14.10.18 - Niagara Falls Marathon (USA - Kanada)

Das Rennen zum Abgrund im Indian Winter

Beeindruckende Laufreise durch Kanadas Osten

von Axel Künkeler 

Wer im Oktober an die Ostküste Nordamerikas reist, der hofft auf einen farbenfrohen Herbst und angenehm milde Temperaturen. An drei aufeinanderfolgenden Tagen mindestens 21 Grad und Laubfärbung, dann sprechen die Kanadier vom "Indian Summer". Davon waren die Bedingungen heuer jedoch weit entfernt. Bei Tageshöchst-Temperaturen oft im einstelligen Bereich, dachten manche eher an einen "Indian Winter". Dabei hat es der Winter in Kanada mit zweistelligen Minusgraden und bis zu drei Meter Schnee wirklich in sich.

Die berühmten Niagara Fälle als beeindruckende Kulisse
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Für die 20 Teilnehmer von "Run' Hike in Kanada", veranstaltet von der Dortmunder Agentur Laufreisen.de, war die Reise zum Niagara Falls Marathon jedenfalls ein großartiges Erlebnis. Geschäftsführer Nils Krekenbaum hatte mit seinem Team alles bestens organisiert, er selbst kümmerte sich als Reiseleiter vor Ort sehr fürsorglich um seine Gäste. Nach einem rund sieben-stündigen Flug über mehr als 6000 Kilometer von Frankfurt nach Toronto ging es mit dem Bus gleich weiter an den Ort der Laufveranstaltung. In Niagara Falls hatte die Gruppe zunächst zwei Tage Zeit, mit dem Jetlag (die Ostküstenzeit Nordamerikas liegt sechs Stunden hinter der MESZ zurück) klar zu kommen.

Die gesamten Reisegruppe an den Falls, vorne kniend Reiseleiter Nils Krekenbaum Einige Mitglieder der deutschen Laufreisen-Gruppe nahmen auch aktiv am Halbmarathon des Niagara Falls Marathon teil

Zeit natürlich auch, sich ausgiebig das eindrucksvolle Naturschauspiel der weltberühmten Niagara Wasserfälle anzuschauen. Die Falls von der Aussichts-Promenade, vom 160m hohen Skylon Tower oder direkt vom Boot inmitten der tosenden Gischt, Möglichkeiten dazu gibt es mehr als genug - bis hin zum 3D-Kino und zur Zipline entlang der Wasserfälle, von denen der kanadische Horseshoe mit 54m Fallhöhe und einer 670m breiten Kante beeindruckender ist als die daneben liegenden American Falls. Damit fängt der touristische Rummel rund um das Naturwunder aber auch schon an.

Das Logo der Veranstaltung war (neben den Falls) ein beliebtes Foto-Motiv

Die etwas mehr als 80.000 Einwohner zählende kanadische Kleinstadt gleichen Namens lebt vor allem vom Tourismus. Dabei wird die Hauptattraktion gnadenlos vermarktet, vieles hat mit dem Natur-Spektakel nichts mehr zu tun. Das Spektakel drum herum ist typisch (nord-) amerikanisch: Dracula-Castle und Dinosaurier-Minigolf, Casino und Spielhöllen sind für den europäischen Geschmack eher abschreckend. Mehr amüsiert schauen sich die Läufer und ihre Begleitpersonen, neben 17 Deutschen zwei Südtiroler und ein Österreicher, das Ganze an. Sie haben sowieso schon ihren Lauf am Sonntag vor Augen.

Die City von Niagara Falls vereint Alt und Neu, Naturwunder und touristischen Klamauk

Drei von ihnen starten beim 10-Kilometer-Lauf, neun beim Halbmarathon und sieben auf der Marathon-Distanz. Insgesamt zählt die Veranstaltung, zu der auch noch ein 5-Kilometer-Lauf gehört, 3.224 Finisher. Die Frauen sind dabei mit 1.848 Finishern klar in der Mehrheit, selbst beim Marathon stellen sie - für deutsche Verhältnisse absolut ungewöhnlich - fast die Hälfte. Der Niagara Falls International Marathon könnte fast schon auf das 50. Jubiläum zusteuern, denn die Premiere gab's bereits 1974. Wäre da nicht eine zehnjährige Unterbrechung von 1987 bis 1996 gewesen. So war es erst die 35. Edition einer ganz besonderen Veranstaltung.

Ein hoher Frauenanteil zeichnet die Veranstaltung aus. Hier die Zweitschnellste Frau über 10k wird Kathryn Blaszynski in 44:22
555 Finisher am Start zum Fünf-Kilometer-Lauf

Der besondere Reiz des Niagara Falls Marathon liegt darin, dass es weltweit einer von ganz wenigen Läufen ist, die in einem Land (USA) starten und in einem anderen (Kanada) enden. Grenzüberschreitende Läufe gibt es zwar in Europa einige, doch meist kehren sie wieder an den Startort zurück und Grenzkontrollen gibt es im Schengen-Raum der EU dabei ohnehin nicht. Anders in Nordamerika:

"Vergesst Eure Reisepässe nicht", mahnt Nils Krekenbaum. Die muss man dabei haben, wenn es am frühen Morgen mit den gelben Schulbussen von Niagara Falls (Kanada) nach Buffalo (USA) zum Start geht. Der Laufreisen-Geschäftsführer rät sogar dazu, die Pässe beim Marathon mitzuführen, denn eine Kontrolle beim Grenzübertritt sei nicht völlig auszuschließen.

Über die Peace Bridge ging es bei KM 6-7 von den USA nach Kanada - Fotos (2) Nils Krekenbaum/Laufreisen.de

Die Grenze wird nach 6,5 Kilometern auf der Peace Bridge erreicht, kontrolliert wird diesmal keiner der Marathonis. Den Rest der Strecke geht es auf der kanadischen Seite entlang des Niagara River, weitgehend flach ("flat like a pancake"). Das Ziel des "Run to the brink" liegt aber nicht am Abgrund, wie die wörtliche Übersetzung vermuten lässt, sondern in Höhe der Abfallkante des Niagara River, eben den Niagara Falls. Die bekommt man beim Lauf selbst jedoch nicht wirklich in den Blick, erst nach dem man die Finish-Line und den Bereich der Zielverpflegung durchquert hat. Insofern ist der Streckenverlauf nicht wirklich spektakulär: ein Landschaftslauf auf Asphalt mit wenigen Stimmungsnestern. Eine spürbare Zuschauer-Resonanz gibt es erst wieder im Zielbereich.

Über einen Seitenarm des Niagara River ging es zurück Richtung (Halb)Marathon-Ziel Ein, zwei Kilometer vor dem Ziel rückte die Skyline von Niagara Falls in den Blick

So können die Läufer ihren Fokus ganz auf den eigenen Lauf und die eigenen Ziele richten. "Dabei sein und ankommen", lautet meist die Parole für die Laufreisen-Gruppe. Immerhin gelingt Hilka-Ulrike Hoeveler-Klebsch aus Münster, in 4:31:38h die 121. der 335 Frauen, Platz drei in der W60. Und Karsten Pippig aus Sachsen kommt in 3:49:22h als 88. in die Top100 der 383 Männer. Bester Deutscher überhaupt wird Jan Fessler. Als 2. M45 und 13. Mann finisht der Triathlet aus Baden-Württemberg bereits nach 3:07:42 Stunden. Den Sieg holen sich Kyle Greig in 2:28:45h bei den Männern sowie Courtney Laderer, in 2:59:08 als einzige Frau unter drei Stunden Gesamt-9. Die Streckenrekorde von Peter Pfitzinger (2:17:10/1980) und Nicole Stevenson (2:37:09/2004) bleiben damit völlig ungefährdet.

Hilka-Ulrike Hoeveler-Klebsch aus Münster belegt als 121. Marathon-Frau Rang 2 der W60 - Fotos (2) Nils Krekenbaum/Laufreisen.de
Susanna Jung aus Ludwigshafen folgt als 4. W60 und 129. der 335 Marathon-Frauen

Gleich drei Altersklassen-Podestplätze schaffen die Laufreisen-Teilnehmer im Halbmarathon, den David Eikelboom in 1:08:53h bei den Männern und Emily Patton (1:25:53h) als Gesamt-11. bei den Frauen gewinnen. Vom Start am Stadtrand von Niagara Falls ging es zunächst in südlicher Richtung ebenfalls entlang des Niagara River als Wendepunkt-Strecke zurück zum Ziel bei den Falls, komplett auf kanadischem Boden und ebenso flach wie ein Pfannekuchen. Im Gegensatz zum Marathon kämpfen die Halbmarathonis während der ersten Stunde mit hoher Luftfeuchtigkeit und Nieselregen. Erst am Ende des Laufes wird es trocken, sogar die Sonne blinzelt nun durch, die Temperaturen bleiben jedoch im einstelligen Bereich.

Dehnen mit Blick auf die Falls: George Drew, der den Marathon in 3:24:54 als 6. M50 finishte Los geht's zum Halbmarathon

Bei den widrigen Bedingungen läuft Petra Carstensen aus der Nähe von Hamburg in 2:04:43h als 184. der 749 Frauen auf Rang zwei der W60. Martina Lösch aus Südtirol wird in 2:05:40h 195. Gesamt und 3. W60, während Stefan Thurner aus Bayern in 1:52:40h als 175. Mann (von 528) und 3. M65 ins Ziel kommt. Seine Frau Christa Thurner walkt die zehn Kilometer in 1:28:17h, wird damit 2. W65, während der 16-jährige Tobias Pippig seinen ersten Lauf über zehn Kilometer in 53:45 Minuten absolviert und damit gleich Dritter der LM19 wird. Mit 1279 Finishern, plus 13 Wheelchairs hat der Halbmarathon mit Abstand die größte Resonanz der vier verschiedenen Distanzen. 555 sind es über fünf Kilometer, 658 auf zehn sowie 719 beim Marathon.

Kristopher Vardy wird beim Halbmarathon in 1:22:07h Sechster gesamt und 2. M30 M40-Sieger Mike Gigliotti belegt eine Sekunde dahinter Rang sieben Petra Carstensen freut sich über Platz 2 in der W60 beim Halbmarathon
(Foto Nils Krekenbaum/Laufreisen.de)

Beim Abendessen feiern die Laufreisen-Teilnehmer samt dekorativer Falls-Medaille und Finisher-Shirt ihre Erfolge und Platzierungen. Am nächsten Morgen geht's weiter auf eine Rundreise durch den Osten Kanadas. Die erste Station ist die alte Garnisons-Stadt Kingston mit ihrem imposanten Festungswerk Fort Henry. Von dort im Ausflugsboot in das Labyrinth der "Thousand Islands". Nicht nur 1000, sondern sogar 1800 oft nur wenige Quadratmeter große, aber meist bewohnte Inselchen, die teils in Kanada, teils in den USA liegen.

Pacemaker wie hier für 1:30h gab's für zahlreiche Zielzeiten beim (Halb)Marathon Die Finish-Line in Höhe der Horseshoe Falls, dem kanadischen Teil der Wasserfälle

Am nächsten Tag führt die Rundreise aus der Provinz Ontario mit ihren großen Seen in die nördlich gelegene Provinz Quebec, zunächst in die mit rund vier Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt Kanadas - Montreal. Die Stadt wie die Region sind von den französischen Einwanderern geprägt. Neben Englisch wird hier vor allem französisch gesprochen. Vom "Mont royal", dem Aussichtsberg über der Metropole hat man einen traumhaften Blick auf (französisch gesprochen) Mont-real mit seinen Wolkenkratzern und zahlreichen weiteren Sehenswürdigkeiten. Dazu gehört vor allem die beeindruckende Kathedrale Notre Dame, aber auch das Olympia-Stadion, die Formel1-Strecke sowie das Gelände der Weltausstellung Expo 1967 werden bei einer Stadt-Rundfahrt besichtigt.

Nicht nur 1000, sondern sogar 1.800 kleine Inseln gibt's im Land der Thousand Islands Blick vom Mont Royal auf die Olympia-Stadt von 1976, Montréal

Noch weiter nördlich am St. Lawrence Strom liegt Quebec City, die Hauptstadt der Provinz Quebec. In dem mit 151 Jahren jungen Kanada wartet die 800.000 Einwohner zählende Stadt mit einer 400-jährigen Geschichte auf. Die malerische Altstadt mit ihren engen, verwinkelten Gassen wird überragt von der Trutzburg "La Citadelle" und dem imposanten Hotel "Chateau Frontenac". Von hier, auf der Terrasse Dufferin in der "Haute Ville" genießt man einen wunderschönen Blick über die "Basse Ville" auf den hier 800 Meter breiten St. Lawrence Strom, der etliche Kilometer weiter über den St. Lawrence Golf in den Atlantik mündet. Für viele der Laufreisen-Teilnehmer ist die Stadt das touristische Highlight der Tour.

Zum vorläufigen Abschluss führt die Rundreise aus der Hauptstadt der Provinz Quebec in die Provinz Ontario zurück zur Landeshauptstadt Kanadas. Ottawa am Ottawa River zählt rund 1,4 Millionen Einwohner und beeindruckt ebenfalls mit seiner historischen Bausubstanz. Nur sind die Gebäude hier größer, die Straßen breiter als in Quebec. Herausragend am Südufer des Flusses der "Parliament Hill" mit dem Parlamentsgebäude und dahinter dem Rundbau der Bibliothek, die wie eine gotische Kirche aussieht. Am gegenüberliegenden Fluss-Ufer befindet sich das auch architektonisch interessante "Canadian Museum of History", das vor allem die Geschichte der Indianer, politisch korrekt der "first natives", also der Ureinwohner Kanadas beleuchtet.

Abendstimmung in Quebec am St. Lawrence Strom Ottawa, die Hauptstadt Kanadas mit dem Parliament Hill
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Mit zahlreichen Eindrücken endet die fast 2000 Kilometer lange Tour von Laufreisen.de nach gut einer Woche. Es geht zurück nach Toronto, wo die Gruppe aus Deutschland ankam. Doch nicht gleich zum Flughafen, schließlich gibt es in der größten Stadt Kanadas noch eine ganze Menge zu besichtigen. Und am Sonntag (21.) wartet noch der Toronto Waterfront Marathon auf die Teilnehmer. Aber das ist schon wieder eine eigene Geschichte (LaufReport berichtete).

Bericht von Axel Künkeler
Fotos von Axel Künkeler und Nils Krekenbaum (5) Laufreisen.de

Ergebnisse niagarafallsmarathon.com

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