht auch schon in noch höheren Tempo eine männliche Vierergruppe vorbei.

Anschließend führt die Fünf-Kilometer-Strecke an der Glasfassade des neuen Convention Centre vorbei, in dem man zuvor die Startnummern erhalten hatte

Neben dem großen Favoriten Geoffrey Mutai befinden sich auch noch der Äthiopier Adugna Bikila sowie die Marokkaner El Hassan El Abbassi und Najim El Qady in ihr. Es gelingt dem Quartett tatsächlich noch die schnellen Frauen abzufangen. Es sind allerdings nur wenige Sekunden, die sie vor der 31:45,7 laufenden Malika Assahah die Linie überqueren. Nicht nur wegen der von hinten heran fliegenden Männer muss diese sich lang machen. Auch Firehiwot Dado gibt nämlich nicht auf und sitzt der Marokkanerin mit ihren 31:48,2 bis zuletzt im Genick.

Bei den Herren ergibt der Zielsprint ein mindestens genauso überraschendes Bild. Denn nicht etwa Geoffrey Mutai hat die Nase vorne. Der schnellste Marathonläufer aller Zeiten muss sich vielmehr in 27:38,4 mit Rang drei begnügen. Und Adugna Bikila aus der anderen großen Läufernation landet mit 27:37,3 auf dem zweiten Platz.

Vorbei am üblichen Zweikampf zwischen Äthiopiern und Kenianern schiebt sich diesmal El Hassan El Abbassi ganz nach vorne. Nach 27:36,6 bleiben die Uhren für ihn stehen. Für seinen Landsmann und Rennstall-Kollegen Najim El Qady werden als letzten aus der Führungsgruppe schließlich 27:41,9 gestoppt. Frauensiegerin Malika Assahah gehört ebenfalls zu diesem Team, das also sicher nicht seinen schlechtesten Zahltag erlebt.

Rang drei bei den Damen liest sich ebenfalls ziemlich überraschend. Schließlich taucht dort als Länderkürzel ein "NZL" auf. Mary Davies heißt die schnelle Kiwi, die mit einem neuen Hausrekord von 32:08,4 der als Vierte noch bestplatzierten Kenianerin Hellen Jemutai (32:12,8) die Hacken zeigt. In der kanadischen Laufszene ist sie wahrlich keine Unbekannte. Denn obwohl sie inzwischen im texanischen Houston ansässig ist, lebte sie bis vor Kurzem noch in Ottawa und hat unter anderem einen Sieg beim Toronto Waterfront Marathon in 2:28:56 zu Buche stehen.

Bei inzwischen wieder eingetrübten Himmel und Temperaturen zwischen zehn und fünfzehn Grad, die ohne den störenden Wind nahezu optimale Wetterbedingungen darstellen würden, kommen wenig später Lanni Marchand (32:45,8) und Krista Duchene (32:51.9) auf den Frauen-Plätzen sechs und sieben als schnellste "echte" Kanadierinnen ins Ziel. Männliches Gegenstück ist Kelly Wiebe, der auf Platz acht mit seinen 29:22 den vierminütigen Vorsprung der beiden allerdings nicht mehr ganz aufholen kann.

Fast exakt zwölf Stunden später ist die Elgin Street erneut gut gefüllt. Denn bereits für sieben Uhr ist am Sonntagmorgen der Start des Marathons angesetzt. Die rund fünftausend Sportler, die sich vor dem Ottawa Courthouse und dem benachbarten, über hundert Jahre älteren "Heritage Building", in dem ein Teil der Stadtverwaltung sitzt und das mit seinen Erkern und Türmchen einen deutlichen Kontrast zum nüchternen Gerichtsgebäude darstellt, versammeln, haben also eine eher kurze Nacht hinter sich.

Im Gegensatz zum Zehner wird der Marathonkurs nach dem Start wieder nach Norden auf das Regierungsviertel zuführen. Der ständige Richtungswechsel von einem Wettbewerb zum nächsten wird also weiter beibehalten. Und auch danach wird man noch einmal die Orientierung der Startgeraden umdrehen. Denn zwei Stunden später werden die insgesamt etwa zehntausend Läufern beim Halbmarathon zwar von der gleichen Stelle, aber erneut genau entgegengesetzt losgeschickt.

Nach vier Minuten Wartezeit setzen die schnellsten Männer über zehn Kilometer … … dem vor ihnen gestarteten Elitefeld der Frauen nach

Doch nicht nur auf der Elgin Street stehen die angehenden Marathonis. Gleichzeitig haben sie auch auf der "Sens Mile" Aufstellung genommen. Allerdings ist dies trotz verschiedener Namen genau das gleiche. Immer dann, wenn das lokale Eishockey-Team, die "Ottawa Senators" in den Play-Offs um den Stanley Cup stehen, wird nämlich ein Abschnitt der Straße einfach umbenannt. Was als Aktion einiger ansässiger Wirte begann, ist inzwischen längst von der Stadtverwaltung abgesegnet. Rote Schilder zeigen unter den offiziellen Tafeln die Umbenennung an.

Eigentlich hätten sie aber an diesem Tag bereits abmontiert sein können. Denn am Freitag vor dem Race Weekend waren die Senators - am der anderen Flussufer auch "Sénateurs d'Ottawa" genannt - als letzte kanadische Mannschaft gegen Pittsburgh im Viertelfinale aus den NHL-Playoffs ausgeschieden. Das "united in red" - rot ist meist die Trikotfarbe der "Sens" - das man an einigen Stellen in der Stadt noch zu lesen bekommt, hat sich nun erübrigt.

Wieder einmal kommen die letzten vier Teams im Kampf um die für die Nordamerikaner wohl wichtigste Trophäe im Eishockey nur noch aus den USA. Trotzdem werden die Partien natürlich auch weiter im Fernsehen - und zwar nicht nur in den über die Grenze hinweg zu empfangenden amerikanischen Sendern sondern auch auf kanadischen Stationen - übertragen. Immerhin sind ja noch viele Spieler aus Kanada dabei. Der Stanley-Cup bewegt das Land.

Ein an diesem Wochenende im fernen Europa ebenfalls stattfindende Fußballspiel, von dem man hierzulande schon Wochen zuvor den Eindruck gewinnen konnte, es gäbe nichts Wichtigeres mehr auf der Welt, wird praktisch nirgendwo auch nur erwähnt. Einzig in der einen oder anderen Zeitung findet man dazu einen Fünfzeiler oder zumindest das Ergebnis in den für die nordamerikanische Presse typischen Statistikteilen.

In Kanada, das sich als Mutterland des Eishockey empfindet und es zumindest hinsichtlich der heute gültigen Regeln wohl tatsächlich auch ist, stellt das Ausscheiden aller heimischen Teams aber wieder einmal eine kleine Katastrophe dar. Nun ist es immerhin schon zwanzig Jahre her, dass die Canadiens de Montréal zum letzten Mal den Pokal ins nördliche der beiden Länder holten, über die sich Profi-Liga erstreckt. Deshalb hatten sich zuletzt auch die Anhänger der übrigen kanadischen Teams größtenteils hinter den Senators versammelt.

Es sind in jenen Tagen allerdings so ziemlich die einzigen kanadischen Senatoren, die noch einen guten Ruf haben. Etliche ihrer politischen Namensgeber sind nämlich gleichzeitig in einen Spesen-Abrechnungsskandal verwickelt, über den auf dem Parliament Hill gerade eine Anhörung stattfindet. Und nun wird in ganz Kanada sogar über eine vollkommen Abschaffung dieser zweiten Parlamentskammer diskutiert

Dass ihre Mitglieder nicht gewählt sondern - als Analogie zum britischen Oberhaus - auf Vorschlag des jeweiligen Premierministers vom Generalgouverneur, dem formalen Vertreter der Königin in Kanada ernannt werden und anschließend theoretisch bis zum fünfundsiebzigsten Lebensjahr amtieren können, ohne sich jemals wieder einem Votum des Volkes stellen zu müssen, dient dabei genauso als zusätzliches Argument wie die ungleiche Verteilung der Sitze auf die einzelnen Provinzen und Territorien des Landes.

Denn diese ist längst nicht mehr zeitgemäß, sie stammt noch aus den Anfangstagen der Konföderation. Und so stellen die beiden damals wichtigen Atlantikprovinzen New Brunswick und Nova Scotia trotz einer Bevölkerung von gerade einmal sieben- und neunhunderttausend Menschen jeweils zehn Senatoren, während British Columbia oder Alberta, die inzwischen auf vier bis fünf Millionen Einwohner angewachsen sind, nur sechs zustehen.

Zusammen mit den männlichen Spitzenathleten geht auch das rund neuntausend Läufer zählende Hauptfeld auf die Reise Mit einem kurzen energischen Antritt etwa fünfhundert Meter vor dem Ziel löst sich die Marokkanerin Malika Assahah von ihrer letzten Begleiterin Firehiwot Dado aus Äthiopien Kurz vor dem Ziel liegt Geoffrey Mutai noch in Front, am Ende wird er hinter El Hassan El Abbassi (am Gruppenende) und Adugna Bikila (in Grün) nur Dritter

Ein farbiger Streifen auf der Startnummer soll für ein wenig Ordnung in der Aufstellung sorgen. Er gibt den "Corral" vor, der auf beiden Seiten der Straße mit bunten Fahnen angezeigt wird. Allerdings ist der Begriff, den man durchaus mit "Pferch" übersetzen könnte, dann doch nicht ganz zutreffend. Mit Gittern abgesperrt ist nämlich nur die Zone direkt an der Startlinie. Weiter hinten im Feld ist der Zugang zu den jeweiligen Bereichen dagegen auf allen Seiten vollkommen offen.

Eine Kontrolle, ob jeder dort steht, wo er laut Vorgabe stehe sollte, ist also überhaupt nicht möglich und findet deswegen natürlich auch nicht statt. Trotzdem funktioniert alles ziemlich reibungslos und ohne jedes Gedränge - und das obwohl angesichts der frühen Uhrzeit und der noch ziemlich frischen Temperaturen der richtige Zustrom erst in der letzten Viertelstunde vor dem Startsignal einsetzt und alle praktisch gleichzeitig ihre Positionen einnehmen.

Noch genauer als durch die in Halbstundenschritten aufgeteilten Startgruppen wird das richtige Einsortieren durch die zahlreichen "rabbits" ermöglicht, die im Feld ihre Schilder nach oben halten. Denn Zugläufer - wie in Kanada üblich von der heimischen Laufladen-Kette "Running Room" nicht nur T-Shirts sondern auch Kappen mit Hasenohren als Erkennungszeichen ausgerüstet - gibt es in extrem feine Abstufungen von fünf bis zehn Minuten.

Und für fast jede Endzeit werden dabei sogar noch zwei verschiedene Taktik-Varianten angeboten. Neben der Gruppe "continuous", in der mit gleichmäßigen Durchlaufen die Vorgabe erfüllen soll, hat man nämlich auch noch Möglichkeit "run / walk" zu Auswahl, bei der die Schrittmacher zwar ein etwas höheres Grundtempo anschlagen, dafür unterwegs aber immer wieder einmal Gehpausen einbauen.

Während man sich langsam einordnet, ertönt aus den Lautsprecherboxen "O Canada". Und zwar nicht etwa vom Band. Die Sängerin Andrea Lindsay steht in diesem Moment genau neben dem Startbogen. Nicht nur in den USA sondern auch in Kanada intoniert nämlich vor jeder größeren Sportveranstaltung irgendjemand die Nationalhymne direkt ins Mikrofon hinein. Hierzulande hat man ähnliche Ansätze nach einem ziemlich verunglückten Versuch vor einem Fußballspiel dagegen schnell wieder aufgegeben.

Andrea Lindsay, die zuvor bei einer kurzen Befragung berichtet hatte, dass sie selbst am Vortag über zehn Kilometer am Start war, singt a cappella, also ohne jede Musikbegleitung, Und niemand singt mit. Der Rest der Anwesenden hört einfach nur andächtig zu. Was bei der Marseillaise oder "Fratelli d'Italia" schon wegen der wesentlich flotteren Melodien kaum denkbar wäre, kann bei der getragenen Hymne von und an Kanada schon für ein klein wenig Gänsehaut sorgen.

Das kanadische Trio Leah Larocque, Marie Caroline Cote und Myriam Grenon (v.l.) erläuft sich die Ränge fünfzehn bis siebzehn bei den Frauen Kelly Wiebe ist als Achter in 29:22 bester Kanadier im Rennen der Herren Der Australier Martin Dent landet nach 29:49 einen Platz dahinter

Zwischendurch springt die Profisängerin und Hobbyläuferin - eine Zeit von knapp unter fünfundsechzig Minuten hatte sie ziemlich genau auf Platz sechstausend von neuntausend Teilnehmern im Ziel landen lassen - dabei vom Englischen ins Französische und einige Zeilen später auch wieder zurück. Das ist insbesondere im Osten des Landes, wo die beide verschiedensprachigen Bevölkerungsgruppen aufeinander treffen, nicht unbedingt unüblich. Eigentlich so vorgesehen ist das aber nicht.

Im Gegensatz zur südafrikanischen Hymne, die mit voller Absicht eine ganze Handvoll der elf verschiedenen Landessprachen nacheinander benutzt, existieren für das kanadische Gegenstück jeweils eine separate englische und eine französische - übrigens das Original und beinahe drei Jahrzehnte älter - Fassung, deren Texte nicht einmal echte Übersetzungen voneinander sind. Zudem gibt es inzwischen unter anderem auch noch halboffizielle Varianten in Inuktitut, Cree oder Athabaskisch.

Der Sprachenwechsel mitten im Lied ist so exotisch nicht. Gerade auf Québecer Radiosendern ertönen in schöner Regelmäßigkeit moderne Pop- und Rock-Songs, die sich nicht einseitig auf Englisch oder Französisch festlegen wollen. Dass bei den ebenfalls nicht seltenen zweisprachigen Duetten in der Regel stets die Frauen den französischen Part übernehmen, mag Zufall sein, fällt aber irgendwie trotzdem auf.

Ein einfaches Signalhorn und nicht etwa ein Schuss schickt die fünftausend Läufer auf die Reise. Es sind so viele wie nie zuvor. Sogar mehr als sechstausend Meldungen hatte man entgegengenommen, bevor im März auch beim Marathon als letzter Strecke das Portal geschlossen wurde. In ganz Kanada ist bisher noch kein größeres Feld über zweiundvierzig Kilometer - im Gegensatz zum südlichen Nachbarn und dem britischen Mutterland nutzt man längst die metrische Maßeinheit anstelle der Meile - unterwegs gewesen.

Gleich nach dem Start passieren sie mit dem auf der linken Seite das Luxushotel "Lord Elgin", das mit seiner schlossähnlichen Dachkonstruktion genau jenen "Châteauesque" genannten Baustil zeigt, der sich bei einer ganzen Reihe anderer kanadischer Nobelunterkünfte entdecken lässt. Da hinter ihm längst weit höhere Wolkenkratzer aufragen, hat es trotz seiner mehr als ein Dutzend Stockwerke jedoch eine deutlich unauffälligere Position wie einige seiner Geschwister.

Auch in Ottawa selbst gibt es ein deutlich prominenteres Beispiel für diese monumentale Art der Herbergsarchitektur, das sich die Marathonis wenig später ebenfalls direkt von der Laufstrecke betrachten können. Erst einmal geht es allerdings am schräg gegenüber des Hotel stehenden National Arts Centre vorbei.

Das wegen seiner kahlen, glatten Wände von außen fast ein wenig bunkerähnlich wirkende Kulturzentrum beherbergt im Inneren mehrere Konzert, Opern- und Theatersäle. Dass dort praktisch alle verschiedene Sparten der "performing arts" aufeinander treffen und sowohl englisch- als auch französischsprachige Stücke gespielt werden, passt irgendwie zur Hauptstadt und ist ziemlich einzigartig im Land.

Gleich nach dem Start in der Elgin Street gibt es rund um den Confederation Square - dank zentraler Lage und dem auf ihm stehenden National War Memorial die heimliche touristische Drehscheibe Ottawas - eine Menge zu sehen

Direkt dahinter teilt sich die Elgin Street, schwenkt in spitzem Winkel nach links und rechts auseinander und bildet dadurch einen dreieckigen Platz. Obwohl der Confederation Square - eigentlich falsch benannt, weil nach etlichen Umbauten nicht mehr im Geringsten quadratisch - selbst gar nicht als große Sehenswürdigkeit gehandelt wird, ist es die heimliche touristische Drehscheibe Ottawas, an der man in der Regel gleich mehrfach am Tag irgendwie vorbeikommt.

Denn rund um die Freifläche - oder zumindest innerhalb weniger Häuserblocks Entfernung - findet sich in der kanadischen Hauptstadt fast alles, was Eingang in die Reiseführer gefunden hat. Immerhin verfügt er durch das nach dem ersten Weltkrieg in seiner Mitte errichtete, später dann aber auch den in späteren Kriegen Gefallenen gewidmete "National War Memorial" sowie das erst relativ spät - nämlich im Jahr 2000 - hinzugefügte Grabmal des unbekannten Soldaten auch über einen eigenen Eintrag.

Es ist sicher eine der monumentalsten, aber längst nicht die einzige Gedenkstätten in dieses an Denkmälern ziemlich reiche Stadt. Meist handelt es sich dabei um lebensgroße Figuren. Rund ums Parlament stehen zum Beispiel rund ein Dutzend "Väter der Konföderation" und ehemalige Premierminister. Dazu blickt von der einen Seite Queen Victoria auf den Centre Block und auf der anderen sitzt ihre - noch ziemlich jung dargestellte - Ur-Urenkelin Elizabeth, die langsam aber sicher Victorias Rekord für die längste Regierungszeit ins Visier nimmt, hoch zu Pferd.

Neben dem Art Centre hockt zum Beispiel der bekannte kanadische Pianist Oscar Peterson an seinem Flügel. Vor dem Rathaus findet sich ein Monument für die im Dienst umgekommen Feuerwehrmänner der Stadt. Im Park gegenüber erinnert das "National Aboriginal Veterans Monument" an alle Soldaten der "First Nations" und Inuit, die in den kanadischen Streitkräften dienten. Und unweit davon gibt es sogar ein Denkmal für von der Armee im Krieg eingesetzte Tiere.

Der nordwestliche, in Laufrichtung linke Ast der Elgin Street stößt hinter dem "Konföderationsplatz" jedenfalls genau auf den Parliament Hill. Direkt gegenüber der Freifläche befindet sich der - zurzeit allerdings ein wenig hinter Bauzäunen versteckte - Ostflügel des Parlaments. Und noch etwas weiter zurück ragt der Peace Tower aus dem Zentraltrakt hoch in den Himmel hinauf.

Die Straßenecke auf der anderen Seite der Wellington Street besetzt der "Langevin Block", in der sich das Büro der Premierministers befindet. Deswegen wird dieser Begriff - analog zur "Downing Street" in London oder dem "Elysee-Palast" in Paris - bei politischen Kommentaren auch gerne einmal als Synonym für die kanadische Regierung benutzt. Von besonderen Sicherungsmaßnahmen ist allerdings genau wie bei den Parlamentsgebäuden nicht das Geringste zu sehen.

Noch weiter links schließt sich an die Diensträume des Premiers - der offizielle Wohnsitz hat dagegen die Adresse "24 Sussex Drive" und befindet sich etwas außerhalb - das "Central Post Office" an, dessen Vorgängerbau einst für den Conferation Square weichen musste. Jenseits der Elgin Street beginnt auch das zentrale Geschäftsviertel mit seinen Hochhäusern, denen allerdings einige über hundert Jahre alte Backsteingebäude im Vordergrund ein ziemlich interessantes Gegengewicht verpassen.

Am Château Laurier führt die Marathonstrecke direkt vorbei … … die Parlamentsgebäude kann man nur mit einem gewissen Abstand betrachten

Zwischen ihnen und dem Hauptpostamt beginnt die Sparks Street, die als einzige Straße der Innenstadt in eine Fußgängerzone - übrigens bereits in den Sechzigern als eine der allerersten im autofixierten Nordamerika - umgewandelt wurde. Neben einigen noch aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Bauten, in denen sich oft Restaurants mit Freiluftbereichen einquartiert haben, findet sich in ihr auch die Zentrale der Bank of Canada, der kanadischen Notenbank.

Hinter und über das - dem Parliament Hill zugewandten - alte Hauptgebäude aus den Dreißigern hat man einen Erweiterungstrakt mit hohen Glasfassaden und einer über die gesamte Höhe reichende, begrünte Eingangshalle gesetzt. Dieser Garden Court steht Besuchern genauso offen wie jene Teile des Hauses, in denen sich das "Currency Museum" - das kanadische Währungsmuseum - befindet.

Solche Kombinationen und öffentlich zugängliche Bauten von Bundesbehörden sind in Ottawa keineswegs eine Ausnahme. Zwei Häuserblöcke näher am Confederation Square befindet sich in der gleiche Straße zum Beispiel das mit seiner vielfach unterbrochenen Fassade schon optisch ziemlich bemerkenswerte "Thomas D'Arcy McGee Building". Errichtet wurde es als Zentrale einer Bank, die immer noch einen Teil der Büros belegt.

Später zogen nach und nach immer mehr Behörden ein. Und irgendwann übernahm der Staat das Gebäude in sein Eigentum. So prangt nun an der Fassade neben dem Logo der "Royal Bank" auch der Schriftzug "Canada". Und als wäre das Aufeinandertreffen von Bundesgerichten - denn diese sind einer der Hauptnutzer - mit der Verwaltungszentrale eines Geldinstitutes im gleichen Haus aus hiesigem Blickwinkel nicht schon seltsam genug, findet sich in den unteren Etagen dann auch noch ein kleines Einkaufszentrum.

Und vor den jeweiligen Starts standen während des Wochenendes als weiteres Beispiel für den ziemlich entspannten Umgang der Kanadier mit den Gebäuden ihren Behörden die Türen der Ottawa City Hall für alle Läufer absolut offen. So wurden die Gänge im Erdgeschoss nicht nur als Aufenthaltsraum genutzt, viele funktionierten sie zusätzlich auch zu lang gezogenen Umkleidekabinen um. Was bei Regenwetter dort los sein dürfte, mag man sich kaum vorstellen.

Nicht nach links in Richtung Banken und Parlament drehen die Marathonis am Confederation Square allerdings ab sondern nach rechts. Auf der von ihnen angesteuerten nordöstlichen Ecke, wird der Platz schließlich zu einer breiten Brücke über den Rideau Kanal. Jenseits davon wartet in direkter Blickrichtung das schon erwähnte zweite schlossähnliche Luxushotel, das "Château Laurier". Mit seinen vielen verspielten Türmen und Türmchen ließe es sich aus manchen Blickwinkeln fast schon als das Cinderella Castle aus Disneyland ausgeben.

Es thront gegenüber des Parliament Hill auf einem fast genauso hohen Hügel. Und gäbe es dort nicht die noch etwas imposantere neugotische Konkurrenz, würde diese Edelunterkunft die Stadtansicht von Ottawa fast ähnlich dominieren wie es das Château Frontenac in Québec tut. Mit diesem hat es auch die Entstehungsgeschichte gemein. Denn gebaut wurden beide "Châteaus" von - wenn auch verschiedenen - Eisenbahngesellschaften, die sich davon zusätzliche Geschäfte versprachen.

Auch die Marathonis passieren das Convention Centre … … und unterqueren anschließend die Laurier Avenue Bridge

Neben Innenstadthotel in Bahnhofsnähe für gutbetuchte Geschäftsreisende gab und gibt es auch noch eine zweite Variante, bei der man sich an landschaftlich besonders schönen Plätzen positionierte, um reiche Urlauber anzulocken. Beispiele und ebenfalls ziemlich bekannte Fotomotive sind das Chateau Lake Louise und das Banff Springs Hotel in den gleichnamigen Orten oder das Prince of Wales Hotel - übrigens als einziges von eine Bahngesellschaft aus den USA gebaut - im Waterton Lakes National Park.

In Ottawa hatte man das moderne Schloss trotz seiner herausragenden topographischen Lage allerdings direkt neben der Union Station errichtet. Und tatsächlich hat das Gebäude auf der gegenüber liegenden Straßenseite, zwischen dem und dem Hotel die Marathonstrecke hindurch führt, mit seiner Säulenarchitektur äußerlich viel von einem Hauptbahnhof. Doch Züge fahren von dort seit fast fünfzig Jahren keine mehr. Es ist zum "Government Conference Centre" umgewandelt worden.

In den späten Sechzigern wurden - keineswegs untypisch für Nordamerika - die Gleise aus der Innenstadt verbannt. Einen Bahnhof hat man in Ottawa zwar noch. Doch befindet der sich nun einige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Und die Zahl der täglichen Verbindungen, die vom Bahnbetreiber VIA Rail Canada in die - für einen gegenüber anderen Transportmitteln konkurrenzfähigen Zugverkehr genau richtig weit entfernten - Metropolen Toronto und Montréal angeboten werden, liegt gerade einmal bei jeweils einem halben Dutzend.

Zuletzt wurden die ohnehin ziemlich löchrigen Fahrpläne sogar eher noch weiter zusammen gestrichen. Und während die Deutsche Bahn ihre jährlichen Passagiermenge in Milliarden angibt und auch die SBB in der Schweiz oder die ÖBB in Österreich hunderte von Millionen Fahrgäste innerhalb von zwölf Monaten zählen, bleibt man bei VIA Rail über den gleichen Zeitraum im einstelligen Millionenbereich hängen.

Dabei würde sich der Québec-Windsor-Korridor eigentlich für ein Schnellbahnsystem nach europäischem Vorbild geradezu anbieten. Aber über erste Voruntersuchungen ist man in Kanada während einer nun bereits mehr als zwei Jahrzehnte laufenden Debatte noch immer nicht hinaus gekommen. Die notwendigen Investitionen wären aufgrund bisher kaum vorhandener Infrastruktur eben immens - und in einer so stark autobezogen Gesellschaft wie der kanadischen anfangs nur schwer vermittelbar. Ein Kulturwechsel diesbezüglich wird wohl noch viel Zeit benötigen.

Auch der Nahverkehr in Ottawa wird weitgehend ohne Schienen abgewickelt. Busse sind praktisch die einzigen öffentlichen Verkehrsmittel. Allerdings verkehren sie außerhalb des Stadtzentrums zum Teil auf eigenen kreuzungsfreien Busstraßen, sogenannten Transitways, die für alle anderen Fahrzeuge gesperrt sind, so dass es zu keine Staus kommt. Die Haltestellen sind zudem mit Überführungen und Halteplattformen fast wie Bahnstationen ausgebaut.

In den Außenbezirken sind die Busse von "OC Transpo" zumindest in den Stoßzeiten dadurch deutlich schneller als der Individualverkehr. Wenn sie im Innenstadtbereich den Transitway allerdings verlassen müssen, ist der Vorteil - trotz auch dort meist markierter Busspuren - weitgehend dahin. Abgesehen von Flughafentransfer ist ihre Benutzung aber auch kaum nötig. Ottawa ist eine Stadt, die man aufgrund der überschaubaren Größe seines Zentrums eigentlich sehr gut auch zu Fuß erkunden kann.

Die von den Marathonis gerade überquerte Brücke gehört aber nicht nur wegen Château Laurier und Government Conference Centre zu den beliebtesten Aussichtspunkten der Stadt. Direkt unter ihr endet nämlich auch die Schleusentreppe, durch die der Rideau Canal jene ungefähr fünfundzwanzig Höhenmeter gewinnt, die es zwischen seinem Ausgangspunkt am Ottawa River und dem Plateau, auf dem anschließend er weiter verläuft, zu überwinden gilt.

Mehrere Kilometer lang orientiert sich der Kurs immer am Rideau Canal Die Jugendlichen, die an einer "cheering station" auf ihren Trommeln herum wirbeln, bilden in dieser Passage eigentlich schon die größte Menschenansammlung

Insgesamt acht "locks" hat man dazu hintereinander geschachtelt, die selbst ohne das über ihnen aufragende Schlosshotel eine touristische Attraktion wären. Zusammen bilden beide neben dem Parlament das wohl markanteste Bild, das Ottawa zu bieten hat. Dass die noch immer noch hölzernen Schleusentore vollkommen frei zugänglich und sogar begehbar sind, sorgt bei Besuchern und Einheimischen nur für zusätzliche Attraktivität.

Der Rideau Canal - seinen Namen hat er vom Rideau River übernommen, an dem er sich auf ungefähr zwei Dritteln seines Weges orientiert - verbindet seit 1832 Ottawa mit dem Ontariosee. Und er ist der eigentliche Ausgangspunkt der Stadtentwicklung. Bevor 1826 mit seinem Bau begonnen wurde, gab es in der Region nur wenige Siedler, die zumeist davon lebten davon, Holz in den umliegenden, beinahe endlosen Wälder zu schlagen und es dann in die flussabwärts gelegenen Städte Montréal und Québec zu verkaufen.

Nach dem zwischen 1812 und 1815 von Briten und Amerikanern um die Herrschaft über Kanada geführten Krieg, der nach mehreren Tausend Toten eigentlich nur damit endete, dass alles beim Alten blieb, hatte man auf britischer Seite beschlossen, für den nächsten Konflikt einen sicheren Nachschubweg zwischen dem Ontariosee und dem Unterlauf des Sankt-Lorenz-Stromes zu bauen.

Denn vom Ausfluss aus dem kleinsten der fünf Großen Seen bis kurz vor Montréal bildet diese für die Schifffahrt in Kanada so wichtige Verkehrsachse des "Fleuve Saint-Laurent" gleichzeitig die Grenze zwischen den beiden Nachbarländern und wäre deswegen von den USA relativ leicht zu blockieren gewesen. Als Lösung erkundete man eine Querverbindung vom bei Montréal in den "Saint Lawrence" mündenden Ottawa River, die erst dem Rideau und dann dem bei Kingston in den Ontariosee fließenden Cataraqui River folgen sollte.

Vor allem dort, wo es wegen größerer Gefälle Stromschnellen oder Wasserfälle gab, mussten diese allerdings mit einem Kanal künstlich umgangen werden. Lieutenant-Colonel John By von den Royal Engineers wurde mit der Umsetzung des Projektes beauftragt. Und dieser schlug sein Quartier im Gebiet des heutigen Ottawa auf, da der Rideau Canal dort beginnen sollte und zudem durch den schroffen Übergang in dieser Gegend besonders viele Arbeiten nötig wurden. Alleine ein Drittel der insgesamt ungefähr fünfzig Schleusen liegt im heutigen Stadtgebiet.

Durch den Zustrom von Arbeitern - meist Iren oder Frankokanadier - wuchs die Siedlung, schnell an. Angeblich aufgrund eines Scherzes unter den anwesenden Offizieren erhielt sie den Namen "Bytown". Doch bald tauchte die Bezeichnung auch in offiziellen Schriftwechseln auf. Erst 1855 wurde die Stadt dann in Ottawa umbenannt. Noch heute lassen sich allerdings die von By auf beiden Seiten des Kanals konzipierten und angelegten Straßen weitgehend im Stadtplan des Zentrums finden.

Wirklich militärisch benötigt wurde der Kanal nie. Der "War of 1812" - obwohl er länger dauerte wird der Krieg von angelsächsischen Historikern meist nur nach seinem Anfangsjahr benannt - war die letzte Auseinandersetzung um Kanada. Dafür bekam der neue Wasserweg jedoch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da er leichter zu befahren war als der an einigen Stellen ebenfalls Stromstellen besitzende Sankt-Lorenz-Strom.

Der Abschnitt entlang des Kanals führt meist durch parkähnliche Grünanlagen ... … in denen man gleich mehrfach auch die in Ottawa häufigen Tulpenbeete entdecken kann

Nachdem aber auch dort überall Schleusen eingebaut worden waren, fiel der Rideau Canal in einen Dornröschenschlaf und wurde praktisch nie mehr modernisiert. Noch immer kann er an den engsten Stellen nur von Booten mit weniger als acht Metern Breite passiert werden. Und auch ihre Länge ist durch die "locks" ziemlich limitiert. So wird er eigentlich nur noch von Freizeitkapitänen oder kleineren Ausflugsdampfern benutzt. Gerade weil er noch weitgehend seinen Originalzustand besitzt, ist der Kanal dafür aber seit einigen Jahren auf der UNESCO-Welterbe-Liste verzeichnet.

Auch hinter der Brücke setzt die Marathonstrecke ihre Rechtsdrehung fort, umkurvt auf fallender Straße den alten Bahnhof und stößt am riesigen "Glasauge" des Convention Centre direkt zum Rideau Canal vor. Für die nächsten mehr als fünf Kilometer wird man ihm nun ununterbrochen folgen. Dieser Abschnitt wird im Winter, wenn er wegen des strengen kanadischen Klima schnell zufriert, gerne von Schlittschuhläufern genutzt und gilt als eine der größten zusammen hängenden Eisbahnen weltweit.

Unweit der Fahne für Kilometer eine flattert eine weitere mit einer "39" im Wind. Sie zeigt unverkennbar, dass man an dieser Stelle später noch einmal vorbei kommen wird. Grundsätzlich beschreibt die Strecke von Ottawa allerdings schon eine einzige große Runde. Nur auf einem knapp zwei Kilometer langen Begegnungsabschnitt wird ansonsten noch eine Straße wirklich doppelt belaufen.

Die Streckenarchitekten haben sich wie bei den meisten vergleichbaren Veranstaltungen in Ottawa für eine Schleife durchs Stadtzentrum sowie die angrenzenden Wohn- und Gewerbeviertel entschieden. Doch hätte die kanadische Hauptstadt durchaus auch die Gelegenheit einen "echten" Marathonlauf auszurichten, wie ihn außer Athen kaum eine andere Metropole auf der Welt bieten kann.

Der Zufall will es nämlich, dass in einem bereits ziemlich ländlichen, verwaltungstechnisch aber noch zu Ottawa gehörenden Gebiet eine Streusiedlung den Namen "Marathon Village" bekommen hat. Und da diese auch noch etwa vierzig Kilometer westlich von Downtown liegt, wäre sogar die Distanz passend. Der logistische Aufwand würde allerdings deutlich größer. Und attraktiver und zuschauerfreundlicher würde der Lauf wohl kaum. Immerhin hat man einige Tage zuvor als PR-Aktion von dort eine Fackel-Staffel in die City kaufen lassen.

Nachdem der Marathonkurs unter zwei Brücken - vor allem die Laurier Avenue Bridge mit ihren grünen Stahlbögen sticht dabei ins Auge - hindurch getaucht ist, mit denen die noch etwa höher als der Kanal gelegenen Innenstadtgebiete an seinen Seiten miteinander verknüpft sind, weichen die Häuser etwas zurück und der Colonel By Drive verläuft von nun an durch die eine relativ grüne, parkähnliche Umgebung weiter.

Dank mehrerer Brücken weitgehend kreuzungsfrei gehört die Uferpromenade auch ohne Marathon zu den beliebtesten Laufstrecken der Stadt Am durch einen Bogen über der Straße klar markierten Eingang zum Stadtviertel "Little Italy" kehrt man dem künstlichen Wasserweg dann den Rücken

Nicht nur der Promenadenweg am Kanal, auch die beiden Uferstraßen - neben dem Colonel By Drive gibt es gegenüber noch den Queen Elizabeth Drive - gelten als "scenic", was man ungefähr mit "sehenswert" oder "landschaftlich schön" übersetzen kann. Als sogenannte "Parkways" sind sie praktisch ausschließlich für Ausflügler - man ist in Nordamerika und dort betrachten viele auch Natur hauptsächlich vom Auto aus - gedacht. Von Lastwagen oder sonstigem gewerblicher Verkehr dürfen sie deswegen auch gar nicht benutzt werden.

Kurz vor Kilometer zwei knicken die bisher in südöstliche Richtung verlaufenden Straßen und damit natürlich auch der Kanal um neunzig Grad nach rechts ab. Von nun an geht es nach Südwesten weiter. Der scharfe Bogen gibt aber auch die Sicht über das lang gestreckte Feld frei. Viele hundert Meter der Läuferschlange kann man über das Wasser hinweg so mit einem einzigen Blick einsehen.

Vereinstrikots bekommt man dabei eigentlich keine zu Gesicht. Noch viel stärker als hierzulande ist die nordamerikanische Szene individualisiert und kommerzialisiert. Man läuft für sich alleine, man läuft vielleicht durchaus auch mit Freunden. Aber organisatorische Strukturen gibt es dahinter fast nie. Und selbst wenn es sie tatsächlich geben würde, kann man sie niemandem mitteilen. Denn weder Anmeldungen noch Ergebnislisten enthalten überhaupt eine Spalte "Club". In der Regel kann man nur den Wohnort angeben - und manchmal ist nicht einmal das möglich.

Viel öfter trägt da doch man T-Shirts von in der Vergangenheit bewältigten Läufen spazieren. Eindeutig am beliebtesten sind dabei die Hemden aus Boston. Bereits in den Vortagen waren überall in Ottawa die - meist blau-gelben, aus manchen Jahren aber auch einmal in orange oder grün gehaltenen - Jacken mit dem traditionellen und unverkennbaren Einhorn-Logo des älteste aller Stadt-Marathons zu entdecken.

Auch in Kanada genießt der Lauf in Boston einen ziemlich hohen Stellenwert - schon alleine weil man sich die Teilnahme über eine Qualifikationszeit erst sportlich verdienen muss. Doch liegt die Hauptstadt des US-Staats Massachusetts zudem vom kanadischen Kernland aus gesehen ja auch fast vor der Haustür. Und seit dem Bombenanschlag kommen noch eine besondere Verbundenheit und vielleicht auch ein bisschen Trotz - im Sinne von "ihr kriegt uns nicht klein" - hinzu. Gerade wer ein Boston-Kleidungstück des Jahrganges 2013 besitzt, zeigt es mit viel Stolz.

Auch die Organisatoren haben reagiert und in eine Ecke der Startnummer einen blauen Streifen drucken lassen, auf denen neben den Schriftzügen "Ottawa" und "Boston" auch ein gezeichnetes Herz zu erkennen ist. Auf der Marathonmesse waren an einem Stand außerdem blau-gelbe T-Shirts verkauft, deren Erlös den Opfern des Attentats zu Gute kommen soll. Natürlich kann man dieses gelegentlich ebenfalls auf der Strecke sehen.

Auf der Brust zeigt es zwar ein Ahornblatt. Doch da man darauf auch die Zahlenkombinationen " 26.2" und "4-15-13" lesen kann, lässt vermuten, dass es trotzdem aus den USA stammt. Das erste ist nämlich die Marathondistanz in Meilen, die in Kanada inzwischen absolut unüblich sind. Markierungen gibt es in Ottawa einzig und allein in Kilometern. Die andere Ziffernfolge ist das Datum des Laufes im ziemlich ungewöhnlichen und zudem unlogischen US-amerikanischen Format.

Ein längerer Abschnitt führt durch typisch nordamerikanische Vorstadtviertel Später schließt sich dann eine Wendepunktpassage entlang des Ottawa River an

Man beginnt dabei nämlich mit dem Monat, nennt dann den Tag und schließt das Ganze mit dem Jahr ab. Die Reihung der Bestandteile ist also weder wirklich aufsteigend noch absteigend sortiert sondern eher durcheinander. Wie bei den Maßeinheiten spielen die Amerikaner auch diesbezüglich wieder eine völlige Außenseiterrolle. In Kanada versteht man diese Datumsvariante aber zumindest und benutzt sie gelegentlich sogar.

Ebenso kann man im Land jedoch dem europäischen Tag-Monat-Jahr-Format oder dem in der Wissenschaft üblichen und eigentlich auch sinnvollsten, weil die wichtigste Größe zuerst nennenden - niemand käme schließlich auf den Gedanken bei einer Uhrzeit mit den Sekunden zu beginnen - Jahr-Monat-Tag-Standard. Auch bei solchen Details scheinen sich die Kanadier manchmal nicht ganz sicher zu sein, ob sie sich eher an der Supermacht im Süden oder an Europa und der übrigen Welt orientieren sollen.

Bei der Preisauszeichnung hält man sich jedenfalls eher an die USA. Denn auch in Kanada werden auf Etiketten und Werbeplakaten Nettopreise notiert. Die Steuern werden erst beim bezahlen an der Kasse aufgeschlagen. Und so nützt alles vorherige Abzählen des Kleingeldes gar nicht. Der fast in Eimergröße ausgegeben "extra-large Coffee" bei Kaffee-Ketten wie Tim Hortons, Starbucks oder Second Cup kostet dann zum Beispiel eben nicht die angezeigten "1,85" sondern am Ende vielleicht zwei kanadische Dollar und achtzehn Cent.

Wobei auch die Münzstückelung selbst typisch amerikanisch ist. Denn neben der Fünf-Cent-Münze "Nickel" - die Namensgebung hat man ebenfalls übernommen - und seiner Entsprechung über zehn Cent, dem "Dime" gibt es noch die "Quarters" im Wert eines Vierteldollars, die einen an Zehnerschritte gewöhnten Europäer beim Rechnen schon einmal ziemlich durcheinander bringen können.

Dass der Dime - ebenfalls analog zu den USA - die physisch kleinste Münze ist, während der geringwertigere Nickel fast die Größe eines Quarters hat, macht die Sache nur noch komplizierter. Immerhin hat man Kanada auch Münzen über ein und zwei Dollar im Umlauf - und dies sogar in einem für den Laien verständlichen Größenverhältnis. Im Süden der Grenze müssen für solche Beträge dagegen bereits Scheine gezückt werden.

Doch noch einmal zurück zu den getragenen T-Shirts. Abgesehen von alten und neuen Ottawa Hemden - strenggenommen eigentlich ein ziemlicher stilistischer Fauxpas, bereits das Trikot eines Marathons zu tragen, bei dem man gerade erst unterwegs ist - kann taucht im Feld noch eine weitere Veranstaltung ziemlich häufig auf. "Around the Bay" heißt sie und wird jeweils Ende März in Hamilton am Ontariosee ausgetragen.

Es handelt sich zwar nicht um einen Marathon, das Rennen führt "nur" über dreißig Kilometer. Dafür hebt man aber etwas anderes hervor. "Older than Boston" ist völlig unabhängig vom Austragungsjahr auf allen T-Shirts zu lesen. Und tatsächlich reicht die Geschichte dieses Wettbewerbes noch ein Stück weiter zurück als beim vermeintlich ältesten großen Straßenlauf der Welt.

Denn bereits Ende 1894 - also knapp zwei Jahre, bevor bei den Olympischen Spielen von Athen der ersten Marathonlauf überhaupt veranstaltet wurde, und drei Jahre vor der daran anknüpfenden ersten Auflage von Boston - wurde es ins Leben gerufen. Allerdings sind die Lücken in der Chronik dann doch weit größer als in Massachusetts, wo abgesehen vom Kriegsjahr 1918, als nur Militärstaffeln liefen, eine wirklich ununterbrochene Liste von Einzelsiegern existiert: Aber mehr als hundert Auflagen gab es in Hamilton eben dennoch schon.

Auf dem Rückweg hat man sowohl die Hochhäuser der Schwesterstadt Gatineau … … als auch die Türme im Zentrum von Ottawa ständig im Blick

Knapp drei Kilometer sind bewältigt, als die Marathonis über die "Pretoria Bridge" das Ufer wechseln und ihren Weg anschließend in Laufrichtung gesehen rechts des Kanals weiter fortsetzen. Die inzwischen zwar erneuerte, aber weitestgehend im alten Stil wieder aufgebaute Hebebrücke trägt ihren Namen aufgrund der kanadischen Beteiligung am südafrikanischen Burenkrieg zwischen 1899 und 1902 - die erste militärische Auseinandersetzung, bei der das gut dreißig Jahre zuvor gegründete Dominion auf britischer Seite mit eigenen Einheiten beteiligt war.

Solange die Strecke am Wasser bleibt - und das tut sie noch fast vier Kilometer - ändert sich auch jenseits des Rideau Canals wenig am ziemlich grünen Umfeld. In der einen oder anderen Passage verdecken Büsche und Bäume sogar vollkommen die Sicht, so dass man nicht einmal mehr sicher sein kann, ob man sich überhaupt noch in der Stadt befindet oder sie nicht schon längst hinter sich gelassen hat und über Land läuft.

Dort, wo die Bebauung an die Uferstraße heran kommt, sind es meist von Gärten umgebene Einfamilienhäuser. Manche unter ihnen sind fast schon kleine Villen. Die wenigen dazwischen stehenden zehn- bis zwölfstöckigen Wohnblöcke wirken in dieser Umgebung dagegen wie Fremdkörper. Ganz sicher ist es nicht die schlechteste Wohngegend der Stadt, um die man dabei einen großen Haken schlägt und dabei immer stärker in westliche Richtung eindreht.

Dafür hält sich der Zuschauerzuspruch - allerdings vermutlich auch bedingt durch die recht frühe Uhrzeit - in diesem Streckenabschnitt noch ziemlich in Grenzen. Eine große Gruppe Jugendlicher, die zur Anfeuerung der Läufer auf ihren Trommeln herum wirbeln, ist eigentlich schon die größte Menschenansammlung. "Cheering station" nennt man das in Ottawa. Doch natürlich kann man auch an anderen Stellen anfeuern.

Gemeint ist vielmehr das, was manche Veranstalter hierzulande mit phantasievollen Begriffen wie "action point" belegen, anderswo aber einfach nur nüchtern "Streckenfest" heißen kann. Oft finden diese sich in der kanadischen Hauptstadt in der Nähe von Verpflegungsstellen. Doch während anderswo zumeist die Zahl von Kapellen, Bands oder anderer musikalischen Unterhaltung die Zahl der Verpflegungsstellen übertrifft, ist es in Ottawa genau umgekehrt.

Alle zwei oder drei Kilometer hat man Getränketische aufgebaut. Bis zum Ziel wird man so fast zwanzig Mal die Möglichkeit haben, seine Flüssigkeitsvorräte wieder aufzufüllen. Selbst über zehn Kilometer hatte man am Vortag dreimal und über fünf immerhin einmal einen Versorgungsposten angeboten. Sowohl Wasser als auch Elektrolytgetränke gibt es an jeder "aid station". Auch bei deutlich wärmeren Wetter als jenen etwa zehn Grad am Morgen und fünfzehn Grad am Mittag kann man angesichts einer solchen Dichte wohl wirklich kaum dehydrieren.

Schon zum wiederholten Mal laufen die Marathonis wenig später an einem Tulpenbeet vorbei. Auch überall sonst in der Stadt lässt sich diese Blume entdecken, die man sonst eigentlich eher mit Amsterdam in Verbindung bringt. Dass die Tulpe sich in der kanadische Hauptstadt einer so großen Beliebtheit erfreut, hängt allerdings im Rückblich tatsächlich auch mit den Niederlanden zusammen.

Am hypermodernen und aus jedem Blickwinkel anders aussehenden Neubau des Canadian War Museum … … biegt die Laufstrecke in Richtung Gatineau ab und führt über die Chaudière Bridge ans andere Ufer

Denn im Zweiten Weltkrieg war die Herrscherfamilie vor der Deutschen Besetzung nach Großbritannien geflüchtet. Und während ihre Königin Wilhemina dort auch blieb, fand ihre Tochter Juliana - die damalige Kronprinzessin - mit ihrer Familie in Ottawa Aufnahme. Zwei Töchter - neben Beatrix, die ihre Regentschaft unlängst beendet hat, noch Irene - hatte sie bereits ins Exil nach Übersee mitgebracht.

Die dritte Prinzessin Margriet kam in einem Krankenhaus der kanadischen Hauptstadt zur Welt. Da allerdings jedes im Land geborene Kind automatisch auch die Staatsbürgerschaft von Kanada erhält, dieses jedoch für ein Mitglied des Königshauses eines anderen Landes ziemlich unpassend gewesen wäre, wurde die Klinik von der Regierung kurzerhand zum exterritorialen Gebiet erklärt.

Unter anderem dafür - kanadischer Einheiten waren zudem auch maßgeblich an der Befreiung der Niederlande beteiligt - bedankte man sich nach Ende des Krieges mit einem Geschenk von hunderttausend Tulpenzwiebeln an die Hauptstadt des Gastgeberlandes. Inzwischen sollen es mehr als zehnmal so viele sein, die überall in den Grünanlagen Ottawa verteilt sind. Und zur Hauptblütezeit Mitte Mai feiert man inzwischen sogar das "Canadian Tulip Festival" mit vielen Veranstaltungen, die irgendwie auf die Blume Bezug nehmen.

Am Race Weekend sind die meisten Tulpen aber bereits über ihre Hochphase hinaus. Unübersehbar sind sie trotzdem. Und längst sind sie zu einem mehr als nur heimlichen Symbol der Stadt geworden. Die an unzähligen Laternenmasten hängenden Banner, zeigen nicht nur die offiziellen Blumen, die sich die einzelnen Provinzen gewählt haben. Obwohl die "Capitol Region" im Gegensatz zu Washington oder Canberra keineswegs politisch eigenständig ist, ist mindestens einem Fahnendoppel in jeder Gruppe für sie auch die "Tulip" abgebildet.

Ungefähr sechs Kilometer haben die Marathonis in den Beinen, als sich der Rideau Canal zum Dow's Lake weitet. Die Läufer der halb so langen Distanz, deren Strecke seit der Pretoria Bridge ebenfalls über den Queen Elizabeth Drive führt, werden - wie an den Markierungsfahnen gut zu erkennen ist - zwei Stunden später etwa eineinhalb Kilometer weniger zurück gelegt haben, wenn sie den beim Kanalbau angelegten kleinen See erreichen.

Nach einem weiteren Kilometer verabschiedet sich der Kurs dann allerdings erst einmal für längere Zeit vom nun nach Süden schwenkenden Wasserweg und dreht für kurze Zeit in genau die entgegensetzte Richtung ab. Dass auch auf der Ecke, an der man sich trennt, wieder ein Tulpenbeet sitzt, erstaunt inzwischen nicht mehr unbedingt. Der Dow's Lake und die ihn umgebenden Parks bilden mit mehreren hunderttausend dort blühenden Pflanzen ohnehin einer der zentralen Orte des Tulip Festivals.

Ein Stück die nun belaufene Straße hinauf spannt sich ein Bogen von einer Seite zur anderen. "Little Italy" ist darauf zu lesen. Die dahinter liegende "neighbourhood" ist zwar längst nicht mehr nur von Einwanderern aus "Bella Italia" bewohnt. Doch befindet sich in diesem Viertel eben noch immer so etwas wie der kulturelle Mittelpunkt für die italienisch stämmige Bevölkerung der Hauptstadt.

Ähnlich wie im benachbarten "Chinatown" - wie fast jede kanadische Metropole hat auch Ottawa einige asiatisch geprägte Häuserblocks, in denen entgegen der Bezeichnung wie üblich nicht nur Chinesen sondern auch Vietnamesen, Koreaner oder Thais Geschäfte und Restaurants betreiben - sind zum Teil sogar zusätzliche Straßenschilder mit italienischen Benennungen und der dazu passenden Trikolore angebracht.

Fast direkt unterhalb der Brücke rauschen die Chutes de la Chaudière - die Kesselfälle - von denen sie ihren Namen hat

Doch noch bevor man den Bogen durchlaufen kann, schwenkt der Kurs auch schon wieder nach links auf eine breite Ausfallstraße ein und führt anschließend an mehreren - verglichen mit der eher niedrigen Bebauung rundherum recht klobigen - Bürogebäuden vorbei. Dabei führt die Strecke auch kaum merklich über die abgesenkten Gleise des "O-Train" hinweg. Denn eine kleine Bahnstrecke für den Nahverkehr gibt es in Ottawa dann doch.

Mit gerade einmal acht Kilometer Länge und größtenteils einspurigem Ausbau hat sie allerdings kaum wirkliche Bedeutung im Pendlerverkehr - zumal die Linie auch noch westlich am eigentlichen Zentrum vorbei läuft. Immerhin scheint die Akzeptanz bei Bevölkerung und Stadtverwaltung groß genug zu sein, um mit der "Confederation Line" ein wesentlich größeres Projekt anzugehen. Zukünftig soll nämlich eine Querverbindung in einem Tunnel unter der chronisch verstopften Innenstadt hindurch geführt werden und dort für Entlastung sorgen.

In den "Umkleidekabinen" der City Hall konnte man sich anhand von dort aufgestellten Schautafeln während der Startvorbereitungen nebenbei recht gut über den aktuellen Stand des Vorhabens informieren. Die Planungen sind inzwischen abgeschlossen und erste Vorarbeiten haben begonnen. Nun rechnet man - für eine Baumaßnahme dieser Größenordnung ziemlich optimistisch - mit einer Eröffnung der kompletten Strecke bereits in fünf Jahren.

Der Marathonkurs zweigt nach etwas rechts ab und taucht vorbei an der nächsten "Hilfestation" in ein Wohngebiet ein, wie es nordamerikanischer kaum sein könnte. In einer Allee stehen da Einfamilienhäuser auf weiten, zaunlosen Rasenflächen oder in genauso zaunlosen Vorgärten. Auch in Ottawa sind große Teile des Stadtgebietes auf diese Art bebaut. Schon unweit des Zentrums mit seinen Hochhäusern bekommen die Straßenzüge nach einem relativ abrupten Übergang einen ziemlich kleinstädtischen Charakter.

Nun hat sich auch deutlich mehr Publikum an der Strecke versammelt. Immer dann, wenn diese in bewohnte Gebiete hinein führt, zeigt die dortige Bevölkerung durchaus reges Interesse. Der Marathon wird in der Stadt zwar nicht zelebriert wie bei einigen der ganz großen Rennen, doch ist er zumindest gut angenommen und keineswegs ein störender Fremdkörper. Und davon dass man jenseits des "Großen Teiches" weniger Menschen braucht, um den entsprechenden Lärm zu produzieren, war ja schon die Rede.

Allerdings zeigt die entlang des Kanals vollkommen ebene Strecke nun doch wieder leichte Wellen. Völlig eben ist der Kurs in Ottawa nämlich nicht. Aber die Ausschläge sind in der graphischen Darstellung des Höhenprofils eigentlich nur in entsprechend großem Maßstab zu erkennen. Und die Stellen, an denen man tatsächlich einmal den Rhythmus ändern und kurz einmal in einen "Berggang" wechseln muss, lassen sich an einer Hand abzählen.

Jenseits der Autobahn, die man nun bereits zum zweiten Mal unterquert und die - auch das für Nordamerika keineswegs untypisch - kaum mehr als einen Kilometer vom Zentrum entfernt quer durch die Stadt schneidet, ändert sich daran vorerst wenig. Schnurgerade führt die eher schmale Wohnstraße weiter. Erst als diese Fairmont Avenue einfach an einer Einmündung endet und die Marathonis zu den Trommeln der einzigen Sambagruppe an der Strecke in einem relativ spitzen Winkel nach links schwenken müssen, wird das Umfeld an den Seiten etwas gewerblicher.

Die zwei- oder dreigeschossigen, nun direkt an der Straße stehenden Häusern mit ihren kleinen Geschäften sehen nicht anders aus als jene, denen man auch in Städtchen mit gerade einmal einem Prozent der Einwohner Ottawas entdecken könnte. Dass diese sich allerdings über mehrere Kilometer hinziehen und zwischendurch auch immer wieder einmal ein vereinzeltes zehn- bis fünfzehnstöckiges Hochhaus auftaucht, lässt dann doch eindeutig die Außenbezirke einer Großstadt erkennen.

Auch jenseits des Flusses hat die kanadische Bundesregierung etliche Behörden in riesigen Bürokomplexen untergebracht

Rund drei Kilometer lang orientiert sich der Marathon an dieser in einem leichten Bogen verlaufenden Straße und strebt dabei immer weiter nach Westen vom Zentrum weg. Dann folgt allerdings auf den ersten Rechtschwenk an der nächsten Ecke gleich ein weiterer. Und schon lassen sich in der Ferne am Horizont wieder die Bankentürme entdecken, in deren Nähe man auf die Reise gegangen ist.

Sie sind gut erkennbar, denn die Bebauung ist nun auf der rechten Seite meist weit weniger dicht heran gerückt als zuvor. Und links verläuft ohnehin erst einmal ein Grünstreifen. Dahinter befindet sich dann zudem noch ein abgesenkter Transitway des Bussystems, so dass man bis zu der nächsten Häuserreihe fünfzig bis hundert Meter hat und diese manchmal hinter Büschen und Bäumen nur noch erahnen kann.

Auch die Fahrbahn selbst ist breit genug. Doch für dafür müssen die Marathonis sie sich mit entgegenkommenden Autos teilen. Es ist allerdings eine von gerade einmal zwei Stellen, an denen man etwas länger mit dem Straßenverkehr in Berührung kommt. Der größte Teil der Strecke ist - angesichts der Teilnehmerzahlen durchaus sinnvoll und nachvollziehbar - wirklich vollständig für die Läufer gesperrt.

Bis man hinter einer an Minarett und Kuppel schon aus der Ferne erkennbaren Moschee die Straße wieder verlässt, sind die Fahrzeuge auch schon wieder verschwunden und die Läufer haben den gesamten Asphalt erneut für sich alleine. Nachdem man die Bus-Schnellstrecke überquert hat, führt die Strecke durch ein weiträumiges Behördenzentrum, in dem mindestens genauso viele Flächen von Parkplätzen wie von den Bürogebäuden selbst belegt sind.

Als Tunney's Pasture - auf Deutsch etwa "Tunneys Weide" - ist diese Gebiet bekannt, weil ein Farmer dieses Namens einst dort sein Vieh grasen ließ. Ansonsten hat er allerdings wenig zur Stadtgeschichte beigetragen. Ohnehin handelt es sich bei bekannten Bürgern der noch recht jungen Stadt Ottawa entweder um Politiker oder eben um - in Kanada vermutlich manchmal sogar wichtiger - Eishockeyspieler.

Die im Ausland wohl berühmtesten Söhne der Metropole würde man im ersten Moment dagegen alle für US-Amerikaner halten. Der in den Fünfzigern und Sechzigern als Teenager-Idol populäre Sänger Paul Anka gehört dazu. Selbst wenn mit dessen eigenen Liedern nur noch die Älteren etwas anfangen können, wird sein Name wohl ewig mit einem ursprünglich französischen Chanson verbunden bleiben, den er neu arrangierte und mit einen englischen Text versah. Der Song hieß danach "My Way" und wurde durch Frank Sinatra zum Welthit.

Auch Dan Akroyd wurde in der kanadischen Hauptstadt geboren. Man kennt ihn hauptsächlich als Schauspieler und Komiker, doch zu seinen vermutlich größten Erfolgen "Blues Brothers" und "Ghostbusters" hat er auch selbst das Drehbuch verfasst. Und bei einem Dritten der auch in Übersee prominenten "Ottawan" - so heißen die Bürger der Stadt tatsächlich - wird man sich endgültig verwundert die Augen reiben. Denn Lorne Greene alias Ben Cartwright erblickte nicht im Wilden Westen sondern im kalten Osten Kanadas das Licht der Welt.

Inzwischen stehen die Markierungsfahnen von Halbmarathon und Marathon, die sich am Kanal fast in gleichen Abständen abwechselten, überhaupt nicht mehr versetzt sondern ziemlich dicht beieinander. Und irgendwie scheint der kürzeren Strecke auch noch mehr als ein Kilometer verloren gegangen zu sein. Des Rätsels Lösung liegt darin, dass die Halbdistanz bei der Schleife nach Westen tatsächlich nicht so weit ausholt. Schon etliche Straßen vorher werden deren Läufer später den Rückweg antreten.

Über den verzierten "Pont de la Tour Eiffel" - für die Gitterornamente wurde Eisen vom Eiffelturm verarbeitet,- nähert man sich langsam wieder dem Türmen von Gatineau Zuvor schauen die Marathonis noch in einem Sträßchen vorbei, in dem sich mehr als ein halbes Dutzend Kneipen und Restaurants direkt aneinander reihen

Es wird nicht das einzige Mal bleiben. Denn entgegen der sonst meist üblichen Praxis, die einundzwanzig Kilometer entweder auf der ersten oder eben der zweite Hälfte der Marathonstrecke abzustecken, kürzt man in Ottawa gleich an mehreren Stellen zusätzliche Schlenker der langen Distanz einfach ab, so dass sich die Kurse öfter teilen und dann wieder vereinigen. Der Halbmarathon ist grob gesprochen so etwas wie die innere, der Marathon dagegen die äußere Runde.

Der nächste dieser "Umwege", die zusätzliche Meter für die Marathonis bringen, beginnt gleich hinter dem nach ziemlich genau einem Drittel der Distanz beendeten Ausflug auf die nun doch eher zubetonierte "Weide". Denn langsam hat man sich nun dem Ottawa River und dem parallel zu ihm verlaufenden Parkway genähert. Und während die Läufer beim Halbmarathon später auf diesen nach rechts, also stromabwärts und dem Stadtzentrum entgegen schwenken werden, drehen die Langstreckler erst nach links und sammeln flussaufwärts noch drei weitere Kilometer.

Die beiden Richtungsfahrspuren der Uferstraße laufen in gebührendem Abstand voneinander. Dreißig, vierzig oder auch einmal fünfzig Meter Grasstreifen sowie immer wieder auch einmal Bäume und Hecken liegen zwischen ihnen, so dass die Passage nicht ganz jenen Wendepunktcharakter besitzt, den man anhand der Streckenskizze im Programmheftchen vermuten und vielleicht befürchten könnte.

Nur am Umkehrpunkt selbst kommen sich die zwei Straßenteile wirklich nahe. Und so geht die Drehung um hundertachtzig Grad dann doch mit einem ziemlich engen Radius vonstatten. Dafür ist man auf dem Rückweg aber auch noch ein wenig näher am Fluss, der allerdings mit einer Breite von rund einem Kilometer in diesem Bereich fast an einen See erinnert. Man wird wenig später sehen, dass dieser Gedanke so falsch auch gar nicht ist.

Nach der Beendigung des Umweges bringen die Kursplaner auf dem achtzehnten Kilometer nun endlich auch die Marathonis näher an Stadtzentrum heran. Doch dafür wartet dort auf sie der wohl höchste "Berg" der gesamten Strecke. Wirklich steil ist er nicht. Da wird man in der Folge noch Unangenehmeres zu Gesicht bekommen. Die vielleicht zwanzig Höhenmeter, die es zu bewältigen gilt, verteilen sich auf mehrere hundert Meter. Allerdings zieht sich der Anstieg deswegen auch umso länger.

Was wie ein ganz normaler Hügel aussieht, ist in Wahrheit auch eine Brücke. Denn oben auf der Kuppe überquert die noch immer zweigeteilte Straße eine früher über den Ottawa River nach Gatineau führende Bahnlinie. Nach deren Stilllegung verrottet die Stahlbrücke im Fluss nun pittoresk vor sich hin. Immer wieder einmal ist im Gespräch den O-Train, der im Süden bereits Teile der alten Trasse nutzt, über sie hinweg in die Schwesterstadt zu verlängern.

So könnte man wenigstens einen kleinen Teil der Pendlerströme, die jeden Tag mit Auto oder Bus über den Fluss hin und her rollen, auf andere Verkehrsträger umleiten. Doch dazu müsste die Brücke erst einmal gründlich renoviert und am jenseitigen Ufer entsprechende Anbindungen geschaffen werden. Da bei der Umsetzung des Projektes neben zwei Städten auch noch zwei verschiedenen - sich zudem nicht immer wohl gesonnene - Provinzen beteiligt wären, verläuft das Thema weiterhin im Sande.

Am Musée canadien des civilisations - oder Canadian Museum of Civilization - endet der Ausflug in die Schwesterstadt

Von der erhöhten Position, die sich die Marathonis erarbeitet haben, ist die Sicht auf die sich auf beiden Seiten des Flusses aufbauenden Hochhausgruppen, natürlich noch etwas besser. Und insbesondere die Türme der Innenstadt von Ottawa sind langsam fast zu Greifen nah. Doch kurz bevor man sie tatsächlich erreicht, dreht der Kurs am "Canadian War Museum" dann doch in Richtung Gatineau ab.

In dem hypermodernen und aus jedem Blickwinkel anders aussehenden Neubau des Museums wird die Geschichte aller kriegerischen Konflikte mit kanadischer Beteiligung von den Kämpfen der Ureinwohner vor der Ankunft der ersten Europäer über die Gefechte zwischen Franzosen, Briten und Amerikanern um die Herrschaft über Kanada und die beiden Weltkriege bis zu modernen Friedensmissionen unter der Flagge der UNO dargestellt.

Über mehrere im Fluss liegende Inseln und sie verbindende kurze Brücken kommt man dem - an diesem Engpass nur wenige hundert Meter entfernten - Québecer Ufer schnell näher. Es erstaunt eigentlich nicht, dass schon Colonel By dort vor fast zweihundert Jahren den ersten festen Übergang bauen ließ. Nirgendwo sonst zwischen Ottawa und Gatineau fällt der Brückenschlag schließlich kürzer aus.

Doch dafür war der Ottawa River an dieser Stelle aber auch besonders tückisch. Je enger ein Durchlass ausfällt, umso höher wird schließlich die Strömungsgeschwindigkeit. Und zudem muss der Fluss auch noch eine mehr als zehn Meter hohe Felsstufe überwinden, so dass sich das Wasser über einen Wasserfall nach unten stürzte, der vor ziemlich genau vier Jahrhunderten von seinem Entdecker Samuel de Champlain den Namen "Chutes de la Chaudière" - auf Deutsch etwa "Kessel-Fälle" - verpasst bekam.

Noch immer pressen sich die Wassermassen zwischen den Inseln hindurch. Doch hat man den Fluss längst völlig umgestaltet, um diese Energie auch wirtschaftlich zu nutzen. Mühlen und später auch Fabriken siedelten sich an. Stauwehre wurden gebaut, um den Stand zu kontrollieren. Deswegen ist der Ottawa River weiter oberhalb wirklich beinahe ein Stausee. Mit einem natürlichen Wasserfall haben die "Chaudière Falls" - wie man sie in Verzicht auf eine wörtliche Übersetzung auf Englisch bezeichnet - nur noch wenig zu tun.

Welche Kraft der Fluss allerdings noch hat, können die Marathonis beobachten, als sie über die "Chaudière Bridge", den längsten und letzten Übergang des in Ottawa meist "Chaudière Crossing" genannten Brückenzuges, laufen. Denn neben ihrem Stahlbogen stürzt er sich mit enormer Kraft über die halbkreisförmige Staustufe. Schon alleine wegen des gewaltigen Rauschens, das dabei entsteht, drehen in diesem Moment praktisch alle Läuferköpfe fast automatisch nach links.

Wenig später endet die Flussquerung ein einem wuchtigen Bürokomplex. Es überrascht wenig, dass in diesen "Terrasses de la Chaudière" ebenfalls kanadische Bundesbehörden untergebracht sind. Seit der Fertigstellung in den späten Siebzigern sind sie mit den 124 Metern des am weitesten aufragenden Bauteils höchstes Gebäude der National Capital Region. Da inzwischen allerdings einige noch größere Neubauten in Planung sind, könnte es diesen Titel demnächst verlieren.

Das gegenüber liegende Hochhaus fällt zwar wesentlich graziler aus als sein Nachbar. Doch dafür droht es die kleinen Häuser zu seinen Füßen, an denen die Strecke sich nach links wendet, um zu einer weiteren Schleife auszuholen, fast zu erschlagen. Auch in Gatineau nimmt der Marathon erneut den weiteren Weg. Direkt hinter den "Chaudière-Terrassen" leiten bereits aufgestellte Schilder die Halbmarathonläufer nämlich sofort wieder nach rechts, während die Richtungspfeile für die lange Strecke weiter geradeaus zeigen.

Mit geschwungen Formen, stufigen Terrassen und mehreren flachen Kuppeln soll das Gebäude an die wichtigsten geologischen Strukturen des Landes erinnern

Noch haben die dort - bei Kilometer zwanzig der langen und vierzehn der kurzen Strecke - postierten Helfer Ruhe, doch später werden sie durchaus zu tun bekommen. Schließlich müssen sie beide Gruppen auseinander dividieren. Denn bei Laufzeiten von weit über sechs Stunden für die letzten Marathonis können auch die zwei Stunden Startverschub nicht verhindern, dass die schnellsten Halbmarathonläufer in den Schwanz des vor ihnen auf die Strecke gegangenen Feldes hinein knallen.

Die rechtzeitige Trennung erspart ihnen einen kurzen, aber ziemlich ruppigen Anstieg, der die Langdistanzler hinauf zur Halbmarathonmarke bringt. Von der zweiten, noch etwas steileren Rampe, die sich wenig später anschließen würde, müssen sie allerdings nur noch die ersten Meter bewältigen, bevor sie abbiegen dürfen. Erneut ist es ein "Parkway", der die Läufer aufnimmt. Da man sich jedoch nun im französischsprachigen Québec befindet, trägt er - obwohl zum Spazierengehen eher ungeeignet - den schönen Namen "Promenade du Lac-des-Fées".

Den äußersten südöstlichen Zipfel der "Gatineau Park" - oder in der anderen, an diesem Ufer verbreiteteren Landessprache "Parc de la Gatineau" - durchquert man dabei. Doch wirklich auslaufen kann man ihn nicht im Entferntesten. Schließlich dehnt es sich von dieser Stelle noch rund fünfzig Kilometer nach Westen aus und umfasst eine Fläche von mehreren hundert Quadratkilometern.

Von einer Grünanlage am Stadtrand wandelt er sich dabei in ein riesiges, naturbelassenes und nur noch von wenigen Pfaden durchzogenes Waldgebiet. Das Wanderwegenetz von einigen hundert Kilometern Länge, das den Park zum vielleicht beliebtesten Ausflugsziel der Metropolregion macht, wirkt jedenfalls nur dann imposant, wenn man es nicht zu den übrigen Maßen in Bezug setzt. In stadtferneren Teilen des ausgedehnten Areals kann man bei seinen Touren gegebenenfalls sogar Bären und Wölfen begegnen.

Der Parc de la Gatineau wird genau wie der Höhenzug "Collines de la Gatineau", in denen er liegt oder der "Rivière Gatineau" gerne als Grund angeführt, warum die Gemeinde, in der die Marathonis nun unterwegs sind, ebenfalls diesen Namen trägt. Denn ursprünglich hieß die Schwesterstadt von Ottawa "Hull". Nur die eine Handvoll Kilometer weiter nordöstlich, jenseits des Flusses - gemeint ist der Gatineau und nicht der Outaouais - gelegene eigenständige Stadt wurde als Gatineau bezeichnet.

Anfang des neuen Jahrtausends wurde allerdings in der Provinz Québec eine großangelegte Kommunalreform durchgeführt, bei der die Gemeinden Hull, Gatineau, Buckingham, Aylmer und Masson-Angers zusammengelegt wurden. Die neue Stadt wurde nach dem einwohnerreichsten Vorgänger benannt, obwohl Hull die älteste und auch bekanntere - schließlich wurde zuvor von der Doppelstadt "Ottawa-Hull" gesprochen - war.

Dass "Gatineau" bei der von Québecer Nationalisten gestellten Provinzregierung jedoch einfach auch etliche Pluspunkte bekam, weil es viel "französischer" klingt, darf man bei aller Nachvollziehbarkeit der angebrachten Argumente trotzdem vermuten. Kurz zuvor waren jenseits des Flusses auch etwa ein Dutzend Umlandgemeinden nach Ottawa eingemeindet worden, so dass man mit der Fusion nun am Nordufer zumindest wieder ein gewisses Gegengewicht geschaffen hatte.

Vor dem Museumsbau wird zum letzten Mal mit lauten Rufen "de l'eau" angeboten, ab der nächsten Verpflegungsstelle gibt es wieder "water" Echt kanadisch ist die Methode, mit der einige der Helfer die Straße dahinter von leeren Bechern befreien. Sie benutzen dazu nämlich Eishockeyschläger

Weniger als einen Kilometer dauert der Trip ins Grüne. Dann schlägt die Strecke den nächsten Haken in ein Wohngebiet hinein, das den kompletten dreiundzwanzigsten Kilometer des Marathons beherbergt. Die glänzenden Glasfassaden eines Büroblocks, der völlig übergangslos direkt danach auftaucht, bilden wieder einmal einen jener seltsamen Kontraste dieses ziemlich abwechslungsreichen Rennens.

Über den mit zwei verschnörkelten Metallbögen verzierten "Pont de la Tour Eiffel" - ihren Namen hat sie Brücke, weil für die Gitterornamente Eisen verarbeitet wurde, das von einer abmontierten Treppe am Eiffelturm stammt - nähert man sich langsam wieder dem Stadtkern des einstigen Hull, den man auf der Rückseite des Chaudière-Terrassen-Komplexes erreicht. Dort endet auch die knapp vier Kilometer lange Marathon-Zusatzschleife. Der letzte Abschnitt durch Gatineau ist wieder für beide Distanzen der gleiche.

Noch deutlich krasser als in Ottawa fallen die Brüche in der Schwesterstadt aus. Denn während auf der einen Straßenseite hundert Meter hohe und einen ganzen Häuserblock in Beschlag nehmende Bürotürme von kanadischen Bundesbehörden aufragen, ducken sich direkt gegenüber kleine Häuschen in ihrem gewaltigen Schatten. Zwischen Wohngebiet und Verwaltungszentrum liegen manchmal nur wenige Meter Asphalt.

In einem Viertelkreis schieben sich neben dem schon bekannten dunkelroten Block nämlich noch eine ganze Reihe weiterer ähnlich klotziger Bauten zwischen Fluss und Stadt. Und nachdem sie mit einer kurzen Links-Rechts-Kombination noch in einem Sträßchen vorbei geschaut haben, in dem sich mehr als ein halbes Dutzend Kneipen und Restaurants aneinander reihen, tauchen die Marathonis mitten in sie hinein.

Dieser "Portage-Komplex", bei dem die Gebäude einfach von "Place du Portage I" bis "Place du Portage IV" durchnummeriert sind, entstand in den Siebzigern unter Premierminister Pierre Trudeau. Der aus Québec stammenden Politiker verlagerte während seiner Regierungszeit mit voller Absicht etliche Ministerien und Behörden ans Nordufer, um die Verwaltung Kanadas nicht alleine in Ottawa und Ontario zu belassen sondern auch den Nachbarn jenseits des Flusses ein Stück des Kuchens abzugeben.

Beabsichtigt war damit unter anderem, der Wirtschaft in Hull und Gatineau einen neuen Impuls zu geben, einen gewissen Ausgleich zwischen den beiden wichtigsten kanadischen Provinzen zu schaffen und nebenbei auch durch die engere Einbindung die separatistischen Strömungen in Québec ein wenig einzudämmen. Umgekehrt wurden dabei allerdings auch gewachsene Strukturen radikal zerstört und ganze Straßenzüge erst einmal dem Erdboden gleich gemacht.

Nach mehreren Jahrzehnten hat man sich an die riesigen Komplexe längst gewöhnt und sich gut mit ihnen arrangiert. Gatineau gewinnt durch sie schließlich eindeutig an Bedeutung. Wirklich harmonisch ist der optische Eindruck, den sie gemeinsam mit ihrem Umfeld bieten, allerdings auch weiterhin nicht im Entferntesten.

Die Alexandra Bridge mit ihrer markanten Stahlkonstruktion bringt die Marathonis zurück nach Ottawa

Alleine im Place de Portage arbeiten rund zehntausend Menschen, in den Terrasses de Chaudière noch einmal fünf- oder sechstausend beim "Gouvernement du Canada". Auf der Nordseite des Flusses steht nämlich nach dem dort geltenden Québecer Recht, das die französische Sprache als führend festlegt, diese Bezeichnung an erster Stelle. Erst dann wird auf den Schildern das "Government of Canada" genannt.

Wenn man ganz genau hinsieht, entdeckt man dabei einen feinen Unterschied in den beiden Benennungen. Die wörtliche Übersetzung aus dem Englischen würde nämlich "Gouvernement de Canada" lauten. Doch im Französischen hat "Kanada" im Gegensatz zu den meisten anderen Sprachen einen Artikel und heißt deswegen "le Canada". Deswegen wird am Flughafen auch mit dem ebenfalls im ersten Moment unerwartet aussehenden Schriftzug "Bienvenue au Canada" empfangen.

Nacht etwas längerer Überlegung ist das Ganze so ungewöhnlich aber wieder auch nicht. Es ist ganz im Gegenteil sogar ziemlich normal. Gibt es doch "en français" neben "la Suisse", die im Deutschen als einer von ganz wenigen Staaten ebenfalls einen Artikel besitzt, zum Beispiel noch "l'Allemagne", "l'Autriche", "l'Espagne" und vor allem eben "la France".

Ganz nebenbei lösen die Feinheiten der französischen Sprache auch ziemlich elegant das Problem, das andere mit dem doppelten "Québec" haben. Denn damit kann ja sowohl die Provinz als auch die gleichnamige Hauptstadt gemeint sein. Doch wird ein "Bienvenue à Québec" eben nur in der Stadt ausgesprochen, während dagegen ein "Bienvenue au Québec" für die ganze Provinz gilt.

Der Begriff "portage" stammt - selbst wenn er mit etwas anderer Betonung inzwischen auch den Anglokanadiern problemlos über die Lippen geht - natürlich ebenfalls aus dem Französischen und geht auf die "voyageurs" zurück. Diese meist französischsprachige Pelzhändler und Fallensteller erkundeten schon früh die endlose kanadische Wildnis und transportierten mit ihrem bevorzugten Reisemittel Kanu dabei Felle in die Handelsstützpunkte weiter im Osten.

Mit "portage" wird eine Stelle bezeichnet, an der man das Boot verlassen und dieses ein kurzes Stück über Land tragen muss. Dass kann zum Beispiel sein, weil sich auf diese Art eine deutliche Abkürzung zwischen zwei Seen oder Flüssen ergibt, weil es eine Wasserscheide zu überwinden gilt oder aber weil eine Stromschnelle die Weiterfahrt verhindert. Wegen der Chutes de la Chaudière war an dieser Stelle eindeutig Letzeres der Fall.

Die Marathonstrecke überquert in leichtem Gefälle eine teils abgesenkt zwischen, teils direkt unter dem Bürotürrmen hindurch laufende Schnellstraße. Ein paar Schritte später meint man selbst beinahe den Kopf einziehen zu müssen, denn gleich zwei sogenannte Skyways - geschlossene Fußgängerbrücken, mit denen man gerade in Kanada und im Norden der USA ziemlich gerne Gebäude miteinander verknüpft, um in den eisigen Wintern möglichst wenig auf die Straße zu müssen - schweben über den Läufern.

Neben den Bundesbehörden untereinander sind durch sie auch das Gerichtgebäude und das Rathaus von Gatineau - diesmal nicht "Courthouse" und "City Hall" sondern "Palais de Justice" und "Hôtel der Ville" - an den Verwaltungskomplex angebunden. Zwischen diesen beiden setzen die Marathonis notgedrungen zu einer Linksdrehung an, denn die Straße endet dort an einer Einmündung.

Mit dem Parlament zur Rechten … … und dem Museum im Rücken läuft man … ... der Kathedrale Notre-Dame d'Ottawa entgegen

So kann man das Rathaus noch von einer zweiten Seite betrachten. Doch etwas weiter hinten zieht schon ein noch größerer und zudem architektonisch viel interessanterer Bau die Blicke auf sich. Mit geschwungen Formen, stufigen Terrassen und mehreren flachen Kuppeln soll das Gebäude des "Canadian Museum of Civilization" - oder "Musée canadien des civilisations" - angeblich unter anderem die wichtigsten geologischen Strukturen des Landes zitieren.

Doch selbst wenn man dies nicht erkennen sollte, fasziniert die vom üblichen Muster völlig abweichende Konstruktion mit ständig neuen Perspektiven und kann den Besucher schon von außen einige Zeit beschäftigen. Im Inneren zeigt das Museum die Kultur und Geschichte sowohl der vielen verschiedenen Völker der kanadischen Ureinwohner als auch der unterschiedlichen Einwanderer-Gruppen, die im Laufe der Zeit nach Kanada kamen. Über eine Million Besucher pro Jahr - und damit mehr als jedes andere Museum des Landes - ziehen die Exponate an.

Vor dem Ausstellungsgebäude wird zum letzten Mal mit lauten Rufen "de l'eau" angeboten, denn ab der nächsten Verpflegungsstelle gibt es wieder "water". Ganz so strikt unterscheidbar, wie es sich anhört, ist das in der Realität natürlich nicht. Denn selbstverständlich sind die meist jugendlichen Helfer auch in Gatineau durchaus in der Lage englisches Wasser anzupreisen - und tun dies auch in ständigem Wechsel genau wie ihre Kollegen am Südufer.

Doch merkt man zumindest dort, wo eher Anwohner als dem Marathontross folgenden Freunde und Verwandte an der Strecke stehen, an den Anfeuerungsrufen, dass der Fluss selbst im eng zusammen gewachsenen Ballungstraum weiterhin eine - wenn auch immer unschärfer werdende - Grenze darstellt. Mehr als drei Viertel der Bewohner von Gatineau geben nämlich Französisch als Muttersprache an. In Ottawa sind es bei aller verordneten und zum Teil sogar gelebten Zweisprachigkeit dagegen weniger als zwanzig Prozent.

Ziemlich interessant - und wohl echt kanadisch - ist die Methode, mit der einige der Freiwilligen dafür sorgen, dass die Straße hinter den Verpflegungstischen nicht vor leeren Bechern überquillt. Während anderswo auf der Welt zum Saubermachen nämlich in der Regel normale Rechen aus dem Garten verwendet werden, räumen die Jugendlichen in Gatineau den Asphalt mit ihren Eishockeyschlägern frei.

Direkt hinter dem Museum wendet sich die Marathonstecke wieder Ottawa und dafür zuerst einmal der "Alexandra Bridge" zu. Schon alleine aufgrund ihrer Stahlkonstruktion ist sie sicher die auffälligste unter den Brücken zwischen den Schwesterstädten. Doch ihre zentrale Lage mit dem Musée canadien des civilisations auf der einen Seite und dem Château Laurier, der Schleusentreppe des Rideau Canals und dem daneben anschließenden Parliament Hill am anderen Ufer macht sie zu einem zentralen Bestandteil fast jeder Hauptstadtvisite.

Fast hundert Meter hoch ist der Peace Tower, der aus dem Centre Block des Parlaments aufragt, vom Flussufer betrachtet ist der Höhenunterschied sogar noch größer

Abgesehen vielleicht vom noch etwas höher gelegen Aussichtspunkt "Nepean Point" an ihrem südlichen - in diesem Fall aufgrund eines leichten Knicks im Flussverlauf allerdings eher östlichen - Brückenkopf präsentiert sich das Stadtpanorama Ottawas schließlich von nirgendwo eindrucksvoller. Kaum ein Tourist spaziert nicht einmal über die außen angehängte Promenade der "Interprovincial Bridge" - ein Name, der sich für diesen einst wichtigsten Übergang gehalten hat, obwohl natürlich alle anderen Brücken über den Fluss ebenfalls zwei Provinzen verbinden.

Und auch den Marathonis, die allerdings die sonst dem Autoverkehr vorbehaltenere Mittelspur benutzen dürfen, bieten sich so hervorragende Blicke auf Ottawa, die es durchaus wert sind, auf Silikon festgehalten zu werden. Die mehrfach klickende Kamera des Laufreporters bringt einen in diesem Moment gerade passierenden Läufer dazu, sich freundlich zu erkundigen, ob er denn nicht einmal den Auslöser drücken solle, damit auch der Fotograf selbst auf einem der Bilder zu sehen sei.

Aus der Frage und der daraufhin gegebenen standardmäßigen Antwort, das sei nicht nötig, weil die Aufnahmen für einen Artikel in einem deutschen Internetmagazin bestimmt seien, entwickelt sich später eine längere Unterhaltung. Alain Bond - so heißt der hilfsbereite Marathoni - redet erst einmal Englisch. Doch die Art, wie er es ausspricht, lässt vermuten, dass er zuhause vielleicht doch eher mit Französisch aufgewachsen ist, was sich nach einem "tu es Québecois?" tatsächlich bestätigt.

Doch beherrscht Bond überraschend auch ein bisschen Deutsch. Vor vielen Jahren habe er nämlich für einige Zeit in der Schweiz gelebt, erzählt er. Das sei zwar im französischsprachigen Genf gewesen. Doch natürlich habe er etliche Kontakte über die Sprachgrenze hinaus gehabt. Und zudem sei er auch öfter einmal in Österreich oder Deutschland unterwegs gewesen. Hauptgrund für seine noch immer ganz guten Kenntnisse sei allerdings dann doch seine deutsche Freundin gewesen.

Man zeigt sich im Verlauf des Gesprächs also erst einmal gegenseitig, dass man die Sprache des anderen ein bisschen beherrscht und wechselt dann schließlich doch weitgehend ins Englische, das zwischendurch bereits mehr als einmal als Ausweichlösung herhalten musste, wenn man anders nicht mehr weiter kam. Die bunte Mischung von Wörtern und Halbsätzen aus drei verschiedenen Sprachen klingt in den Ohren zufälliger Zuhörer sicher ziemlich originell.

Vor fünf Jahren habe er mit Triathlon angefangen, berichtet der Mann aus Pointe-Claire, einer Vorstadt im Großraum von Montréal. Und als Triathlet sieht er sich dann auch eher. Allerdings ist er bereits im Vorjahr den Marathon von Ottawa gelaufen. Nach etwa zwei Dritteln der Distanz bekommt er trotzdem langsam schwere Beine. "Wer nicht trainiert, muss sich aber auch nicht wundern", gibt er sicher nicht ganz unrichtig dazu zu Protokoll.

Wenig später muss er seinem Tempo dann wirklich Tribut zollen und sich nach hinten verabschieden. Auf jedem der zwölf Kilometer von der letzten Zwischenzeitmessung an der Dreißigermarke bis zum Ziel wird er im Schnitt fast eine Minute mehr benötigen als davor. Doch Bond erreicht das Ziel nach 4:26:30 immerhin noch mit einer fast auf die Sekunde gleichen Zeit wie im Jahr zuvor.

Leicht bergan führt die Strecke hinter der Brücke erst einmal. Immer wieder kann man dabei durch die Büsche einen Blick zum rechterhand auf seinem Hügel sitzenden Parlament hinüber werfen. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite taucht direkt oberhalb der Läufer dagegen langsam die "National Gallery of Canada" auf. Wie zu erwarten ist sie das wichtigste Kunstmuseum der Stadt und zählt - ebenfalls wenig überraschend - zu den führenden Ausstellungen im ganzen Land.

Das John G. Diefenbaker Building war früher Rathaus von Ottawa, jetzt sitzt dort ein Teil des kanadischen Außenministeriums

Das auffälligste Teil des - kaum kleiner als das Museum of Civilization jenseits des Flusses ausgefallenen - Bauwerks kann man aber nur bedingt bewundern. Der futuristische gläserne Eckturm ist nämlich komplett eingerüstet. Denn wie das Parlament auf der Kuppe jenseits der Schleusentreppe wird auch die Nationalgallerie ein Vierteljahrhundert nach ihrer Eröffnung von Grund auf renoviert.

Überhaupt wird viel gebaut in der National Capital Region. An vielen Punkten entdeckt man Kräne. Im Zentrum von Ottawa wachsen praktisch gleichzeitig mehrere neue Hochhäuser in den Himmel. Nur wenig weiter außerhalb werkelt man an zusätzlichen Wohntürmen. Und auch auf der anderen Seite des Flusses in Gatineau trifft man auf einige Großbaustellen. Die Hauptstadtregion wächst unverkennbar weiter.

Obwohl es für sich alleine genommen im Moment noch weniger als neunhunderttausend Einwohner zählt, erwartet man bereits innerhalb der nächsten zehn Jahre, dass Ottawa auch ohne die Schwesterstadt zur Millionenmetropole wird. Und in Gatineau konnte man zuletzt von einer Dekade zur darauf folgenden bezüglich der Bevölkerung ebenfalls stets einen zweistelligen Steigerungsprozentsatz errechnen.

Im Anstieg zur Nationalgallerie zeigen Schilder an, dass sich ein paar Schritte weiter oben Marathon- und Halbmarathonstrecke wieder trennen werden. Während die Läufer der kurzen Distanz an dieser Stelle geradeaus direkt dem Ziel entgegen streben und sich angesichts von nur noch vier fehlenden Kilometern bereits vorsichtig auf den Endspurt einstimmen können, haben die Langstreckler noch mehr als ein Drittel vor sich und müssen auf einer weiteren Schleife zusätzliche Meter sammeln.

Sie beginnt zwischen National Gallery und der auf der anderen Straßenseite aufragenden katholischen Kathedrale "Notre-Dame", für die auch in der englischen Namensvariante die ursprünglich französische Bezeichnung nicht übersetzt wird. Die mehr als hundertfünfzig Jahre alte Bischofskirche - sie wurde schon dreißig Jahre vor dem Parlament fertig gestellt - ist das größte Gotteshaus der Stadt und weithin sichtbar.

Da die Sonne auch weiterhin nicht durch die Wolken gebrochen ist, schimmern und glänzen ihre mit Metall überzogenen Dächer und Türme ebenfalls nicht. Bei schönem Wetter, wie es ab Mittag herrschen wird, reflektieren diese allerdings die Strahlen und machen den Bau noch auffälliger. Allerdings sind solche silbernen Kirchtürme im Osten Kanadas alles andere als unüblich. Vielmehr haben sogar die meisten eine ähnlich glitzernde Spitze. Nur wenige Häuserblocks entfernt bildet die - ebenfalls katholische - Saint Brigid's Church gleich ein weiteres Beispiel.

Dass Kirchen jener Konfession ausgerechnet in diesem Viertel der Stadt dominieren, ist keineswegs zufällig. Denn schon zu Zeiten des Kanalbaus unter Colonel By siedelten sich in "Lower Town" - im Gegensatz zur etwas höher gelegenen, englisch geprägten "Upper Town", die heute Parlament Hill und Innenstadt bildet - hauptsächlich die frankokanadischen und irischen, also in der überwältigenden Mehrheit katholischen Arbeiter an.

Gleich zweimal kommt man beim Marathon an der auffälligen Pyramide am Eingang des Diefenbaker Building vorbei

Zwar ist auch die Lower Town in der Vergangenheit nicht völlig von Bausünden verschont worden. Doch hat sich weit mehr alte Substanz erhalten als im eigentlichen Zentrum. Insbesondere rund um die Markthalle des ByWard Market sind dort Restaurants und Kneipen eingezogen, die diesen Bezirk zum bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebten Ausgehviertel der Stadt machen. Während im Osten des Rideau Canal bis in die Nachtstunden Betrieb herrscht, ist die Innenstadt nach Büroschluss praktisch ausgestorben.

Die Zusatzschleife beginnt mit jenem bereits erwähnen Begegnungsabschnitt, den man später in umgekehrter Richtung noch einmal absolvieren wird. Hinter Nationalgallerie und Kathedrale bekommt man dabei als erstes den einer Ritterburg nachempfunden Bau der "Royal Canadian Mint" zu Gesicht. Umlaufmünzen selbst werden dort keine mehr hergestellt. Das geschieht in der Prägestelle von Winnipeg in der Provinz Manitoba. Doch noch immer produziert man in Ottawa Sondermünzen für Sammler.

Direkt hinter der Münzanstalt stößt der Sussex Drive, auf dem die Marathonis nun unterwegs sind, zum Ottawa River vor, dem man von jetzt an oben auf dem Hügel weiter nach Nordosten folgen wird. Die Überquerung der Zufahrtstraße zur Macdonald-Cartier-Bridge nach Gatineau bringt noch eine weiteren kleine Kuppe mit sich, dann läuft man am nicht unbedingt grazilen, aber durch viele versetze und stufige Elemente architektonisch immerhin auch nicht völlig missratenen Außenministerium vorbei.

Eine weitere Brücke - nun aber ohne jeden Höhenunterschied - schließt sich an. Der Wasserlauf, den man auf ihr überläuft, ist der westliche Arm des Rideau River. Wenig später wird man auch dessen andere, die östliche Verzeigung des Flusses hinter sich haben. Nur wenige Schritte von der Straße entfernt stürzen sich beide über eine Felsstufe direkt in den etwa zehn Meter unterhalb gelegenen Ottawa River.

Dass man diese wahrlich spektakuläre Mündung mit einem Kanal umgehen musste, wird spätestens klar, wenn man sie mit eigenen Augen sieht. Die zwei - leider inzwischen ein wenig verbauten - Wasserfälle sind es auch, die dem Rideau River und damit außerdem indirekt dem Rideau Canal ihre Namen verschafft haben. Denn "riedeau" bedeutet auf Französisch nichts anderes als "Vorhang".

Auf der "Green Island" genannten Insel zwischen den beiden Flussarmen steht mit dem "John G. Diefenbaker Building" ein weiteres vom Außenministerium benutztes Gebäude. Alleine schon wegen der schlanken und hohen Glaspyramide am Haupteingang sticht es sofort ins Auge. Allerdings saßen in ihm nicht von Anfang an Bundesinstitutionen. Vielmehr war der Bau bis zur Jahrtausendwende mehr als vierzig Jahre lang das Rathaus von Ottawa.

Dann aber wurde die Stadt wie schon erwähnt mit den Gemeinden des Umlandes zusammen gelegt, die zuvor - ungefähr entsprechend einem deutschen Landkreis - mit Ottawa die "Regional Municipality of Ottawa-Carleton" bildeten. Es entstand eine sogenannte "single-tier municipality", die man etwa mit einer kreisfreien Stadt hierzulande vergleichen könnte, weil sie Elemente von Gemeinde und County in sich vereint. Die Kreisverwaltung, die ihren Sitz - seltsam genug - viel näher an der Innenstadt hatte, nämlich in der heutigen City Hall, wurde deswegen aufgelöst.

Vorbei am Eingang zu Rideau Hall, dem Sitz des Generalgouverneurs führt der Kurs bei Kilometer 29 Einige Kilometer später läuft man wieder durch Wohngebiete Manchmal lässt sich schon anhand der Kleidung der Helfer eindeutig erkennen in welchem Land man sich befindet

Man entschied sich, zukünftig deren Gebäude weiter zu nutzen und verkaufte das alte Rathaus, das erst ein Jahrzehnt zuvor deutlich erweitert und um spektakuläre Elemente wie die Pyramide und ein gigantisches Metallgestell auf der Rückseite ergänzt wurde, an den Bund. Der gab ihm dann den Namen eines früheren Premierministers, der nicht nur deutschstämmig sondern auch in - man höre und staune - "Neustadt, Ontario" geboren war.

Hinter der französischen Botschaft passiert die Strecke eben jene Adresse "24 Sussex Drive", die dem kanadischen Premierminister als Heim-Anschrift dient. Das Haus selbst versteckt sich zwar hinter Büschen vor allzu neugierigen Blicken. Doch dass man überhaupt einen Marathon so dicht an ihm vorbei führt, ist genauso erstaunlich wie die nicht wirklich starke Bewachung und Befestigung des Grundstücks. Doch passen die Beobachtungen sehr gut zum bereits am Parliament Hill gewonnenen Bild.

Auch die Zufahrt zu "Rideau Hall" passiert man wenig später. Das palastähnliche Herrenhaus ist die formale Residenz der "Königin von Kanada", der Titel der die britische Regentin Elizabeth erst zum Staatoberhaupt im Land des Ahornblattes macht. Hauptsächlich ist es aber der Sitz ihres Vertreters, der Generalgouverneurs. Das Gebäude lässt sich bei geführten Touren besichtigen, der weitläufige Park ist der Öffentlichkeit sowieso frei zugänglich.

Hinter der Rideau Hall wird aus dem "Sussex Drive" der "Rockcliffe Parkway". Und die ohnehin baumbestanden Straße verschwindet in einem Wäldchen. Für die nächsten drei bis vier Kilometer wird man sich in der ziemlich grünen Umgebung eines Parks bewegen. Nur noch in Ausnahmefällen rückt einmal ein Haus näher an die Laufstrecke heran, die nun einen weiten, durchaus etwas welligen Bogen um den Nobelvorort Rockcliffe Park schlägt.

Woher Park, Straße und Stadtbezirk ihren Namen haben, wird klar, als hinter Kilometer dreißig die Bäume auf der linken Seite wieder die Sicht freigeben. Denn das Asphaltband verläuft am Rand eines relativ steil zum Ottawa River abbrechenden Hanges. Wie das Zentrum sitzt auch die wohlhabendste "neighbourhood" der Stadt auf einem Höhenrücken ein ganzes Stück oberhalb des Flusses und der Parkway hat in diesem Abschnitt fast den Charakter einer Panoramaroute.

Nach der Umrundung des Felsen senkt er sich allerdings deutlich ab, so dass man noch einmal Schwung für das letzte Viertel des Marathons aufnehmen kann, und entfernt sich bald darauf zudem wieder ein Stück vom Fluss. Auch das Gelände wird dabei wesentlich offener. Statt durch Wäldchen läuft man nun durch nur noch von wenigen Bäumen durchsetzte Wiesen, die diesen wesentlich flacheren Teil des Parks prägen.

Nach neununddreißig Kilometern ist man wieder am Convention Centre angekommen

"Hey, that's Chariots of fire". Es liegt vielleicht an seiner etwas erhöhten Position, dass der Radfahrer, der die Läufer in diesem Moment begleitet, die Melodie zuerst wahrgenommen hat. Er hat sich keineswegs einfach ins Feld hinein gemogelt sondern ist in offizieller Mission unterwegs. Sein rotes T-Shirt zeigt, dass er zum medizinischen Personal gehört, das ziemlich zahlreich entlang der Strecke patrolliert.

Der Arzt auf Rädern hat mit seiner Aussage übrigens selbstverständlich recht. Dort wo der Marathonkurs an der vom Ausgangspunkt am weitesten entfernten Stelle der Schleife den Parkway verlässt, ertönt tatsächlich jenes bekannte Instrumentalstück aus den aufgebauten Boxen, das selbst mehr als dreißig Jahre nach seiner Veröffentlichung bei Laufveranstaltungen immer wieder für Gänsehaut sorgen kann.

Die Stecke wendet sich kurz einem Wohngebiet namens "Manor Park" zu, in dem der Zuschauerzuspruch durchaus bemerkenswert ist. Aber es ist ja auch wieder eine "cheering station", die man da passiert. Die Anfeuerungen helfen jedenfalls eindeutig, die kleine Kuppe hinauf zu kommen, über die man auf der anderen Seite wieder aus der Siedlung hinaus läuft. Es sind zwar nur eine Handvoll Höhenmeter, die dabei bewältigt werden müssen. Doch nach dreiunddreißig Kilometern spürt man eben auch diese bereits recht deutlich.

Die wesentlich breitere Hauptstraße, auf die man nach dem Verlassen von Manor Park eingebogen ist, verläuft anfangs wieder durch eine bewaldete Umgebung. Nur gelegentlich lässt sich irgendwo einmal ein Häuschen zwischen den Bäumen sehen. Nach einem kurzen Aufflammen der Stimmung, wird es ausgerechnet in der Phase, in der so mancher Marathoni auf die berühmt-berüchtigte Mauer trifft, wieder recht einsam am Streckenrand.

Optisch ist diese Passage aber durchaus ansprechend und zum wiederholten Mal zeigt das Rennen mitten durch die kanadische Hauptstadt dabei auch Elemente eines Landschaftsmarathons. Als die Straße aber etwa eine Kilometer später wieder dichter bebautes Gebiet erreicht, wird das Laufen auf ihr jedoch ziemlich unnagenehm. Denn man ist auf dem zweiten längeren Abschnitt unterwegs, auf dem die Läufer sich die Fahrbahn mit Autos teilen müssen.

Während sich das zuvor eigentlich schon recht entzerrte Feld nun wieder auf der relativ schmalen Spur zusammen drängen muss, die für den Marathon abgesperrt ist, rollt direkt nebenan keineswegs spärlicher Verkehr. Und so dürfte kaum jemand böse darüber sein, dass der Kurs nach einen Kilometer wieder auf einer ihm ganz alleine vorbehaltenen Straße in der nächsten "Nachbarschaft" verschwindet.

Am Ende des - abgesehen von einem kurzen Schlenker ziemlich gerade verlaufenden - Kilometers quer durch dieses "New Edinburgh" stößt man dann auch erneut auf den Rideau River, dem der Kurs noch einige Meter folgt, bevor am Diefenbaker Building die eigentliche Runde abgeschlossen ist und der Rückweg ins Stadtzentrum Ottawas auf schon bekannter Strecke angetreten wird.

Nur kurz - kaum länger als fünfhundert Meter - ist der Abschnitt, auf dem es hinter Nationalgallerie und Kathedrale anschließend noch etwas Neues zu entdecken gibt. Dann ist zwischen dem alten Bahnhof und dem Westin Hotel auch schon wieder jene Passage erreicht, die man bereits ganz zu Anfang des Marathons unter den Füßen hatte.

Die nächsten beiden Kilometer hatten die Marathonis schon einmal ganz am Anfang unter den Füßen

Es reicht gerade einmal für die noch ziemlich neue amerikanische Botschaft mit einer fast an einen Bienenkorb erinnernden Dachkonstruktion in der Mitte sowie das beinahe hundert Jahre ältere, von seinem Architekten wohl einer Ritterburg nachempfundene "Connaught Building", in dem die kanadische Steuerbehörde ihren Hauptsitz hat. Den beiden auf langen, aber ziemlich schmalen Grundstücken sitzenden Großbauten gegenüber erstrecken sich mehrere Straßenblocks weit deutlich kleinere, meist historische Häuser der Lower Town.

Am Convention Centre hört man dann schon Ziellautsprecher und Jubelrufe auf der anderen Kanalseite. Und wenig später wäre es im wahrsten Wortsinne nur noch ein Steinwurf bis dorthin. Doch erst einmal muss man noch fast zwei Kilometer den Rideau Canal hinauf, um zum zweiten Mal über die Pretoria Bridge die Seiten zu wechseln. Nur biegt man diesmal dahinter nach rechts ab und läuft dem Ziel entgegen.

Auch auf der Brücke ist an der Spitze bei den Männern noch keine wirkliche Entscheidung gefallen. Der Äthiopier Tariku Jufar hat sich zwar in der Nähe des gläsernen Kongresszentrums einige Meter von Luka Rotich aus Kenia absetzen können. Doch wirklich abgeschüttelt ist dieser noch nicht. Die beiden sind als Letzte aus einer etwa zehnköpfigen Führungsgruppe übrig geblieben, die an der Halbzeitmarke in ziemlich genau vierundsechzig Minuten vorbei geeilt war.

Und dass ausgerechnet Rotich bis zum Ende dabei ist, stellt die Fernsehkommentatoren eines Privatsenders, der die Veranstaltung überträgt, anfangs vor einige Probleme. Denn eigentlich haben sie ihn nur als Tempomacher auf ihrer Liste stehen. Doch der Hase entscheidet sich nach getaner Arbeit, weiter im Rennen zu bleiben und setzt dem Äthiopier massiv zu. Für einen kurzen Moment scheint er sogar die entstanden Lücke auf der Zielgeraden noch einmal schließen zu können.

Aber schließlich kann sich Tariku Jufar mit 2:08:06 doch knapp durchsetzten und verbessert damit den gerade einmal ein Jahr alten Streckenrekord um eine volle Minute. Diese bleibt auch der im Ziel trotz "nur" Platz zwei dennoch die Arme nach oben reißende Rotich noch unter der früheren Marke und legt in 2:08:12 genau wie sein Konkurrent zwei fast auf die Sekunde gleich schnelle Hälften hin.

Auf dem dritten Rang landet nach 2:10:26 Gashaw Melese aus Äthiopien, der schon vor Kilometer dreißig den Abschluss an die Spitze verloren hatte. In dieser Phase des Rennens sind bei den Frauen auf dem Rockcliffe Parkway dagegen noch vier Läuferinnen gleichauf. Alle vier stammen aus Äthiopien. Und sie machen den Sieg dann auch unter sich aus.

Yeshi Esayias und Misiker Mekonnin können sich im Schlussviertel noch deutlich von den beiden anderen lösen. Und im Ziel hat Yeshi Esayias mit 2:25:32 die Nase um dreizehn Sekunden vorne. Exakt zwei Minuten später werden Sechale Delasa und Netsanet Achamo genau den gleichen Abstand gestoppt. Die als letzte Kenianerin noch bis über die Halbmarathonmarke hinaus mithaltende Kenianerin Ruth Wanjiru wird in 2:30:35 schließlich Fünfte.

Auch die 2:25:32 von Yeshi Esayias bedeuten einen neuen Streckenbestmarke und sogar eine Verbesserung um über zwei Minuten. Die neununddreißigste Auflage des Ottawa Marathons erlebt also eine regelrechte Rekordflut. Denn nicht nur die Zeiten werden klar verbessert, mit 4803 Einträgen ist auch die Ergebnisliste so lange wie nie zuvor. Einen größeren Marathon hat es in ganz Kanada noch nicht gegeben.

Auch die nationalen Meisterschaften sind in den Lauf integriert. Und diesen Titel holt sich nach 2:18:34 auf Gesamtrang zehn Rob Watson. Sechs Wochen zuvor war er in Boston bereits eine 2:15:33 gelaufen. Und eigentlich wollte er in Ottawa auch nur über zehn Kilometer an den Start gehen. Doch dann hatte er sich kurzfristig anders entschieden und wird für diesen nicht ganz den Lehrbüchern entsprechenden Entschluss nach einem langen Sololauf mit seinem ersten kanadischen Marathontitel belohnt.

Nachdem man den Kanal noch einmal ein ganzes Stück hinauf und am gegenüber liegenden Ufer wieder zurück gelaufen ist, erreicht man das Ziel unweit der City Hall

Weit mehr Erfahrung hat diesbezüglich Loudmila Kortchaguina. In 2:33:11 holt sich die gebürtige Russin bereits ihre fünfte nationale Meisterschaft über diese Distanz ab. In fast exakt der gleichen Zeit hatte sie noch vor ihrer Einbürgerung im Jahr 2002 bereits den Gesamteinlauf in Ottawa gewonnen. Noch drei weitere Siege stehen in der kanadischen Hauptstadt für die inzwischen fast Zweiundvierzigjährige zu Buche.

Der Schnellste im Halbmarathon Josh Karanja ist zwar ebenfalls nicht im Land geboren, aber trotzdem Kanadier. Und obwohl er aus dem Läuferland Kenia stammt, ist er auch keineswegs als Profiathlet in seine neue Heimat gekommen und dort hängen geblieben, sondern bereits als Kind mit seiner Familie eingewandert. Nach 1:07:50 hat der Lokalmatador im Ziel einen beträchtlichen Vorsprung vor Jonathan Gendron (1:13:05) und Joel Maley (1:13:43).

Weit schwächer fallen die Zeiten bei den Frauen aus. Dort reichen Laura Durno gerade einmal 1:24:56 zum Sieg aus. Doch dafür geht es beim Kampf um die vorderen Plätze weitaus enger zu als bei den Herren. Denn innerhalb einer Minute sind mit Jodi Wendland (1:25:27) Marilou Ferland-Daigle (1:25:32), Amelie Ducharme (1:25:47) sowie Edith Pepin (1:25:52) noch vier weitere Läuferinnen im Ziel.

Fast fünfeinhalbtausend weitere werden folgen und die nur viereinhalbtausend Männer zumindest zahlenmäßig eindeutig abhängen. Schon durch der Halbmarathon alleine wäre also eine durchaus beachtliche Veranstaltung. Mit all den anderen Distanzen wird das Ottawa Race Weekend fast schon zu einem sportlichen Megaereignis, das durchaus noch deutlich größer ausfallen könnte, würde man die Teilnehmerzahlen nicht durch Limitierungen künstlich beschränken.

Beim Marathon könnte man vermutlich aus organisatorischer Sicht sogar tatsächlich noch zulegen. Denn die Strecke gäbe durchaus noch ein paar Starter mehr her. Das Interesse in Kanada selbst ist auf jeden Fall da. Und so steht zu vermuten, dass in Ottawa auch im nächsten Jahr der größte Marathon des ganzen Landes ausgetragen wird.

Nur jenseits der kanadischen Grenzen müsste man vielleicht doch einmal etwas mehr Notiz davon nehmen. Als Ziel für eine Laufreise ist die kanadische Hauptstadt jedenfalls durchaus geeignet. Allerdings müsste man diese dazu erst einmal kennen. Und eventuell könnte bereits das der erste wirkliche Knackpunkt sein. Denn diese ist eben noch immer eine große Unbekannte.

Falls sich demnächst einmal während einem Trainingsläufchen das Gespräch auf Hauptstädte kommt und man bei "Kanada" sofort mit "natürlich Ottawa" antworten kann, lässt sich sicher Eindruck schinden. Und wer dann noch davon berichtet, dass dort der größte Marathon des Landes stattfindet, gilt bestimmt schon als "absoluter Experte". Doch die Theorie ist das eine. Viel spannender und besser wäre es natürlich, sich diesen Lauf der Rekorde tatsächlich einmal vor Ort anzusehen.

Bericht und Fotos von Ralf Klink

Info & Ergebnisse www.runottawa.ca

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