50. Lidingöloppet - Schweden (27.09.2014)

Ein schwedischer Klassiker

von Ralf Klink

Wenn ein Lauf bereits zum fünfzigsten Male in ununterbrochener Folge ausgetragen wird, dann ist es sicher nicht allzu vermessen, ihn als einen "Klassiker" zu bezeichnen. Und wenn dann dort auch noch alleine im Hauptwettbewerb regelmäßig fünfzehntausend oder mehr Teilnehmer an den Start gehen, gilt diese Aussage nur umso stärker. Die Ermittlung der Veranstaltungen, die beide Kriterien erfüllen, dürfte selbst bei weltweiter Suche nicht zu einer allzu langen Liste führen. Lidingöloppet gehört jedenfalls dazu.

Bis zum Jahr 1965 reicht die Geschichte dieses Rennens zurück, was trotz der im ersten Moment etwas seltsam erscheinenden Jahreszahl tatsächlich fünfzig Austragungen ergibt. Das kann man spätestens dann erkennen, wenn man sich die - zugegebenermaßen etwas aufwendigere - Arbeit des Zurückzählens macht. Die Eigenheiten der Mathematik führen nämlich dazu, dass die zehnte Auflage neun Jahre nach der Premiere stattfindet, die zwanzigsten neunzehn Jahre. Und bis zum goldenen Jubiläum braucht man dann eben neunundvierzig.

Mit mehr als siebzehntausend Teilnehmern alleine auf der dreißig Kilometer langen Hauptstrecke ist Lidingöloppet "världens största terränglopp"
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Dass im deutschsprachigen Raum die meisten dennoch von dieser Großveranstaltung noch nie gehört haben dürften, liegt zum einen vermutlich an ihrem Austragungsort - der befindet sich nämlich in Schweden - und zum anderen wohl auch an der eher ungewöhnlichen Distanz von dreißig Kilometern, die sie eben gerade nicht in der international weitaus stärker beachteten Kategorie der großen Marathons landen lässt.

Außer den vielleicht dem einen oder anderen fehlenden zwölf Kilometern bietet der Lidingölauf, wie der Name einfach zu übersetzen ist, dabei eigentlich alles, was für einen sportlichen Wochenendausflug nötig wäre. Denn er lässt sich verkehrstechnisch problemlos erreichen. Und vor allen Dingen findet er eben auch am Rande der schwedischen Hauptstadt Stockholm statt, die sicher zu den attraktivsten europäischen Städten gerechnet werden muss und immer einen Besuch wert ist. Nur wenige Kilometer beträgt die Luftliniendistanz zwischen dem Zentrum der Metropole, in dem sich natürlich mehr als genug Unterkünfte jeder Preiskategorie finden lassen, und der Insel Lidingö.

Durch zwei Brücken über den "Lilla Värtan" genannten Sund ist diese mit dem Festland verbunden. Trotz der räumlichen Nähe wurde sie allerdings bisher nicht nach Stockholm eingemeindet sondern bildet weiterhin eine rechtlich eigenständige Kommune.

Auf dem zwölf Quadratkilometer großen Eiland leben insgesamt rund fünfundvierzigtausend Einwohner, die sich auf mehrere verschiedene Siedlungszentren verteilen. Zwischen ihnen ist Lidingö jedoch ziemlich grün und von mehreren ausgedehnten Waldgebieten bedeckt. Und durch diese führt die Laufstrecke hauptsächlich hindurch, während sie um bebautes Gebiet meist einen Bogen macht.

Am U-Bahnstation "Ropsten" werden die Läufermassen direkt zu den Pendelbussen geleitet, die den ganzen Tag vom Festland über eine Brücke hinüber zur Insel Lidingö fahren

Nur wenige Abschnitte des Kurses sind zudem asphaltiert. Und so schmückt man sich dann auch mit dem nicht gerade bescheidenen Titel "världens största terränglopp". Angesichts der sich über das Veranstaltungswochenende mit mehr als einem Dutzend unterschiedlicher Wettbewerbe auf rund vierzigtausend Sportler summierenden Teilnehmerzahl scheint die Bezeichnung "größter Geländelauf der Welt" aber nicht einmal zu hoch gegriffen. Der Rennsteiglauf, der für sich etwas zu Unrecht als "größter Crosslauf Europas" wirbt, kann da jedenfalls absolut nicht mithalten.

Ein anderer Beiname ist für Lidingöloppet allerdings noch wesentlich wichtiger. Er lautet eben "en svensk klassiker". Doch bezieht sich der "schwedische Klassiker" nicht unbedingt auf das Alter und die Größe des Laufes. Unter diesem Oberbegriff firmieren vielmehr seit vielen Jahren vier traditionsreiche Ausdauerveranstaltungen aus vier verschiedenen Sportarten. Und genauso darf sich auch ein Athlet nennen, der alle vier innerhalb von zwölf Monaten erfolgreich absolviert.

Bekanntester Bestandteil dieses Quartetts ist "Vasaloppet", der inzwischen fast ein volles Jahrhundert alte und neunzig Kilometer lange Wasalauf zwischen Sälen und Mora, bei dem jedes Jahr in der ersten Märzwoche alleine im Hauptwettbewerb mehr als fünfzehntausend Skisportler antreten und noch einmal mindestens genauso viele die Distanz während der sogenannten "offenen Spur" einige Tage zuvor ohne Zeitnahme bewältigen.

Es könnten beim sogar noch weitaus mehr Teilnehmer sein. Denn das Interesse in Schweden und auch dem Rest von Skandinavien ist riesig. Doch wie bei großen Marathons gibt es ein Limit, das angesichts des größeren Raumbedarfes der Skilangläufer auch deutlich niedriger angesetzt werden muss. Alle vorhandenen Startplätze sind restlos ausgebucht. Deswegen akzeptiert man als Voraussetzung für den Titel "svenska klassiker" auch eine Teilnahme an "apet spår".

Mit dem "Engelbrektsloppet" im etwa auf halbem Weg zwischen Stockholm und Mora gelegenen Städtchen Norberg hat man sogar noch eine Art Ausweichrennen, um das Klassiker-Diplom zu erhalten. Doch ist dieser Skimarathon zum einen "nur" sechzig Kilometer lang und besitzt zum anderen natürlich längst nicht die Popularität des Wasalaufs. Obwohl man damit immer noch zu den größten Skirennen des Landes zählt, hat das Feld dort nämlich nur etwas mehr als ein Zehntel der Größe des großen Bruders.

Der zweite jedes Jahr im Kalender stehende Wettbewerb der Klassiker-Serie ist "Vätternrundan", eine Radtour rund um den zweitgrößten See des Landes. Da Vättern mehr als dreimal so groß ist wie der Bodensee, kommen dabei als Distanz stolze dreihundert Kilometer zusammen. Dennoch treten auch bei dieser Veranstaltung, die zwar eine Zeitnahme aber aufgrund des fehlenden gemeinsamen Startes trotzdem keinen echten Renncharakter hat, schon alleine auf dieser Hauptstrecke etwa zwanzigtausend Sportler an.

Das Sportgelände "Lidingövallen" bildet das Wettkampfzentrum und bietet nicht nur Platz für die Startnummernausgabe, man kann sich dort auch vor dem Rennen noch ein wenig ausruhen

Im Juni 2015 feiert auch die immer am Wochenende vor dem im Skandinavien als "Midsommar" groß gefeierten längsten Tag des Jahres ausgetragene Vätternrunde ihr fünfzigstes Jubiläum und ist damit dennoch - wenn auch nur knapp hinter dem Lidingölauf - das jüngste Mitglied im exklusiven Original-Klassikerklub. Denn "Vansbrosimningen" hat eine bis in die Fünfzigerjahre zurück reichenden Geschichte.

Allerdings lässt sich über die Zahl der Austragungen dieses im Normalfall drei Kilometer langen Freiwasserschwimmens durchaus streiten. Denn zu einen wurde bei den ersten Austragungen weder eine Zeit gestoppt noch ein Sieger ermittelt. Und zum anderen musste bei einigen späteren Auflagen aufgrund der Wetterbedingungen oder der Wassertemperaturen die Wettkampfstrecke verkürzt oder das Rennen sogar ganz abgesagt werden.

Auch bei diesem Klassiker, der in den beiden Flüssen "Vanån" und "Västerdalälven" - beim Erstgenannten mit der Strömung, im Zweite aber gegen die Fließrichtung - geschwommen wird, sind die Teilnehmerzahlen enorm. Denn in den letzten Jahren wurden jeweils rund neuntausend Meldungen registriert. Kurzfristig explodieren damit die Einwohnerzahlen des Städtchen Vansbro regelrecht. Im übrigen Jahr leben dort nämlich nicht einmal dreitausend Menschen.

Zumal sich die Zahl neuntausend nur aus das Hauptwettbewerb bezieht. Denn ähnlich wie bei den anderen Klassikern gibt es im Vorfeld auch noch eine Halbdistanz. Mit vier Starts bei den vier kürzeren Rennen kann man sich am Ende immerhin noch "halvklassiker" nennen. Zwar reichen diese Wettbewerbe nicht an die riesigen Starterfelder der Originale heran. Doch einige tausend Sportler kommen ebenfalls zusammen.

Und da man den Frauen in den Anfangszeiten solch lange Distanzen nicht zumuten wollte, gibt es zudem auch noch den "Tjejklassiker", der auf jeweils etwa einem Drittel der Strecke ausgetragen wird. In den letzten beiden Jahrzehnten hat man den "Mädchen" - denn das wäre die eigentliche Übersetzung der Wortes "tjej" - allerdings auch bei allen Klassikern auch auf der Originaldistanz eine eigene Wertungskategorie eröffnet.

Diese wird - in Skandinavien, das hinsichtlich emanzipatorischer Ansätze weltweit wohl zur Führungsgruppe gerechnet werden muss, eigentlich wenig überraschend - auch ziemlich gut angenommen. So stehen zum Beispiel beim Lidingölauf schließlich rund hundert Frauen mehr in den Listen des am Samstag aufgetragenen Dreißigers als beim einen Tag später gestarteten "tjejlopp". Bereits deutlich über ein Viertel des Feldes auf der Langdistanz ist damit inzwischen weiblich. Und die Tendenz zeigt weiter nach oben.

Schilderbäume bieten im Gewimmel auf dem Sportplatz etwas Orientierung Am Ausgang trennen sich die Wege der Läufer, denn für die verschiedenen Distanzen gibt es zwei getrennte Startplätze

Insgesamt sind für das Hauptrennen einundzwanzigtausend Meldung eingegangen, was genauso einen neuen Rekord darstellt wie die sich auf fast fünfundvierzigtausend belaufende Gesamtzahl der "anmälda löpare". Gut siebzehntausend Sportler werden auf Langstrecke ins Ziel kommen, was ebenfalls eine Bestmarke bedeutet und den alten Wert aus dem Vorjahr noch einmal um mehr als tausend übertrifft. Natürlich spielt der Jubiläumsbonus dabei auch eine Rolle. Doch ganz allgemein haben sich die Teilnehmerzahlen seit Beginn des Jahrtausends ungefähr verdoppelt.

Eine solche Menschenmasse zu bewältigen, verlangt selbst dann eine wohl durchdachte Logistik, wenn sie sich auf drei Tage verteilt. Wobei sowohl der Freitag mit seinen Staffelläufen als auch der Sonntag mit Frauen- und Jugendrennen ohnehin nur einen kleineren Beitrag liefern. Fast siebzig Prozent des Ansturmes auf die Insel muss während des Samstags bewältigt werden. Denn auch der "Halva Lidingöloppet" mit seinen immerhin rund sechstausend Läufern wird an diesem Tag abgewickelt.

Allerdings erfolgt der letzte der Starts über fünfzehn Kilometer bereits mehr als zwei Stunden, bevor der erste auf die doppelt so lange Distanz geschickt wird. Die Plural-Formulierung "Starts" ist absolut gerechtfertigt. Denn angesichts der eher schmalen Wege werden beim kürzeren Rennen fünf Wellen im Abstand von zehn Minuten gestartet. Das Feld des Dreißigers ist sogar in elf Gruppen eingeteilt, die innerhalb von mehr als eineinhalb Stunden auf die Strecke gehen. Und zuvor stehen noch vier Starts für Jugendliche und Senioren über zehn Kilometer im Zeitplan.

So strecken sich die Läufe fast über den gesamten Tag. Über einen noch wesentlich längeren Zeitraum gilt es Teilnehmer und Angehörige zum Wettkampfzentrum zu transportieren. Denn natürlich ist der öffentliche Nahverkehr Lidingös nicht auf solche Zahlen ausgelegt. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Buslinien kreuz und quer über die Insel sowie hinüber nach Stockholm. Doch müssen einige zehntausend Personen zusätzlich befördert werden.

Und so setzen die Organisatoren der Veranstaltung den ganzen Tag über etwa zwanzig Sonderbusse ein, die nicht anderes tun, als die etwa vier bis fünf Kilometer zwischen der U-Bahnstation "Ropsten", die sich als Endhaltestelle der Stockholmer Tunnelbana unweit des Westendes der zur Insel hinüber führenden Brücke befindet, und dem zentral gelegenen Sportgelände Lidingövallen hin und her zu pendeln.

Fast zwei Kilometer lang ist der Anmarschweg, den die Teilnehmern auf der Langstrecke zu ihrem Startpunkt zurück legen müssen

Nicht viel weiter rollt man aus der anderen Richtung vom zentralen und zudem baulich mit dem Hauptbahnhof verbundenen U-Bahn-Knoten "T-Centralen" bis zum Umsteigepunkt über die Gleise. Da es rund um die Veranstaltungszone nur eine begrenzet Zahl von Parkplätzen gibt und man bei Nutzung der Alternative "Auto" auch keine andere Möglichkeit hätte, als sich durch Stockholm hindurch zu kämpfen, wählen die meisten Teilnehmer tatsächlich die Kombination "Tunnelbana - Pendelbus" zur Anfahrt.

Und längst nicht nur die Läufer aus der Region kommen mit dem Zug. Die Startzeiten machen es durchaus möglich, auch aus weit größerer Entfernung direkt am Wettkampftag anzureisen. Selbst aus der rund fünfhundert Kilometer entfernten zweitgrößten schwedischen Stadt Göteborg an der Westküste sind An- und Abreise noch ohne Übernachtung möglich. Denn der erste Start über "tremilen" erfolgt erst um halb eins.

In Skandinavien ist diese Kurzbezeichnung für Rennen über dreißig Kilometer absolut üblich. Angesichts der riesigen Entfernungen im menschenleeren Norden des Kontinents meint man mit "mil" - wörtlich eigentlich "Meile" - nämlich eine Distanz von zehn Kilometern. Und durch die enorme Popularität des Skilanglaufes, wo zumindest bei den Frauen der Dreißiger die längste Meisterschaftsstrecke ist, kann praktisch jeder mit dem Ausdruck etwas anfangen.

In einem sogar noch wesentlich stärkeren Maße gilt dies für das Wörtchen "femmilen". Denn damit ist der im Männerbereich mit den schmalen Brettern gelaufene Fünfziger gemeint. Für die meisten Schweden - und genauso für die Norweger, die allerdings in der Regel eher "femmila" sagen - schwingt dabei nämlich die gleiche leicht mystische Bedeutung mit, die der Begriff "Marathon" für den Rest der Welt besitzt.

In der Stockholmer "centralstation" wimmelt es auf jeden Fall regelrecht von Menschen mit Trainingsanzügen und Sportaschen. Selbst wenn man den Weg zur richtigen Tunnelbana-Linie nicht kennen sollte, macht es wenig Mühe ihn zu finden. Wer immer nur der durch die Gänge strömenden Läufermasse folgt, kann eigentlich wenig falsch machen und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Lidingö landen.

Noch problemloser ist es dann in Ropsten den Weg zu den Pendelbussen zu finden. Denn dabei helfen nicht nur große Richtungspfeile. Kaum hat man die Station durch den Haupteingang verlassen, wird man auch schon von zwei auf einem eigens aufgebauten Podest sitzenden Sprechern über Mikrofon begrüßt. Sie leiten die Ankommenden nach rechts, wo sie durch Absperrgitter in eine Warteschlange aufgereiht werden.

Rund ein halbes Dutzend Fußballfelder ließen sich auf der weiträumigen Startwiese "Koltorp gärde" unterbringen

In relativ kurzen Abständen rollen an dieser dann blaue Gelenkbusse vorbei, um an der Spitze den nächsten Schwung Sportler aufzunehmen. Nicht nur in den Fenstern hängende Schilder mit dem Logo der Veranstaltung zeigen das Fahrziel an, auf ihnen flattern sogar kleine Lidingöloppet-Fähnchen. Dass man dieses natürlich auch auf den Leuchtanzeigen lesen kann, versteht sich angesichts dieser Detailverliebtheit von selbst.

Mit einer angesichts der Menge der anstehenden Läufer erstaunlich kurzen Wartezeit ist man nach vorne vorgerückt. Wenn ein neuer Bus am Haltepunkt ankommt, steuern weitere Helfer mit ihren Handzeichen die schnelle und halbwegs gleichmäßige Verteilung der nachrückenden Gruppe auf alle sich öffnenden Türen. Wirklich lange muss keiner der blauen Pendelbusse stehen, bis er sich wieder in Bewegung setzen kann. Alles wirkt beinahe perfekt durchorganisiert.

Und auch nach Überqueren des Straßenbrücke und der Ankunft in Lidingö, das trotz Stadtrechten mit seiner Mischung aus Wohnblocks und Einfamilienhäusern eigentlich eine ziemlich typische Vorortgemeinde ohne echtes Zentrum oder eine gewachsene urbane Struktur ist, geht es ähnlich geordnet weiter. Denn beim Austeigen sorgen Absperrgitter und leuchtend gelb gewandete Ordner dafür, dass sich der Weg zum ohnehin direkt nebenan gelegenen Sportgelände überhaupt nicht mehr verfehlen lässt.

Schon im Vorfeld konnte man sich über die Anordnung der Logistik und die nun folgenden Abläufe informieren. Denn mit der Meldebestätigung hat man außerdem eine etliche Seiten starke Broschüre sowie eine große Streckenkarte zugesandt bekommen. Für Lidingövallen - der in Schweden für viele Sportplätze übliche Zusatz "vallen" lässt sich in diesem Zusammenhang ungefähr als "das Feld" übersetzen - ist allerdings keine projektive Aufsicht sondern vielmehr eine ziemlich liebevolle Zeichnung im Stil naiver Malerei abgebildet.

Trotz seiner vielen Seiten enthält der - für ausländische Teilnehmer in Englisch gehaltene - Prospekt nur die wichtigsten Informationen. Die Internetseite der Veranstaltung ist noch weitaus umfangreicher. Allerdings hat sie eine wenig übersichtliche Struktur, die es manchmal gar nicht so einfach macht, die gewünschten Inhalte zu entdecken. Zwar kann man diese vom ursprünglichen schwedischen Text auf eine englische und zudem eine finnische Variante umstellen. Doch landet man häufig trotzdem nach einigen Klicks wieder beim Original.

Das ist zwar mit etwas Sprachgefühl meist einigermaßen zu verstehen. Doch bei manchem Detail bleiben eben trotzdem Fragen offen. Selbst unter der Rubrik "entry" geht es zum Beispiel direkt anschließend mit "anmälan" weiter. Denn "the entry-site is only in Swedish". Dass es dazu dann wieder eine englische Anleitung gibt, die man bei Bedarf herunter laden kann, macht das ganze Verfahren eigentlich nur noch seltsamer. In dieser Hinsicht lässt sich vielleicht doch ein wenig Potential für Verbesserungen entdecken.

Direkt hinter Koltorp gärde beginnt eines jener ausgedehnten Waldgebieten, die größere Teile der Insel Lidingö bedecken

Es wundert also kaum, dass in der Ergebnisliste neben dem absolut dominierenden schwedischen Blau-Gelb hauptsächlich weitere Kreuzflaggen zu entdecken sind, die zu Teilnehmern aus der nordischen Nachbarschaft gehören. Die Zahl der Starter aus dem deutschsprachigen Raum ist dagegen ziemlich überschaubar und kommt im prozentualen Anteil über den Nachkommabereich nicht hinaus. Eine ganz andere Frage ist aber, ob man für einen ohnehin an Kapazitätsgrenzen stoßenden Lauf, international noch viel Werbung betreiben sollte.

Zwei Kunstrasenplätze, einer davon mit einer Tartanbahn umgeben, sorgen in Lidingövallen für ausreichenden Raum. Und das Zelt, in dem die Startnummern ausgegeben werden, kann wegen reichlich Fläche ringsherum sogar daneben aufgebaut werden. Auch hierbei sind die Abläufe wieder im Hinblick auf größtmögliche Schnelligkeit optimiert. Denn jede einzelne der Startgruppen hat ihre eigene, über abgesperrte Kanäle anzusteuernde Abgabestelle.

Und selbst bei deren Anordnung folgt man nicht dem im ersten Moment einfachsten Verfahren der einfachen Aufreihung von links nach rechts oder umgekehrt. Vielmehr hat man bedacht, dass aufgrund der stark verschobenen Startzeiten wahrscheinlich auch die Abholung mit einem entsprechenden zeitlichen Versatz erfolgen dürfte. Um also eine gleichmäßigere Auslastung zu erreichen, sind deswegen zwei und sieben, drei und acht, vier und neun benachbart.

Haben sie ihre seine Startnummer in Empfang genommen, dürfen die Läufer keineswegs umdrehen und zurück. Sie werden nach vorne weiter geschleust, wo man am Ende des Zeltes eine Sporthalle betritt, in der die Sportexpo - selbst wenn es natürlich absolut genauso aussieht, wäre die Bezeichnung "Marathonmesse" angesichts der längsten angebotenen Distanz in diesem Fall nicht ganz korrekt - aufgebaut ist.

Zum ersten Mal wird es dabei auch ein wenig enger. Denn während man bei der Organisation großen Wert auf guten Durchsatz legt, hat man an den Messeständen selbstverständlich nichts dagegen, wenn sich das Publikum ein bisschen länger aufhält und gegebenenfalls noch einmal zurück kommt. Dass sich dort neben reinen Laufanbietern auch den einen oder anderen Austeller aus dem Skilanglaufbereich entdecken lässt, überrascht im wintersportbegeisterten Skandinavien nur bedingt.

Ein Start mit insgesamt elf zeitlich gestaffelten Wellen, ermöglicht es den Läufern der hinteren Gruppen, dabei zuzusehen, wie die Spitzenathleten auf die Strecke gehen

Hat man sich durch die drangvolle Enge der Halle hindurch gekämpft, bleibt draußen auf den weitläufigen Sportplätzen noch einmal Zeit sich ein wenig zu sonnen. Denn für einen schwedischen Herbsttag ist das Wetter nahezu ideal. Nur wenige Schleierwölkchen zeigen sich am blauen Himmel. Und die Temperaturen bewegen sich im zweistelligen Bereich. Mit etwa fünfzehn Grad liegt man zwar ungefähr im statistischen Septembermittel, doch könnte es in Stockholm um diese Jahreszeit eben auch schon bedeutend kälter sein.

Über das, was bei Dauerregen passieren würde, darf man selbstverständlich nicht nachdenken. Für zehntausende Teilnehmer sind natürlich nicht im Entferntesten ausreichende Unterstände vorhanden. Und auch die abgegebenen Taschen werden auf einem der beiden Kunstrasenplätze einfach im Freien gelagert. Gleich mehrere Aufkleber hat man dazu mit der Startnummer erhalten. Dies hängt hauptsächlich damit zusammen, dass Lidingövallen zwar Zentrum aller Wettbewerbe ist, aber an dieser Stelle kein einziges Rennen gestartet wird oder endet.

So kann man sein "Hauptgepäck" auf dem Sportgelände deponieren, am Start aber dennoch eine - ebenfalls gemeinsam mit den Unterlagen ebenfalls ausgegebene und mit einem weiteren Aufkleber zu markierende - Plastiktüte für den Trainingsanzug abgeben, die man nach dem Rennen wieder zurück bekommt. Die Alternative, sich auch die große Tasche zum Ziel bringen zu lassen, existiert zwar, kostet jedoch vierzig schwedische Kronen - also ungefähr vier Euro - zusätzlich, die direkt an der Abgabestelle zu bezahlen sind.

Wohin man sich dann zum Start begeben muss, hängt mit der gewählten Distanz zusammen. Die meisten Läufe beginnen bei "Grönsta gärde", einer mehrere hundert Meter langen und breiten Grasfläche, die sich einen knappen Kilometer nördlich von Lidingövallen befindet und auch das gemeinsame Ziel beherbergt. Die Bezeichnung lässt sich auch ungefähr als "Grönsta Wiese" verstehen - oder besser als "Grönsta Koppel", denn mit "gärde" bezeichnete man ursprünglich ein umfriedetes Stück Bauernland.

Die beiden längsten Rennen - also der Fünfzehner und der Dreißiger - haben ihren Startpunkt dagegen in praktisch genau der entgegengesetzten Richtung bei "Koltorp gärde", wohin man vom Wettkampfzentrum sogar beinahe zwei Kilometer nach Südosten laufen muss. Spätestens durch diese Entfernung erscheint das anfangs seltsam wirkende Konzept der doppelten Gepäckabgabe auf einmal gar nicht mehr so unlogisch.

Direkt am Hintereingang des Sportparks, auf den die mit "Start" beschrifteten Pfeile der im Gewimmel etwas Orientierung bietenden Schilderbäume zeigen, trennen sich deswegen dann auch schon die Anmarschwege. Für die Langstreckler geht es nach dem Durchschreiten des dort aufgebauten Gerüstes nämlich rechts weiter. Alle anderen müssen sich nach links wenden, um zum Start zu kommen.

Etwa hundert Meter breit ist die Startlinie, jeder einzelne der Blöcke besteht deswegen eigentlich aus nicht mehr als einem Dutzend hintereinander stehenden Reihen

In beide Richtungen führen die Anfangsmeter erst einmal auf einem Fußweg direkt am Wasser entlang. Rein optisch scheint es sich bei dieser Fläche um einen kleinen See zu handeln. Doch die Vielzahl und Größe der Segelboote, die an mehreren weit hinaus ragenden Anlegestegen festgemacht haben, lässt an diesem ersten Eindruck dann doch schnell ziemliche Zweifel aufkommen. Für ein Gewässer mit wenigen hundert Metern Durchmesser wäre all dies nämlich völlig überdimensioniert.

Und tatsächlich handelt es sich um das Ende eines schmalen Meeresarms, der ziemlich genau in der Mitte der Insel ein halbes Dutzend Kilometer tief ins Land hinein schneidet. Auf rund zwei Drittel seiner Ost-West-Ausdehnung ist Lidingö - das übrigens auf Schwedisch eher wie "Lidinjö" ausgesprochen wird - deswegen in zwei Halbinseln geteilt. Von dort wo beide zusammen treffen, dehnt sich die etwa dreißigtausend Einwohner zählende gleichnamige Kernstadt nach Westen bis direkt an "Lilla Värtan" aus.

Warum diese Bucht "Kyrkviken" heißt, wird klar, als der gut ausgeschilderte Fußweg zum Start von ihr abdreht und ein wenig den Hang hinauf führt. Denn oben auf der nicht allzu hohen Kuppe wartet ein kleines Kirchlein auf die vielen tausend in Richtung Koltorp gärde marschierenden Läufer. Verglichen mit der Bevölkerung Lidingös - und dabei ist es völlig egal, ob man die gesamte Inselkommune oder nur die Kernstadt betrachtet - wirkt "Lidingö kyrka" regelrecht winzig.

Doch bei seiner Einweihung im siebzehnten Jahrhundert war das aus Natursteinen gemauerte Gotteshaus völlig ausreichend für einige Dutzend über das Eiland verstreute Gehöfte. Sogar Ende des vorletzten Jahrhunderts lebten nur wenig mehr als tausend Menschen auf der Insel. Erst dann explodierten die Werte regelrecht und verzehnfachten sich innerhalb von gerade einmal dreißig Jahren. Und auch danach wurde die Wachstumskurve kaum flacher.

Seit Lidingöloppet 1965 zu ersten Mal ausgetragen wurde, haben die Einwohnerzahlen jedenfalls noch einmal um fünfzig Prozent zugelegt. Dass es an der sich um fast alle bebauten Gebiete herum windende Laufstrecke aus diesem Grund immer wieder einmal leichte Modifizierungen geben musste, ist also durchaus nachvollziehbar. Doch am Grundkonzept des Dreißigers hat sich in fünf Jahrzehnten trotzdem wenig verändert. Der grobe Verlauf ist weitgehend gleich geblieben. Und rund die Hälfte des Originalkurses wird auch heute noch genutzt.

Nach wenigen hundert Metern zieht sich die Strecke allerdings trichterförmig zusammen, so dass es trotzdem bald ein wenig stockt, … …und erste Hügel sorgen zusätzlich dafür, dass die Läuferfelder ziemlich schnell eingebremst werden

Durch die sich ausdehnende Bebauung ist der Startpunkt allerdings weiter vom Sportgelände weg gerückt. Denn selbst wenn man wenige hundert Meter hinter der Kirche die letzten Wohnhäuser hinter sich lässt und in ein Wäldchen hinein spaziert, sind zwischen den Bäumen immer wieder einmal Gewerbebauten entdecken. Und beim Blick auf die Karte wird deutlich, dass diese einen regelrechten Riegel zwischen dem alten Startplatz am Stadtrand und jenem wesentlich größeren Waldgebiet im Südosten bilden, in dem die ersten Kilometer von Lidingöloppet gelaufen werden.

Außerdem ist Koltorp gärde aber auch deutlich besser für die gegenüber den Anfangsjahren der Veranstaltung enorm gestiegenen Läufermassen geeignet als die zwischen der Wohnbebauung noch verbliebenen kleinen Grünflächen. Rund ein halbes Dutzend Fußballfelder ließen sich schließlich auf der weiträumigen Wiese unterbringen, die nun den Start der beiden längsten Distanzen des Laufklassikers beherbergt.

Selbst für die beinahe zwanzigtausend Teilnehmer des Dreißigers böte sie wohl problemlos gleichzeitig Platz. Die mit Gittern abgesperrten und durch Flatterbändern voneinander getrennten Aufstellungszonen der einzelnen Startgruppen haben jedenfalls eine ausreichende Größe. Dass die Organisatoren dennoch einen Wellenstart mit Zeitverzögerung gewählt haben, wird allerdings leicht nachvollziehbar, wenn man auf dem parallel verlaufenden Weg am Start vorbei spaziert und sich das Aussehen der Strecke nur einige hundert Meter später betrachtet.

Denn die im hinteren Bereich so breite Wiese hat ungefähr eine Dreiecksform. Ziemlich schnell rücken die Bäume am anderen Ende deswegen von beiden Seiten dicht zusammen und bilden so einen engen Trichter, durch den sich das Läuferfeld nach gerade einmal zweihundert absolvierten Meter hindurch pressen muss. Statt einer wohl rund einhundert Meter breiten Startlinie bleiben kaum noch zwanzig Meter als Durchlass.

Da gilt es sich erst einmal eine möglichst gute Position zu sichern, um nicht im Stau stecken zu bleiben. Also steht für Ambitionierte gleich zu Beginn des Rennens ein kleiner Sprint an. Wer nicht zu den absolut Schnellsten gehört und deswegen mit einer der ersten beiden Wellen auf die Reise geschickt wird, darf das wahrlich beeindruckende Bild eines diesen Engpass entgegen hetzenden Pulks von mehreren tausend Läufern erst einmal vom Streckenrand erleben.

Praktisch direkt neben dem schmalsten Punkt des Nadelöhrs steht eine fest montierte Holztafel mit einer Dreißig. Obwohl man im Allgemeinen meist von dieser Wettkampfdistanz spricht, lässt sich an einigen Stellen der Internetseite eine "banlängd" von 30,25 Kilometern nachlesen. Auch zu den übrigen Läufen entdeckt man genauere Werte. Von 9,84 Kilometern für den Zehner und 14,95 für den Fünfzehner ist die Rede.

Nach dem Passieren der dritten Kilometerfahne, wird eine Wiese, die "Koltorp gärde" an Größe noch deutlich übertrifft, fast komplett umrundet

Angesichts von Laufstrecken, die nahezu ausschließlich über kurvige und wellige, sowie zudem oft auch noch mit Steinen und Wurzel gespickte Wege durch den "skog" - wie die schwedische Bezeichnung für "Wald" lautet - führen, haben die Zahlen allerdings dann doch eine gewisse Pseudoexaktheit. Denn in einer solchen Präzision, wie es die Angaben vorzugeben scheinen, sind die Kurse unter den gegebenen Voraussetzungen eigentlich gar nicht zu vermessen.

Zudem haben die schnellsten Läufer einen eigenen Startpunkt, der sich ein Stück weiter vorne als jene Linie befindet, an der für den der Rest des Feldes das Rennen beginnt. Diese Athleten - immerhin einige hundert - müssen also ungefähr fünfzig bis hundert Meter weniger als alle anderen zurücklegen, was zur vermeintlichen Genauigkeit nicht wirklich passen will. Sogar die übrigen Teilnehmer der - aus diesem Grund noch einmal in die Unterkategorien "1A", "1B" und "1C" aufgeteilten - ersten Gruppe reihen sich dazu nur mit entsprechendem Abstand auf.

Nicht nur auf den dauerhaft über die Insel verteilten Schildern wird übrigens rückwärts gezählt. Auch die großen Fahnen am Streckenrand, die dafür sorgen, dass die einzelnen Kilometermarken eigentlich kaum zu übersehen sind, halten sich an dieses Schema. Dass sie durchaus nicht immer ganz genau neben den hölzernen Tafeln stehen, bestätigt eigentlich nur die latenten Zweifel. Doch an eine sekundengenaue Temposteuerung, wie sie bei einem ebenen Straßenlauf manchmal möglich ist, braucht man auf Lidingö ohnehin keinen Gedanken zu verschwenden.

Auch die Eingänge zu den verschiedenen Startblöcken sind durch Fahnen gekennzeichnet. Denn obwohl durch die Zehn-Minuten-Abstände eigentlich nie mehr als zwei von ihnen tatsächlich zur gleichen Zeit gefüllt sind, hat man sie fein säuberlich hintereinander aufgereiht. Erst wenn die vorherige Gruppe wirklich auf die Reise gegangen ist, werden die Flatterbänder entfernt und der nächste Pulk kann nach vorne aufrücken. Je später man also eingeteilt ist, umso länger wird der Weg zur Startlinie.

Die Zuordnung zum jeweiligen Teilfeld ist für die Helfer an den Einlässen recht leicht zu überprüfen. Denn zum einen sind die Nummern jeweils in einer anderen Farbe hinterlegt. Und zum anderen beginnt die fünf- oder sechsstellige Ziffernfolge auch mit der entsprechenden Gruppe. Wer im zweiten Block steht, hat also eine Zahl größer als zwanzigtausend auf dem Bauch. Für die "startgrupp 3" übersteigt sie dreißigtausend und so weiter.

Schon aus Eigeninteresse sollte allerdings auch jeder Teilnehmer selbst darauf achten, sich richtig einzuordnen. Denn trotz einer elektronischen Zeitnehme - in den Startunterlagen finden sich mit einem dünnen Chip beschichtete Papierstreifen, die man in der Schuhschnürung zum Ring verkleben soll - gibt es nur eine Ziel- und keine Startmatte. Diese müsste sich schließlich über die ganze Wiese ziehen und würde deswegen extrem lang ausfallen.

Schon in der Anfangsphase wartet das Höhenprofil mit vielen kurzen, aber giftigen Anstiegen auf… …bevor es sich entlang der tief in die Insel hinein schneidenden Bucht "Kyrkviken" erst einmal beruhigt

Deswegen gibt es natürlich auch keine Erfassung der Nettozeit. Das individuelle Ergebnis wird aus der Startgruppe und dem Zieleinlauf errechnet. Wer zu spät startet, bekommt keinerlei Gutschrift. Und der Versuch, in einem früheren Block loszulaufen, wird mit einer Disqualifikation bestraft. Schwer festzustellen ist der Frühstart übrigens nicht, denn bereits bei der Fahne mit der "29" wird zum ersten Mal eine Zwischenzeit genommen.

Die klare Zuordnung zu den erst zwanzig Minuten vor dem Start öffnenden Boxen hat zudem einen Vorteil für den Transport der "överdragskläder" - also die "Kleider, die man drüber trägt". In jeder der Zonen steht auf der dem Weg abgewandten Südseite der Wiese nämlich ein Anhänger, auf dem weitere Helfer die Plastiksäcke entgegen nehmen. Und da man diesen eigentlich nur mit einer passenden Startnummer erreicht, kann bei der Abgabe eigentlich wenig schiefgehen.

Direkt nachdem sich die Läufer auf die Strecke begeben haben, zieht ein Traktor den kompletten Hänger zum fast drei Kilometer entfernten Ziel hinüber, wo die Beutel in langen Reihen auf der Wiese verteilt werden. Das Zurückgreifen auf landwirtschaftliche Zugmaschinen ist durchaus sinnvoll. Denn spätestens nachdem am Samstagmorgen die Felder über fünfzehn Kilometer "Koltorp gärde" bevölkerten, stehen an manchen Stellen Wasser und Schlamm zentimeterhoch auf der Wiese. Bevor man mit dem Laufen überhaupt begonnen hat, sind die Füße bereits nass.

Im Rhythmus von zehn Minuten wiederholen sich die Abläufe beinahe zwei Stunden lang. Ein Block füllt sich, wandert anschließend nach vorne, zieht sich dabei noch mehr in die Breite, so dass an der Linie schließlich kaum mehr als eine Handvoll Läufer hintereinander stehen, und wird dann nach dem Herunterzählen der letzten Sekunden mit großem Getöse auf die Strecke entlassen. Denn nicht für die erste Gruppe sondern auch bei jedem der folgenden Starts wird mit einigen Raketen ein kleines Feuerwerk abgebrannt.

Der Schwung der ganz leicht bergab führenden Anfangsmeter endet ziemlich schnell mit dem Nadelöhr am Ende der Wiese, an dem jedes der Felder herunter gebremst wird und sich erst einmal sortieren muss. Gleich danach dreht die Laufstrecke zudem auch noch nach rechts ab und muss die erste kleine Kuppe überwinden. Unzählige weitere, oft wesentlich ruppigere werden auf den nächsten dreißig Kilometern noch folgen.

Die Läufer der halb so lange Distanz müssen über diesen niedrigen Hügel nicht hinweg. Denn bereits an der ersten Kurve hinter dem gemeinsamen Startpunkt trennen sich die beiden Kurse. Während der Dreißiger zu einem großen Bogen ausholt, schneidet die kürzere Strecke diesen einfach ab und wählt den direkten Weg. Später werden sich beide wieder treffen, um erneut ein Stück gemeinsam zu verlaufen. Doch an noch zwei weiteren Stellen gibt es gibt es vergleichbare Abkürzungen, die jeweils etwa fünf Kilometer zur Gesamtdifferenz beisteuern.

Die Umrundung des hinteren Teils der "Kirchenbucht" ist der einzige wirklich ebene Abschnitt der gesamten Strecke

Zwar gibt es auch einen ausgebauten Fußweg, der die Handvoll Meter des Hügels hinauf führt, doch nutzten die jeweils fast zweitausend Köpfe zählenden Läuferfelder in dieser Phase auch weiterhin die komplette verbliebene Breite der Grasfläche. Selbst wenn ein skandinavischer "terränglopp" eine deutlich weitere Bandbreite umfassen kann als ein "Crosslauf" im deutschsprachigen Raum hat der erste Kilometer der Strecke genau diesen Charakter.

Nur kurz geht es hinter der Kuppe geradeaus, dann dreht der Kurs weiter nach rechts und bildet somit einen fast perfekten Halbkreis. Die Wiese endet an einem Forstweg, auf den man nach links, also erneut in südliche Richtung einschwenkt. Noch einmal gilt es sauber einzufädeln. Denn nachdem die Graspassage noch immer etlichen Läufern nebeneinander Platz bieten konnte, verengt sich die Laufstrecke nun endgültig auf wenige Meter. Da sie fast gleichzeitig auch wieder spürbar an Höhe gewinnt, sinkt das Lauftempo zusätzlich ab.

Während des Anstieges, der weit weniger sanft ausfällt als sein Vorgänger, schlägt man einen Bogen um einige zwischen den Bäumen stehende Häuser. Hätten viele Bauten im neuen Zentrum von Lidingö durchaus auch in anderen Gegenden der Welt stehen können, lassen diese nun sich wirklich als "eindeutig skandinavisch" klassifizieren. Schließlich sind sie auf weitläufigen Grundstücken aus Holz errichtet und in Gelb, Blau oder dem so typischen dunklen Schwedenrot gestrichen.

Bei dieser nach ihrem ursprünglichen Herkunftsort auch "Falunrot" genannte Farbe, handelt es sich eigentlich nur um ein Nebenprodukt der dortigen Kupferbergbaus. Schon seit weit mehr als fünfhundert Jahren wird der aus dem Abraum der Mine gewonnene Anstrich im Norden Europas verwendet. Ursprünglich hauptsächlich in ländlichen Gebieten, wo man damit ein wenig die noblen Backsteinhäuser der wohlhabenden Städte imitieren wollte.

Bald erkannte man jedoch auch den konservierenden Effet, den die in der Mixtur enthaltenen Mineralstoffe auf Holz haben. Und spätestens durch eine nationalromantische Idealisierung im neunzehnten Jahrhundert wurde das einfach zu erzeugende und deswegen günstige "faluröd" zum absoluten Standard im schwedischen Hausbau. Erst in den letzten Dekaden hat man sich mit dem Aufkommen moderner Farbstoffe wieder ein wenig von ihm gelöst.

Nach dem eher parkähnlichen Gelände am Wasser, taucht der Kurs hinter Kilometer elf wieder für längere Zeit in die skandinavischen Wälder ein

Beinahe einen Kilometer lang steht immer wieder einmal ein Gebäude im Wald. Zum Schluss führt die Schotterpiste sogar durch eine kleine, fast winzige Siedlung, die mit ihren vielleicht zwei Dutzend mitten im Grünen verteilten bunten Wohnhäusern fast schon dem Idealbild entspricht, das man dank der Geschichten von Astrid Lindgren eigentlich bereits seit Kindertagen von einem schwedischen Dörfchen vor Augen hat.

Bullerby und Lönneberga lassen schön grüßen. Nur findet sich dieses Idyll eben gerade nicht in Småland - der nicht allzu dicht besiedelten Heimat der Schriftstellerin - sondern kaum mehr als eine Handvoll Kilometer vom Zentrum Stockholms entfernt. Im Gegensatz zum dicht besiedelten Mitteleuropa, in dem sich oft ein Ballungsraum an den nächsten reiht, wird es rund um die - ohnehin nicht übermäßig vielen - nordischen Metropolen schnell ziemlich ländlich.

Gerade im Osten der schwedischen Kapitale, dort wo sich das Festland mit unzähligen Inseln und Inselchen ins Meer hinaus verliert, erinnert bald nichts mehr daran, wie nahe man der größten skandinavischen Stadt eigentlich noch ist. Im sogenannten Schärengarten - ein aufgrund einer Fehlinterpretation entstandener Begriff, denn die wortwörtlich Übersetzung für das schwedische "skärgård" würde "Schärenhof" lauten - ist Lidingö dabei sogar noch die mit Abstand urbanste Gemeinde.

Hinter Bäumen und Häusern schimmert gelegentlich etwas Wasser durch. Diesmal handelt es sich aber nicht um einen Meeresarm. Denn im Gegensatz zu "Kyrkviken" sind "Stockbysjön" und "Kottlasjön" vielmehr zwei kleine, durch einen Bach miteinander verbundene Binnenseen, deren Oberfläche rund ein Dutzend Meter oberhalb des Meeresspiegels liegt. Und von Jahr zu Jahr wird der Unterschied größer. An der schwedischen Küste wächst nämlich langsam, aber sicher das Land aus dem Meer heraus.

Während der letzten, vor nur wenig mehr als zehntausend Jahren endenden Eiszeit wurde ganz Nordeuropa schließlich von der gigantischen Last eines kilometerdicken Eispanzers nach unten gedrückt. Ohne diesen nun weitgehend abgeschmolzenen Ballast konnte sich Skandinavien im Laufe der Zeit deutlich heben. Und dieser Prozess noch immer nicht abgeschlossen. Einen halben bis ganzen Zentimeter geht es je nach Region zum Beispiel im Osten Schwedens auch weiterhin jedes Jahr nach oben.

Noch in frühgeschichtlicher Zeit waren die beiden "sjöar", die man im Hintergrund immer wieder einmal erahnen kann, deswegen tatsächlich Teil der Ostsee. Die letzte Verbindung zum Meer ging sogar erst im Mittelalter verloren. Lidingö bildete auch keineswegs von Anfang an ein zusammenhängendes Stück Land sondern bestand einst aus einer Vielzahl kleiner und kleinster Inseln, die heute eben genau jene Kuppen bilden, die man während des Rennens hinauf und hinunter laufen darf.

Die Verpflegungsstelle, die nach der Hälfte der Distanz erreicht wird, bietet mit "saltgurkor" auch eine typisch schwedische Verpflegung im Ausdauersport

Erst durch die Landhebung wurde aus vielen "skärar" und "holmar" ein "ö". Für alle drei Begriffe gibt es im Schriftdeutschen eigentlich nur die Übersetzung "Insel". Die skandinavischen Sprachen besitzen in dieser Hinsicht dagegen eine ganze Reihe von in ihrer Bedeutung leicht unterschiedlichen Wörtern. Wie so oft gibt es auch im Norden Europas zur Beschreibung der Umgebung, in der man lebt, weitaus feinere Abstufungen, als sie aus der Ferne nötig und möglich sind.

Grob gesprochen ist jedenfalls ein "skär" kleiner als ein "holme" und dieser wieder kleiner als ein "ö". Dazu ist eine Schäre meist nicht viel mehr als ein kahler unbewohnter Felsen. Ein Holm - ein Begriff, der im Deutschen immerhin gelegentlich ebenfalls in der geographischen Fachliteratur auftaucht - trägt dagegen meist Vegetation. Im Unterschied zum "ö" ist diese Art von Insel aber in der Regel ebenfalls nur selten bewohnt. Allerdings finden sich in Stockholm auch gleich schon wieder die ersten Ausnahmen.

Denn mit Stadsholmen, Helgeandsholmen, Riddarholmen, Skeppsholmen, Kastellholmen und Kungsholmen führt gleich ein halbes Dutzend Inseln mitten im Zentrum trotz ihrer zum Teil ziemlich dichten Bebauung diese Bezeichnung. Und sogar der Name der Hauptstadt selbst hat etwas mit "Insel" zu tun. Dort wo sich heute die Altstadt auf einigen der oben genannten Eilande ausbreitet, versperrte nämlich im Mittelalter eine Pfahlbarriere zwischen Inseln und Festland die engste Stelle der Zufahrt vom Meer zum Mälarsee.

Als man die letzten Gebäude der kleinen Siedlung hinter sich lässt und wieder in den Wald eintaucht, verengt sich die Strecke erneut. Statt einer mit Autos befahrbaren Schotterpiste hat man nun nur noch einen schmalen Fußweg unter den Sohlen, auf dem mit Mühe zwei Läufer nebeneinander Platz finden. Etwas mehr als einen halben Kilometer geht es in mehreren kurzen Wellen zwischen zum Teil bereits in ersten Herbsttönen gefärbten Bäumen auf und ab.

Inzwischen hat der Kurs weiter gedreht und führt nun ostwärts, wodurch die Anfangsphase des Lidingöloppet fast in Form eines Fragezeichens verläuft. Der nächste Richtungswechsel folgt, nachdem der Pfad auf einen Parkplatz hinaus geführt hat. Er gehört zu "Breviksbadet", dem Freibad des nur wenig Steinwürfe von dieser Stelle beginnenden und den komplette Südostecke der Insel belegenden Stadtteils Brevik.

Nur mit einem Schwenk nach links lässt sich deswegen vermeiden, dass der "größte Geländelauf der Welt" kurz nach Beginn schon wieder zwischen modernen Wohnblöcken landet. Immerhin ist aber der Weg entlang von Liegewiese und Wirtschaftsgebäuden für ein kurzes Stück asphaltiert. Als man danach erneut im "skog" verschwindet, geht es aber recht schnell auf einem deutlich naturnäheren Geläuf weiter.

Hinter der Halbzeitmarke beginnt die Strecken mit immer wilderen Ausschlägen fast wie bei einer Achterbahn auf und ab zu führen

Die kleine Kuppe hinter dem Schwimmbad stürmt der Äthiopier Abere Chane als Erster hinauf. Er hat von Anfang an aufs Tempo gedrückt und sich nach etwa zwei Kilometern aus einer vierköpfigen Spitzengruppe gelöst, in der sich auch Lewis Korir befand, der beim Lidingöloppet seit 2011 ungeschlagen ist und den Dreißiger dreimal in Folge gewinnen konnte. Vielleicht liegt es an der dabei gewonnenen Streckenkenntnis, dass er in der Anfangsphase ruhig bleibt, ein wenig defensiver läuft und den ständigen Attacken von Chane nicht nachsetzt.

Schon seit einem Vierteljahrhundert dominieren in den Siegerlisten der Männer die kenianischen Flaggen. Die anschließend nur selten unterbrochene Reihe der Gewinner aus dem Läuferland in Ostafrika beginnt mit Douglas Wakiihuri, der beim Silberjubiläum des Rennens im Jahr 1989 als Erster beendete und vermutlich der bekannteste überhaupt in den Annalen zu findende Name ist. Schließlich war er zwei Jahre zuvor in Rom Marathon-Weltmeister geworden.

Einzig der Brite Paul Evans im Jahr 1995 sowie der - allerdings auch in Somalia geborene - Schwede Mustafa Mohamed, der 2003, 2004 und 2008 erfolgreich war, unterbrechen die lange Kette afrikanischer Sieger. Bei den Damen, die zwar schon länger teilnehmen könne, aber erst seit 1996 eine offizielle Siegerin über die dreißig Kilometer küren, blieben die Nordeuropäer - ähnlich wie in der Anfangszeit bei Männern - auf dem Treppchen bisher weitgehend unter sich. Allerdings fehlt umgekehrt auch kaum eine bekannte schwedische Langstrecklerin in den Listen.

Die dritte Kilometerfahne, die man passiert, also jenen mit der "27", steht dann schon wieder am Waldrand. Ringsherum umgeben von dichtem Baumbestand hat sich nämlich eine Wiese geöffnet, die "Koltorp gärde" an Größe noch deutlich übertrifft. An ihrer gegenüberliegenden Seite kann man schon einen Teil des sich alleine aufgrund der engen Wege bereits weit auseinander gezogenen Feldes in genau entgegen gesetzter Richtung laufen sehen. Denn sie wird in der Folge zu drei Vierteln umrundet.

Entlang der zweiten Kante des von der Strecke nicht ganz geschlossenen Rechtecks sind in einer langen Reihe etliche Bilder von lokalen Künstlern aufgestellt. "Konst i spåret" hieße diese Aktion, verkündet ein ebenfalls am Weg positioniertes Plakat den vorbei kommenden Läufern. Immerhin steht die Kunst aber zum Glück für alle Teilnehmer etwas neben und nicht - wie der Name eigentlich aussagt - mitten "in" der schmalen "Spur".

"Tvättbräda" - auf Deutsch "Waschbrett - wird dieser Abschnitt wegen seines Profils in schwedischen Läuferkreisen häufig genannt

Man hat sich die ungewöhnliche Kunstausstellung eigens zum Jubiläum von Lidingöloppet einfallen lassen. Und einige der Malereien scheinen - soweit man es in der kurzen Zeit, die zur Betrachtung aus vollem Lauf bleibt, überhaupt beurteilen kann - auch durchaus das Rennen als Thema zu haben. Dass ausgerechnet an dieser Stelle der Pfad allerdings relativ aufgeweicht und mit etlichen kleineren Pfützen gespickt ist, also einige Aufmerksamkeit erfordert, behindert die Beschäftigung mit den Objekten zusätzlich.

Die kleine "utställning" endet am "Långängens gård", der eine der Ecken der Wiese besetzt und mit seiner Handvoll dunkelroter Holzhäuser erneut vollkommen dem hierzulande verbreiteten Schweden-Klischee entspricht. In den alten Bauernhof, der zu den ältesten bewohnten Plätzen auf Lidingö zählt und auch in seiner jetzigen Form bereits mehr als zwei Jahrhunderte auf dem Buckel hat, ist inzwischen ein Café und Ausflugslokal eingezogen.

Aber nicht nur deswegen findet sich dort eine der eher seltenen Stellen, an denen die Sportler ein wenig Beifall bekommen. Vielmehr ist der eine oder andere Zuschauer schnell vom Start herüber gependelt. Denn obwohl man als Läufer nun schon vier Kilometer in den Beinen hat, ist das "värdshus" wegen der vielen Schleifen von "Koltorp gärde" auf direktem Weg kaum ein Viertel dieser Distanz entfernt.

Noch einige hundert Meter geht es mit nur leichten Wellen am Waldrand entlang. Doch als dann der Weg wieder in den nordischen "skog" hinein dreht, folgt die erste echte Klippe des Kurses. Denn in einem kurzen, aber relativ steilen Stich geht es zum bisher höchsten Punkt der Strecke hinauf. "Killingebacken" heißt die Steigung in schwedischen Läuferkreisen, wobei man den Namen des an das Waldstück angrenzenden Wohngebietes einfach mit dem - hierzulande aus dem nordischen Skisport bekannten - skandinavischen Begriff für "Hang, Anhöhe, Hügel" verbindet.

Die Kuppe findet sich zwar nur etwas mehr als vierzig Meter über dem Meeresspiegel und wenig mehr als die Hälfte davon muss man in diesem Anstieg zudem direkt überwinden. Dennoch sorgt die mit zweistelligen Prozentsätzen ausgestattete Rampe bei einigen schon relativ früh für eine erste kleine Gehpause. Je weiter das Rennen fortgeschritten ist, umso höher wird später an vergleichbaren Erhebungen allerdings der Anteil der Marschierer werden.

Nicht mehr ganz so lang, aber ähnlich steil geht es anschließend gleich noch einige Male auf und ab, bevor der schmale Pfad nach knapp sechs absolvierten Kilometern ins Freien hinausführt und kurz darauf ein kleines Sträßchen quert. Gegenüber führt die Strecke erst einmal auf einem deutlich breiteren Fahrweg durch offenes Wiesengelände weiter. Eine große - natürlich dunkelrot gestrichene - Scheune und einige Koppeln auf der rechten Seite zeugen von einer landwirtschaftlichen Nutzung.

In der Nähe der Siedlung "Askrike" öffnet sich gleich mehrfach der Blick auf eine Bucht mit Namen "Grönstviken"

Doch die Zäune links sehen völlig anders aus. Zwischen zehn Meter hohen Pfählen sind dichte Netze gespannt. Sie sollen die Passanten vor kleinen, harten Bällen schützen. Denn auf der sich hinten ihnen ausdehnenden Grasfläche, über die Mitglieder eines der beiden lokalen Golfclubs ihre Abschläge. Auch auf das Gelände des zweiten diese Sportart betreibenden Vereins wird man ganz zum Ende der großen Runde über die Insel noch einen Blick erhaschen können.

Neben dem Fangzaun ist die erste von sechs Verpflegungsstellen aufgebaut. Bei den ersten beiden beschränkt sich die Auswahl noch einzig auf Wasser und Elektrolytgetränke. Später gibt es dann aber auch feste Nahrung in verschiedenster Form. Von Naturprodukten wie den fast unvermeidbaren Bananen bis zu klebrigen Gels aus glitzernden Folienpackungen reicht die Palette des Angebots.

Selbst wenn sich die Organisatoren nicht streng an einen festen Rhythmus halten, sondern für die einzelnen Versorgungsposten eher logistisch geeignete Stellen ausgewählt haben, gibt es auf der Strecke anfangs jeweils im Abstand von ungefähr fünf bis sechs Kilometern etwas zu trinken. Im letzten Drittel der Distanz verkürzen sich die Intervalle dann sogar noch einmal. Angesichts der nicht übermäßig hohen Temperaturen des skandinavischen Herbstes ist Durst auf Lidingö also kein wirkliches Thema.

Zuerst am Verpflegungsstand kommt eine gemeinsam in Führung liegende Dreiergruppe an. Denn zusammen mit seinem Landsmann Daniel Muindi hat Vorjahressieger Korir den vorneweg stürmenden Äthiopier kurz zuvor wieder eingefangen. Doch dieser kontert ziemlich schnell und drückt hinter dem Getränkeposten erneut aufs Tempo. Während Muindi versucht mitzugehen, bleibt Korir ruhig und lässt die beiden gleich wieder etwas ziehen.

Bei den Frauen liegt die Schwedin Annelie Johansson nur ganz knapp vor Monicah Wahome aus Kenia in Führung. Allerdings gehen sie mit Gesamtplätzen weit jenseits der einhundert in einem dichten Männerpulk schon fast unter. Nach gerade einmal einem Sechstel der Distanz sind auch die folgenden Abstände natürlich ziemlich eng. Bis Isabellah Andersson und Frida Lundén als Fünfte und Sechste passieren, ist die Uhr keine Viertelminute weiter getickt. Dazwischen sind noch Emma Nordling sowie Johanna Bäcklund durchgehuscht.

An der mit zweistelligen Prozentsätzen aufwartenden Rampe "Grönstabacken" kann man sich wegen des dichten Zuschauerspaliers ein wenig fühlen wie ein Radprofi, der sich bei der Tour de France nach Alpe d'Huez hinauf quält

Direkt hinter der Golfbahn ragt ein Hügel auf, an dessen Fuß man nach der Getränkeaufnahme vorbei läuft. "Ekholmnäsbacken" ist mit etwas mehr als siebzig Metern nicht nur der höchste Punkt der Insel. Seine grasbewachsene Flanke wird auch von einem kleinen Skilift erklettert. So kann man auf einer Ostseeinsel wenige Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernt die Grundzüge des "alpin skidsport" - während viele Sprachen das norwegische "ski" als Lehnwort übernommen haben, heißen die Bretter im Schwedischen weiterhin "skid" - erlernen.

Auch die Läufer der Halbdistanz haben am Morgen den Skihang passiert. Denn seit dem Golfplatz verlaufen beide Kurse wieder zusammen. Sie hatten allerdings zu diesem Zeitpunkt gerade einmal einen einzigen Kilometer an den Beinen. Denn durch einen weiteren der vielen Schlenker in der Anfangsphase hat die Strecke längst erneut ihre Richtung gedreht und führt nur wenige hundert Meter entfernt am Start vorbei. Das Wäldchen, das nun den wieder schmaler werdenden Pfad aufnimmt, ist jedenfalls genau jenes, das an seinem anderen Ende "Koltorp gärde" begrenzt.

Wie üblich windet sich der Weg darin in den von der Eiszeit hinterlassenen Kuppen stetig auf und ab. Und erneut schimmert eine Wasserfläche zwischen bereits leicht verfärbten Blättern und immergrünen Nadeln hindurch. Diesmal ist es auch tatsächlich salzhaltig, denn es handelt sich um "Kyrkviken", an dessen langgestreckter Form sich die Strecke nun für eine Handvoll Kilometer orientieren wird. Da sie dabei erst einmal dem hinteren Ende der Bucht entgegen steuert, kommt man dem Ausgangspunkt Lidingövallen immer näher.

Vielleicht wirkt das Gelände deshalb so bekannt, als man wieder aus dem Wald heraus tritt. Doch selbst wenn das Sträßchen, das dazu überquert werden muss, jenem ziemlich ähnlich sieht, auf dem man zum Start marschierte, befindet man sich ein wenig unterhalb und näher am Wasser. Allerdings scheint sich das Unterbewusstsein irgendwie an einige größere Wohnblocks zu erinnern, die auf dem Hügel jenseits des schmalen Gewässers zu erkennen sind.

Dass man bei "världens största terränglopp" nun kurzzeitig auf einen asphaltierten Fuß- und Radweg hinüber wechselt, ist weit weniger ungewöhnlich als die Tatsache, dass dieser mitten über einen Friedhof führt. Nach bester skandinavischer Tradition erstreckt sich dieser nämlich rund um die alte Kirche von Lidingö, selbst wenn seine Ausmaße wegen des schnellen Bevölkerungswachstums irgendwie nicht wirklich zu dem kleinen Gotteshaus passen wollen.

Rund ein halbes Dutzend Mal begegnet man unterwegs einer "vägsluss", mit der Straßen ohne allzu große Behinderungen für den Verkehr überquert werden können Zwischen Kilometer zwanzig und fünfundzwanzig führt die Laufstrecke gleich mehrfach direkt am Wasser entlang Neben eingelegten Gurken ist auch "blåbärssoppa", die am vorletzten Versorgungsposten ausgegeben wird, eine ziemlich schwedische Wettkampfernährung mit echtem Kultstatus

Im dünn besiedelten Norden Europas sind - vielleicht einmal abgesehen von den Zentren der ganz großen Metropolen - noch immer frei stehende Kirchen mit einem ringherum angelegten Friedhof der absolute Standard. Da ist es durchaus nachvollziehbar, wenn die Schweden diesen Begriff weiterhin mit "kyrkogård" - wortwörtlich also "Kirchhof" - übersetzen. Und in Dänemark oder Norwegen würde man von einem "kirkegård" sprechen.

Nicht viel länger als zweihundert Meter dauert dieser irgendwie doch etwas seltsame Abschnitt. Am Eingang zum Yachthafen, dessen viele Boote man auf dem Anmarsch zum Start bereits bewundern konnte. stößt die Strecke dann direkt ans Ufer der "Kirchenbucht" vor. Und kurz darauf wechselt sie von der Zufahrtstraße auch auf den Schotterweg hinüber, den die Läufer mach dem Verlassen von Lidingövallen schon einmal in einer anderen Gangart unter den Füßen hatten.

Es überrascht nicht im Geringsten, dass die Zone rund um das Sportgelände einer der absoluten Publikumsschwerpunkte bildet. Schließlich bringen die Pendelbusse neben vielen tausend Läufern auch etliche anfeuernde Begleiter vom Festland herüber. Und nachdem an diesem Punkt gerade einmal acht Kilometer absolviert sind, bleibt den Zuschauern noch mehr als genug Zeit das kurze Stück hinüber zum Ziel zu schlendern, während die Sportler zu einem großen Bogen rund um die nördliche der beiden von "Kyrkviken" getrennten Halbinseln ausholen.

Statt links zum Sportpark führt die Route also weiter nach rechts und in genau entgegengesetzter Richtung wie zuvor immer entlang des "Fjärdes". Diese Bezeichnung, die im ersten Moment wie ein Schreibfehler des norwegischen Begriffes "Fjord" aussieht, hat durchaus ihre Berechtigung. Denn obwohl es sich sprachlich tatsächlich nur um die schwedische Variante des Wortes handelt und sich beiden Landschaftsformen bei einem oberflächlichen Blick auf der Karte ziemlich ähneln, besteht für Geologen zwischen ihnen ein gewaltiger Unterschied.

Schließlich ist ihre Entstehungsgeschichte völlig unterschiedlich. Von einem "Fjord" spricht man im geologischen Sinne immer dann, wenn ein bergab fließender Gletscher anschließend mit Wasser vollgelaufene Täler ins Gebirge hinein gehobelt hat. "Fjärdar" - wie die schwedische Pluralform korrekt lautet - und die zwischen ihnen liegenden Schären und Holmen, die es übrigens nicht nur in Schweden sondern zum Beispiel auch in Norwegen und Finnland gibt, sind dagegen unter einem riesigen Eispanzer durch Druck von oben entstanden.

Für die nächsten fast zwei Kilometer entfernt sich die Laufstrecke nie weiter als einige Schritte von Nordufer der Bucht. Während sich etwas weiter oben am Hang Wohnhäuser entlang ziehen, läuft man dabei auf einem flachen Spazierweg durch eine parkähnliche Umgebung. Allerdings ist der Kyrkviken-Abschnitt die wirklich einzige Passage des gesamten Laufes, auf der es praktisch keine Höhenunterschiede gibt.

Praktisch vom Meeresniveau geht es am Abborrbacken innerhalb von wenig mehr als einem halben Kilometer zum bei 48 Meter gelegenen höchsten Punkt des Rennens hinauf

Kurz bevor man den Punkt erreicht, an dem sich die Bucht mit ihrer schmalsten Stelle auf wenige Dutzend Meter verengt und anschließend ihren Namen in "Hustegafjärden" ändert, zieht die Strecke direkt beim zweiten Verpflegungsposten vom Wasser weg. Zum Abschluss seines ersten Drittels windet sich der Kurs nun ein Stück zwischen Wiesen und Hecken entlang, die deutlich naturbelassener sind als die gepflegte Uferzone.

Der anfangs relativ sanfte Anstieg wird nach dem Überqueren eines Sträßchens und dem damit verbundenen Wechsel auf einen asphaltierten Radweg deutlich spürbarer. Doch das Profil beruhigt sich schnell wieder, als dieser parallel zum Hang eindreht. Bevor die Strecke wieder in den Schatten der Bäume eintaucht, um sich nun wieder als Waldweg um die Siedlung Västra Yttringe herum zu winden, wird jeder Vorbeikommende von einer fest installierten Kamera noch einmal gefilmt.

An mehreren weiteren Stellen werden ebenfalls Aufnahmen gemacht. Und nach dem Rennen kann sich jeder Teilnehmer einen Film über den Lauf mit sich selbst "i huvudrollen" bestellen. Dass für "mitt Lidingöloppet" - übersetzt "mein Lidingölauf" - hundertneununddreißig schwedische Kronen zu bezahlen sind, belegt die Geschäftstüchtigkeit der Schweden. Es ist angesichts der riesigen Teilnehmerzahl aber nicht überraschend, dass zudem noch ein "klassischer" Fotoservice auf der Strecke unterwegs ist, der später seine Bilder auch unter die Leute bringen will.

Der noch ziemlich dichte Herbstwald lässt optisch nur schwer erahnen, wie wenig Platz zwischen dem Wohngebiet und der gerade überquerten Straße für die Laufstrecke eigentlich bleibt. An manchen Stellen sind es kaum mehr als zwei oder drei Dutzend Meter. Und dennoch hat man den Eindruck, sich mitten Gelände zu bewegen. Nur durch das Ausnutzen oft fast schon winziger Schlupflöcher zwischen der sich immer weiter ausdehnenden Bebauung konnte der Charakter des "terränglopp" im Laufe der Jahrzehnte erhalten bleiben.

Eines der markantesten von ihnen ist vermutlich der Fußgängertunnel, durch den die Läufer eine weitere Straße unterqueren, die das nach einem alten Gutshof benannte Viertel Västra Yttringe von der Nachbarsiedlung Rudboda trennt. Für etwa hundert Meter orientiert sich die Strecke anschließend an dem parallel zur Asphaltpiste verlaufenden Radweg. Dann endet dieser an eine Querstraße, die mit seiner schon im Vorfeld mit Schildern angekündigten "vägsluss" passiert wird.

Mit Flatterbändern leiten Helfer nämlich das - durch das längst erfolgte Vermischen der einzelnen Startgruppen praktisch nicht mehr unterbrochene - Läuferfeld im auch hierzulande gelegentlich zu entdeckenden Schleusenverfahren über zwei verschiedene Kreuzungsstellen, zwischen denen man immer wieder einmal ein Fahrzeug hindurch lotsen kann. Dicht ist der Verkehr allerdings wahrlich nicht. Die Einwohner Lidingös haben sich natürlich im Laufe der der Jahre längst auf das Großereignis eingestellt und akzeptieren im Zweifelsfall auch kürzere Wartezeiten ohne Murren.

Die beiden letzten Kilometer des Lidingöloppet-Kurses führen die Läufer noch einmal auf schmale Wege quer durch den Wald

Rund einem halbes Dutzend dieser "Straßenschleusen" - das schwedische "väg" hat trotz gleicher sprachgeschichtlichen Herkunft eine etwas andere Bedeutung als das deutsche Wort "Weg" - wird man im Laufe des Rennens noch begegnen. Doch dank perfekter Absperrung und eingespielter Abläufe wären die meisten von ihnen ohne vorherige Ausschilderung eigentlich nur dann zu bemerken, wenn man sie genau in dem Moment erreicht, in dem die Sportler tatsächlich von der einen zur anderen Kursalternative umgeleitet werden.

Inzwischen hat sich der unentwegt das Tempo hoch haltende Abera Chane zwar endgültig von seinen kenianischen Begleitern gelöst. Doch wirklich entscheidend ist der Vorsprung keineswegs. Und noch viele Kilometer lang werden Muindi und Korir trotz der ziemlich kurvigen und welligen Streckenführung praktisch ständig Sichtkontakt zum Führenden haben. Zum dahinter auf Platz vier liegenden Äthiopier Gemechu Edeo Kelu tut sich dagegen schon eine Lücke von etwa einer halben Minute auf.

Bei den Damen hat weiterhin Annelie Johansson die Nase zehn bis fünfzehn Minuten vor der Konkurrenz. Doch dahinter ist die Reihenfolge ein wenig durcheinander geraten. Denn Isabellah Andersson - die gebürtige Kenianerin, die seit fast einem Jahrzehnt in Schweden verheiratet und eingebürgert ist, steht immerhin für das Jahr 2007 in der Lidingö-Siegerliste und war beim Stockholmer Marathon bereits sechsmal Erste - hat sich auf die zweite Position nach vorne gearbeitet und an der knapp dahinter folgenden Emma Nordling vorbei geschoben.

Diese wird sich mit der ebenfalls noch etwas weiter nach vorne gelaufenen Frida Lundén in der Folge um Platz drei balgen. Die Kenianerin Monicah Wahome taucht dagegen inzwischen nur noch als Fünfte auf und wird wenig später das Rennen beenden, wodurch sich auch die Jubiläumsausgabe des Lidingöloppet im Frauenbereich wieder einmal als ziemlich interne Angelegenheit präsentiert. Denn während die vorderen Positionen der Herren recht international besetzt sind, tragen die Schwedinnen den Kampf an der Spitze von nun an endgültig alleine aus.

Die Startnummern, auf die neben den Läufernamen auch die dazu gehörenden Flaggen gedruckt sind, zeigen außerdem nicht nur ganz vorne sondern auch in der weitesten Erweiterung der bereits weit erweiterten Verfolgerkreises eigentlich nur gelbe Kreuze auf blauem Grund. Neben achtundneunzig Einheimischen werden es am Ende jedenfalls gerade einmal zwei Finninnen unter die ersten Hundert der Ergebnisliste schaffen.

Trotz der Nähe zur Metropole Stockholm wähnt man sich gelegentlich mitten in den nordischen Wildnis

Hinter der "vägsluss" muss die Laufstrecke vorerst keine weiteren Schlupflöcher mehr suchen. Denn nun hat man den dichter bebauten westlichen Teil der Insel erst einmal hinter sich gelassen. Die nächsten Kilometer wird man auf der wenig besiedelten und größtenteils mit Wald bedeckten Osthälfte der nördlichen Halbinsel zurücklegen. Mit ständigen leichten Richtungsänderungen zieht sich der Pfad durch den skandinavischen "skog". Und selbst, wenn man sich wirklich bemüht, geht dabei die Orientierung bezüglich der Himmelsrichtungen irgendwann doch ein wenig verloren.

So lässt sich eigentlich nur anhand des Streckenplanes erkennen, dass die Laufroute mit dem Rechtsabbiegen in einen etwas breiteren Weg hinein wieder ihre ursprüngliche Ausrichtung nach Osten erhält, die sie zuvor ein wenig verloren hatte. Im Anschluss absolviert man sogar - allerdings weiterhin im Schatten schwedischer Bäume - erneut einige hundert Meter auf Asphalt. Aber schnell dürfen die Läufer erneut auf einen jener herrlich abwechslungsreichen Waldpfade wechseln, auf denen sie die meiste Zeit des Rennens unterwegs sind.

Eineinhalb Kilometer später ist der am weitesten im Osten gelegene Punkt der Schleife erreicht. Und ohne, dass man es eigentlich bemerkt, beginnt in einem Schwenk nach links der Rückweg. Dass die Teilnehmer zu diesem Zeitpunkt auch beinahe die Hälfte der Distanz in den Beinen haben, ist zwar durchaus passend, muss angesichts des extrem gewundenen Streckenverlaufes allerdings dennoch eher unter "Zufall" verbucht werden.

Gerade einmal fünf Kilometer ist dieser Punkt in der Luftlinie von Lidingövallen entfernt. Trotzdem ergibt sich weder davor noch danach irgendwo eine größere Distanz zum Wettkampfzentrum, was recht gut belegt, mit wie vielen Schlenkern der Kurs über die Insel gelegt wurde. Beim Fünfzehner, der auch in diesem Bereich weniger weit ausholt und den langen Bogen schon viel früher abgekürzt hat, bewegen sich die Läufer sogar nur in einem Aktionsradius von etwa drei Kilometer rund um das Sportgelände.

Wenige Meter vor dem entscheidenden Richtungswechsel passiert man ein Schild mit der Aufschrift "00-talet". Doch die Vermutung, diese habe etwas mit an dieser Stelle aufgestellten Toiletten zu tun, geht völlig daneben. Zum Glück ließen sich bereits zuvor an der Strecke mehrfach ganz ähnliche Tafeln zu entdecken, auf denen dann zum Beispiel "90-talet" zu lesen war, so dass man selbst als Mitteleuropäer nicht allzu lange über seine Bedeutung nachdenken muss.

Mit der Entfernung zum Ziel nimmt auch die Ruhe der Wälder langsam ab, dafür allerdings die Zahl der Zuschauer an der Strecke deutlich zu

Mit "tal" bezeichnet man in Schweden nämlich eine "Zahl". Und "talet" meint in diesem Fall nichts anderes "die Zahl". Eine Besonderheit der skandinavischer Sprachen Schwedisch, Norwegisch, Dänisch, Isländisch und Färöisch - obwohl die Finnen hierzulande oft ebenfalls dazu gezählt werden, gehören diese weder aus kultureller oder historischer noch aus sprachlicher Sicht zu den Skandinaviern - ist schließlich, dass bestimmte Artikel hinten ans Wort angehängt werden.

In Kombination mit vorangestellten Ziffern bezieht sich "talet" dann mit einer Konstruktion, die sich wortwörtlich nur schwer ins Deutsche übertragen lässt, seinerseits wieder auf den Zeitraum, bei dem sich die Zahlen in genau diesem Bereich bewegen. Unter "70-talet" sind also die Siebziger zu verstehen, unter "80-talet" die Achtziger und so weiter. Dabei sind durchaus die hierzulande eher ungewöhnlich klingenden "Zehnerjahre" oder eben auch die "Nullerjahre" - also "00-talet" - denkbar.

Das auf den Schildern erwähnte Jahrzehnt kündigt immer die Musikrichtung an, mit der man kurz darauf empfangen wird. Neben Laufstrecke ist nämlich dann jeweils ein kleines Zelt oder ein Pavillon aufgebaut, unter dem ein Spezialist die zur Periode passenden Lieder auflegt. Natürlich ist dies auch eine Anspielung auf die nun immerhin schon ein halbes Jahrhundert andauernde Geschichte des Rennens. Denn die Bandbreite der Stile reicht von "60-talet" bis zu "Nu-tiden" - also der "Jetztzeit".

Irgendwie will diese Beschallung aus großen Boxen allerdings nicht zum wirklich zu "världens största terränglopp" passen. Was bei einem Stadtlauf sehr wohl Abwechslung und Aufmunterung bringen kann, wirkt an den schmalen Wegen mitten durch die Natur eher befremdlich. Dass sich an anderen Stellen zudem auch mehrere Chöre im Wald postiert haben und dort für die Läufer singen, fügt sich dann doch weitaus besser ins Bild.

Als man wenig später tatsächlich die Halbzeitmarke passiert, steht ein weiteres jener meist nicht allzu langen Asphaltabschnitte an, die sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder einmal zwischen die Geländepfade schieben. An einem Waldparkplatz muss nämlich ein Sträßchen überquert werden. Und da die beiden davor und danach belaufenen "gångstigar" ein wenig versetzt zueinander liegen, orientiert sich die Strecke für ein- bis zweihundert Meter an ihm.

Der vorhandene Platz und die relativ gute Erreichbarkeit bieten diese Stelle für den Aufbau einer Verpflegungsstelle geradezu an. Auf den schmalen Waldwegen ringsherum wäre ein solcher Versorgungsposten ansonsten natürlich nur sehr schwer unterzubringen. Zumal er diesmal auch noch ein ganzes Stück größer daher kommt als seine beiden Vorgänger. Denn neben Wasser und Elektrolytgetränken bietet die "vätskekontroll" trotz ihres - wörtlich übersetzt "Flüssigkeitskontrolle" bedeutenden - Namens diesmal auch feste Nahrung an.

Ausdauer braucht auch das Publikum, denn bedingt durch den Wellenstart ziehen sich die Zieleinläufe über mehrere Stunden hin

Selbstverständlich findet man die beinahe weltweit obligatorischen Bananen auf den Tischen. Doch anderes in der Auswahl ist ziemlich skandinavisch. So liegen in großen Schüsseln zum Beispiel unzählige "kanelbullar" herum. Die kleinen Zimtstückchen, die eher an die Miniausgabe eines Hefezopfes erinnern als ihre schneckenförmig gedrehte Verwandtschaft, lassen sich im Norden schließlich in beinahe jedem noch so kleinen Lebensmittelgeschäft in großen Packungen erwerben.

In mitteleuropäischen Augen beinahe noch weit ungewöhnlicher dürfte allerdings jener mit einer spritzfesten Schürze bekleidete Helfer sein, der lautstark seine "saltgurkor" anpreist. Eingelegte Gurken als Wettkampfernährung sind nun allerdings auch wirklich so typisch schwedisch, dass sich nicht selten sogar die norwegischen Läufer von der westlichen Seite des Grenzgebirges über sie ziemlich wundern. Wie so vieles andere ist diese Besonderheit im Ausdauersport der "tre kronor" vom Wasalauf geprägt, wo die "gurka" traditionell zum Versorgungsangebot gehört.

An die Popularität der dort ebenfalls gereichten "blåbärssoppa" kommt sie allerdings nicht heran. Diese aus den in den nordischen Wäldern so häufigen Heidelbeeren gekochte, leicht dickflüssige Brühe - eigentlich ein Dessert - genießt in Schweden regelrecht Kultstatus. Es kann also kaum überraschen, dass man ihre die Wirkung auch bei einem anderen schwedischen Klassiker namens "Lidingöloppet" zumindest einmal ausprobieren darf. Denn sechs Kilometer vor dem Ziel reichen die Helfer Becher mit dem energiereichen blauroten Fruchtsüppchen.

Als man hinter Parkplatz und Verpflegungsstand wieder im Walde verschwindet, schimmert zwischen den Bäumen erneut Wasser. Denn die Strecke hat ihren Verlauf inzwischen endgültig gedreht und führt nun entlang der Nordseite Lidingös wieder zurück in Richtung Ziel. Allerdings orientiert sich die Route dabei keineswegs nur direkt um Ufer sondern dreht auch immer wieder einmal etwas ins Innere der "Elfvik" genannten Halbinsel ab.

Da diese jedoch eher eine langgestreckte Landzunge mit einer maximalen Breite von ein bis zwei Kilometern darstellt, liegen die auf dem Hinweg belaufenen Pfade dabei nicht nur im sprichwörtlichen Sinne manchmal regelrecht in Rufweite. Die meist dichten Wälder und das kupierte Gelände sorgen aber dafür, dass man praktisch überhaupt nicht bemerkt, wie schmal der Schlauch eigentlich ist, den der Kurs in diesem Abschnitt bildet.

Je näher man dem Ziel kommt, umso mehr Menschen stehen zum Anfeuern zwischen Bäumen und Büschen am Wegesrand

Trotz der räumlichen Nähe haben die nun folgenden Kilometer gegenüber den Pfaden, die in der Gegenrichtung absolviert wurden, einen doch etwas veränderten Charakter. Denn während man zuvor auf dem mittleren Höhenrücken der "halvö" unterwegs war und dort meist nur sanfte Höhenunterschiede vorfand, ähnelt das Profil mit seinem beständigen Auf und Ab jetzt eher einer Achterbahn. In schwedischen Läuferkreisen wird dieser Streckenteil manchmal auch mit dem Namen "Tvättbräda" belegt, was genauso treffend ist, bedeutet es doch "Waschbrett".

Eine ganze Reihe von kurzen, aber ziemlich giftigen Stichen muss man hinauf klettern, nur um die mühsam gewonnen Meter in einem in der Regel mindestens genauso heftigen Gefälle dann gleich wieder zu verlieren. Das ändert sich auch nicht unbedingt, als man in der Nähe der Fahne mit der "13" erneut ein Sträßchen kreuzt und das in der Folge zwischen all dem Grün ringsherum gelegentlich einmal durchschimmernde Falunrot anzeigt, dass man sich inzwischen wieder bewohntem Gebiet genähert hat.

Auf dem nächsten Kilometer windet sich die Route durch den schmalen Streifen, der zwischen den Siedlungsrändern und einer kleinen Bucht verblieben ist, und schneidet anschließend jenen Landzipfel ab, von dem dieser - natürlich wieder mit etlichen Segelbooten gefüllte - Naturhafen geformt wird. Da das Gelände in diesem Bereich recht steil zum Wasser hin abfällt, läuft man zumeist direkt am Hang entlang. Dass die Ausschläge im Höhenprofil unter diesen Voraussetzungen sogar eher noch heftiger werden, ist durchaus nachzuvollziehen.

Die Halbinsel, die man dabei passiert, wird "Bosön" genannt, was geographisch nicht so ganz passen will. Schließlich lässt sich das mit "Bos Insel" übersetzen. Der Name ist ein deutliches Indiz dafür ist, dass sie noch in historischer Zeit von Lidingö und dem Hof "Bo gård", zu dem das Gebiet gehörte, durch Wasser abgetrennt war. Und tatsächlich entstand die inzwischen auf fast einen Kilometer Breite angewachsen Landbrücke vor nicht einmal tausend Jahren.

Bekannt ist Bosön hauptsächlich wegen seines Trainings- und Fortbildungszentrums, das von dem schwedischen Sportdachverband dort aufgebaut wurde. Deren schwedische Bezeichnungen "idrottsfolkhögskola" und "Riksidrottsförbundet" lassen eine Besonderheit der skandinavischen Sprachen erkennen, über die man fast unvermeidlich stolpert, wenn man sich für körperliche Aktivitäten im Norden Europas interessiert.

Denn während sich in nahezu allen europäischen Sprachen der Begriff "Sport" durchgesetzt hat, der vom "sich zerstreuen" bedeutenden lateinischen "disportare" abgeleitet wurde, oder wie im Spanischen "deporte" zumindest ähnliche Formen benutzt werden, begegnet man in Schweden, Norwegen und Dänemark diesbezüglich - in genau der gleichen Aufzählungsreihenfolge - eher den Worten "idrott", "idrett" und "idræt".

Ein letztes kleines Gefälle führt nach so vielen Passagen, die es unterwegs auf und ab ging, hinaus auf das Zielgelände von Grönsta gärde

Sie gehen keineswegs zufällig auf das Altnordische zurück. Schon lange bevor die britischen Gentlemen die Beschäftigung mit dem eigenen Körper als Freizeitvergnügen entdeckten, war in der rauen und dünn besiedelten skandinavischen Landschaft für die Menschen die Beherrschung heutzutage fast ausschließlich als Zeitvertreib betriebener Bewegungsformen wie Skilaufen, Segeln oder Rudern schließlich von hoher, häufig sogar von lebenswichtiger Bedeutung.

Dass in den skandinavischen Zeitungen einen mit "Sport" überschriebenen Teil gibt, ist dazu nicht unbedingt ein Widerspruch. Obwohl beide Bezeichnungen umgangssprachlich meist weitgehend synonym verwendet werden, gibt es bei genauerer Betrachtung feine Unterschiede. Um unter "sport" einsortiert zu werden, ist nämlich eindeutig ein Wettkampfcharakter nötig. Was hierzulande mit "Freizeitsport" bezeichnet wird, gilt in Schweden dagegen als "idrott". Streng genommen würde ein Läufer also eigentlich erst mit einer Startnummer auf den Bauch zum Sportler.

Aus dieser langen Tradition heraus, die nicht unbedingt das britische Vorbild brauchte, führen jedenfalls schwedische Vereine eher selten das "sport" im Namen sondern tragen zumeist eher die Bezeichnung "idrottsförening" oder "idrottsklubb". Ausrichter des Lidingöloppet ist zum Beispiel der "IFK Lidingö", dessen Abkürzung in ausgeschriebener Form "Idrottsföreningen Kamraterna" bedeutet. Er gehört zur gleichnamigen landesweiten Organisation der "Sportkameraden", die insgesamt fast zweihundert lokale IFK-Ableger umfasst.

Vermutlich genauso historisch bedingt ist, dass sich ausgerechnet viele Sportarten, bei denen man in der freien Natur unterwegs ist, im Norden Europas besonderer Popularität erfreuen. Und während anderswo die Sportartikelindustrie den englischen Begriff "outdoor" bemühen muss, um diese Aktivitäten zu umschreiben, haben die Skandinavier schon beinahe seit Menschengedenken ihr "friluftsliv". Von Generation zu Generation wird diese Begeisterung weiter gegeben. Schon im frühesten Kindesalter geht es bei Wind und Wetter nach draußen.

So ist es dann auch nicht unbedingt erstaunlich, dass jemand, der bereits das erste Mal auf Langlaufskiern stand, als er sich gerade alleine auf den Beinen halten konnte, irgendwann selbst beim Wasalauf oder bei seinen kaum kleineren norwegischen Gegenstück "Birkebeinerrennet" an die Startlinie treten will. Sowohl die ständig neuen Rekordzeiten, in denen diese Rennen ausgebucht sind, als auch die weiterhin anwachsenden Teilnehmerzahlen der übrigen "schwedischen Klassiker" sprechen auf jeden Fall eine ziemlich deutliche Sprache.

Nachdem man beim Abschneiden des Bosön-Landstreifens zwischenzeitlich fast auf Meereshöhe hinunter gefallen war, führt der Waldweg hinter der Überquerung der Zufahrtsstraße zur Halbinsel gleich wieder zwanzig Meter nach oben. Oben angekommen zieht er sich zudem schnell näher an die ein ganzes Stück unterhalb davon verlaufende Uferlinie heran. Immer weniger Bäume können deswegen am weiterhin recht schroffen Hang die Sicht auf die nächste Bucht verstellen, die man auf der Schleife um Lidingö passiert.

Spätestens nachdem sie die Wälder Lidingös endgültig hinter sich gelassen haben, bewegen sich die Läufer durch ein dichtes Zuschauerspalier

Als er auf eine der für Schäreninseln - der im Deutschen so normal klingende Begriff ist aus schwedischer Sicht natürlich ziemlich unsinnig - typischen Felsnasen hinaus tritt, lässt der Pfad den Wald sogar vollständig hinter sich und bietet dadurch einen absolut unverstellten Blick auf "Grönstviken". Dass auch in diese Bucht wieder etliche Anlegestege hinausragen, in denen eine Vielzahl von Segelbooten festgezurrt ist, verwundert wenig.

Denn wohl nirgendwo sonst in Europa ist die Dichte diesbezüglich höher als in Skandinavien mit seinen bis an die Grenzen der kartografischen Darstellbarkeit ausgefransten Küstenverläufen. Alleine in Schweden werden schließlich je nach Definition bis zu einhunderttausend Inseln und Inselchen gezählt. Und die Zahl der Seen ist nicht wirklich kleiner. Statistisch kommt in Land der "tre kronor" jedenfalls ein Freizeitboot auf weniger als zehn Einwohner. Nur im segelverrückten Neuseeland kann man diesen Wert noch übertreffen.

Nur wenige Schritte später stößt der Kurs erneut auf Asphalt. Und diesmal folgen die Läufer diesem auch ein ganzes Stück. Es geht schließlich gar nicht anders. Denn der Weg hat geendet und ist in ein Sträßchen eingemündet, das diesmal direkt in ein Wohngebiet hinein und nicht wie in den meisten anderen Fällen um dieses herum führt. Selbst wenn die Bebauung nicht allzu dicht und das Umfeld weiterhin ziemlich grün ist, handelt es sich bei dem folgenden halben Kilometer um den fast schon urbansten Abschnitt des gesamten Rennens.

Offiziell trägt dieser Stadtteil nach dem alten Hof, auf dessen Gelände er steht, zwar den Namen "Bo". Doch wird er von seinen Bewohnern umgangssprachlich meist eher "Askrike" genannt. Diese Bezeichnung ist vom unterhalb liegenden "Askrike hamn" übernommen, der sich seinerseits auf den "Askrikefjärden" bezieht, der Lidingö in Norden begrenzt. Dieser lässt sich noch immer gut erkennen. Denn die Straße zieht sich wie zuvor der Weg hoch oben an der steil zum Meer abfallenden Böschung entlang.

Ein recht heftiges Gefälle inklusive einiger Haken durch mehrere schmale Seitensträßchen sorgt dafür, dass man nur wenige hundert Meter später auch praktisch direkt am Hafenbecken landet, wo sich die Strecke wieder nach Westen in den Wald hinein orientiert. Doch diesmal bleibt der Besuch so kurz, dass ihn ein richtig guter Sprinter in weniger als einer Viertelminute hinter sich gebracht hätte. Denn kaum ist man zwischen Bäumen und Büschen verschwunden, verlässt man sie auch schon wieder und läuft erneut ins Freie hinaus.

Hinter den Absperrungen im Zielbereich ist kaum ein freies Plätzchen zu finden

Selbst wenn schon auf dem Weg durch Askrike so manche Anwohner zum Anfeuern der Sportler vor ihren Häuschen gestanden hatten, ist der Menschenauflauf, der auf der anderen Seite des kleinen Wäldchens nach ziemlich genau zwei Dritteln der Distanz wartet, von einer ganz anderen Dimension. Doch dafür gibt es einen ziemlich guten Grund. Die vielen Aufbauten und die großen Zelte auf der Wiese, an die der Kurs stößt, machen nämlich schnell klar, dass eigentlich das Zielgelände von Grönsta gärde schon bei Kilometer zwanzig erreicht wäre.

Allerdings steht für die Läufer des Dreißigers eben noch eine große Schleife um den Nordwesten der Insel an. Die Teilnehmer der Halbdistanz am Samstagmorgen hatten zuvor nach dem Passieren dieses Punktes ebenfalls einen - mit nur rund vier Kilometern jedoch weitaus kürzer ausfallenden - Schlenker absolvieren müssen, um das Ziel wie bei alle anderen Wettbewerben vom gegenüber liegenden Ende der Wiesen aus anzulaufen.

Die Abschlussrunde entspricht genau jener Strecke, die am nächsten Tag auch von den Frauen beim "tjejlopp" unter die Füße genommen wird. Dieses Rennen, bei dem immerhin auch etwa viereinhalbtausend Läuferinnen ins Ziel kommen, wird von Ayantu Abera aus "Etiopien" - obwohl im Schwedischen ebenfalls der Buchstabe "Ä" zur Verfügung stehen würde, bleiben sie für die Länderbezeichnung im Gegensatz zu den Deutschen beim international üblichen "E" - mit 35:19 recht deutlich vor der 35:58 benötigenden Russin Margarita Plaksina gewonnen werden.

Diese stammt aus St. Petersburg, das neben den nordischen Metropolen Oslo, Kopenhagen, Helsinki und Reykjavik sowie den baltischen Nachbarn Tallinn und Riga ebenfalls zu den Partnerstädten Stockholms gehört. Sie ist mit einer rund zwanzigköpfigen Gruppe des Vereins "Kirovets St. Petersburg" angereist, der schon seit etlichen Jahren mit seinen Sportlern zum Lidingölauf über die Ostsee herüber kommt. Alleine beim "tjejlopp" gehen drei der ersten zehn Plätze in die Millionenstadt an der Newamündung.

Obwohl sich auch eine ganze Reihe Männer unter der russischen Abordnung finden, beschränken sich übrigens alle auf die Distanz von zehn Kilometern. Bevor am Koltorp Gärde der allererste Schuss für die beiden längsten Läufe gefallen ist, sind schließlich am Samstag ab neun Uhr auch die in der Altersskala ganz oben und ganz unten zu findenden Sportler bei Grönsta gärde ins Rennen gegangen, um ihre kleineren Schleifen im Nordwesten der Insel zu absolvieren.

Während es dreizehn "män" und eine "kvinna" - im Gegensatz zu "tjej" kann man diesen Begriff durchaus auch für Frauen in gesetzterem Alter nutzen - jenseits der Achtzig bei der vier Kilometer langen Schlussrunde des Fünfzehners belassen, von der Gunnar Nilsson in beachtlichen 21:20 als Erster zurück kommt, absolvieren die anderen Klassen in mehreren Starts die Zehnerrunde. Deren Benennung ist dabei durchaus ein wenig verwirrend. Denn sowohl "M60" und "M70" als auch "K50", "K60" und "K70" beziehen sich tatsächlich auf die Altersgruppe.

Wer in den digitalen Ergebnislisten allerdings "M30" oder "K30" auswählt, landet bei den nur nach Männern und Frauen getrennten Daten des Dreißigers. In diesem Fall bezeichnet die Zahl also die Distanz. Am komplexesten geht es allerdings über fünfzehn Kilometer zu. Denn neben den noch nicht ganz so alten Senioren der "Män 50" und den Junioren der "Män 22" - die Juniorinnen laufen dagegen zusammen mit den Jugendlichen nur zehn Kilometer - ist die dritte Kategorie dort die "MK15", in der alle übrigen Männer und Frauen gemeinsam gewertet werden.

Jedenfalls wird beim Frauenlauf, der - um für alle denen das Durcheinander von Alter und Distanz in der Namensgebung noch nicht genug war - seinerseits als "LT10" abgekürzt wird, hinter Margarita Plaksina eine noch größere Lücke klaffen. Denn Cecilia Kleist wird als Dritte erst nach 38:16 im Ziel sein. Diese Zeiten geben übrigens ein ganz gutes Maß für den Schwierigkeitsgrad der noch ausstehenden Runde. Denn die Schwedin Kleist kann eigentlich rund drei Minuten schneller laufen. Und die Russin hat sogar schon mehrere Marathons unter 2:30 zu Buche stehen.

Wie die ersten führen auch die letzten Meter des Rennens über das Gras einer Wiese

Während man also auf der in Laufrichtung linken Seite des Weges einen ersten Blick hinüber zur umfangreichen Ziellogistik von Grönsta gärde werfen kann, steht auf einem kleinen Hügel rechts der dazu gehörende "Grönsta prästgård" mit seinen in diesem Fall meist nicht falunroten sondern pastellgelben Gebäuden. Den ungewöhnlichen Zusatz "präst" - übersetzt "Priester" - trägt der Hof, weil er jahrhundertelang als Gemeindehaus der "Lidingö församling", der Kirchengemeinde von Lidingö und gleichzeitig auch als Wohnsitz für ihren Pastor diente.

Beinahe den kompletten Zaunes des einstigen Pfarrhofes entlang zieht sich Verpflegungsposten Nummer vier. Zwar hatte man kurz zuvor schon einmal zugreifen können. Doch wirklich zählen konnte man dies noch nicht. Schließlich waren oben in Askrike einzig und allein Gel-Beutel verteilt worden. Jetzt kann man die verbliebenen Reste ihres klebrigen Inhalts immerhin noch einmal richtig mit Flüssigkeit hinunter spülen. Doch selbst wer auf den wenig natürlichen Energieschub aus dem Plastikpäckchen verzichtet hatte, sollte an der "vätskekontroll" unbedingt zugreifen.

Das Auffüllen der Reserven ist keineswegs nur wegen der noch ausstehenden "mil" wichtig. Fast augenblicklich hinter dem früheren "prästgård" geht es nämlich auch in eine Rampe hinein, wie sie trotz des beinahe stetigen Auf und Ab der Route während der ersten beiden Drittel der Distanz bisher nicht zu bewältigen war. Mit fast durchgängig zweistelligen Steigungsprozenten wartet "Grönstabacken" auf. Und wenn die Sportler oben angekommen sind, haben sie auf wenigen hundert Metern Wegstrecke rund vierzig Höhenmeter überwunden.

Große Hilfe kommt dabei allerdings vom Publikum am Streckenrand. Denn Angehörige und Freunde haben sich selbstverständlich meist genau diese Stelle zum Aufmuntern "ihrer" Läufer ausgesucht. So treibt ein dichtes, kaum irgendwo einmal unterbrochenes Spalier das Feld den steilen Hang hinauf. Und ein wenig kann man sich in diesem Moment vorstellen, wie sich ein Radprofi fühlen muss, der sich bei der Tour de France zwischen unzähligen Fans nach Alpe d'Huez hinauf quält.

Für die Zuschauer dürften sich beim Blick in die Gesichter mancher Sportler ebenfalls ziemlich vergleichbare Eindrücke ergeben. Daniel Muindi zeigt zum Beispiel inzwischen Züge, die man nur mit "alles andere als locker" bezeichnen kann. Denn während der noch immer an der Spitze liegende Äthiopier Chane die Schritte des etwa zehn Sekunden hinter ihm laufenden Lewis Korir weiterhin in seinem Rücken hört, wird die Lücke zum deutlich einbrechenden zweiten Kenianer zunehmend größer. Einige Kilometer später wird dieser auch aufgeben.

Die Abstände zwischen den beiden ersten Frauen sind zwar etwas deutlicher. Denn die Führende Annelie Johansson hat bis Grönsta gärde bereits fast eine Minute auf Isabellah Andersson heraus gelaufen. Allerdings sind Emma Nordling und Frida Lundén noch innerhalb einer weiteren halben Minute vorbei, womit es im Damenrennen insgesamt sogar ein wenig enger zugeht als bei den Herren. Der zu diesem Zeitpunkt viertplatzierte Äthiopier Gemechu Edeo Kelu passiert Kilometern zwanzig nämlich bereits beinahe zwei Minuten nach seinem Landsmann.

Hinter mehreren weiteren Äthiopiern und Kenianern, von denen einige allerdings in Skandinavien ansässig sind und für schwedische oder norwegische Vereine starten, hat sich der für IFK Lidingö startende Lokalmatador Mårten Boström auf Platz zehn vorgearbeitet. Trotz seines ziemlich schwedisch klingenden Namens kommt er eigentlich aus Finnland, das jahrhundertelang zum "Konungariket Sverige" gehörte und aus diesem Grund gerade entlang der Küste noch einige mehrheitlich Schwedisch sprechende Regionen besitzt.

Selbst wenn er über die Marathondistanz schon unter 2:19 laufen konnte, ist Boström von Hause aus Orientierungsläufer und gehört in dieser im Norden Europas ziemlich beliebten Sportart zur erweiterten Weltelite. Ein wenig überraschend konnte sich der ansonsten bei Weltmeisterschaften meist eher auf zweistelligen Plätzen landende Finne im heimischen Vuokatti 2013 sogar die Goldmedaille auf der Kurzstrecke sichern.

Wie eine ganze Reihe anderer internationaler Spitzenkräfte aus etwa einem halben Dutzend verschiedener Länder hat er sich der extrem starken Trainingsgruppe aus Lidingö angeschlossen. Wie als Beleg dafür ist der zweitschnellste Läufer von der Insel hinter dem in 1:42:34 am Ende sogar Sechster werdenden Boström der aus Italien stammende Giancarlo Simion auf Position vierzehn. Und dass es sich ein ganzes Stück weiter zurück beim Drittschnellsten aus der Riege der lokalen Orientierer dann um den Australier Evan Barr handelt, rundet das Bild endgültig ab.

Nachdem die doppelte Klippe von Grösta - neben dem ruppigen Anstieg gilt es ja auch noch den psychologisch nicht unbedingt einfachen Durchlauf im Zielbereich zu verkraften - überwunden ist, beruhigt sich das Profil schnell wieder. Nur einen Kilometer hinter dem großen Verpflegungspunkt am alten Pfarrhaus werden von einem der vielen Sponsoren zudem gleich wieder Wasserbecher verteilt, die trotz der Nähe zum letzten Posten nach der anstrengenden Steigung einen ziemlich guten Absatz finden.

Einen ebenen Verlauf sollte man aus dieser Formulierung "ruhiges Profil" allerdings auf keinen Fall heraus lesen. Vielmehr befindet man sich erneut auf einem schmalen Pfad, der wie üblich mit vielen kleine Wellen und Schlenkern durch den nordischen "skog" führt. Und zwischen den Markierungen mit der "9" und der "8" wird man über die Hälfte der gerade erst gewonnenen Höhenmeter in einem längeren Gefälle gleich wieder los, nur um sie anschließend erneut erklimmen zu müssen.

Wieder oben angekommen trennen sich zum dritten und letzten Mal die Wege der Läufe über fünfzehn und dreißig Kilometer. Linksherum ginge auf der kurzen Strecke, die am Morgen Mikael Ekvall in 46:57 als Erster und - wenn auch ohne besondere Ehrung - Therese Olin in 58:47 als schnellste Frau bewältigt hatten, noch etwas mehr als eineinhalb Kilometer zurück zum Ziel. Wer für die Langdistanz gemeldet ist, darf dagegen hinter der nächsten "vägsluss" noch ein ganzes Stück geradeaus laufen.

Einen weiteren Kilometer absolviert man im Anschluss durch die Hügel des Hinterlandes. Doch dieser fällt nun wieder zumeist ab und orientiert sich längere Zeit an einem kleinen Bachlauf, von dem man zwischendurch auch einmal durch ein Holzgeländer getrennt wird. Dann stößt die Route bei einer Häusergruppe namens "Kyttinge", die man mit einem kurzen Asphalt-Intermezzo durchläuft und die schon bei dieser Stippvisite jenen gehobenen Eindruck vermittelt, den man ihr nicht nur auf Lidingö nachsagt, erneut aufs Meer.

Von diesem werden sich die Läufer nun erst einmal nicht mehr allzu weit entfernen. Eigentlich bewegen sie sich bis kurz vor den nächsten, diesmal bereits nach weniger als vier Kilometern folgenden offiziellen Verpflegungsstand - es ist jener mit der schon erwähnten Blaubeersuppe - sogar praktisch nie mehr als ein Dutzend Meter vom immer im Blickfeld befindlichen Wasser weg. Und durch die in diesem Bereich nur mäßige Neigung des Hanges bleiben auch die auf dem Uferpfad zu bewältigenden Höhenunterschiede ziemlich moderat.

Der Versorgungsposten ist an der Einfahrt eines größeren Parkplatzes aufgebaut, der - wie sollte es auf einer Insel im Stockholmer Schärengarten auch anders sein - wieder einmal zu einem Sportboothafen gehört. "Sticklinge Udde Båtklubb" heißt der Verein, dessen halbes Dutzend durch die vorgelagerten Eilande Fogoholmen, Bergholmen und Strömsö - von der Größe allerdings auch eher in die Kategorie "Holmen" gehörend - gut geschützten Anlegestege man in der Folge passiert.

Seinen Namen hat der Klub durch jene kleine, flache Halbinsel bekommen, auf der sich die Auto- und Anhängerabstellfläche ausdehnt. Den Wettbewerb um den nördlichsten Punkt von Lidingö verliert sie knapp gegen einen Zipfel im Villengebiet von Kyttinge. Doch selbst wenn man sie während des Laufes nicht umrundet sondern die kürzere Innenlinie wählt, stößt Lidingöloppet nirgendwo sonst weiter nach Norden vor.

Ähnlich wie bei den Bezeichnungen der verschiedenen Inselformen gibt es für den Begriff "udde" keine wirkliche Übersetzung ins Deutsche. Damit gemeint ist meist nämlich wirklich ein kleiner Landvorsprung, für den das Wort "halvö" zu viel des Guten wäre. Gemeint sein kann jedoch auch ein echtes Kap. So wird das Kap der Guten Hoffnung im Schwedischen "Godahoppsudden" genannt. Durchgängig ist die aber keineswegs. Die echte Südspitze Afrikas hundertfünfzig Kilometer weiter im Osten kennt man nämlich auch in Schweden als "Kap Agulhas".

Durch den selten mehr als hundert Meter breiten Waldstreifen, der den höher gelegenen Stadtteil Sticklinge im Norden und Westen von der Küstenlinie trennt, zieht die Strecke am Hafen entlang, bevor sie mit einem Schwenk nach Süden die nächste "udde" abschneidet. Doch da "Taheiti" - tatsächlich benannt nach der Südseeinsel Tahiti, die ein später auf Lidingö ansässiger Botaniker im neunzehnten Jahrhundert zu Forschungszwecken besucht hatte - eher felsig und schroff daher kommt, ist dazu wieder eine kurze, aber recht steile Rampe zu überwinden.

Gleich anschließend senkt sich der Weg wieder zu nächsten kleinen Bucht hinunter, in der nur eine Handvoll Häuser, aber dennoch erstaunlich viel Publikum auf die Sportler warten. Am überraschendsten ist nach den Beobachtungen zuvor allerdings wohl, dass es in ihr nur einen einzigen und zudem fast schon winzig ausgefallenen Anleger gibt, der vermutlich den Booten der wenigen Anlieger vorbehalten ist.

Der breite Zieleinlauf steht in einem gewissen Kontrast zu den vielen schmalen Waldwegen, die den größten Teil des Rennens prägen

Schnell verschwindet der Pfad ein weiteres Mal im Wald. Doch hält er sich dabei noch viel stärker als zuvor an der Küstenlinie der Insel und bleibt in der Folge beständig nur wenige Meter vom Wasser weg. Zwischen den Bäumen scheinen die Häuser der Stockholmer Wohnvororte auf dem gegenüber liegenden Festland zum Greifen nahe. Denn gleich mehrfach verengt sich der Durchlass auf nur wenigen hundert Metern. Bei Fortsetzung der Landhebung dürfte Lidingö in - zumindest geologisch gesehen - nicht allzu ferner Zeit also irgendwann am Kontinent andocken.

Doch nur kurz ist die Erholung auf dem flachen Uferweg am schmalen Fahrwasser. Fast könnte man sogar glauben, die Zuschauer hätten sich bei "Rödstugeviken" - so der auf Deutsch "Bucht der roten Hütte" bedeutende Name der Bucht - eingefunden, um die Läufer noch einmal wenigstens einigermaßen frisch zu erleben. Denn obwohl diese sich bereits der Fünfundzwanzig-Kilometer-Marke nähern, steht ihnen erst jetzt das härteste Stück Arbeit bevor.

Als "Abborrbacken" ist dieser Anstieg berühmt-berüchtigt. Er vereint gleich zwei Superlative in sich. Zum einen führt er nämlich hinauf zum höchsten Punkt der gesamten Strecke. Und da die Steigung andererseits praktisch auf Meereshöhe beginnt, gehören nicht allzu viele Rechenkünste dazu, um heraus zu bekommen, dass die Teilnehmer während des Rennens nirgendwo länger an einem Stück den Berg hinauf klettern müssen.

Bevor die Rampe erreicht wird, muss man erst noch einmal zwischen hämmernden Boxen hindurch: Ein weiterer der Sponsoren hat mit einem Gerüst über den Weg fast eine Art mobile Diskothek errichtet. Aber der letzte Stahlbogen ist noch nicht richtig durchlaufen, da schwenkt der Kurs scharf nach links und dreht damit praktisch genau in der Falllinie des Hanges hinein. Man läuft regelrecht gegen eine Wand. Über die Zweistelligkeit der Steigungsprozente braucht in diesem Moment wahrlich nicht zu diskutiert zu werden.

Zwar flacht es im weiteren Verlauf des Anstieges etwas ab und zwischendurch wird es kurzzeitig sogar auch einmal nahezu völlig eben. Doch selbst viele Läufer aus der ersten Startgruppe schalten ihren Bewegungsmodus in einigen anderen Teilen auf "Gehen" herunter. Dass man vom Einstieg an der Rothüttenbucht bis zum Erreichen jener achtundvierzig Meter über Normalnull, die den obersten Ausschlag im Profil markieren, nur ungefähr einen halben Kilometer Strecke zurücklegt, sagt sicher genug über den Schwierigkeitsgrad aus.

Noch kürzer ist allerdings der Abstand zur nächsten Beschallung. Als man etwa in der Mitte der Steigung einmal für hundert Meter auf ein asphaltiertes Forststräßchen einschwenkt, um es auf diese Art diagonal zu kreuzen, verkünden nämlich einige weitere der inzwischen gut bekannten Schilder an, dass man aus den Lautsprechern am Rand gerade wieder einmal Musik aus der "Nu-tiden" hört. Häufig wird diese jedoch durch einen Streckensprecher übertönt, der den Läufern von einer erhöhten Position auf einem Gerüstturm mitteilt, es wäre nun bald geschafft.

Damit meint er sowohl die Gesamtdistanz als auch die Abborrbacken-Rampe. Die letzten knapp zweihundert Meter hinauf führen erneut über einen schmalen Pfad, auf dem an einigen Stellen der darunterliegende Fels durchkommt. Die Steinplatten zeigen anschaulich, wie dünn die Erdschicht im noch gar nicht so lange vom Eis gefreiten Schärengarten häufig noch ist. Auch deswegen hat die Strecke überhaupt ins Landesinnere abgedreht. Hinter "Rödstugeviken" besteht die Westküste Lidingös nämlich erst einmal hauptsächlich aus blanken, steil abfallenden Granithöckern.

Und die Läufer werden auch nicht mehr ans Wasser zurückkehren. Denn der Kurs setzt seine Umrundung des Stadtteiles Sticklinge nun in östlicher Richtung weiter fort. Im Bereich des Scheitelpunktes - wie schon der Beginn des Anstieges ist auch "högsta punkten" mit einer dauerhaft angebrachten Holztafel markiert - kommt man der Bebauung dabei sogar recht nahe. Nur wenige Baumreihen sind es bis zu einem Drahtzaun auf der linken Seite. Und dahinter ist ein unverwechselbares Dunkelrot zu erkennen.

Aber dann senkt sich der Weg in eine etwas andere Richtung und verlässt wenig später für kurze Zeit den Wald, um auf eine Wiese hinaus zu treten. Einige der ungefähr zwanzig in diesem Gefälle verlorenen Höhenmeter müssen allerdings gleich wieder zurück gewonnen werden, als man auf der anderen Seite der Lichtung wieder in den schwedischen "skog" hinein läuft, wo erst einmal weitere eineinhalb eher sanft gewellte Kilometer anstehen.

Man nähert sich schon der Fahne mit der "3", als der Weg in ein - auch dank einer inzwischen doch recht müden Muskultur - ziemlich deutlich spürbares Gefälle übergeht. Die Höhenlage des Punktes, an dem der je nach Verfassung schwungvolle oder mühsame Abstieg endet, lässt sich dann schon wieder mit einer einzigen Ziffer angeben. Und genau dort können die Läufer dann auch zum letzten Mal Getränke fassen.

Anschließend dürfen sie sich erst einmal an einem durch diese Senke dem Meer entgegen strebenden Bächlein orientieren. Durch das immer engere Zusammenrücken der beiden Hänge an den Seiten bekommt die Strecke dabei zwischenzeitlich fast den Charakter eines Hohlweges. Einige Meter über den Köpfen der Sportler taucht sogar eine kleine Straßenbrücke auf, die den Geländeeinschnitt überspannt.

Mehr als fünfundzwanzigtausend Medaillen geben die Helfer im Ziel alleine im Verlauf des Samstages an die Teilnehmer der verschiedenen Rennen aus

Der Verlauf der Route erinnert in diesem Moment doch stark an eine zurückgebaute Bahnstrecke. Doch obwohl es tatsächlich mit "Norra Lidingöbanan" früher eine inzwischen stillgelegte Linie gab, die vom Festland über die Brücke hinweg bis Kyrkviken führte, ist das diesmal ein Trugschluss. Deren durch Straßen und Wohnbebauung meist nur noch schwer nachvollziehbare Trasse verlief nämlich einige hundert Meter weiter südlich.

In der Anfangszeit von Lidingöloppet hätten die damals noch deutlich weniger zahlreichen Läufer die "Nördliche Lidingöbahn" sogar für die Anreise zum Rennen nutzen können. Schließlich fuhren die irgendwo in der Mitte zwischen Eisen- und Straßenbahn einzuordnenden Züge noch bis Anfang der Siebzigerjahre. Und ihre Wendeschleife befand sich einst sogar ganz in der Nähe des heutigen Wettkampzentrums Lidingövallen.

Angesichts der Namensgebung "Norra Lidingöbanan" ist es nicht unbedingt erstaunlich, dass auch "Södra Lidingödanan" existiert. Diese Strecke ist jedoch keineswegs stillgelegt sondern wird zur Zeit sogar weiter ausgebaut. Sie beginnt am U-Bahnhof Ropsten, von wo sie über die ältere und niedrigere der beiden Brücken hinüber nach Lidingö führt. Dort verläuft sie parallel zur Südküste, entfernt sich dabei nirgendwo weiter als einen Kilometer vom Wasser und endet erst auf der anderen Seite der Insel direkt am Meer.

Doch nicht nur weil sie einzig und allein bei Brevik der Laufstrecke einmal etwas näher kommt und ansonsten einen großen Bogen um Lidingöloppet macht hat, bringt Lidingöbanan - das eigentlich überflüssige "södra" lässt man inzwischen meist weg - für der Transport der Läufermassen beim Jubiläum des schwedischen Klassikers keinerlei Entlastung. Denn sie ist aufgrund der umfangreichen Modernisierungsarbeiten, bei denen zum Beispiel auf mehreren Abschnitten ein zweites Gleis verlegt wird, schon seit mehr als zwölf Monaten nicht mehr in Betrieb.

Langfristig sollen die Züge nämlich nicht mehr nur über "Gamla Lidingöbron" - der sprachgeschichtliche Bezug zwischen dem skandinavischen "gammel" im Brückennamen und dem deutschen "alt" lässt sich eigentlich ganz leicht herstellen, wenn man "vergammeln" als "alt werden" versteht - ans Festland sondern wie in den ersten fünf Jahrzehnten des Bestehens der Bahnlinie auch wieder bis ins Stockholmer Zentrum fahren.

Nachdem man in den Sechzigern wie vielerorts auf der Welt die Straßenbahnen langsam, aber sicher aus der Stadt verbannt hatte, um diese autogerechter zu machen, geht man in der schwedischen Metropole längst wieder den umgekehrten Weg. Eine Linie ist inzwischen voll im Betrieb. Und mit dem Projekt "Spårväg City" - mit dem wörtlich als "Spurstraße" zu übersetzenden "spårväg" bezeichnet man in Schweden eine "Straßenbahn" - plant man gleich mehrere weitere zum Teil neue, zum Teil auch nur wiederherzustellende Streckenäste.

Die "Pseudobahntrasse", auf der man sich - wie einige im Hintergrund zu entdeckende Häuser und von dort an die Strecke gekommen Zuschauer belegen - wieder einmal ein wenig zwischen der Bebauung hindurch mogeln konnte, endet an einer größeren Straße, der man auf dem benachbarten Fuß- und Radweg ein Stückchen folgen muss. Gleichzeitig ist die Laufroute auch aus den Bäumen hinaus ins Freie getreten. Auf der anderen Seite der zweispurigen Piste glänzt ein perfekt gepflegtes Grün, das unverkennbar zum zweiten Golfplatz der Insel gehört.

Noch etwas weiter hinten ist ein halbes Dutzend zehnstöckiger Wohnblocks zu erkennen. Und obwohl sich dazwischen noch ein Wäldchen erstreckt, das die Sicht auf die Betonklötze zumindest ein wenig verstellt, wird man durch diesen Anblick irgendwie doch aus der ländlichen Idylle von Bullerby und Lönneberga, in der man sich die meiste Zeit des Rennens gewähnt hatte, heraus gerissen. Die natürlich stets vorhandene, aber verdrängte Nähe der Großstadt ist nun selbst bei größter Anstrengung einfach nicht zu übersehen.

Als man die mit Flatterband fein säuberlich von der Laufroute getrennte Straße nach etwa hundert Metern an einem Zebrastreifen und der dortigen letzten "vägsluss" kreuzen darf, scheinen die Sportler sogar direkt auf sie zuzusteuern. Doch statt dem geradeaus führenden Weg zu folgen, schlägt der Kurs gleich nach der Überquerung dann doch einen scharfen Haken nach links, wodurch sich im "bansträckning" - der schwedischen Variante einer "Streckenführung" - ein ziemlich spitzes "V" ergibt.

Neben der äußersten Spielbahn des Golfplatzes geht es ein letztes Mal dem Wald entgegen. Denn für die letzten beiden Kilometer wird man diesen nun nicht mehr verlassen. Und fast exakt im gleichen Augenblick, in dem sie die ersten Bäume erreichen, taucht vor den Sportlern auch die neben Grönstabacken und Abborrbacken dritte große und deswegen genauso bekannte wie gefürchtete Steigung der abschließenden Schleife auf.

Die neben der vorletzten Kilometermarke am Wegesrand stehende Holztafel bestätigt, dass es sich tatsächlich beim am Waldrand beginnenden Anstieg tatsächlich um "Karins backe" handelt. Irgendwann wurde dieser so getauft, weil er nach seinen ungefähr dreißig in unterschiedlichsten Steilheitsgraden zu überwindenden Höhenmetern unweit einer mitten im Wald gelegenen und von zahlreichen Legenden umgebenen Moorfläche namens "Karins mosse" endet.

Weit verstreut, aber fein säuberlich sortiert sind unzählige vom Start herüber gebrachte Kleidersäcke über die Grasfläche verteilt

Selbst wenn die lange Rampe von Abborrbacken im Vorderfeld noch einmal Positionswechsel auslösen und die Reihenfolge gehörig durcheinander wirbeln kann, ist eigentlich meist erst "Karins backe" der Punkt, an der endgültig über den Ausgang des Rennens entschieden wird. Ein gewisses Maß an Streckenkenntnis ist in Lidingö deshalb keineswegs ein Nachteil, wie sich auch bei der Jubiläumsauflage in fast beispielhafter Form beobachten lässt.

Denn beinahe vom Start weg hatte Abere Chane volle achtundzwanzig Kilometer das Tempo an der Spitze bestimmt und bis zu dieser Stelle die meiste Zeit auch alleine in Führung gelegen. Aber während dem Äthiopier vor dem letzten steilen Stich doch langsam die Beine ein wenig schwerer werden, setzt der stets in Sichtweite gebliebene Lewis Korir mit all seiner Erfahrung ausgerechnet bei "Karins backe" zur Attacke an.

Nur wenige Sekunden scheinen zu vergehen, bis er an seinen Konkurrenten heran gesaugt hat. Anschließend zieht auch gleich an diesem vorbei und fliegt mit viel Schwung weiter den Hang hinauf dem Ziel entgegen. Chane, dem in diesem Augenblick wohl klar wird, dass aus dem scheinbar bereits zum Greifen nahen Sieg nichts werden dürfte, bleibt nach dem Überholvorgang regelrecht stehen. Innerhalb von zwei Kilometern verliert er noch fast eine Minute auf den nun vierfachen Triumphator.

Mit dem Siegerkranz über dem Arm - wie in Schweden üblich wird dieser von der sogenannten "kranskulla", einer in regionaler Tracht gekleideten jungen Frau schon vor dem Ziel bereit gehalten - läuft der nun seit 2011 auf Lidingö ungeschlagene Korir in 1:37:13 über die Linie. Der sichtlich enttäuschte Äthiopier folgt ihm in 1:38:04 trotzt seines - vielleicht sogar eher mental als physisch bedingten - Einbruches auf dem auch hinter "Karins backe" weiterhin keineswegs ebenen Schlussabschnitt als völlig ungefährdeter Zweiter.

Bis der ebenfalls aus Kenia stammende Ezekiel Cherop über das letzte Gefälle aus dem Wald heraus auf die Wiese kommt und nach 1:40:27 das Zielzelt erreicht, ist die Uhr über dem Einlauf schließlich mehr als zwei Minuten weiter getickt. Auch Japhet Kipkorir ist Kenianer. Aber er startet für den schwedischen Klub Hälle IF. Und so ist der enge Kampf um den vierten Platz, den er mit 1:41:49 für sich entscheidet, dann gleich ein doppeltes Nachbarschaftsduell. Denn der zeitgleiche Äthiopier Tesama Dadafo Dhaqabi läuft im roten Trikot des SK Vidar aus Oslo.

Durch den die gut dreißig Kilometer in 1:43:11 bewältigenden Eirik Gramstad auf Rang acht sind die Norweger, deren Verein zu den bekanntesten und erfolgreichsten Leichtathletikadressen des Landes gehört und zudem sowohl beim Oslo Marathon als auch beim internationalen Sportfest im legendären Bislett-Stadion an der Organisation beteiligt ist, noch mit einem zweiten Mann weit vorne im großen Feld vertreten.

Vier Plätze hinter dem finnischen Lokalmatadoren Mårten Boström wird John Börjesson von Ullevi FK dann nach 1:44:46 als Zehnter schnellster "richtiger" Schwede. Wie dicht im Anschluss die Zieleinläufe aufeinander folgen, lässt sich daran ablesen, dass der nach acht Siegen beim Swiss Alpine Marathon von Davos im deutschsprachigen Raum zur Zeit vielleicht bekannteste schwedische Läufer Jonas Buud mit einer 1:51:58 nur auf Platz achtundzwanzig landet.

Ganz anders stellt sich wie schon erwähnt das Bild bei den Frauen dar - und das nicht nur weil die Schwedinnen das Rennen unter sich ausmachen. Vielmehr kommt die Dauerführende Annelie Johansson tatsächlich auch als Erste im Ziel an und ist am Ende mit 1:57:28 fast exakt eine Minute schneller als die mit 1:58:29 gestoppte Isabellah Andersson, die ihrerseits Emma Nordling zwar nie wirklich abschütteln, aber am Ende eben doch auf siebzehn Sekunden Abstand halten kann.

Frida Lundén als Vierte, die bei der ersten Passage von Grönsta Gärde ebenfalls noch enge Tuchfühlung zu den Podestplätzen hatte, bekommt auf dem letzten Drittel der Distanz dagegen einen ordentlichen Rückstand aufgebrummt. Obwohl sie seit einigen Jahren beständig in der schwedischen Spitze läuft, bleibt Lundén damit einmal mehr der große Erfolg versagt. Über ein halbes Dutzend Vizemeisterschaften hat sie im Langstreckenbereich nämlich schon gesammelt - vier davon alleine im Jahr 2013. Einen nationalen Titel hat sie bisher aber noch nie gewonnen.

Doch mit ihrer 2:02:32 muss sich die Läuferin des ursprünglich als Hochschulsportgruppe gegründeten Vereins FK Studenterna nicht unbedingt nach hinten umdrehen. Erst nach 2:04:49 und 2:05:26 folgen Johanna Bäcklund und Sara Holmgren auf den nächsten Rängen. Diese beiden "tjejer" liefern übrigens im Vorderfeld auch den einzigen Positionswechsel auf den letzten Kilometern. Denn die Abborrbacken-Rampe war Holmgren noch eine Viertelminute vor Bäcklund angegangen.

Nicht nur Annelie Johansson und Lewis Korir bekommen vor dem Ziel einen Kranz umgehängt. Im Verlaufe des Tages muss die als Kranskulla auserkorene Hanna Adriansson - eine Sprinterin aus der Leichtathletikabteilung des IFK Lidingö, die genau wie die im Marathon startenden Annelie Johansson und Frida Lundén zur schwedischen Auswahl für die Europameisterschaften in Zürich gehört hatte - noch vier weitere Male in Aktion treten.

Denn vier Teilnehmer absolvieren den Dreißiger zum fünfzigsten Mal in ununterbrochener Folge. Und selbstverständlich wird auch jeder von ihnen für diese wahrlich beachtliche Ausdauerleistung über eine so lange Zeitspanne entsprechend empfangen. Eigentlich ist es dann auch fast logisch, dass jeder aus diesem Quartett bereits die siebzig erreicht oder überschritten hat. Und obwohl sie schon deswegen eigentlich nicht mehr die benötigte Qualifikationsleistung erbringen können, wird den Dauerbrennern die Ehre zuteil, mit der ersten Welle der Eliteläufer zu starten.

Schnellster der so unglaublich konstanten Herren wird Roger Antonsson, der nach 3:42:57 das Ziel erreicht und damit auch in der Nettozeit noch mehrere tausend jüngere Läufer hinter sich lässt. Sune Eriksson (4:20:49) und Lars Nordin (4:34:47) nehmen sich da doch schon etwas mehr Zeit. Und der immerhin bereits sechsundsiebzigjährige Garry Johansson beendet nach 4:53:57 das Rennen zum fünfzigsten Mal.

Damit ist er noch längst nicht der Letzte. Auch wenn man den Vorsprung des Routiniers durch die frühe Startzeit einmal ganz außen vor lässt, sind hinter ihm noch etliche weitere Einträge in der erst mit einer Zeit von mehr als fünfeinhalb Stunden endenden Ergebnisliste zu finden. Und bis die Helfer im Ziel ihre Arbeit tatsächlich beenden können, hat längst die herbstliche Abenddämmerung Einzug gehalten. Denn noch gegen sieben Uhr tröpfeln vereinzelte Nachzügler auf Grönsta gärde ein.

Neben der Medaille, die auf der Rückseite jedes Jahr eine andere Skulptur des lange auf Lidingö lebenden Bildhauers Carl Milles zeigt, bekommt jeder Teilnehmer dort zum Jubiläum auch ein in Klarsichtfolie eingepacktes Geschenk in Form eines stilisierten Laufschuhes in die Hand gedrückt, bei dem man im ersten Moment nicht die geringste Ahnung hat, was man denn damit später einmal anfangen könnte.

Der stilisierte Schuh, den die Teilnehmer der Jubiläumslauflage des schwedischen Klassikers im Ziel in die Hand gedrückt bekommen, entpuppt sich nach Einweichen in Wasser als Handtuch

Erst nach dem Lesen des Kleingedruckten - eine wirklich nicht allzu groß geschriebene und zudem nur auf Schwedisch vorhandene Anleitung lässt sich bei genauerer Betrachtung auf der Außenseite des Päckchens entdecken - wird klar, dass es sich um ein "handduk" handelt. Man muss den vermeintlichen Schuh nämlich mehrere Minuten in einem Wasserbad aufweichen, bis er aufquillt und sich das zusammengepresste Handtuch mit dem Veranstaltungslogo, aus dem er eigentlich besteht, entfalten kann.

Es ist ein weiteres nettes Detail bei einer nahezu perfekt organisierten Veranstaltung. An einem einzigen Tag mit unterschiedlichen Start- und Zielpunkten eine Läufermasse, die beinahe der gesamten Inselbevölkerung entspricht, ohne größere Probleme über ziemlich schmale Waldwege zu schleusen, ist schon eine logistische Meisterleistung. Der einzige Wermutstropfen, der das so positive Gesamtbild dann doch noch ein wenig trübt, kommt allerdings ganz zum Schluss.

Denn nachdem man bei Grönsta gärde aus den fein säuberlich auf der Wiese aufgereihten Kleiderbeuteln den eigenen Trainingsanzug heraus gekramt und übergeworfen hat sowie zum Wettkampfzentrum bei Lidingövallen zurück gelaufen ist, um das übrige Gepäck aufzunehmen, kann man diesen Weg gleich noch ein weiteres Mal in fast voller Länge, aber umgekehrter Richtung in Angriff nehmen. Schließlich erstreckt sich die Warteschlange für die Pendelbusse bis fast zum Zielgelände.

Der Einstiegspunkt befindet sich schräg gegenüber des Sportgeländes und soll eigentlich einen schnelleren Ablauf ermöglichen, weil sich An- und Abreisende wegen der räumlichen Trennung nicht ins Gehege kommen und die Busse eine geschlossenen Runde fahren können, ohne irgendwo drehen zu müssen. Doch der Plan, der den ganzen Tag über ausgezeichnet funktioniert hat, stößt an seine Grenzen, als nach dem Ende des Laufes alle nahezu gleichzeitig zurück ans Festland wollen.

Denn neben den Pendelbussen sind nun auch unzählige Autos von den über die Insel verteilten Parkplätzen auf dem Weg über die einzige Brücke. Und da der Abfahrtsverkehr zudem von einer Baustelle auf der dahinter anschließenden Schnellstraße behindert wird, geht irgendwann fast gar nichts mehr. Nur noch Meter für Meter rollen die Fahrzeuge langsam vorwärts. Und ein leer vom U-Bahnhof Ropsten zurückkommender Bus, der jenseits der Kreuzung auftaucht, braucht oft viele Minuten, bis er diese auch wirklich überqueren und die nächsten Läufer aufnehmen kann.

Da wundert es nicht, dass die vieltausendköpfige Reihe der Anstehenden recht schnell auf rund fünfhundert Meter Länge anwächst. Und bevor man vom Ende der Schlange bis zur Haltestelle vorgerückt ist, hat sich die Uhr über eine Stunde weiter gedreht. Wäre diese Wartezeit vorher bekannt gewesen, hätten sich die etwa vier Kilometer zur Tunnelbana-Station wohl wesentlich schneller zu Fuß zurück legen lassen - gerade, wenn man mit einkalkuliert, dass der Bus mit unzähligem Abbremsen und Wiederanfahren im Stau selbst ziemlich lange für die Strecke braucht.

Doch in dieser Situation zeigt sich auch wieder, dass es in Skandinavien sogar im Umfeld einer großen Metropole weitaus gelassener zugeht als anderswo. Während hierzulande unter gleichen Umständen wohl schnell ein ziemliches Murren aufkommen würde, hört man auf Lidingö praktisch kaum ein böses Wort. Die meisten machen angesichts des schleppenden Vorwärtskommens eher Witze. Und vordrängeln würde sich im Norden Europas wohl ohnehin niemand. Alle sortieren sich vielmehr brav hinten ein und warten, bis sie nach langem Warten endlich an die Reihe kommen.

Als "världens största terränglopp" hat Lidingöloppet wirklich eine ganz eigene Atmosphäre
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Obwohl die Transportprobleme ihnen nicht unbedingt alleine zugeschrieben werden müssen, sind diese den Lidingöloppet-Machern dennoch ziemlich peinlich. Und so ist bereits am nächsten Tag auf der Internetseite eine Bitte um Entschuldigung dafür zu lesen, dass so viele Läufer "längre tid som är acceptabelt" in der kalten Abendluft hätten stehen müssen. Für das nächste Jahr verspricht das Organisationsteam - unter anderem weil mit der Stockholmer Nordumgehung bis dahin eine weitere Zufahrtsstrecke eröffnet sein soll - jedenfalls Verbesserungen.

Der Andrang dürfte dann eventuell auch ein wenig geringer ausfallen als beim großen Jubiläum. Doch "världens största terränglopp" wird der Lauf über die Insel vor den Toren Stockholm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bleiben. Und auf einen drastischen Teilnehmerrückgang sollte man angesichts der in den letzten Jahren immer stärker gestiegenen Begeisterung für den Klassiker wohl ebenfalls nicht setzen.

Dass Lidingöloppet außerhalb von Skandinavien kaum bekannt ist, lässt sich unter diesen Voraussetzungen zwar verschmerzen. Schade ist es allerdings dennoch. Natürlich kann es keine Garantie geben, dass man auch bei zukünftigen Auflagen ähnlich perfektes Laufwetter wie während des fünfzigsten Rennens vorfinden wird. Doch völlig unabhängig von den äußeren Bedingungen dürfte ein Start bei dieser traditionsreichen und hinter dem Halbmarathon von Göteborg zudem zweitgrößten schwedischen Laufveranstaltung ein echtes Erlebnis werden.

Vielleicht legt der Dreißiger ja doch irgendwann auch international den Status des Geheimtipps ab und findet die Beachtung, die ihm eigentlich gebührt. Denn selbst wenn der "svensk klassiker" von Lidingö nicht über die Marathondistanz führt, gehört er für einen reisefreudigen Läufer eigentlich unbedingt in die Sammlung.

Bericht und Fotos von Ralf Klink

Info & Ergebnisse www.lidingoloppet.se

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