Karwendelmarsch Österreich (12.9.09)

Die Legende lebt !

von Johann Till

Am 12. September 2009, nach einer Pause von 18 Jahren, gab es dieses Jahr wieder eine Neuauflage des beliebten Volksmarsches über das Karwendel. Bis zu seiner letzten Austragung im Jahr 1990 trafen sich über zwei Jahrzehnte hinweg Österreicher, Deutsche, Schweizer und Italiener jeweils Mitte September in Tirol, um am "Karwendelmarsch" von Scharnitz nach Pertisau am Achensee teilzunehmen. Dann versagte 1990 die zuständige Bezirkshauptmannschaft dem damaligen Veranstalter, dem Tiroler Skiverband, für das darauffolgende Jahr aus Umweltschutzgründen die Bewilligung. Die vielen Ver- und Entsorgungsfahrten vor und nach dem Marsch sowie die hohe Anzahl an Teilnehmern seien für das Naturschutzgebiet eine nicht länger hinzunehmende Belastung.

Die mehrtägige Karwendeldurchquerung, mit Übernachtung im Karwendelhaus auf der Falken- oder der Lamsenjochhütte, war wegen ihrer landschaftlichen Höhepunkte, wie der mächtigen Lalidererwand oder auch dem Großen und Kleinen Ahornboden, schon immer eine der beliebtesten Weitwanderwege in den Alpen gewesen. Diese attraktive Tour an einem einzigen Tag zu schaffen, kam als "die Herausforderung" angesichts der Mitte der 60er-Jahre gerade entstehenden sportlichen Massenbewegung, der sogenannten "Volksmärsche", gerade recht. So zog schon die erste Veranstaltung im Jahre 1969 weit über 2000 Teilnehmer an den Start.

Karwendelmarsch mit Wurzelpfaden, Durstlöschern und anderen Hindernissen

Um die Veranstaltung auch für weniger Geübte attraktiv zu machen wurde schon immer auch eine verkürzte Strecke angeboten. Nach 35 Kilometern beendete die Masse der Teilnehmer den Marsch schon in Eng auf dem Großen Ahornboden. Gerade einmal ein Fünftel der Wanderer waren es meist, welche die gesamte 52-Kilometer-Distanz von Scharnitz bis zum Achensee bewältigte. Die besten Marschierer schafften es in gut 8 Stunden. Nur die Hälfte dieser Zeit benötigten die "Gamsen", so wurden die Läufer genannt, die pünktlich um sechs Uhr losgelassen wurden. Die Bezeichnung Karwendelmarsch ist nämlich irreführend. Von Beginn an, seit seiner ersten Austragung, wurde immer auch eine Laufwertung mit Zeitmessung durchgeführt und die Sportler in den üblichen Wertungsklassen katalogisiert.

Nach mehreren privaten Initiativen die Veranstaltung wieder zu beleben, traten jetzt die Touristiker auf den Plan. Die "Olympiaregion Seefeld" und die "Achensee Tourismus" setzten sich mit den Anrainergemeinden und Grundeigentümern, der Almwirtschaft, dem Alpenverein und den Vertretern des Naturparks Karwendel zusammen. Und sie schafften es. Nach zwei neuerlichen negativen Bescheiden wurde von den Behörden grünes Licht gegeben. Alle Auflagen waren erfüllt und am Samstag, dem 12. September 2009, konnte nach 18-jähriger Pause in Scharnitz der 23. Startschuss gegeben werden. Der Karwendelmarsch fand seine Auferstehung, die Legende lebt!

An der Falzthurnalm kontrolliert nochmals die Bergwacht Ob Joachim Preisig wohl das Jausenangebot gelesen hat

Die Teilnehmerzahl wurde von vornherein auf 2500 beschränkt. Für Wanderer ohne Zeitmessung und die neu eingeführte Disziplin Nordic Walking gibt es wieder zwei Distanzen, 35 und 52 Kilometer. Die Läufer haben die ganze Strecke von 52 Kilometer zurückzulegen und es erfolgt eine Messung der Laufzeit.

Mit dem Austragungstermin am 12. September, nur sechs Tage nach dem Achenseelauf, konnten Synergieeffekte genutzt werden. Man brauchte die am Fischergut in Pertisau aufgestellten Zelte sowie die Toilettencontainer vom Wochenende zuvor einfach nur stehen lassen.

Auch an der Streckenführung selbst haben die Organisatoren nichts verändert und es bei der bis 1990 gelaufenen Strecke belassen. Warum auch. Es ist und bleibt der Reiz, die Schönheit aber auch der Anspruch der schon früher gelaufenen Route durchs Karwendel, welcher letztlich zur Legende geführt hat.

Claudia Walter wurde Dritte Als Dritter im Ziel, Markus Reich Die Siegerin bei den Frauen, Magdalena Schiffer

Von Scharnitz durchs Karwendeltal zum 1771 m hoch gelegenen Karwendelhaus. Von dort auf dem sogenannten Adlerweg hinunter in den kleinen Ahornboden und über die Ladizalm wieder hoch, ist bei der 1848 m hoch gelegenen Falkenhütte der Scheitelpunkt der Strecke erreicht. Die Hälfte ist geschafft. Doch wer gedacht hat, von nun an geht's bergab, wird schwer getäuscht. Erst mal ist die Nordwand der Laliderer Spitze (2588 m) zu queren, bevor am Höhljoch der Abstieg zum Großen Ahornboden angegangen werden kann.

Hier bei der Engalm, auf nur noch 1227 m, ist erst mal Schluss. Zum einen für die Teilnehmer, welche sich für den 35 km Wettbewerb entschieden haben, zum anderen aber auch für alle, die sich zwar für die Gesamtdistanz entschieden, die Kontrollstation Engalm/Großer Ahornboden jedoch bis spätestens 15 Uhr noch nicht erreicht haben. Sie werden gnadenlos aus dem Rennen genommen.

Martina Lindner lief mit Stöcken auf Rang 4 der Frauen Dietmar Zehetner wird als 7. schnellster Achenseer Henriette Holzknecht freut sich über ihren 2. Platz

Und das ist gut so, sind doch erneut 700 Höhenmeter zu erklimmen bis am Gramai Hochleger auf 1895 m der höchste Punkt der Strecke endlich geschafft ist. Hinunter zur Gramaialm auf 1263 m, kann man - wenn man 's kann - dann endlich laufen lassen. Von dort sind es, über eine letzte Getränkestelle und Kontrollstation an der Falzthurnalm, dann tatsächlich nur noch ca. 8 Kilometer, bis das längst herbei gesehnte Ziel in Pertisau erreicht ist.

Der Tenor der Teilnehmer - rund 1.000 Wanderer, Läufer und Nordic-Walker - war einhellig, geprägt von: riesig, toll und unbedingt weitermachen. Nächstes Jahr komme ich wieder, versprachen viele, darunter auch Sylvester Glätzle, Jahrgang 1943 aus Hindelang, der nunmehr alle 23 Austragungen des Karwendelmarsches mitgemacht hat. Auch Stefan Gruber vom Tyrolit Running Team versprach wiederzukommen. Der aus Schwaz im Inntal angereiste Gruber war bei der "Wiederauflage" des Klassikers in 4:45:20 h als Erster am Ziel. Erst unten an der Gramaialm hatte Gruber den bis dato führenden Jürgen Schoch (Forstenrieder SC) überholt und war am Ende über seinen Erfolg selbst am meisten überrascht. Als seine bisher stärkste Leistung bezeichnete er seinen Sieg in der Altersklasse M40 beim Wien-Marathon 2008 in 2:45 h. "Doch das heute ist mein größter Erfolg".

Andreas Scheiring wurde 10. im Gesamteinlauf Kurt Kröll auf EgoTrip wird 3. in der M.30 Christian Stern von der Schlickeralm in Stubai wurde 4.

Jürgen Schoch hatte sich voll auf den Karwendelmarsch eingestellt und vorbereitet. Schon beim Anstieg zur Falkenhütte hatte der Chefstatistiker der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung die Führung übernommen. Vielleicht zu früh. An der Gramaialm hatte Schoch sein Pulver verschossen und konnte dem vorbeistürmenden Österreicher nichts mehr entgegensetzen. Allein auf dem Wege von der Gramaialm zum Ziel verlor Schoch zweieinhalb Minuten und musste sich am Ende mit Rang 2 in 4:47:49 h zufrieden geben. Mit Markus Reich von den ARBÖ Pillerseebiker vervollständigte ein weiterer Österreicher in 4:51:40 h das Siegerpodest.

Vollständig in der Hand Austrias, das Siegerpodest der Frauen. Gleich vom Start weg in Scharnitz hatte Magdalena Schiffer (SV Raika Reute) resolut die Führung übernommen. Die zweimalige Siegerin beim Transalpin-Run in der Mixed-Wertung - dort werden von den Teilnehmern in Zweier-Teams 230 Kilometer und über 15.000 Höhenmeter in 8 Tagen zurückgelegt - ließ zu keinem Zeitpunkt Zweifel über den Ausgang des Rennens aufkommen. Als 26. im Gesamteinlauf gewann Schiffer die Frauenwertung in 5:29:14 h unangefochten, auch wenn der Abstand zur Zweitplatzierten, Henriette Holzknecht aus Sellrain in 5:33:17 h, so gewaltig nicht gewesen ist. Es dauerte dann aber über 20 Minuten, bis Claudia Walter (Bezirksblätter Team 2009) als Dritte in 5:56:44 h das Podest komplettierte.

Florian Ebenbichler von den Mountain-Maniacs Martin Kuchenmeister vordem 1.M50 Fritz Hörtnagl Peter Kühr gewann die M.60 in 5:33 h

Insgesamt erreichten 120 Läufer und 20 Läuferinnen das Ziel am Fischergut in Pertisau. Eine stolze Leistung, auch wenn die etwas langsameren Gämsen von den strammsten Bergwanderern am Ende eingefangen und überholt wurden. Ob im Laufgang oder Wanderschritt, allen Finishern gebührt gleichermaßen Respekt. Die beiden jüngsten Teilnehmer (je 14 Jahre) waren Clemens Steinberger aus Kramsach über 52 km und Andrea Kreidl aus Fieberbrunn über 35 km. Selbst der älteste Wanderer, Ernst Walchhof aus Innsbruck, legte mit 85 Jahren noch 52 Kilometer zurück und kam innerhalb der Sollzeit von 14 Stunden ins Ziel.

Die letzten Meter spurten selbst die Wanderer 9 Stunden sind vorbei, die ersten Wanderer treffen ein

Klar, dass bei so einem Auferstehungsevent die früheren Sieger nicht fehlen dürfen. So fanden sich viele der zwischenzeitlich längst selbst schon zur Legende gewordenen Karwendelhelden im Zielbereich ein und wurden vorgestellt. Darunter Rudi Berger aus St. Johann in Tirol. Von 1972 bis 1974 gewann er dreimal in Folge. Albert Widmoser war zweimal erfolgreich und auf der Strecke zwischen Scharnitz und Pertisau mit 3:53 h bis dato am schnellsten unterwegs. Sein Rekordlauf im Jahr 1981 verdankte er u.a. dem früheren Deutschen Berglaufmeister Hans-Jürgen Eichberger, welcher ihn damals als Zweiter in 3:55 h zu dieser Bestzeit getrieben hat. Franz Hosp, Jahrgang 1923, die Sport und Berglauflegende aus Südtirol schlechthin. Beim 1. Karwendelmarsch 1969 hatte sich Hosp verlaufen und wurde nur Zweiter, gewann den Lauf dann aber 1970 und 1971. Lokalmatador Josef Egger aus Achenkirch, 1970 und 1971 jeweils Zweiter hinter Hosp. Es wurde ein langer Abend auf den Wiesen um das Pertisauer Fischergut bis die gemachten Erlebnisse ausgetauscht und die Erfahrungen weitergegeben waren.

Die Gemsen von anno dazumal, vlnr Josef Egger, Rudi Berger, Albert Widmoser und Franz Hosp Bisher immer dabei, Sylvester Glätzle Die letzten Meter zum Ziel

Freudige Gesichter aber nicht nur bei den Teilnehmern, auch bei den vielen Helfer und Mitarbeiter. "Ohne die über 250 freiwilligen Helfer der verschiedenen Vereine aus Scharnitz und vom Achensee, den Bergrettern aus Scharnitz, Seefeld, Achenkirch und Maurach, dem Roten Kreuz, den Feuerwehren aus Scharnitz und Pertisau sowie den Mitarbeitern der Tourismusbüros wäre diese optimale Organisation nicht möglich gewesen", hoben dann auch Markus Tschoner (Olympiaregion Seefeld) und Martin Tschoner (Achensee Tourismus) in ihren Statements hervor. "Nur so ist es uns gelungen, das erklärte Ziel zu erreichen, das einmalige Schutzgebiet Karwendel unter größtmöglicher Schonung seiner Ressourcen nicht nur als Kulisse zu nutzen, sondern erlebbar zu machen.

Wir hoffen, dass wir das Vertrauen, das uns von Seiten der Umweltschutzabteilung des Landes Tirol für die ‚Neuauflage' des Karwendelmarsches entgegengebracht wurde, nicht enttäuscht haben." Die Vorabinfos fürs nächste Jahr wurden schon mal verteilt: Also, macht mit beim 24. Karwendelmarsch 2010, bei Voranmeldung ab 30 €. Es gibt wieder Heidelbeersuppe!

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Bericht und Fotos von Johann Till

Ergebnisse und Infos unter www.karwendelmarsch.info

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