1./2.10.16 - 1. Grenzgänger-24h-Wanderung Orscholz/SaarTraumschleifen rund um die Saarschleife |
von Axel Künkeler |
Das erste Grenzgänger-24h-Wanderevent im saarländischen Dreiländereck brachte den 145 Teilnehmern Grenzerfahrungen im doppelten Sinne des Wortes. Grenzenlos konnte in der Saarschleifen-Region zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg gewandert werden. Offene Grenzen inmitten Europas sind hier eine Selbstverständlichkeit (geworden). Doch die Grenzen des eigenen Körpers spürten fast alle Wanderer bei der Herausforderung von 81 Kilometern und 1.675 Höhenmetern. Viele beließen es daher bei der sehr anspruchsvollen Tagesetappe von 64 KM und rund 1.400 HM, verzichteten auf die zusätzliche Nacht-Etappe.
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Die erste Grenzgänger-24h-Wanderung fand eine gute Resonanz | Gut zu Fuß mussten die Teilnehmer der 24h-Wanderung über 64 oder 81km sein | Teils ordentliche Anstiege waren zu bewältigen |
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Wettkampfcharakter hat die Veranstaltung ohne Zeitmessung und Ergebnislisten nicht. Sportlich ambitioniert waren trotzdem die meisten Teilnehmer, die zumindest die Tages-Etappe absolvierten. Vergnügungssteuerpflichtig war die Veranstaltung der Mettlacher Saarschleife-Touristik Gesellschaft ohnehin nicht. OK-Chefin Anna-Lena Koster hatte alles bestens vorbereitet, doch Wettergott Petrus wollte partout nicht mitspielen. Der schöne Spätsommer noch in der Woche zuvor, ging just am 1. Oktober abrupt in den Herbst über. Bereits in der Nacht hatte es wie aus Kübeln geregnet, die Wanderwege nass und matschig gemacht. Beim Briefing kurz vor dem Start am Cloef-Atrium ließ der Regen kurz nach - offenbar nur, um nicht vom Start abzuschrecken. Doch kaum waren die Wanderer auf die Strecke gegangen, fing der teils kräftige Dauerregen wieder an.
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An der Cloef, dem Start und Ziel der 24h-Wanderung, lockt seit dem Sommer ein Baumwipfelpfad Besucher an | Ein letztes Briefing kurz vor dem Start |
Über zwei, drei Stunden am Vormittag blieb der Regen ein ständiger Begleiter, machte die mit Regenschirmen, Capes und Jacken gut ausgerüsteten Wanderer trotzdem nass bis auf die Haut. Viele hatten ihre Wechsel-Klamotten im Rucksack dabei, zogen sich mittags, als der Regen aufhörte, komplett um. Und am Nachmittag blieb es denn auch trocken bis in den späten Abend hinein. Doch von den äußeren Bedingungen ließen sich die Hartgesottenen nicht abhalten. Schließlich warteten "Traumschleifen" auf sie!
Nur wenige Hundert Meter von der Cloef, dem Aussichtpunkt auf die Saarschleife, entfernt, waren Start und Ziel. Die Saarschleife zwischen Merzig und Mettlach ist das Wahrzeichen des Saarlandes schlechthin. Seit diesem Sommer ragt dort zusätzlich ein rund 40 Meter hoher Baumwipfel-Pfad empor, der völlig neue Ausblicke und Perspektiven eröffnet. Ebenfalls neu ist der Kletterhafen in der benachbarten Kreisstadt Merzig, der eine weitere Attraktion für Aktiv-Touristen darstellt. Wandern und Radfahren sind ansonsten die Hauptaktivitäten der zunehmenden Zahl von Besuchern im Saarland.
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Und los gings am Cloef-Atrium | OK-Chefin Anna-Lena Koster hatte alles gut im Griff |
Der Mettlacher Ortsteil Orscholz ist zudem heilklimatischer Kurort. Von hier ging es mit ein wenig Verzögerung aufgrund von Nachzüglern auf die weiteren "Traumschleifen", wie die Tourismus Zentrale Saar (TZS) ihre vielen Premium-Wanderwege nennt. Die ersten rund 13 Kilometer folgten dem bekannten Saar-Hunsrück-Steig Richtung Perl. Gleich auf den ersten Metern vorbei am Orkelsfelsen waren Trittsicherheit und gutes Schuhwerk gefragt. Die erste von acht Verpflegungsstellen wurde im Archäologiepark "Römische Villa Borg" bei KM 12 erreicht. Das Freilichtmuseum mit antikem Villenbad, stilvoller Gartenanlage und einer Taverne mit römischer Küche erinnert an die Zeit der römischen Besiedlung zu Beginn der Neuzeit. Für die jetzt schon durchnässten Wanderer gab es warmen Tee sowie römisches Brot mit Moretum, der erlesenen römischen Käsepaste.
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Gut beschirmt im Gänseschritt durch den verregneten Samstagmorgen | Zunächst auf dem Saar-Hunsrück-Steig |
Frisch gestärkt ging es weiter auf den zweiten Abschnitt, der teils über den Saarland-Radweg zum Saarländischen Brennerei-Museum in Tettingen-Butzdorf bei KM 20 führte. Das 2007 eröffnete Museum in dem Perler Ortsteil gibt mit inzwischen über 50 Destillen interessante Einblicke in die Geschichte der Schnaps-Brennerei. Nach einem Schnaps am frühen Mittag war jedoch nur einigen wenigen Standhaften zumute, doch die stärkende Gulaschsuppe und die Plätze am wärmenden Bollerofen waren heiß begehrt.
Danach konnte es weiter gehen Richtung Luxemburg, wobei die Strecke nun über etliche Kilometer dem Mosel-Steig folgte, später dann dem Perler Panoramaweg, der herrliche Ausblicke auf das Moseltal eröffnete. Bei KM 32 wurde die Mosel überquert, Luxemburg und die dritte Rast in Schengen waren erreicht. Der luxemburgische Ort gilt als die "Wiege des grenzenlosen Europas", denn mit dem Schengener Abkommen wurde 1985 der Weg zum vereinten Europa geebnet. "Schengen" als Synonym für Reisefreiheit und offene Grenzen in Europa, das für viele vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen um die Bewältigung der Flüchtlingskrise fast schon als Sehnsuchtsanker erscheint.
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Gut genutzt wurde die Beschilderung vorhandener Wege wie des Moselsteigs | Für die Wanderer gings wieder bergab, wo die Bergläufer gerne trainieren |
Bei musikalischer Unterhaltung im Zelt durch den Musikverein 1883 Orscholz gab es Laugen-Gebäck und Auxerrois, den Luxemburger Wein. Eine gute Gelegenheit für Eingeweihte, den Unterschied zwischen Saar-Wein und saarländischem Wein zu erklären. Der saarländische Wein wird hier auf der anderen Tal-Seite in der saarländischen Gemeinde Perl angebaut - aber an der Mosel eben, nicht an der Saar. An der Saar gibt es ebenfalls Weinanbau, aber nicht im Saarland, sondern dort wo die Saar in Rheinland-Pfalz Richtung Moselmündung bei Konz fließt. Saar-Wein ist also kein saarländischer Wein, während der saarländische Wein nicht an der Saar angebaut wird - so einfach ist das!
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Bei KM 32 an der Mosel wurde die Grenze zu Luxemburg erreicht | Chapelle de la Paix - die Friedenskapelle zwischen dem deutschen Perl und dem französischen Merschweiller |
"Vom Auxerrois betäubt" wurden die Wanderer nun auf eine "besonders schöne Schikane" geschickt. Jetzt ging es auf eine weitere Traumschleife: "Schengen grenzenlos" und "jetzt wird's anstrengend", hatte der Veranstalter in der Roadmap notiert. Die teils heftigen Auf- und Abstiege auf diesem Rundweg am Luxemburger Stromberg belohnten die Wanderer mit atemberaubenden Aussichten auf das französische Sierck-Les-Bains mit der alten Burgruine oder zurück auf das deutsche Perl. Nach neun Kilometern war bei Gesamt-KM 41 erneut Schengen erreicht, erneut Laugen und Auxerrois oder gleich weiter auf die nächste Etappe?
Jedenfalls ging es nun erneut über Moselsteig und Saar-Hunsrück-Steig, die hier beide ihren Ausgangspunkt haben und in 24 Etappen entlang der Mosel über 365 KM bis nach Koblenz bzw. über 410 KM in 27 Etappen bis an den Rhein südlich von Koblenz führen. Erneut heftige Anstiege mit herrlichen Ausblicken am Hammelsberg, bevor an der "Chapelle de Paix", an der Friedenskapelle die Grenze von Deutschland nach Frankreich erreicht war. Durch das Dorf Merschweiler und hoch zum Schloss Malbrouck bei Manderen. Das 1419 von den Lothringer Herzögen erbaute Schloss wurde bereits in den achtziger Jahren aufwändig renoviert und ist ein wahrer Besuchermagnet. Für die Wanderer gab es hier eine echt saarländische Spezialität: ein Schwenker, der von einem Schwenker auf einem Schwenker zubereitet wurde. Das Wort "Schwenker" bezeichnet im saarländischen Sprachgebrauch sowohl das Grillfleisch, den Schwenkgrill wie auch den (meist männlichen) Grillmeister!
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Die römische Villa Borg gehörte zu den touristischen Attraktionen an der Strecke | Im saarländischen Brennereimuseum waren die Wanderer ebenso willkommen |
Der fünften Raststelle bei KM 47 folgten nun durchweg asphaltierte Feldwege Richtung Tünsdorf. Die weite Flur, weniger abwechslungsreiche Wege, die zunehmende Erschöpfung der Wanderer - die acht Kilometer bis zur Eventschmiede Biringer wollten einfach nicht enden! Zudem war für die Meisten die Dunkelheit schon eingebrochen, als sie bei KM 55 die sechste Verpflegungsstelle erreichten. Das uralte Handwerk des Schmieds wird hier immer noch ausgeübt, oft auch zur Demonstration für die Gäste aus nah und fern, wie eine Reise-Gruppe aus dem Schwäbischen, die hier gerade Station machte. Eine kurze Stärkung, nochmals erfrischen, vor allem trinken war dagegen für die Wanderer angesagt, die jetzt schon zwölf Stunden und mehr unterwegs waren.
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Zeugen der Zivilisation wie die Autobahn nach Luxemburg sahen die Wanderer nur selten | Schloss Malbrouck im französischen Mandern war ebenfalls Etappenziel |
Mit Stirnlampen ausgerüstet, die extra im Starterpaket mit ausgegeben wurden, ging es nun auf die letzten neun Kilometer zurück nach Orscholz. Im dunklen Wald das Rauschen der Windräder, ein durch die Lichter verängstigter Hase auf den nun meist breiten Waldwegen. Kurz vor Orscholz wartete noch ein besonderes Erlebnis: 800 Meter über die sogenannte Höckerlinie, eine Panzersperre als Teil des 1936 bis 1940 von den Nationalsozialisten gebauten Westwalls. Kurz danach war wieder das Cloef-Atrium erreicht; der Startpunkt war nun für viele erschöpfte Wanderer auch der Schlusspunkt.
Nur "die ganz Harten" gingen nach einer kurzen Nachtruhe noch "in den Garten". Die Nacht-Etappe führte über die Saarschleife-Tafeltour und den Saarland-Rundwanderweg hinab nach Mettlach. Auf der anderen Saarseite ging es zunächst mitten durch das kleine Städtchen, das berühmt ist durch die Keramikfabrik von Villeroy & Boch, auf Waldwegen wieder hoch zur Burg Montclair. Die strategisch günstige Lage auf dem von der Saar umflossenen Bergrücken machte den Ort schon zu einer Schutzburg der Kelten. Von der Burg führte der Wanderweg in Schlangenlinien wieder hinab zur Saar, wo bald schon die Fähre Welles erreicht wurde. Die einzige Fähre an der Saar bringt die Wanderer in zehn Minuten wieder auf die andere Saar-Seite. Durch das Steinbachtal mit seinen vielen Brücken führt der Anstieg an der Teufelsstein Hütte vorbei zurück zur Cloef. Nun im Morgengrauen wartete auf die Wanderer im Cloef-Atrium ein ausgiebiges, wohl verdientes Frühstücks-Buffet.
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Fußpflege bei Marschmusik im Verpflegungszelt in Schengen | Dazu kam die ein oder andere 'Überraschungs-Verpflegung' |
Also eine sportliche Herausforderung, bei der Jogger und wettkampforientierte Läufer nicht die Nase rümpfen müssen: "ist ja nur wandern!". Von wegen! Rechnet man die Höhenmeter der Mettlacher Grenzgänger-Wanderung in Leistungskilometer um, so kommt man auf rund 100 Kilometer - eine Ultra-Distanz! Eine solch anspruchsvolle Tour setzt eine sehr gute körperliche und mentale Fitness voraus, sagt etwa Sportwissenschaftler Kuno Hottenrott: "Wer keinen Sport macht, ist ungeeignet, 24 Stunden zu wandern." Ähnlich wie in der Marathon-Vorbereitung hält er einen gezielten Trainings-Aufbau für erforderlich: mehrere Monate mit kurzen Wanderungen, die langsam gesteigert werden, damit der Körper sich an die Bewegung anpassen kann. Untrainierte können eben auch nicht gleich zwei Stunden joggen. "Man muss mindestens 20 Kilometer ohne Probleme gehen können. Wer dabei schon Knie- oder Hüftschmerzen hat, sollte es lieber lassen", sagt der Sportwissenschaftler, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Sachsen-Anhalt) lehrt, von 1987 bis 1993 erfolgreicher Nationaltrainer für den deutschen Triathlon-Nachwuchs war und selbst als Ausdauersportler eine Marathon-Bestzeit von 2:36 Stunden aufweist.
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Von Schengen aus führte ein kräftiger Anstieg | In Schengen konnte man den Auxerrois genießen, dann die Weinberge erleben |
Eine Studie des Kölner Instituts für Prävention und Nachsorge (IPN) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Energieumsatz beim Wandern vergleichbar ist mit dem beim Joggen. So verbrauchten die Probanden bei einer zwei-stündigen Wanderung im Flachen ebenso viel Nahrungsenergie wie beim Joggen über 75 Minuten. Die Vorzüge des Wanderns hebt eine Untersuchung des Bundeswirtschaftsministeriums und des Deutschen Wanderverbands (DWV/2010) hervor. Es gebe kaum eine gesündere Sportart, da nicht nur der Energieumsatz ähnlich dem beim Joggen sei. Wandern senke das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, stärke Knochen, Gelenke und Bänder ebenso wie Immunsystem und Atemwege. Zudem habe es positive Wirkungen auf die Psyche durch den Abbau von Stress-Hormonen und die vermehrte Ausschüttung des Glückshormons Serotonin und den Glücksbotenstoff Dopamin.
Im DWV, 1883 in Fulda gegründet, als Dachorganisation der Gebirgs- und Wandervereine sind 600.000 Mitglieder in 58 Gebietsvereinen organisiert. Diese markieren und betreuen ehrenamtlich ca. 200.000 km Wanderwege in Deutschland. Wandern definiert der DWV als Gehen in der Landschaft. Dabei handelt es sich um eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die sowohl das mentale wie physische Wohlbefinden fördert. Charakteristisch für eine Wanderung sind eine Dauer von mehr als einer Stunde, eine entsprechende Planung, die Nutzung spezifischer Infrastruktur sowie eine angepasste Ausrüstung. Seit Beginn der Wanderbewegung im 18./19. Jahrhundert hat sich auch diese Freizeitaktivität stets gewandelt.
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Einige machten sich noch auf die 17km lange Nachtetappe | Zum Wiehern fanden das die Zaungäste |
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Die italienische Reise, Goethes Wanderung von 1786-88, die Fußreise von Johann Gottfried Seume 1801 in neun Monaten nach Sizilien und über Paris zurück nach Leipzig, oder Heinrich Heines Besteigung des Brocken ("der deutscheste aller Berge") im Harz, sind heute noch vielfach bekannt. Für die deutschen Dichter und ihre Zeitgenossen in der Aufklärung und der Romantik standen die Landschaft, das Entdecken und Erleben der Natur im Vordergrund. Das ist zwar über die Jahrhunderte geblieben, doch andere Aspekte sind dazu gekommen: heute sind es teils spirituelle Motive (Pilgerwege) oder eben sportliche Ziele wie etwa beim Trekking, Speed Hiking, Nordic Walking, Berg- und Fernwandern. Oder eben bei einer 24h-Wanderung, von denen es in Deutschland inzwischen fast zwei Dutzend gibt: von Kiel bis zum Bodensee sowie in vielen Mittelgebirgen von Schwäbischer Alb bis Schwarzwald, von Odenwald bis Thüringer Wald. Und dem 1. Grenzgänger-24h-Wanderevent im Saarland wird 2017 wohl schon die zweite Auflage folgen.
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Bericht und Fotos von Axel Künkeler Teilnehmerliste www.br-timing.de Info touristinfo-mettlach.de Zu aktuellen Inhalten im LaufReport HIER |
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