12.11. bis 20.11.10 - LAUFATHLETIK®-Karibikmeisterschaft

Etappenlauf und Kreuzfahrt

von Michael Schardt

Etappenlauf und Kreuzfahrt – geht das zusammen? Karibik-Laufmeisterschaft erlebt erste Auflage. Die deutsche Halbmarathonmeisterin Ingalena Heuck joggt locker zum Sieg. Rolf Bohrer schnellster Mann.

Kreuzfahrten auf immer größeren und luxuriöseren Schiffen boomen, egal ob auf der Ostsee, im Mittelmeer, in der Karibik oder in Fernost. Die spezialisierten Schiffbauunternehmen in Norwegen, Korea oder Deutschland können sich vor Aufträgen kaum retten. Unlängst lieferte die Meyer Werft in Papenburg unter den Augen von mehr als 20.000 angereisten Zuschauern das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff über die Ems in die Nordsee aus, begleitet von starkem Medienaufkommen – öffentlich-rechtliches Fernsehen inklusive. Parallel dazu verkündete das Familienunternehmen den Abschluss eines neuen Vertrages für den Bau von zwei weiteren Ozeanriesen im Auftragswert von je 600 Millionen Euro.

Innerhalb der Erfolgsbranche Tourismus gestaltet sich offenbar das Geschäft der Cruise-Line-Unternehmen als besonders profitabel. Die Schiffe sind neun Monate im Jahr ohne Pausentag im Einsatz, erst in asiatischen und amerikanischen Gefilden, dann, nach einer kurzen Umbauphase, in europäischen Gewässern. Mit einem Höchstmaß an Komfort und Unterhaltung werden zahlungskräftige Amerikaner nach Europa gelockt, Asiaten nach Amerika und Europäer nach Fernost. Oder die angepeilte Zielgruppe schippert vor der eigenen Haustür. An Angeboten jedenfalls herrscht kein Mangel.

Nun haben auch Anbieter von Sportreisen diesen Markt für sich entdeckt, allen voran die Veranstalter von Laufreisen. Beschränkten diese sich bisher auf die Durchführung von Laufseminaren in beliebten Urlaubsländern sowie Reisen zu Marathon- und Halbmarathonläufen mit integriertem Kulturprogramm, so avancieren sie nun selbst zu Laufveranstaltern. Denn die Alaska-Laufreise beispielsweise, die das Unternehmen Kreienbaum (laufreisen.de) schon seit Jahren durchführt, wird von ihm selbst organisiert, vermessen und gestoppt. Sogar eine interne Siegerehrung gibt es, Altersklassenwertung inbegriffen.

Noch sind die Anbieter solcher Laufreisen in Deutschland handverlesen. Doch in diesem Bereich sehen die Laufsport-Unternehmen in der Zukunft den Markt mit den größten Zuwachsraten. Das brauche vielleicht noch ein paar Jahre, müsse sich erst einmal herumsprechen, argumentieren sie, aber das Interesse sei schon jetzt deutlich spürbar. Kreuzfahrt alleine mag dem ein oder anderen Läufer vielleicht wirklich nicht genügen, aber mit der Aussicht, sich körperlich in seiner liebsten Sportart betätigen zu können, das hat dann doch seinen Reiz. Die angesprochene Konsumentenschicht ist zwar (noch) verhalten skeptisch, aber auch neugierig und durchaus gewillt, sich versuchsweise auf das Experiment Lauf-Kreuzfahrt einzulassen.

Das Hotel der ersten Nacht in Miami Beach, 30 Meter vom Strand entfernt
Gleich daneben: die Holzlaufbahn der ersten Etappe

Dass Sport und Schiffsreise zusammengehen, ist für Nils Krekenbaum, seit zwei Jahren neuer Inhaber und Geschäftsführer des gut eingeführten Laufreise-Unternehmens Kreienbaum, längst keine Frage mehr. Die gute Annahme der Alaska-Laufreise, die für einige Mitfahrer mit der Teilnahme am Vancouver-Marathon beginnt und ggf. fortgesetzt werden kann mit einer Mehrtageswanderung in den Rocky-Mountains (allesamt vom selben Unternehmen in lückenloser zeitlicher Reihenfolge angeboten), hat ihn veranlasst, nun eine weitere Kreuzfahrt-Sportreise ins Programm zu nehmen: die Karibik-Laufmeisterschaft, ein Rennen, bestehend aus fünf Etappen zwischen fünf und zehn Kilometern während der Landgänge oder auf der schiffseigenen Laufbahn und einer abschließenden Zweierstaffel.

Und wie bei der Alaskareise, so kann der Interessent seine Karibikreise auch mit flankierenden Veranstaltungen versehen. Denn dass die Kreuzfahrt genau zwischen dem New York- und Havanna-Marathon liegt, ist kein Zufall. Einige der diesjährigen Teilnehmer an der Karibikreise kamen in der Tat direkt aus Big Apple, waren zuvor schon mit Kreienbaum nach New York gereist, wodurch sich die Anreise zum Einschiffungshafen Miami Beach für diese nicht so strapaziös gestaltete wie für diejenigen, die aus Deutschland anreisten und die sich aus Kostengründen gegen einen Direktflug mit der Lufthansa von Frankfurt aus entschlossen hatten, sondern einen Umsteigeflug über Atlanta und mehrere Stunden Wartezeit bei der Anreise in Kauf nahmen. Später weitergereist zum Marathon in die kubanische Hauptstadt ist zwar diesmal noch niemand, soll aber vielleicht schon bei der zweiten Karibik-Kreuzfahrt angeboten werden, schließlich bietet der Havanna-Marathon eine besondere Attraktion. Ihm zugeschaltet ist ein Jedermannsrennen, der Maracuba-Lauf, an dem tags zuvor über 1.000.000 Läufer und Walker teilnehmen sollen, wodurch diese Veranstaltung das mit Abstand weltweit größte Laufevent ist.

Die erste Karibik-Laufmeisterschaft fand in diesem Jahr vom 12. bis 20. November statt, dauerte also mit An- und Abreise gerade mal zehn Tage. Das fand die überwiegende Zahl der Teilnehmer doch etwas kurz. Deshalb will Krekenbaum die Reise im nächsten Jahr um drei, vier Tage verlängern und möglicherweise auch die Zahl der Etappen um ein oder zwei erhöhen. Länger als zehn Kilometer sollen sie aber nicht werden, denn die klimatischen Bedingungen in Mittelamerika fordern von den Läufern schon einiges ab, schließlich will man auch die Teilnehmer ansprechen, die sich nicht als ambitioniert oder leistungsorientiert definieren, sondern sich als Hobby- oder Gesundheitssportler verstehen.

Für die diesjährige Fahrt hatten sich dreißig Läufer sowie einige nichtlaufende Begleitungen angemeldet. Diese Zahl reduzierte sich allerdings schon im Vorfeld auf 24, wie in der ersten Vorbesprechung bekannt gegeben wurde. Sechs der Läufer hatten aufgrund von Verletzungen auf die Reise verzichtet und kurzfristig abgesagt. Ob die Verletzungen im Einzelfall so gravierend waren, dass man die Fahrt nicht doch wenigstens als reinen Urlaub hätte mitmachen können, insofern man sie doch schon bezahlt hatte, ist nicht bekannt. Von den verbleibenden 24 Läufern, für die es eine Startnummer gab, gehörten drei zum Orga-Team. Diese liefen gar nicht oder nur vereinzelt eine bis maximal drei Etappen mit und waren im Vorhinein von der Gesamtwertung ausgeschlossen. So reduzierte sich das echte Teilnehmerfeld auf die überschaubare Größe von 21 Startern, acht Frauen und dreizehn Männer, von denen schließlich 17 alle Etappen mit einer Gesamtlänge von gut 35 Kilometern finishten.

Doch noch war es nicht soweit, sich sportlich zu bestätigen. Jetzt, am Tag der Anreise, saßen gut zwei Dutzend Leute, zwar vom langen Flug etwas müde, aber doch in sichtlich gespannter Erwartung, in einem Konferenzraum eines großzügigen Dreisterne-Hotels direkt am Strand von Miami, in dem sie auch die erste Nacht verbringen würden, und lauschten den Begrüßungsworten des Organisators Nils Krekenbaum. Der ging gleich auf die unter Läufern übliche Duz-Form über und stellte kurz den schon aus den Prospekten und dem Schriftverkehr bekannten Ablauf der Reise vor, erläuterte die Modalitäten auf dem Schiff und machte mit den Gegebenheiten der ersten Etappe vertraut, die am nächsten Morgen noch vor der Einschiffung in aller Frühe auf der Strandpromenade der Millionenmetropole durchgeführt werden sollte.

Nach der Ausgabe der Startnummern und kleiner Geschenke wurde die kurze Abendbesprechung bald aufgelöst, einige der Aktiven wollten noch ein Abendessen einnehmen, andere die Umgegend einer ersten Inspektion unterziehen, der größte Teil aber verzog sich umgehend auf die Zimmer und ins Bett, zum einen, weil der erste Start schon um sieben Uhr sein sollte, hauptsächlich aber, weil die Anreise ihre Spuren hinterlassen hatte. Die konnte nämlich durchaus so aussehen:

Drei Uhr nachts am Heimatort aus den Federn, vier Uhr mit dem Taxi zum Bahnhof, dann mit der Bundesbahn in die Stadt des Zubringerflughafens, der noch mit der Straßenbahn erreicht werden musste. Um sechs saß man dann im Flieger nach Frankfurt, wo man drei Stunden Aufenthalt hatte. Ein gut zehnstündiger Flug über den großen Teich nach Atlanta folgte, wo man erneut vier Stunden zu warten hatte. Dann waren weitere zwei Stunden im Flieger zu verbringen, bis dann am Flughafen in Miami Mitorganisator Jens Hollmann den besagten Reisenden und ein halbes Dutzend Mitstreiter in Empfang nahm, in Taxis verfrachtete und zum Hotel kutschieren ließ. Dort waren schon die Direktflieger angekommen und auch jene, die in New York gelaufen waren.

Zu den New York Finishern gehörte auch Jens, wie sich im Gespräch herausstellte. Der hatte dort allerdings eine unangenehme Erfahrung machen müssen. Denn als er den ursprünglich für seinen Chef gebuchten Startplatz auf seinen Namen umschreiben lassen wollte, was laut Ausschreibung für stattliche 100 Dollar doch möglich gewesen wäre, stellten sich die Organisatoren stur. Ihm blieb unter Zähneknirschen also nichts anderes übrig, als unter dem Namen seines Chefs Nils zu starten, und das in einer für ihn viel zu langsamen Startbox mit einer anvisierten Zielzeit von 3:40 Stunden.

Von der Bahn konnten die Läufer einen Blick auf den Strand werfen
Die Wendepunkte auf der Schiffslaufbahn waren eng

Jens "rächte" sich auf sportliche Weise. Er lief ein prima Rennen auf dem schweren Kurs und finishte in hervorragenden 2:39:46, womit er 133. in der Gesamtwertung und schnellster "German" wurde, wenn man einmal von zwei deutschen Läufern absieht, die schon lange in New York leben. Jens, das ist erstaunlich genug, hat erst vor drei Jahren mit dem Laufen begonnen und ist beim Gutenberg Marathon in Mainz 2009 seine bisherige Bestzeit von 2:31 gelaufen. Noch beachtlicher erscheint die Leistung, wenn man bedenkt, dass Jens keinen Trainer hat und auch ohne einen durchdachten Trainingsplan trainiert, der auf ihn zugeschnitten wäre. Kaum auszudenken, was hier noch möglich wäre, wenn die Rahmenbedingungen bessere wären.

Bei der Karibik-Laufmeisterschaft hatte er kurzfristig und nicht zum ersten Mal einen Organisations-Nebenjob übernommen (Streckenkennzeichnung, Zeitmessung), weshalb er nur außerhalb der offiziellen Wertung an drei Etappen teilnehmen konnte, die er aber ausnahmslos als schnellster gewinnen sollte. Im normalen Leben geht Jens aber einem anstrengenden 40-Stunden-Job nach und definiert den New-York-Start und die Kreuzfahrt als seinen persönlichen Urlaub – eine prächtige Einstellung des sympathischen Athleten.

Die erste Nacht im Hotel indes war kurz. Schon um halb sechs klingelte der Wecker von Jochen Schmitz, dem Zimmergenossen und gewissermaßen Berufskollegen des Chronisten. Denn Jochen, ein ehemaliger Leistungsschwimmer ("Ich kenne alle Schwimmbäder der Republik."), ist Chefredakteur des Print-Laufmagazins "Running", welches zur Erkundung und Dokumentation der Karibik-Meisterschaft die Reise begleitete. Jochens Job, nämlich die Reportage, ist naturgemäß eine den Läufen nachgelagerte, weshalb er an allen Etappen teilnehmen konnte und einer von 17 Gesamtfinishern werden würde. Auffällig war, dass er in lockerster Art und Weise mitlief und sich kein wenig zu verausgaben schien. Darauf angesprochen, erklärte er, dass die Zeiten für ihn vorbei seien, in denen er Sport unter Leistungsaspekten betrieben habe. Beim Schwimmen habe er sich beide Schultern kaputt gemacht, jetzt laufe er gerne bei vielen Veranstaltungen mit, aber immer locker. Auch Marathons seien nach wie vor dabei, und auch Trails. So war er im letzten Jahr bei einem von der Streckenführung her harten und bergigen Lauf auf Mauritius dabei (annähernd 40 Kilometer). Auf diese Weise kann er das Vergnügen (Laufen) mit dem Nützlichen (Reportage) verbinden. Seine Leser werden es ihm danken.

Jochen, wie Reiseleiter Nils der M35er Klasse angehörig, trat während der Fahrt noch in anderer Funktion in Aktion: nämlich mit zwei Vorträgen über die sinnvolle Ernährung von Ausdauersportlern. Für die kleine Gruppe der Läufer hatte er eine informative PowerPoint-Präsentation bereitgehalten, an der das interessierte Publikum in großer Vollständigkeit teilgenommen hat.

Wie gesagt, klingelte der Wecker von Jochen schon um halb sechs, so wie in fünfzehn anderen von deutschen Läufern bevölkerten Doppelzimmern auch. Man und frau schälte sich aus dem Bett, nahm, wenn noch Zeit war, ein kleines Frühstück ein und begab sich auf die hölzerne Uferpromenade, kaum zwanzig Meter vom Hotel entfernt. Da kamen aber nicht nur die deutschen Läufer zusammen, sondern eine Unmenge von heimischen Joggern und Walkern bewegte sich mehr oder weniger schnell auf dem zwei Kilometer langen Steg hin und her. Warum dies so früh geschah, sollten auch die Angereisten bald merken. Denn von Minute zu Minute entfaltete die Sonne über Florida ihre Strahlkraft. Und in dem Maße, wie sie dies tat, wurden auch die Bedingungen für die Läufer schwieriger.

M65-Mann Peter auf der Schiffslaufbahn. Er wurde bei der Staffel mit seinem Partner Zweiter
Gedränge auf der Laufbahn. Vorneweg Doerte

Schnell wurde auf diese Weise auch jedem klar, warum Nils, der erfahrene Reiseleiter und frühere Unternehmensberater, den ersten Lauf um sieben Uhr starten ließ, denn noch waren die Temperaturen einigermaßen erträglich – ganz im Gegenteil übrigens zu den Läufen, die noch folgen sollten, bei denen teils 40 Grad in der Sonne und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen würden.

Mit fünf Kilometern war der Lauf in Miami gleichzeitig auch der kürzeste der Tour. Die Teilnehmer hatten erst 750 Meter in die eine Richtung zurückzulegen, dort zu wenden, um nach 1,5 km wieder an die Startlinie zu kommen, denn waren 1750 Meter in die andere Richtung zurückzulegen, wo gleichfalls wieder ein enger Wendepunkt zur Umkehr aufforderte.

Das alles lief soweit auch ganz gut ab, erste Sortierungen der Läufer fanden statt, und auf der Gegengerade konnten die Akteure hüben wie drüben wunderbar ihre Mitstreiter ins Auge fassen. Die zweite Wendepunktstelle verpassten trotz guter Markierung dann doch ein halbes Dutzend der Läufer, unter ihnen auch Jochen und der Verfasser dieser Zeilen, die dadurch rund siebenhundert Meter zu viel oder 200 Sekunden zu lang unterwegs gewesen waren. Andere waren sogar 900 bis 1000 Meter zuviel gelaufen, doch konnte diese "Mehrzeit" im Nachhinein nicht mehr korrigiert werden, weshalb die erste Zwischen-Ergebnisliste noch keinen konkreten Aussagewert hatte.

Immerhin, der Auftakt war gelungen, und es war ein besonders schöner zudem. Denn der Holzsteg war sehr gut zu laufen, der wunderbare Blick auf das türkisfarbene Meer entschädigte schnell für die Anreisemühen, das Klima war mild und freundlich, zu diesem Zeitpunkt kam das erhoffte Urlaubsgefühl auf.

Jens war auf diesem Teilstück der flotteste gewesen mit einer Zeit von gut 17 Minuten, die aber, wie beschrieben, nicht in die Wertung eingingen. So waren die 18:19 des M40ers Gunther Wellhausen aus München das Maß, an dem sich die anderen zu orientieren hatten. Hinter dem promovierten Mathematiker, der eine gutdotierte Stelle bei BMW innehat und ohne seine Ehefrau angereist war, platzierte sich der Karlsruher M50 Läufer und gelernte Mittelstreckler Rolf Bohrer in 18:34 auf Platz zwei vor der ersten Frau, Ingalena Heuck, der 24jährigen Studentin der Sportwissenschaft von der LG Stadtwerke München, die auch noch unter zwanzig Minuten blieb, aber sichtlich verhalten gelaufen war. Dahinter gruppierte sich der Rest der Läuferschar in regelmäßigen oder weniger regelmäßigen Abständen ein. Sichtbar wurde bei der ersten Etappe aber durchaus schon, dass es neben dem hier genannten recht starken Führungsquartett doch eher eine Hobby- und Gesundheitsläuferklientel gehobeneren Alters war, die sich für die Laufreise entschieden hatte, denn die meisten Zeiten lagen jenseits eines 5er Kilometerschnitts bis hin zu einem 7er Schnitt.

Am Mittag, nach Dusche und Spätfrühstück, stand nun die Einschiffung an. Das geht zu wie auf dem Flughafen, mit Passformalitäten und Sicherheitscheck, Anfertigen eines Identitätsphotos und Einrichtung eines Bordkontos mit zugehöriger Scheckkarte, dem wichtigsten Utensil auf dem Schiff und an Land, ohne das man nicht auschecken kann und nicht aufs Schiff gelassen wird, ohne das man auf dem Schiff nichts kaufen und nichts bezahlen kann und ohne das man auch nicht in seine Kabine kommt. Ist diese kleine Prozedur überstanden, darf man an Deck, und was sich da einem Kreuzfahrtneuling dann bietet, besonders wenn es ein so großes, nagelneues Schiff ist wie die Norwegian Epic der Cruise-Gesellschaft NCL (Inbetriebnahme Juli 2010), das ist schon einer besonderen Erwähnung wert.

Edel und fein ist die Ausstattung, wohin das Auge auch blickt. Große Spiegel allerorten, dicke Teppiche, geschmackvolle Wandverkleidungen auf Schritt und Tritt, Chrom und Stahl blinkt und blitzt – eine eigene Welt tut sich auf, eine ebenso glamouröse wie pompöse. Wer von unten nach ganz oben nicht einen der ca. zwanzig Fahrstühle benutzen möchte, der muss sich 19 Stockwerke, Verzeihung Decks, emportreppeln. Das sind mal schlapp und knapp sechzig Meter, und nicht nur der Untrainierte kommt auf diese Weise ganz leicht in Schwitzen, auch ohne Koffer, welcher vom Servicepersonal sinnigerweise gleich auf die Kabine gebracht wird, denn der Schiffsneuling tut sich bei den vielen Decks, Gängen, Treppen, Liften und Winkeln mit der Orientierung schwer, nicht nur jetzt am Anfang, sondern zuweilen noch Tage danach.

Ein solches Schiff, das beeindruckt allein schon durch Zahlen: 330 Meter lang, 40 Meter breit, 4000 Passagiere, 1100 Bedienstete, 20 Restaurant, ebenso viele Bars, darunter auch eine echte Eisbar mit Tiefsttemperaturen, zwei Dutzend Veranstaltungssäle mit teils großen, sich über mehrere Decks erstreckende Kapazitäten, darunter auch ein Zirkus. Dazu gibt es mehrere Großleinwände, drei lange Wasserrutschen, eine anspruchsvolle Kletterwand, mehrere Schwimmbecken, Whirlpools und Sonnendecks.

Das zentrale Spielkasino nach amerikanischem Muster umfasst mehr als hundert "einarmige Banditen", zahllose Spielautomaten, Karten- und Roulettetische und vieles mehr. Geradezu perfekt ist das riesige Fitness- und Sportzentrum eingerichtet mit zahlreichen Ergometern, Ruder- und Kraftgeräten, Crosstrainern und über zwanzig der modernsten Laufbändern, die so arrangiert sind, dass der Benutzer den freien Blick auf den Ozean hat. Kaum überschaubar ist das Angebot und die Räumlichkeit des breit angelegten Wellness-Zentrums. Hier kann man – bzw. vor allem frau – SPA in Perfektion genießen, jedoch wäre der SPAss-Faktor noch wesentlich größer, wenn die Preise etwas freundlicher wären, denn für eine 20minütige Normalmassage darf der Entspannungssuchende mal locker neunzig Dollar hinlegen.

Rolf aus Karlsruhe gewann die Gesamtwertung bei den Männern und wurde mit Partner 3. in der Staffel. Hier an der Costa Maya vor der 3. Etappe Startvorbereitung zur 3. und längsten Etappe

Überhaupt sind die Preise all jener Leistungen durchaus beachtlich, die nicht im All-Inclusive-Angebot, was in der Sprache des Betreibers Freestyle-Cruisen heißt, nicht enthalten sind. Das geht los bei einer täglich vom Bordkonto automatisch abgebuchten Servicepauschale von 12 Dollar und endet mit saftigen Preisen für jegliche Alkoholika. Ersteres geht auch vollkommen in Ordnung, denn die Passagiere, vornehmlich aus US-Amerika und daneben auch aus Asien und Mittel- und Nordamerika können sich eines perfekten Services des überwiegend philippinischen und mexikanischen Personals erfreuen, das unauffällig und wirkungsvoll seinen nicht leichten Job erfüllt.

Wie ein 29jähriger indonesischer Barkeeper unter vorgehaltener Hand berichtet, müsse er seit fünf Jahren jede Saison über neun Monate auf Kreuzschiffen der NCL verbringen, wobei nicht einmal sicher sei, dass er einen freien Tag in der Woche habe. Normalerweise habe er einen zehn Stunden Tag, und der Druck in einer vertikal straff organisierten Hierarchie sei enorm. Ein Familienleben sei unter diesen Bedingungen nicht möglich, und auch eine Partnerschaft könne so nicht geführt werden, außer wenn die Freundin auch auf dem Schiff arbeite, oder man unter den Kollegen eine Partnerin finde. So sehe er seine Verwandten und Freunde über diese lange Dienstzeit kein einziges Mal, aber für den Rest des Jahres könne er in seine Heimat Bali zurück.

Trotz den schwierigen Bedingungen ist der Mann aus Indonesien nicht unzufrieden mit dem Job, und so sehen es auch wohl viele der anderen Kollegen, die gezielt in Ländern gesucht werden, von denen man weiß, dass sie ein Höchstmaß an Sorgfalt und Zuverlässigkeit mitbringen, ohne hohe Ansprüche zu stellen, allen voran die Philippinen. Mexikaner sind so viele an Bord, weil sie für die US-amerikanischen Betreiber "fast vor Ort" wohnen und leicht zu rekrutieren sind.

Insofern erfüllt die Servicepauschale einen doppelten Zweck, sie sichert dem Personal einen verdienten zusätzlichen Lohn, und erlöst den Passagier vielleicht von einem etwas unbehagliche Gefühl, das ihn befallen haben mag, wenn er die Situation auf dem Schiff geradezu als Modellfall begreift für das Verhältnis von erster und zweiter Welt einerseits, zur dritten und vierten andererseits, denn letztere bedient erstere – ohne zu Murren und immer äußerst freundlich.

Und die andere Taxe, die des Alkohols, kann auch nur begrüßt werden. Wären Alkoholika kostenfrei verfügbar, dann wäre wohl zu befürchten, dass der Aufenthalt an Bord vor allem am Abend weit weniger störungsfrei verliefe als so. Soll also ruhig derjenige, der nicht auf Bier, Wein oder Spirituosen verzichten mag, die saftigen Preise bezahlen. Wer sich eine Kreuzfahrt leisten kann, wird auch noch das ein oder andere Märkle übrig haben für sein Lieblingsgetränk.

Verzichtet werden muss auf dem Schiff fast auf nichts, auch aufs Rauchen nicht, denn an der frischen Luft hat die Bordordnung nichts einzuwenden dagegen und auch nicht an einem Ort innerschiffs, nämlich dem Kasino. Das ist aus kommerzieller Sicht überaus klug, denn gerade in prekären Situationen, wo die gekauften Chips, also das eigene Geld, weniger werden, da ist die Nikotinberuhigung des Zockers von großem Nutzen. Er wird nicht so schnell von Nervosität befallen und verweilt um so länger am Ort, an dem er sie rauchend kompensieren kann.

Die nichtinkludierten Leistungen des Freestylcruisens allerdings sind eher die Ausnahme, es sind echte Sonderleistungen wie eben Wellnessbehandlungen, die Inanspruchnahme ärztlicher Dienste oder die des kabineneigenen Butlers und Concierges. So hat der Passagier keinen Rappen hinzulegen für ein nahezu 24 Stunden andauerndes Weltklasse-Unterhaltungsangebot, sei es die berühmte Blue-Man-Group, sei es Kabarett, Artistik, Performance oder Jazz, seien es Shows, Dances oder Klavierabende. Auch das Fitnessstudio kann man kostenfrei Nutzen, und natürlich die schiffseigene Laufbahn.

Gruppenphoto mit Kahn
Kommissarin Christina, 2. Frau in der Gesamtwertung, vor dem Tequilla-Museum

Dieser 434 Meter langen Bahn, an deren beiden Enden jeweils Wendepunkte markiert sind, fand am zweiten Tag der Reise die verstärkte Aufmerksamkeit der deutschen Laufurlauber: die zweite Etappe stand – wieder um sieben Uhr – auf dem Programm. 14 Mal sollte die Aktivgruppe die Runde laufen, wodurch etwas mehr als sechs Kilometer zusammenkamen. Eng waren die Verhältnisse an diesem Morgen nicht nur, weil die Bahn nur neunzig Zentimeter breit ist und die Wendepunkte so eng zu umkurven waren – für jeden Läufer übrigens 28fach –, sondern auch, weil hier und jetzt zahlreiche andere, vor allem beliebte Passagiere ihrem hierzuwasser beleibten Sport Walken (man verzeihe mir das unpassende Wortspiel) sprichwörtlich nachgingen oder zuweilen auch -hinkten.

Nichtsdestotrotz: die Etappe wurde pünktlich gestartet und mit allem Eifer betrieben. Da lief erneut Gunther allen davon und überrundete den Chronist gleich drei Mal. Jens war diesmal nicht dabei, denn der hatte eine schwierige Aufgabe übernommen, nämlich zusammen mit Nils die Runden der in rascher Folge vorbeisausenden Runner zu zählen und am Ende noch die Zeit zu stoppen. Hinter Gunther drehte die leichtfüßige Ingalena nun schon mehr auf und ließ Rolf diesmal hinter sich. Dahinter konnte sich wie schon bei der ersten Etappe eine weitere Frau, Christina Wegner (29), eine alleinreisende Kommissarin aus Bremerhaven, erneut gut in Szene setzen und zwischenzeitlich den vierten Gesamtrang übernehmen. Auch der älteste Teilnehmer, Werner Röskenbleck (73) aus Wesel am Niederrhein, hielt sich prächtig im Feld der jungen Spunte. Beide, Christina und Werner, können, wie fast alle Mitstreiter, auf die Erfahrung von mehrfachen Marathonläufen zurückgreifen, hatten aber doch auch mit dem Hauptfeind der Langstreckler, der Hitze und der Luftfeuchtigkeit, nicht in dem Maße gerechnet.

Schon am frühen Morgen war das Laufen nicht mehr so angenehm gewesen. Die neben der Laufbahn arbeitenden Generatoren strahlten zusätzliche Hitze und die angrenzenden Großküchen zwar eigentlich angenehme, für die Läufer aber eher unangenehme Gerüche aus. So zeigten sich mehrere Läufer doch schon einigermaßen angestrengt, obwohl sie die längeren und schwereren Etappen noch vor sich hatten. Was lag da näher, sich nun ganz dem Urlaub auf Deck zu widmen, der überall hörbaren Livemusik zu lauschen oder sich dem vielfältigen kulinarischen Angebot zu ergeben, das mit zahlreichen Spezialitäten aufwartete und viele Köstlichkeiten bereithielt. Überhaupt konnte niemand über das umfassende, ausgewogene und überaus gesunde Essen klagen, das auch für Vegetarier beste Möglichkeiten bot, und das 24 Stunden am Tag.

Darüber hinaus hält die Norwegian Epic für diejenigen, die noch feiner Schmausen möchten, ein halbes Dutzend Nouvelle-Couisine-Restaurants bereit, in denen man sich für einen moderaten Aufpreis seine kulinarischen Genüsse noch edler befriedigen lassen kann. Kurzum: Geht nicht, gibt es nicht auf dem Riesenkahn, wie man in Anlehnung an einen bekannten Werbespruch geneigt ist zu bemerken.

Indes waren unter den Läufern erste kleine Ungereimtheiten bei der Zeitmessung und Rundenzählung der zweiten Etappe aufgefallen. Den M70er Herbert hatte man eine Runde zuviel auf der Bahn laufen lassen, das aber konnte rekonstruiert werden durch einen anderen Läufer, hinter dem er ständig gelaufen war und der ihn nicht überholt hatte. Uli Katzmann (M55) vom Marathonklub Ibbenbüren war das gleiche Schicksal widerfahren, reklamierte dies auch bei der Rennleitung, konnte aber eine Korrektur nicht bewirken. Am Finaltag würde sich herausstellen, dass er genau wegen dieser zuviel gelaufenen Runde den 2. Platz in seiner Altersklasse verpasst hatte.

Er sei zwar ohne Ambitionen hier, meinte er später, aber irgendwie sei ja jeder Läufer auch etwas ehrgeizig. Da sei er im ersten Moment schon etwas sauer gewesen, sagte der Mann mit dem leichten Revierdialekt, aber wichtig erscheine ihm dies keinesfalls.

Von Uli erfährt der Verfasser auf der Rückreise doch Erstaunliches und Erfreuliches. Er habe schon über zehn Marathons gelaufen, und seinen schnellsten davon in 3:13. Auch seine Halbmarathonzeiten von unter 1:30 und die Zeiten über zehn Kilometer von unter vierzig Minuten überraschen doch angesichts der verhaltenen Laufleistung in der Karibik. Die Ursache für das rapide Nachlassen seiner Leistung liege in einem schweren persönlichen Schicksalsschlag und einer eigenen schweren Erkrankung, von der er sich inzwischen körperlich zwar komplett erholt habe. Nur die Psyche habe das alles noch nicht verkraftet. Irgendwann, so Uli, habe er sich aber nach einer langen Pause aufgerafft und sich gesagt, wieder etwas machen zu müssen, mit dem Laufen wieder beginnen nämlich. Das könne ja alles nicht so bleiben.

"Als erstes musste ich mir ein Ziel setzen", bemerkt er nachdenklich, "denn ohne sowas geht es nicht, geht überhaupt nichts." Und so nahm er sich vor, wieder einen Halbmarathon zu laufen, und zwar den in Malta. Ganz zufällig sei er dann auf das Angebot von Laufreisen.de gestoßen, wäre dann mit dem Firmengründer Bernhard Kreienbaum auf Malta gewesen und habe den HM erfolgreich gefinisht. Zwar reichte es nicht mehr zu den früheren Zeiten, aber mit den ordentlichen 1:54 wäre er zufrieden gewesen. Langsam wäre es wieder aufwärts gegangen mit dem Leben und mit dem Laufen, sagt der freundliche Mann aus dem Münsterland, der in der Chemiebranche einem Vermessungsjob nachgeht. Doch dann habe er sich bei einem dummen Unfall an der Badewannenkante den kleinen Zeh gebrochen und sonst noch eine weitere unerfreuliche Geschichte erlebt. Da war erst mal wieder nichts mit Laufen. Die Karibiklaufreise – mit demselben Anbieter – sei jetzt sein erneuter Versuch, die eigene Form zu stabilisieren.

Gleicher Hintergrund (Tequilla-Museum), andere Frau: Doerte wurde 3. Frau
Scheinbar keine Spuren mehr sind zu sehen von der großen Ölkatastrophe vor der mexikanischen Küste

Und dass er wieder ein wenig Ehrgeiz entwickelt hat, darf der Betrachter durchaus als positives Zeichen deuten. Überhaupt zeigt sich hier idealtypisch, inwiefern sich das Laufen positiv auf mentale Befindlichkeiten und Melancholie auswirken kann – eine bei Läufern oft bemerkte, bei Ärzten und Fachtrainern längst bekannte Tatsache, und gleichzeitig die gesündeste und günstigste Therapie ohnehin.

Ulis Formkurve, die zeigt in der Tat nach oben, wie die Karibiklaufreise noch zeigen sollte, davon konnte sich der Verfasser selbst ein Bild machen. Denn nach den fünf Einzeletappen, stand am letzten Tag an Bord ein Staffelrennen auf der Schiffslaufbahn auf dem Programm, das den Läufern den wohl größten Spaßfaktor bescheren sollte auf dieser Reise. Die Organisatoren hatten sich nämlich etwas ganz besonderes ausgedacht. Je zwei Läufer sollten eine Staffel bilden, der schnellste mit dem langsamsten, der zweitschnellste mit dem zweitlangsamsten und so fort. Das würde ausgeglichene Rennen bedeuten. Je zwei Staffeln sollten gegeneinander rennen, aber es galt nicht das KO-System, sondern die drei schnellsten Staffeln sollten einen verkürzten Endlauf über 2x2 Runden bestreiten. Die Vorläufe gingen über 2x4 Runden.

Und wie es der Zufall so wollte, so hatten Uli und der Chronist eine Staffel zu bilden und im letzten der vier Vorläufe anzutreten, in dem drei Läuferduos dabei waren. Dieses Rennen konnten die beiden M55er, nicht zuletzt wegen der guten Leistung von Uli, für sich entscheiden, jedoch reichte es in der Gesamtwertung nur zu Platz vier und damit nicht zum Endlauf. Ein paar mehr Wochen Training bei Uli, dann hätte es schon klappen können, oder auch bei schon fortgeschrittener Gesundung seines Partners, denn der hatte sich drei Wochen zuvor bei einem Fahrradunfall schwere Prellungen und einen Rippenbruch zugezogen. In diesem Punkt war sich das Staffelduo einig, nicht ohne Respekt aber vor den Leistungen der anderen, von denen noch zu berichten sein wird.

Die kleinen Probleme bei der Rundenzählung und Zeitnahme der zweiten Etappe waren nicht die einzigen organisatorischen Unwägbarkeiten der Läufe. Da gab es solche, die auf höhere Gewalt zurückzuführen waren und für die das Orgateam keine Verantwortung trägt, aber wenige andere Dinge könnten in Zukunft verbessert werden. Luft nach oben ist da sicher noch.

Höhere Gewalt war beispielsweise bei der dritten Etappe an der mexikanischen Costa Maja im Spiel, als drei der Läufer nicht mehr rechtzeitig vom Schiff gelassen wurden, da ein anderer Kreuzfahrtriese auf der anderen Seite des Piers anlegte. Die Gesetzeslage verlangt dann, dass das andere Schiff dann niemand von oder an Bord lassen darf. Die Orga-Leitung hat hier hervorragend reagiert, den Start verschoben und die fehlenden Läufer später selbst vom Schiff geholt. Dass man nun über eine Stunde später als geplant auf die Strecke geschickt werden konnte, hatte zwar den Nachteil, dass es inzwischen noch heißer geworden war, aber dass einzelne Läufer fehlen würden, dass hätte keiner dieser inzwischen gut zusammengewachsenen Gemeinschaft gewollt.

Ein anderer Fall von höherer Gewalt ereignete sich bei der letzten Etappe. In der Nacht hatte es heftig geregnet. Der Lauf sollte zehn Kilometer durch einen Nationalpark zu einer weitläufigen Maja-Ruinen-Siedlung führen, am Ende gar auf einem einer Trailstrecke nicht unähnlichen Abschnitt. Durch den Regen allerdings würden auf den betroffenen Kilometern die Schlangen aktiver, die für Läufer nicht immer zu erkennen seien und von daher nicht ungefährlich wären. Auch für Moskitos und anderes Getier, das die Feuchtigkeit liebt, könnten die Läufer willkommene Zielpunkte werden. So jedenfalls die Informationen der Einheimischen. Die Rennleitung reagierte verantwortungsvoll und kürzte die Strecke um jenen Abschnitt von zehn auf 6,7 km.

Bunte Läden laden in Mexiko zum Shoppen ein
Das Reisegefährt festgezurrt am Pier

Andere Dinge – Kleinigkeiten ohne Frage – sind zukünftig noch verbesserungsfähig. Zum Beispiel könnte die besagte zweite Etappe auf der Schiffslaufbahn in zwei Rennen aufgeteilt werden, wobei die jeweils pausierenden Läufer sich als Rundenzähler betätigen könnten. Zu zweit sind 22 Läufer einfach nicht zu erfassen, wie beispielsweise von langen Bahnwettbewerben oder Stundenläufen her bekannt ist. Da werden einem Zähler bestenfalls vier Läufer zugeordnet. Auch könnten sich mit relativ geringem Aufwand eine bessere Wasserversorgung auf der Strecke erreichen lassen oder eine übersichtlichere Dokumentation der Zwischenwertungen.

Denn nach jeder Etappe wurden auf dem Ausdruck nur die Platzziffern anstatt die Gesamtzeit addiert. Es hatte bis zuletzt geheißen, dass die Platzziffer für die Platzierung maßgeblich sei. Zur allgemeinen Verwunderung wurde diese Regelung bei der Siegerehrung aufgehoben. Jens hatte bis spät abends die Gesamtzeiten mit Taschenrechner addiert, wodurch sich in der Hektik zwar nur kleine (aber in wenigstens einem Fall ein entscheidender) Rechenfehler einschlichen, und auch die Situation an der Spitze sich ganz anders gestaltete, wie die Betroffenen drei Läufer es vermeinten. Mit einem anderen Zeitmesssystem und einem etwas weiterentwickelten Programm, welche leicht zu beschaffen sind, dürfte das Problem zukünftig aus der Welt zu schaffen sein und auch aus der Welt geschafft werden, wie der Cheforganisator einzuschätzen ist.

Denn das Kapital, das weiß Nils Krekenbaum und lässt bei der Erläuterung seiner Unternehmens- und Sportlerphilosophie auch keinen Zweifel daran, ist die Zufriedenheit seiner Kunden – auf sportlicher und Urlaubsebene gleichermaßen. Alle sollen ja eine schöne Erinnerung behalten und wiederkommen, so wie Uli Katzmann und viele andere auch. "Ich hoffe", sagt Nils, "dass jeder merkt, dass wir mit Leidenschaft und Begeisterung dabei sind, und nicht nur als Organisatoren von Sportreisen fungieren." Denn dass sie wirklich auch immer vor Ort seien, das wäre bei Konkurrenten durchaus nicht immer üblich. So hätten sich einige Anbieter beim kürzlich durchgeführten Athen-Marathon auf die griechischen Partner verlassen, und das habe zu verstärkten Problemen geführt. Er aber sei selbst in Athen gewesen, habe seine Klientel persönlich vom Flughafen abgeholt und die Modalitäten des Laufs erklärt.

In der Tat fährt Nils bei jedem seiner Laufreisen selbst mit, meist mit ein oder zwei Mitorganisatoren. Das bedeute für ihn einen erheblichen Mehraufwand an Zeit und Kosten, aber für seine Kunden im Umkehrschluss mehr Service, Sicherheit und Komfort. Nicht leicht sei dieses viele Reise für ihn und seine Familie, zumal das dritte Baby unterwegs ist, aber obwohl es kaum zu glauben ist, sei er jetzt mehr zu Hause als früher, als er noch als Anwalt tätig war. Das Reisen gehöre für ihn zum Kundenservice, und als Reiseführer könne er bestens früher gemachte Erfahrungen einbringen, die er in diesem Job als Student über viele Jahre gemacht habe.

Wichtig ist ihm, dass sein Programm überschaubar bleibt, dass die Sportreisen – vornehmlich zu außergewöhnlichen Marathons – und auch seine Laufseminare im Ausland immer mit einem größeren Kulturprogramm und flankierenden Ausflügen verbunden seien, und vor allem, dass seine Preise fair kalkuliert werden. Bei der Karibikreise, das darf man bestätigen, ist dies gelungen, denn die ist inklusive aller Flüge, acht All-Inclusive Bordtagen, Startgeldern, einer Hotelübernachtung und aller Transfers schon ab knapp 1200 Euro zu haben, wobei nach oben freilich kaum Grenzen gesetzt sind.

Dass und warum sich die Läufer nun für eine Kombination von Laufen und Kreuzfahrt entschieden hatten, das beantworteten die befragten Mitreisenden ganz unterschiedlich und war abhängig von der eigenen Interessenslage, der persönlichen Situation und auch den zeitlichen und pekuniären Möglichkeiten. (Warum sie sich – noch – nicht dafür entschieden hatten oder generell dagegen entscheiden würden, konnte freilich nicht eruiert werden, denn diese Klientel war ja nicht an Bord und konnte nicht interviewt werden.)

Mexiko ist bunt, vor allem aber rot ...
... hat aber auch Kunst zu bieten

"Auch wenn ich mit Figurproblemen zu kämpfen habe", betonte die 59jährige Regina Lingemann aus dem niedersächsischen Dorf Uetze bei Hannover im Modus pluralis majestatis, so sei ein solcher All-Inclusive-Urlaub durchaus das Richtige für sie und ihren gleichaltrigen, drahtigen Mann Rainer. "Denn Genießer sind wir beide, nicht zuletzt in kulinarischer Hinsicht." Laufen täte sie selbst schon lange nicht mehr, etwa seit der Geburt ihres inzwischen erwachsenen Sohnes und der Pflege der Mutter, aber gemeinsam hatten die Eheleute diese Leidenschaft vor 25 Jahren begonnen. Nun habe sich die erfahrene Kreuzfahrerin Regina auf ostasiatische Bewegungsformen festgelegt, die sie regelmäßig ausübe, unter anderem Yoga. Rainer hingegen, der auch kein Kreuzfahrtneuling ist, ist beim Laufen geblieben, hat alle Distanzen bereits absolviert und war neugierig auf eine solche Etappenreise.

Viel Überredungskunst habe er nicht benötigt, um seine Gattin mit auf die Reise zu nehmen. Und die Länge von gut einer Wochen wäre für sie genau das Richtige, da man lieber drei bis vier Mal im Jahr kürzer in Urlaub fahre als ein oder zwei mal länger, sagt der Maschinenbauingenieur und leidenschaftliche Taucher. Beiden habe der Aufenthalt an Bord sehr gut gefallen, und Rainer zusätzlich auch die Etappenläufe. Er wolle auch auf der Homepage seiner Laufgruppe einen Bericht darüber verfassen und könne sich durchaus vorstellen, so etwas wie die Karibikfahrt zu wiederholen.

Ein bisher nicht unternommenes Experiment sei die Kreuzfahrt für ihn gewesen, sagt der Single-Reisende Rolf Bohrer im Gespräch, die genau zwischen seine Trainingspläne für die Bahnsommersaison und die winterliche Hallensaison passe. Sie ersetze ihm in gewisser Weise einige Straßen- und Crossläufe, die er im Herbst gewöhnlich einstreue. Im Gegensatz zu Hobbyläufer Rainer ist Rolf ein ambitionierter Leistungsläufer, der gerade in die AK M50 gewechselt ist und hier deutscher Vizemeister über 800 Meter ist. Schon mehrfach war er auch in jüngeren Jahren Landesmeister auf der Mittelstrecke gewesen und hatte an internationalen Meisterschaften teilgenommen. Auch jetzt plant er Starts bei der Hallen-EM in Belgien und vielleicht auch einmal bei einer Senioren-WM. Dabei ist er auch bei Straßenläufen erfolgreich gewesen mit Zeiten von 33 Minuten über 10 km, 1:19 im HM und 2:48 im Marathon.

Dem Verein TUS Neureut angehörig, startet er seit Urzeiten für die LG Karlsruhe und ist auch Mitorganisator eines Volkslaufs in seiner Heimatgemeinde. Für den leitenden Krankenkassenbetriebswirt und vielreisenden Aktivurlauber komme eine ähnliche Kreuzfahrt eher nicht wieder in Betracht, nicht, dass es ihm nicht gefallen habe, aber das sei doch nicht ganz seine Form von Urlaub und eine Woche wäre völlig ausreichend. Zufrieden zeigte er sich mit der Betreuung und darüber, dass alles so entspannt und gelassen vor sich gehe bei der Organisation. Überrascht sei er auch von seiner guten Form, habe sein akribischer Trainingsplan doch schon lange keine Tempoeinheit mehr vorgesehen.

Für Christina Wegner hätte der Urlaub im Gegensatz zu Rolf durchaus noch deutlich länger sein können, weshalb sie als einzige aus der Gruppe noch ein paar Tage in Miami dranhängen wollte. Ihre Begründung für die Mitfahrt lag ganz woanders. In den letzten fünf Jahren war sie regelmäßig immer je zwei Marathons gelaufen. Im letzten Frühjahr war dann ihr Supergau passiert, sie stürzte beim Spazierengehen so unglücklich, dass sie sich den kompletten Unterschenkel auf die komplizierteste Weise brach. Lange Narben zeugen noch von diesem Missgeschick, das einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, Reha-Maßnahmen und Physiobehandlungen zur Folge hatte sowie eine halbjährige Krankschreibung. Nun war sie wieder hergestellt, hatte mit dem Laufen wieder begonnen und wollte sich mit der Karibikfahrt einen zweifachen Wunsch für die erlittene Unbill erfüllen. Einen schönen, sorglosen Urlaub in warmen Gefilden mit großem Spaßfaktor und Fortschritte im sportlichen Bereich hin zu ihrer Normalform.

Auch hier vorrangig rot, so wie des Mexikaners liebstes Gefährt, der VW-Käfer Auf dieser Uferpromenade mit Leuchtturm fand die 3. Etappe statt

Auch der Aspekt, in einer gleichgesinnten Reisegruppe fahren zu können, sei ein Aspekt für sie als Alleinreisende gewesen. Zum Laufen war die kontaktfreudige ehemalige Tischtennis-Oberligaspielerin durch ihren Beruf gekommen, bei dem immer wieder Ausdauertests gefordert sind. Erst habe sie das widerwillig absolviert, aber irgendwann wäre der Funke übergesprungen und sie habe Feuer gefangen. Besonders interessant auf der Fahrt war für Christina auch die Bekanntschaft der Kabinengenossin Ingalena Heuck gewesen, deren Trainingsprogramm und Disziplin sie stark beeindruckt habe. Auch habe sie der lockere und spaßige Umgangston mit ihr erfreut.

Mit dem Laufen konnte sie Fortschritte verzeichnen, aber die Schmerzen im Bein waren noch nicht ganz verschwunden, vor allem bei der letzten Etappe nicht, die auf holprigem Untergrund zu absolvieren war. Bald könne sie aber wieder für ihren Verein, die Fishtown Runners Bremerhaven an den Start gehen, zunächst wohl noch über die Unterdistanzen, aber vielleicht schon im Mai bei ihrem Lieblingsmarathon in Hamburg.

Vorrangiger Buchungsgrund für die Karibiklaufreise war für die bei Passau wohnhafte Doerte Honnacker ihr ausgeprägtes Kulturinteresse, insbesondere die Geschichte der indianischen Urbevölkerung fasziniere sie. Über Majas, Inkas und Azteken habe sie sich schon viel Wissen angelesen. Auch wollte die 49jährige Ehefrau und Mutter einer erwachsenen Tochter einmal eine Reise außerhalb Europas machen. "Eine Wiederholung oder ähnliche Reise ist durchaus denkbar", sagt die frischgebackene Marathonläuferin, die die Königsdisziplin erstmals im Oktober 2010 in München bewältigt hatte. Insgesamt zeigte sie sich mit dem Verlauf der Reise sehr zufrieden, auch wenn die Läufe in der Hitze recht anstrengend gewesen seien und die Organisation auf sie manchmal etwas improvisiert gewirkt habe. "Erfreut bin ich", so die leitende Einkäuferin eines Krankenhauses, "über die Bekanntschaft so vieler netter Läufer" – dies sei auch ein Grund, noch mal, vielleicht bei einer organisierten Marathonreise, dabei zu sein.

Für Frank Baumann und seine Frau Marita stellte die Karibikreise schlicht eine verdiente Belohnung für eine vierjährige Plackerei beim eigenen Hausbau dar. Das wurde nämlich eine Sonderkonstruktion, bei der viel Eigenarbeit einfloss. Über die ganze Zeit habe man keinen Tag Urlaub mehr machen können, und nun sollte es ein besonderer werden. In den vier Jahren habe er auch keine Zeit mehr für das Laufen gefunden, meinte der einstmals schnelle Mann. Nun fange er langsam wieder an und wolle das auf dem Schiff fortsetzen. So schlage man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, betonte das sympathische Paar von der Saar.

Auf dem Schiff wirkte die kleine deutsche Läufertruppe zuweilen etwas exotisch unter den übrigen Kreuzfahrern, am auffälligsten vielleicht konstitutionell, denn viele XL oder XXL-Konfektionsgrößen aus US-amerikanischen Landen waren zugegen. Aber auffällig war die Gruppe auch, wenn sie, ausgezeichnet mit Startnummern, von Bord ging oder wieder eincheckte, wenn sie ihre Läufe oder das Training auf der Schiffslaufbahn absolvierte oder sich zum abendlichen Essen traf.

Bei den drei Landgängen wurden dann so früh wie möglich die Etappen drei bis fünf an der mexikanischen Costa Maja (10km), der honduranischen Insel Roatan (7,6km) und der größten mexikanischen Insel Cozumel (6,5km) ausgetragen, allesamt bei heftigen klimatischen Bedingungen, die Vorsicht geboten bei Renntempo und Renneinteilung. Vorne gewann Ingalena Heuck nach zwei zurückhaltenden ersten Teilstücken nun die dritte und vierte Etappe in Folge, ohne sich jedoch voll ausgeben zu müssen oder zu wollen. Dahinter schwächelte Gunther auf diesen beiden Etappen etwas, nachdem er die beiden ersten Etappen souverän gewonnen hatte, und ließ sich von Rolf jeweils auf Platz drei verweisen. Letzterer hatte seine beeindruckende Spurtkraft auf Etappe drei ausspielen können, beim Berglauf in Honduras konnte er Gunther sogar annähernd fünf Minuten abnehmen. So war auf der fünften Etappe beim Spitzentrio noch eine gewisse Spannung aufgekommen, zumal die Abstände eng waren.

Dann, auf Cozumel, kam Gunther überraschend zurück und gewann die Etappe knapp vor Ingalena und deutlich vor Rolf, der heuer einen schwachen Tag hatte und bewusst abreißen ließ, aus Vernunftsgründen seinem Körper gegenüber, wie er betonte. Nach Platzziffern wären Gunther und Ingalena nach fünf Etappen nun gemeinsam gleichauf erste gewesen und Rolf dritter.

Rainer und Regina aus Niedersachsen sind erfahrene Weltreisende Diese Bucht war das Ziel der 4. Etappe, einem Berglauf auf der schönsten Insel von Honduras: Roatan. Jens - stehend - genießt nach dem Lauf den Ausblick

Hinter dem Führungstrio ließen sich die verbliebenen Läufer auf den schönen drei Etappen mehr Zeit als jene drei und genossen dafür die phantastischen Ausblicke und exotischen Landschaften, denn deren Streckenführung konnte überaus beeindrucken und gefallen.

An der Costa Maja verlief die Strecke zu großen Teilen auf der gepflasterten, gut zu laufenden Uferpromenade mit herrlichem Blick aufs Meer und den schneeweißen Strand zur einen Seite und eine dörfliche Ansiedlung zur anderen. Rückzu, denn es war eine Wendepunktstrecke, war es dann umgekehrt. Vielleicht die Königsetappe der Tour war dem vierten Teilstück vorbehalten. Hier hatten die Läufer einen, hundert Höhenmeter umfassenden, kräftigen und steilen Anstieg ab km vier zu bewältigen. Die Anstrengungen wurden aber dann mit einem besonders schönen Panoramablick auf eine idyllische Bucht beim Bergablaufen versüßt, an deren Strand die meisten Läufer dann den Rest des Tages in Manier eines Badeurlaubs verbrachten – leckeres Fischmenü und ausgiebige Massage inbegriffen. Eine Besonderheit hielt die letzte Etappe für die Läufer bereit, die durch einen weitgehend autofreien Nationalpark führte und zum Ziel eine frühzeitlichen Maja-Ruinensiedlung hatte, die alle Langstreckler nach absolvierter Distanz kostenfrei besichtigen konnten.

In der Regel waren die Läufe zwischen zehn und elf Uhr beendet. Der Rest des Tages bis zur Abfahrt des Schiffes stand dann zur freien Verfügung. Einige nutzten die Zeit für Landausflüge zu kulturhistorisch bedeutenden Stätten, andere buchten einen Tauchkurs, u. a. zum weltweit zweitgrößten Korallenriff in der Nähe der Insel Roatan. Auch Shoppen in den vielen kleinen Läden war ein beliebter Zeitvertreib, nur getoppt von genüsslichen Strandnachmittagen in reizvoller Umgebung.

Während der Seetage blieb viel Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen und sich kennenzulernen. Die versammelte Läuferschar teilte sich zur Hälfte in Alleinreisende und Paare auf, das Alter reichte von 24 bis Mitte siebzig, gruppierte sich aber in der Mehrzahl im Bereich von 45 bis 55 Jahren. Auffällig war die große Anzahl von Akademikern und Teilnehmern in gehobenen beruflichen Positionen. Aber nicht für alle war die Reise ohne weiteres erschwinglich gewesen, ein Blick auf die finanziellen Reserven im Vorfeld bei manchen schien durchaus angebracht. Im Prinzip entsprach die Mischung der Teilnehmer in recht genauer Weise der Klientel, die Veranstalter Nils auch schon bei anderen Reisen konstatieren konnte: bei den einen stehe der Urlaub und die Geselligkeit im Vordergrund, bei den anderen der Sport und bei den dritten die Kultur oder die Mischung aus allem.

Am vorletzten Tag kam es am Morgen dann zur internen Siegerehrung und Ausgabe der vom Kapitän unterschriebenen Urkunden. Da wurde dann – wie bereits erwähnt – erläutert, dass man nun die Reihenfolge doch nach Gesamtzeit bestimmt habe und nicht nach Platzziffer, was vor allem für Gunther und Rolf eine Überraschung bot. Denn ersterer verlor seinen gemeinschaftlichen ersten Platz, und letzterer rückte von drei auf Rang zwei vor. Ganz oben auf dem Treppchen aber stand mit Ingalena – keinesfalls überraschend – eine Frau, die gleichzeitig jüngste Teilnehmerin war und sich nun erste Karibiklaufmeisterin "schimpfen" kann. Und so gestaltete sich die Reihenfolge nach 35,2 absolvierten Kilometern:

1. Ingalena Heuck, 2:21:46 (Schnitt 4:02/km), LG Stadtwerke München
2. Rolf Bohrer, 2:24:38 (4:06), LG Karlsruhe, gleichzeitig erster Mann
3. Gunther Wellhausen, 2:26:26 (4:09), vereinslos, zweiter Mann
4. Frank Baumann, 3:05:51 (5:16), vereinslos, 3. Mann
6. Christina Wegner, 3:11:59 (5:27), Fishtownrunners Bremerhaven, 2. Frau
9. Doerte Honnacker, 3:33:58 (5:44), LG Aunkirchen, dritte Frau

Geehrt wurden aber auch noch andere Läufer, beispielsweise der älteste Teilnehmer Werner Röskenbleck, der als Gesamtachter eine bemerkenswerte Leistung abgeliefert hatte und eigentlich nur durch einen Rechenfehler nicht auf sieben landete, denn er war in der Tat minimal schneller gewesen als der Chronist. Werner war 3:16:47 gelaufen, Michael brauchte zwei Sekunden länger. Letzterer wurde einer von nur zwei Altersklassensiegern M55, denn wenigstens drei Teilnehmer mussten am Start sein. Der andere wurde in der M40er Klasse ermittelt, es war Gunther aus München.

Spuren der Mayas auf Cozumel Jochen nach der letzten Etappe auf Cozumel vor einer Maya-Ruinensiedlung Immer fröhlich: Sabine, Frau von Peter, gehörte wie ihr Mann zu den 17 Läufern, die bei allen Etappen finishten

Eine Ausnahme unter den Karibikreisenden stellte Ingalena Heuck insofern dar, als ihre Reise komplett vom Veranstalter finanziert worden war. Mit zur Unternehmensphilosophie, so erläuterte Nils Krekenbaum nämlich, gehöre es, bei jeder solchen Reise einen Topathleten oder eine Topathletin dabeizuhaben, die sich im Gegenzug bereit erkläre, an den Etappen teilzunehmen, aber immer so, wie es der Heimtrainer empfiehlt. Ingalena ihrerseits hatte die Annahme der Reise zunächst mit ihrem Trainer Pierre Ayadi, der sie von Dortmund aus aus der Ferne trainiert, intensiv diskutiert. Beide waren dann zu einer Zusage gelangt, da sich die Etappenläufe prima in den Makro- und Mikrotrainingszyklus einbauen ließen. Gleichzeitig bot die Reise Gelegenheit, schöne Photos in der Laufbekleidung ihres Ausstatters anfertigen zu lassen, die der bekannte Photograph Armin Schirmaier, hauptsächlich während der Landausflüge machte.

Nicht unproblematisch allerdings war für die Profisportlerin die Reise in Beziehung ihres fortgeschrittenen Studiums der Sportwissenschaften in München gewesen, da dort der volle Vorlesungsbetrieb längst wieder im Gange war und in Kürze die Abschlussprüfungen und die BA-Arbeit anstehen würden. Dreißig Stunden nehme zurzeit ihr Studium in Anspruch, wie die 24jährige in einem eigens für die Reise-Laufgruppe gehaltenen Vortrag über Leistungssport erläuterte. Da sei es auch schwierig, die bis zu 14 wöchentlichen Training-, Kräftigungs- und Physiotherapietermine inklusive Saunabesuche und Ausgleichssportarten unter einen Hut zu bringen. Das gehe nur, wenn man seinen Sport zu hundert Prozent lebe, nicht allein vom Körper her, sondern vor allem mental und psychisch.

Und dazu ist die Langstrecklerin, die zunächst Handball spielte und erst verhältnismäßig spät, mit 18, zum Laufen kam, gerne und mit voller Überzeugung bereit. In der Tat liest sich die bisherige Erfolgsliste beeindruckend. 2005 wurde sie deutsche Jugendmeisterin im Crosslauf. 2008 folgten dann Deutsche U23-Meisterschaften über 5000 und 10.000 Meter auf der Bahn sowie im 10-km-Straßenlauf. Im Erwachsenenbereich wurde sie deutsche Vizemeisterin über 5000 m. Im Jahr darauf kam Leni, wie sie überall gerufen wird, zur Bronzemedaille beim Halbmarathon in Altötting und zur Silbermedaille bei der Deutschen Meisterschaft im 10-km-Straßenlauf. 2010 schließlich wurde sie zunächst Dritte bei der Deutschen Meisterschaft im Crosslauf und errang dann ihren ersten nationalen Titel über die Halbmarathondistanz. Einen Monat später wurde sie bei der deutschen 10.000-m-Meisterschaft Dritte. Ihre Bestzeiten liegen im hohen 33er Bereich über 10km, bei 1:14 im HM und bei 2:48 im Marathon, den sie kürzlich in Frankfurt allerdings erstmals als Schnupperlauf bestritt und sicher schon deutlich schneller laufen kann.

Vorrangiges Ziel der trainingsfleißigen Läuferin soll die Olympiateilnahme in London über die Langdistanz sein. Hier rechnet sie sich und ihr Trainer bessere Chancen aus als über zehn Kilometer, trotz stärkster nationaler Konkurrenz. Voraussetzung wird die Unterbietung der nationalen Olympianorm sein, die bei 2:31:30 liegt, was bei Leibe kein Pappenstiel ist. Doch wenn die Prüfungen an der Uni vorbei seien, dann wäre Zeit für ein noch intensiveres Training und entsprechende Trainingslager, weshalb sie den Qualifizierungsmarathon eher am Ende von 2011 liegen sieht, welcher es im Endeffekt werden soll, stehe allerdings noch nicht fest.

Am letzten Nachmittag auf dem Schiff mussten die Läufer in einem sechsten Rennen noch einmal ´ran. Die schon vorgestellte Staffel stand als kurzweiliger Abschluss auf dem Programm, an der fast alle Mitstreiter, auch die zwischenzeitlich pausierenden, wieder dabei war. Auch Jens konnte wieder starten. Gelaufen wurden etwa 3,5 km von jeder Staffel, exakt die Hälfte von jedem der Läufer. Am Ende holten sich etwas überraschend, aber mit deutlichem Vorsprung Christina und der bisher kaum in Erscheinung getretene Wolfgang unter dem Jubel der anderen den Sieg. Das Duo war vornehmlich aus dem Grund so stark, weil der Mann des Teams die Etappenläufe – seiner Frau zuliebe – langsam gelaufen war, in der Gesamtplatzierung weit hinten rangierte, und nun voll aufdrehen konnte. Dagegen hatte am Ende kein anderes Team eine echte Chance.

Langsam wurde es – nach einem letzten gemeinsamen Abendessen – Zeit zum Abschiednehmen. Schon am nächsten Morgen stand in der Frühe das Auschecken an, wonach sich die gut zwei Dutzend Mitreisenden auf verschiedene Flieger verteilen würden.

Jens bei den Männern und Ingalena bei den Frauen waren die schnellsten der Karibikgruppe Mit 73 war Herbert der älteste, aber bei weitem nicht der langsamste Läufer: im Gegenteil - Platz 7 für ihn. Und seine Frau hat ihn gerne begleitet, wie schon so oft

Am letzten Abend und noch im Bus wurden fleißig Anschriften und Emailadressen ausgetauscht, denn nicht wenige zeigten sich an einem weiterführenden Kontakt interessiert. Auch wurden locker Verabredungen bei späteren Laufreisen oder irgendwelchen Läufen in der Heimat getroffen. So rief Christina einem Läufer aus ihrer Region hinterher, nicht zu vergessen, ihr mitzuteilen, wann er demnächst wo laufe. Man könne sich doch schon in Kürze bei einem örtlichen Silvesterlauf wiedertreffen. Auch Uli ließ durchblicken, beim Crosslauf in Löningen am 5.3.2011 mitlaufen zu wollen, wo auch die Deutschen Crossmeisterschaften ausgetragen würden und Ingalena einen Start in Erwägung zog. Hinzu gesellen wollte sich auch der Chronist. Doerte und andere spekulierten mit einer gemeinsamen Teilnahme am EWE-Nordseelauf im Sommer, und Rolf würde vielleicht den ein oder anderen AK-Läufer bei einem Seniorensportfest wiedersehen.

Werner, der 73jährige, sprach bereits von seiner nächsten Reise mit demselben Unternehmen im Herbst 2011. Er wolle im nächsten Jahr die Wanderung durch die Rocky Mountains in Angriff nehmen. Als er das sagte, da zog die um seine Gesundheit besorgte Ehefrau doch merklich die Augenbrauen hoch: das sei in dem Alter doch viel zu anstrengend, bemerkt sie. Doch das einvernehmliche Lächeln des harmonischen Paares ließ beim aufmerksamen Beobachter keinerlei Zweifel darüber aufkommen, dass sich hier ganz sicher eine Lösung ergeben würde und die beiden nicht dem kleinsten Konfliktchen auch nur den Hauch einer Chance geben würden. Ein schönes Bild zum Schluss.

Bericht und Fotos von Michael Schardt

Info www.laufreise.de

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