22.2.09 - 42. Powerade Peninsula Marathon Kapstadt (RSA)

Traditionslauf in völlig neuem Gewand

von Ralf Klink

Es ist nun wahrlich kein Neuling, den man da Ende Februar 2009 in Kapstadt unter die Füße nehmen kann. Bereits zum zweiundvierzigsten Mal ist der Peninsula Marathon ausgeschrieben. Und wäre die im Jahr 1964 beginnende Serie nicht von 1994 bis 1997 unterbrochen worden, es könnten sogar noch ein paar Rennen mehr sein, die unter diesem Namen stattgefunden hätten.

Doch es ist in diesem Jahr vieles neu an diesem Traditionslauf. Nicht ganz freiwillig allerdings. Gewollt haben die Organisatoren das nämlich ursprünglich keineswegs. Viel eher ist es eine aus äußeren Zwängen geborene Notlösung, die den Charakter des Marathons drastisch verändert hat.

Bisher wurde bei der Veranstaltung stets eine Strecke belaufen, die vom nahe der Innenstadt gelegenen Green Point durch die Vororte der Millionenmetropole hinaus zur False Bay und dann an deren Ufer entlang zum Ziel in Simon’s Town führte. Aber genau diese Küstenstraße wird nun mit einer Großbaustelle grundsaniert. Ein Nadelöhr, das man bei auch nur ungefährer Beibehaltung der gewohnten Strecke einfach nicht hätte umgehen können.

Dass außerdem in der Nähe des Startortes mit dem Green-Point-Stadion eine neue Großarena für die Fußball-WM 2010 errichtet wird, half den Organisatoren bei ihrer Entscheidung für ein anderes Konzept und gegen die traditionelle Route durchaus. Denn dort wäre deshalb ebenfalls mit einigen Behinderungen zu rechnen gewesen.

Und noch ein weiterer Punkt für die Umplanung wird angeführt. Es geht da um die auch in Südafrika immer weiter steigenden Kosten für Streckensicherung und Kontrolle des Autoverkehrs, die bei einem zu großen Teilen mitten durch die Stadt führenden Kurs mit unzähligen zu beaufsichtigten Kreuzungen natürlich ungleich höher ausfallen würden.

Dass ausgerechnet in diesem Moment auch noch der bisherige Hauptsponsor seinen Abschied erklärte, brachte das Fass dann endgültig fast zum Überlaufen. Sogar eine vollständige Absage soll angesichts all dieser Stolpersteine beim ausrichtenden Club der Celtic Harriers im Gespräch gewesen sein.

Kurz nach dem Start auf der Küstenstraße

Lange steht jedenfalls außer dem in einigen Terminlisten aufgenommenen Veranstaltungsdatum ziemlich wenig fest. Und wer aus dem Ausland versucht, an Informationen heran zu kommen, wird nicht wirklich fündig. Weder auf der Internetseite der Celtic Harriers noch auf der Webpräsens der eingebundenen Agentur Topevents gibt es Mitte Januar – gerade einmal sechs Wochen vor dem Marathonwochenende – etwas über die genauen Abläufe zu entdecken. Von Planungssicherheit keine Spur.

Was für Läufer aus der Region zwar ärgerlich, aber doch noch irgendwie erträglich ist, stellt sich für aus dem Ausland anreisende Teilnehmer, die das Rennen mit einem Urlaub verbinden wollen, als echtes Problem dar. Da ist erstens die Überlegung, ob die Veranstaltung überhaupt stattfindet oder ob man seine Urlaubstage am Ende zwar für Ferien am Kap aber nicht für den Peninsula Marathon investiert hat.

Und selbst wenn der Lauf dann doch statt finden sollte, gibt es die Frage, wo das denn sein wird. Schließlich war in den vergangenen Jahren der Start bereit um Viertel nach fünf. Und auch in den ursprünglichen Informationen für 2009 ist diese Zeit angegeben. Bei so einem frühen Termin ist es gar nicht so schlecht, wenn man am richtigen Ende der Stadt Quartier genommen und nicht auch noch eine lange Anfahrt vor sich hat.

Dabei wird in den wenigen vorhandenen Kurzangaben immer darauf Wert gelegt, dass der Peninsula Marathon „strictly a pre-entry event“ sei. Nur Voranmeldungen würden entgegen genommen und diese auch nur bis etwa zwei Wochen vor dem Lauf. Allerdings kann man die Meldungen selbst dann noch nicht abgeben, als die ersten Tage des neuen Jahres bereits längst schon wieder vorbei sind.

Aber schließlich taucht dann auf der Internetseite der Harriers doch noch die Nachricht auf, dass man mit den Behörden über eine neue Strecke verhandeln würde. Das Ziel bliebe in Simon’s Town. Die beiden Startpunkte – neben einem Marathon wurde und wird nämlich auch ein Halbmarathon angeboten – würden sich allerdings ebenfalls im südlichsten Kapstädter Stadtteil finden.

Wer sich nun bereits in der City eine Unterkunft gesucht hatte, muss umplanen oder genau das in Kauf nehmen, was er eigentlich vermeiden wollte, nämlich eine längere morgendliche Anfahrt. Dafür ist der Start allerdings auf sechs Uhr verschoben. Das ist zwar alles recht kurzfristig, doch zumindest herrscht jetzt endlich halbwegs Klarheit. Wenig später kommt die Bestätigung. Der Kurs ist genehmigt, der Lauf findet endgültig statt. Und schon – kaum mehr als einen Monat vor dem Marathon – ist auch endlich die Online-Anmeldung auf.

Man sei sich bei den Diskussionen klar geworden, dass man in der Region Kapstadt einfach noch einen Qualifyer für den Two Oceans gebraucht hätte, liest man als Begründung von den Celtic Harriers. Was durchaus auch im eigenen Interesse ist, denn der bekannte Kapstädter Ultra wird vom gleichen Verein ausgerichtet und organisiert.

Und weit über zweitausend Meldungen, die innerhalb von kurzer Zeit eingehen, bestätigen diese Aussage. Zwar kommt man damit nicht an die Zahlen von 2008 und 2007, wo jeweils mehr als fünfzehnhundert Läufer auf der vollen und tausend auf der halben Distanz ins Ziel kamen, heran. Aber nach der langen Hängepartie ist der Wert wohl dennoch überzeugend genug, um die Entscheidung für die Austragung als vollkommen richtig anzusehen.

Auf der Kommetjie Road Anstieg zum Black Hill bei Kilometer 9 Versorgung am Anstieg

Doch nicht alle sind wirklich zufrieden mit den Veränderungen. In einigen der auch in Südafrika inzwischen existierenden Online-Foren finden sich durchaus kritische Stimmen. Die neue Strecke sei deutlich schwerer als die alte, ist dort zu lesen. Und das wäre für diejenigen, bei denen es mit der Qualifikationszeit eng werden könnte, schon ein Problem.

Und auch für das sogenannte „seeding“, die nach der – bei der Meldung zum Two Oceans mit anzugebenden – Vorleistung vorgenommene Einsortierung in die entsprechende Startgruppe, hätten die nun zu erwartenden schwächeren Zeiten eine Bedeutung. So mancher würde dadurch schließlich in einem weiter hinter platzierten Block landen.

Ganz unberechtigt sind die Einwände der Skeptiker nicht. Denn auch objektiv betrachtet ist die neuen Strecke langsamer geworden, da sie mit deutlich mehr Höhenmetern als zuvor daher kommt. Doch dafür ist der Marathon nun auch wirklich im Herzen der Cape Peninsula, der Kaphalbinsel angekommen, die er seit viereinhalb Jahrzehnten im Namen hat.

Fast wie ein irgendwo anders abgeplatzter Keil, den man an der oberen Hälfte einer seiner beiden Längsseiten notdürftig wieder am afrikanischen Festland fest gemacht hat, wirkt sie auf der Karte. Oder auch wie ein leicht gekrümmter, ins Meer hinaus ragender Angelhaken, mit dem man allerdings keine Fische sondern Touristen fängt. Ein extrem bergiges, fünfzig Kilometer langes spitzwinkliges Dreieck, das auf nahezu seinem gesamten Umfang von Wasser umgeben ist.

An der schmalen Nordseite wird sie begrenzt von der Tafelbucht, die ihren Namen wenig überraschend vom weithin sichtbaren Tafelberg ableitet. Das ein klein wenig über einen Kilometer hohe Plateau ist wohl einer der unverwechselbarsten Gipfel der Welt. Benannt haben ihn schon die Portugiesen, die diesen bei ihrer Suche auf dem Seeweg nach Indien als erste Europäer erblickten. Als „Taboa do cabo“, Tafel des Kaps, bezeichneten sie ihn. Einer von ihnen, António de Saldanha, unternahm im Jahr 1503 auch die erste nachgewiesene Besteigung der markanten Erhebung.

Doch bereits 1488 errichtete Bartolomeu Dias zu seinen Füßen einen Wappenpfeiler im Sand der Bucht, um deren Besitznahme für seinen König zu dokumentieren. Zwölf Jahre später ging er – wie das Schicksal manchmal so spielt – mit seinem Schiff ausgerechnet in der Nähe der von ihm entdeckten und mit „Kap der Stürme“ bezeichneten Landspitze unter. Von Glück und Erfolg zu Unglück und Niedergang ist oft nur ein kleiner Schritt. Zumindest für ihn war die ursprüngliche Benennung wesentlich treffender als das „Kap der Guten Hoffnung“, zu dem es König Joao später gemacht hatte.

Anstieg zum Black Hill bei Kilometer 9, in Gelb die Siegerin des Halbmarathon Kirsty Weir Kilometer 10 am Black Hill

Ohne den Tafelberg wäre das zu seinen Füßen liegende Kapstadt nur eine ganz normale Hafenstadt, sagt ein bekanntes Bonmot. Und ein Körnchen Wahrheit ist vielleicht sogar dran. London hat seine Tower Bridge, Paris seinen Eifelturm und Rom sein Kolosseum, Kapstadt hat dafür den Tafelberg. Nur wenige Städte weltweit haben jedenfalls eine so einzigartige geographische Lage wie die älteste Gemeinde Südafrikas.

Wie ein gigantisches Amphitheater wirkt das Ganze. Denn mit seinen Nachbarn Devil’s Peak – von der Bucht aus gesehen – links und Lion’s Head rechts sowie dem vorgelagerten Signal Hill bildet der Tafelberg einen zum Meer geöffneten Halbkreis, die sogenannte City Bowl, in der sich die Innenstadt von Cape Town ausbreitet.

Andere mögen vielleicht eine „künstliche“ Skyline aus Hochhäusern – die gibt es in der „Stadt-Schüssel“ selbstverständlich auch – haben. Kapstadt hat eine natürliche aus seinen Berggipfeln. So unverkennbar, dass sie in skizzierter Form die neue Flagge der Stadt ziert.

Mehr als dreihundertfünfzig Jahre ist die Siedlung alt. Und nicht die Portugiesen waren es, die durch eine Niederlassung in der Nähe des Kaps ihre Handelsrouten nach Asien absichern wollten, sondern ihre Nachfolger im Ostindienhandel, die Niederländer. Allerdings erst nachdem die Besatzung eines in der Tafelbucht gestrandeten Schiffes die Herren der Vereenigde Oostindische Compagnie von ihrer Eignung als Siedlungsplatz überzeugt hatte. Im Jahr 1652 wurde daraufhin Kaapstad gegründet.

Von dieser ersten kleinen Anlage ist nicht mehr viel übrig. Aber dennoch ist die „Mother City“ – wie man Kapstadt als Ausgangspunkt der Geschichte des modernen Südafrika gerne auch einmal nennt – mit mehr historischen Gebäuden aus unterschiedlichsten Perioden gesegnet als alle anderen Großstädte des Landes.

Nicht nur die Niederländer haben sich hier verewigt und dabei einen ganz eigenen „kapholländisch“ genannten Baustil kreiert, für den man auch überall sonst in der Region Beispiele entdecken kann. Auch die Briten, die zum ersten Mal 1795 und dann endgültig 1806 die Herrschaft am Kap übernahmen, haben ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen. Und das ist alles andere einheitlich, manchmal auch nicht wirklich harmonisch. Ein wilder Mix, der an jeder Ecke mit neuen Überraschungen aufwarten kann.

Auf der Kuppe des Black Hill

Da erhebt sich direkt neben der altehrwürdigen St. George's Cathedral‎ der wuchtige, klobige Neubau der Provinzverwaltung. Da ist gegenüber des 1679 als Nachfolge der ersten holländischen Befestigung fertig gestellten Castle of Good Hope, in dem sich nur ein paar Touristen verlieren, ein moderner quirliger Hauptbahnhof. Da wachsen kaum einen Steinwurf von der über hundert Jahre alten City Hall, dem Rathaus der Stadt, die Bürotürme in den Himmel.

Vom heftig brausenden Verkehr auf vier- und sechsspurigen Boulevards ist man gelegentlich mit ein paar Schritten mitten in einer schmalen Fußgängerzone, in der es dann allerdings auch nicht weniger rastlos zu geht. Unzählige afrikanische Straßenhändler verkaufen dort ein buntes Angebot von Kunst und Kitsch an die Flaneure.

Zwischen all dem Gewusel liegt als Oase der Ruhe der Company‘s Garden. Ein kleiner Park, um den herum sich einige der wichtigsten Museen des Landes sowie das Parlamentsgebäude und der Kapstädter Sitz des südafrikanischen Präsidenten gruppieren.

Und welche Stadt kann schon von sich behaupten, dass sich mehr oder weniger direkt an die Innenstadt ein Nationalpark anschließt? Denn in diesen Status hat man den Tafelberg inzwischen erhoben. All das fügt sich zu einer ganz speziellen Atmosphäre zusammen. Es sind gar nicht herausragende Sehenswürdigkeiten, die Kapstadt prägen. Es ist diese ungewöhnliche Mischung unterschiedlicher und zum Teil völlig gegensätzlicher Elemente, die den so einzigartigen Charakter der Stadt ausmacht.

Längst ist Kapstadt aus dem Kessel heraus und nun seinerseits um das Bergmassiv herum gewachsen. Im Westen zwängen sich die Vororte Sea Point, Bantry Bay, Clifton, Camps Bay und Llandudno in den schmalen Streifen, der zwischen dem Atlantik und den steilen Flanken der Twelve Apostles genannten Ausläufer des Tafelbergs, noch bleibt.

Gefälle nach Glencairn

Auf der anderen Seite ergibt sich ein ganz anderes Bild. Nicht nur, dass die Wohngegenden nicht ganz so exklusiv sind wie die an der Westküste. Auch die Landschaft ist bei weitem weniger spektakulär. Denn dort wo die Kaphalbinsel ans restliche Afrika andockt, erstreckt sich erst einmal eine nahezu völlig ebene Fläche, die in krassem Gegensatz zum dahinter aufragenden Gebirgszug steht. Cape Flats heißt das ziemlich genau auf den Punkt treffend.

Je weiter man sich von der Innenstadt und vom Tafelberg entfernt, umso dunkler wird dabei tendenziell die Hautfarbe der Bewohner. Ein Überbleibsel aus der Ära der Rassentrennung, in der man jeder Bevölkerungsgruppe ihre eigenen Areale zugewiesen hatte. Zwar dürfen inzwischen alle dort wohnen, wo sie gerade wollen. Doch zum einen dauert es relativ lange, bis diese über lange Zeit verfestigten Strukturen aufgebrochen sind.

Und zum anderen kann es sich nicht jeder eben auch leisten. Oben am Hang leben halt noch immer die Begüterten, die auch im neuen Südafrika zumeist europäische Wurzeln haben. Dann folgen die Viertel der Farbigen, die rund die Hälfte der Kapstädter Einwohner stellen und auch von der Wirtschaftskraft her zumeist in mittleren Positionen zu finden sind. Und möglichst weit weg am Stadtrand wurden dann die ärmlichen Quartiere der Schwarzen platziert. Der Group Areas Act von 1950 verbot ihnen sogar, sich überhaupt in Städten anzusiedeln.

Durch diese Cape Flats, allerdings durch die etwas besseren Viertel zu Füßen der Berge lief man früher beim Peninsula Marathon. Fast ohne Höhenmeter, aber eben auch ohne besondere optische Höhepunkte. Insbesondere, weil die ohnehin kurze Stippvisite in der Kapstädter Innenstadt kurz nach dem Start ja zudem noch bei völliger Dunkelheit stattfand. Erst mit dem letzten, entlang der False Bay absolvierten Drittel gab der Kurs dann wirklich etwas fürs Auge her.

Teile der Strecke ähnelten dabei auch der des Two Oceans Marathons, der auf dem Weg zwischen der Tafelbucht und der „falschen Bucht“ – die ihren Namen daher hat, weil sie von vielen aus östlicher Richtung kommenden Seefahrern bereits für die „richtige“ nämlich die von Kapstadt gehalten wurde – an der Universität beginnt und endet. Erst nachdem sich der Two Oceans kurz vor dem Ziel des Peninsula von der gemeinsamen Strecke entlang der False Bay verabschiedet, kann er auf der Atlantikseite die spektakulären Motive der hoch über dem Meer verlaufenden Straße liefern, die von den meisten Läufern mit ihm verbunden werden.

Überholung durch die Metrorail in Glencairn In Glencairn

In den Cape Flats – und in der Nähe des Two Oceans Ziels – werden am Samstag auch die Startnummern für den Peninsula Marathon verteilt. Ein Überbleibsel aus dem Ablauf früherer Jahre, denn der Stadtteil Obervatory liegt nur wenige Kilometer von der Innenstadt, aber eine längere Fahrt vom neuen Austragungsort Simon’s Town entfernt. Der River Club, ein eher nobler Sportverein mit seinem eigenen angeschlossenen Golfplatz stellt sein Gebäude dafür zur Verfügung.

Auch wenn sich die Warteschlange der Teilnehmer gelegentlich auch einmal bis auf den Parkplatz hinaus erstreckt, erfolgt das Ganze dann doch recht zügig. Es gibt aber auch gar keinen Grund lange zu verweilen. Eine Marathonmesse oder ähnliches existiert trotz der durchaus beachtlichen Teilnehmerzahlen nämlich nicht.

Niemand will etwas verkaufen, niemand verteilt irgendwelche Probepäckchen. Selbst Ausschreibungen anderer Läufe, die anderswo oft die zu kleinen Tische überquellen lassen, findet man kaum. Die werden von den Veranstaltern nach dem Lauf dann lieber an echte Interessenten persönlich verteilt, ehe sie stapelweise achtlos im Mülleimer landen.

Und auch im Umschlag steckt außer der Startnummer und ein paar Sicherheitsnadeln nichts. Den hierzulande oft üblichen, selten wirklich nützlichen Werbeschnickschnack irgendwelcher Sponsoren erspart man sich.

Dafür fällt dann aber das Startgeld – wie eigentlich immer in Südafrika – auch wieder in eine Größenklasse, die man aus Mitteleuropa selbst von kleinen Volksläufen kaum noch kennt. Gerade einmal 65 Rand kostet der Marathonstart für die Mitglieder eines südafrikanischen Laufclubs und 95 Rand für Nichtmitglieder, die für den zusätzlichen Betrag eine Tageslizenz erhalten. Die Halbdistanzler sind mit 40 respektive 65 Rand dabei. Für alle, die sich mit Wechselkursen nicht so gut auskennen, sei angemerkt, dass man für hundert Rand gerade einmal acht Euro erhält.

Trotz des leicht nach hinten verschobenen Starts ist die Nacht für die meisten natürlich dennoch recht kurz. Denn Simon’s Town, der nach dem ersten offiziellen Gouverneur der Kapkolonie benannte Start- und Zielort, ist mit nicht einmal zehntausend Bewohnern alles andere als groß. Und das Angebot an Unterkünften hält sich, obwohl durchaus vorhanden, in noch einigermaßen überschaubaren Grenzen.

Um die Bucht von ... ... Glencairn herum In Glencairn

Wobei der größte Teil der Starter aber sowieso aus der Region kommt und deshalb das eigene Bett vorzieht. An den fehlenden Schlaf an Wettkampftagen hat man sich ohnehin gewöhnt. Was in Europa einen Aufschrei der Entrüstung produzieren würde, ist am Kap völlig normal. Viel später als sechs Uhr gehen Läufe über lange Strecken in Südafrika selten los.

Erschwerend kommt hinzu, dass es nicht wirklich viele Wege nach Simon’s Town gibt. Genau genommen kann man von Norden her – und südlich wohnt praktisch niemand mehr, die dorthin führende Straße hat nur noch das Kap als Ziel – theoretisch gerade einmal drei verschiedene Routen zur Anfahrt benutzen. Auf einer davon sorgt eine Baustelle für Behinderungen.

Und eine zweite ist völlig für den Verkehr gesperrt. Es ist genau diejenige, die für das Läufervolk nicht nur, aber vor allem in Südafrika so extrem wichtig ist. Es ist der Chapman’s Peak Drive. Es ist jene Straße, über die traditionell der Two Oceans Marathon geführt wird. Es ist die, auf der er seine faszinierendsten Bilder und Aussichten produziert.

Erdrutsche haben die an manchen Stellen regelrecht in den Felsen gehauene Küstenstrecke zum wiederholten Male lahm gelegt. Schon einmal vor einigen Jahren musste man auf eine Ausweichroute wechseln, bei der das Feld der Ultramarathonis über die dritte in den Süden der Kaphalbinsel führenden Strecke zurück nach Cape Town geführt wurde.

Nun ist der Ou Kaapse Weg, der alte Kapweg auch nicht gerade unspektakulär. Schraubt er sich doch auf mehr als dreihundert Meter über dem Meer einen Pass hinauf. Von oben bieten sich ebenfalls phantastische Aussichten. Nur führt diese Straße halt wieder direkt hinüber zu den Cape Flats, von denen man gerade gekommen war.

Und das Wasser weit unten ist nur die schon bekannte False Bay, die man in Kapstadt bereits zum Indischen Ozean zählt, obwohl die echte Südspitze Afrikas rund hundert Kilometer östlich am Kap Agulhas zu finden ist. Den Atlantik dagegen bekommt man auf ihr eigentlich nicht zu sehen. Nicht einmal aus der Ferne. Da versperrt ausgerechnet der Chapman’s Peak den Blick. So sprechen Spötter davon, dass der Lauf auf der Ersatzstrecke wohl eher den Namen „Same Ocean Twice Marathon“ tragen müsste.

Blick nach Simon's Town bei Kilometer 14

Dazu werden auch die ausländischen Teilnehmer genannt, die – in Zeiten knapper werdender finanzieller Mittel – wohl kaum den aus Europa immerhin zehn oder mehr Stunden dauernden Flug auf sich nehmen würden, wenn es nicht über die Originalstrecke ginge. Und Südafrika ist an den Lauftouristen aus verschiednen Gründen interessiert, aus wirtschaftlichen – denn natürlich bringen sie Geld ins von der weltweiten Krise ebenfalls spürbar betroffene Land – und auch aus ideellen.

Viel zu lange hat die südafrikanische Szene zu Zeiten der Apartheid und des daraus resultierenden Sportboykotts im eigenen Saft geschmort. Die Südafrikaner sind deshalb durchaus begierig darauf, im Rest der Welt zu starten. Kaum ein internationales Rennen, in dem man nicht entsprechende Länderkürzel in Start- und Ergebnislisten finden könnte. Doch sie wollen eben auch vom Rest der Welt als Läufernation bemerkt werden. Zumindest bei den beiden ganz großen Comrades und Two Oceans legt man auf ausländischen Besuch durchaus wert.

Noch ein weiteres Argument findet man in südafrikanischen Läuferkreisen gegen den Notkurs. Denn auf ihm werden langsamere Zeiten gelaufen. Und bei einem gnadenlos durchgesetzten Zielschluss von exakt sieben Stunden fallen so einige Teilnehmer mehr durchs Raster. Außerdem gibt es jede Stunde eine andere Farbe der Medaille – ganz alte Haudegen werden sich noch an die abgestuften Medaillen bei den ersten deutschen Volksläufen erinnern – und auch da würden eben viele in eine andere, schlechtere Kategorie rutschen, was für einige durchaus eine gewisse Bedeutung hat.

Inzwischen ist jedoch klar, dass der „Chappies“, wie man die normalerweise mautpflichtige Straße liebvoll nennt, zum Rennen am Ostersamstag frei gegeben ist. Es soll auch diesmal auf dem Originalkurs gelaufen werden. Ein kleines Hintertürchen lassen sich die Organisatoren allerdings noch offen. Denn auf der Internetseite wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, falls die Behörden aufgrund aktueller Entwicklungen das Ganze kurzfristig dann doch als zu gefährlich ansehen und die Genehmigung zurück ziehen würden, man gar keine andere Wahl als die Ausweichstrecke hätte.

Den Two Oceans richten die Celtic Harriers also 2009 vermutlich in gewohnter Form aus. Den Peninsula haben sie dagegen komplett neu konzipiert. Das einzig gewohnte an der Streckenführung ist der Zieleinlauf auf dem Sportgelände der Naval Base. Denn Simon’s Town ist einer der wichtigsten Stützpunkte der südafrikanischen Marine. Das will nun jedoch nicht besonders viel heißen, denn die Seestreitkräfte des Landes umfassen gerade noch fünftausend Uniformierte.

Auf der Küstenstraße bei Kilometer 15 Begegnung mit Rad fahrenden Ausdauersportlern

Dennoch prägt die Marinebasis das Bild des kleinen Städtchens, das seine politische Selbstständigkeit längst verloren hat und zu einem Stadtteil des auch die ganze Halbinsel umfassenden Cape Town geworden. Wobei Simon’s Town durchaus keine bloße Kasernensiedlung ist, sondern ganz im Gegenteil zumeist recht unmilitärisch daher kommt.

Die Hauptstraße ist gesäumt von historischen Gebäuden aus dem neunzehnten Jahrhundert, die mit ihren vorgebauten Balkonen und den sogenannten Boardwalks darunter auf den ersten Blick ein wenig an Pioniersiedlungen im Wilden Westen erinnern. Der eine oder andere Giebel, den man in dieser Art eher an der Nordsee erwarten würde, zeigt auf den zweiten Blick dann aber eben auch ein paar Bauelemente, die der kapholländischen Tradition entstammen.

Jedenfalls lädt Simon’s Town sehr wohl zu einem kleinen Bummel ein. Und die zum Teil mit herrlichem Blick über die Bucht ein wenig oberhalb am Hang gelegenen Bed & Breakfast Unterkünfte und Ferienwohnungen bieten sich als Ausgangspunkt zur Erkundung der Halbinsel und damit eher geruhsamen Alternative zu Kapstadt durchaus an.

Während der Halbmarathon am nördlichen Ortsausgang beginnen soll, hat man den Marathonstart, um mit der Distanz hin zu kommen, noch deutlich weiter außerhalb positioniert. Vom Zieleinlauf, der eher südlich des kleinen Stadtkerns von Simon’s Town liegt, sind beide Startpunkte jedenfalls ein ganzes Stück entfernt.

Und während man den Punkt, an dem sich die Halbdistanzler sammeln, noch in halbwegs vernünftiger Zeit zu Fuß erreichen kann, würde der Marsch für die Marathonis weit über eine halbe Stunde dauern. Ein Transport von Veranstalterseite ist nicht organisiert. Und so nehmen selbst diejenigen, die vor Ort übernachtet haben, zumeist das Auto, um zur „Old margarine factory“ nahe der „Dido Valley Road“ – wie die Ausschreibung die Startstelle beschreibt – zu gelangen.

Parkplätze gibt es dort allerdings gar keine. Und so stellt man eben einfach die beiden Straßenränder mit Fahrzeugen zu. Eine lange Reihe von sich bewegenden Lichtern ist da auf der anderen Seite der kleinen Bucht zu erkennen, die von der False Bay in Simon’s Town gebildet wird. Aus Kapstadt rollt eine schier endlose Autokolonne auf das Städtchen zu.

Angesichts der frühen Uhrzeit ist davon auszugehen, dass es sich dabei nahezu ausschließlich um Läufer handelt. Viele haben wohl zum einen die Fahrzeit unterschätzt. Denn obwohl die Strecke an sich vielleicht gar nicht so weit war, führt die Anreise eben doch nahezu ausschließlich durch bewohntes Gebiet mit entsprechendem Tempolimit, vielen Kreuzungen und roten Ampeln.

Erste Rampe am Red Hill ... ... bei Kilometer 16 Deirdre Bird

Zum anderen aber haben sie wohl nicht bedacht, dass zur gleichen Zeit noch viele andere Autos auf dieser Straße in die gleiche Richtung unterwegs sein werden. Voll mit Läufern, die natürlich auch alle rechtzeitig zum Start ankommen wollen. Die Suche nach einem Parkplatz, mit der diejenigen beginnen, die endlich Simon’s Town erreicht haben, lässt das Ganze nur noch mehr stocken. Und so ist selbst, als sich die vorgesehene Startzeit langsam wirklich nähert, kein Ende des Verkehrs abzusehen.

Die Aussage des Streckensprechers ist dann auch klar und eindeutig. Da die Autos noch immer Stoßstange an Stoßstange – „bumper to bumper“, wie es im Englischen recht plastisch heißt – bis Muizenberg, wo die Küstenstraße mehr als zehn Kilometer entfernt beginnt, stehen würden, gäbe es keine Freigabe der Verkehrsbehörde. Natürlich hat die „traffic authority“ das letzte Wort, denn das erste Stück wird genau auf jener noch immer ziemlich verstopften Straße gelaufen. Also würde der Start erst einmal verschoben. Auf unbestimmte Zeit.

Das ist nun nicht wirklich unangenehm, denn richtig kalt war es am Kap schon lange nicht mehr. Für den Nachmittag sind Temperaturen im Bereich von dreißig Grad angekündigt. Und am Himmel lässt sich praktisch kein Wölkchen entdecken. Auch am Morgen hat sich das Quecksilber schon ein ganzes Stück jenseits der Zweistelligkeit eingenistet. Aber am Meer geht eben immer ein leichtes Lüftchen. Und aufgrund der zu erwartenden Wärme hat kaum jemand mehr als ein Trägerhemd am Leib.

Doch etwas anderes bewegt die Gemüter wesentlich mehr als das leichte Frösteln, das den einen oder anderen gelegentlich beim Warten überläuft. Denn „later“ bedeutet eben auch „hotter“. Und an einer Hitzeschlacht ist nun wirklich absolut niemand interessiert. Aufregung wäre allerdings das völlig falsche Wort für die Stimmung, die am Start herrscht. Perfektionismus wird gar nicht erwartet. Eher entspannt diskutiert man – neben ganz anderen Gesprächsthemen – eben ab und zu auch einmal darüber, wie lange es denn noch dauern könnte.

Am Ende geht es dann doch schneller als gedacht. Es ist gerade einmal zehn nach sechs, da werden die Läufer, von der kleinen Grünfläche, auf der sie sich bis dahin aufgehalten haben, zur Straße gebeten. Ein Stück südlich in Simon’s Town passiert mit dem Halbmarathonfeld genau in diesem Augenblick das gleiche. Denn auf ein zeitgleiches Loslaufen legt man Wert. Der Sprecher wird jedenfalls nicht müde, es zu erwähnen.

Erste Rampe am Red Hill bei Kilometer 16 ... ... mit Blick auf Simon's Town

Kurz und schmerzlos ist der Start. Keine langen Ansprachen, die ohnehin niemanden interessieren. Und schon überhaupt kein Animator, der versucht irgendwie für Stimmung zu sorgen. Es geht ohne irgendwelches Brimborium einfach so auf die Reise.

„The route goes along the Main Road to Fish Hoek“ lautet der erste Teil der Streckenbeschreibung. Was nichts anderes bedeutet, dass man erst einmal immer entlang der Küste nach Norden läuft. Die Dämmerung hat schon länger eingesetzt. Und nun erhebt sich die Sonne ganz langsam auf der andern Seite der immerhin fast dreißig Kilometer breiten False Bay.

An ihrem Ufer verlaufen die ersten vier Kilometer der Laufstrecke. Allerdings nicht direkt am Wasser. Die Bahnlinie die Simon’s Town mit dem Kapstädter Hauptbahnhof verbindet, hat sich zwischen Meer und Straße platziert. Cape Town hat mit der Metrorail ein durchaus akzeptabel ausgebautes Nahverkehrssystem, das den europäischen S-Bahnen ähnlich ist. Die Southern Line bindet dabei die südlichen Stadtteile inklusive der Westseite der False Bay an.

Ihre Wagen rollen auf der sogenannten Kapspur, die mit wenig über einem Meter deutlich schmaler ist als die in Europa übliche Norm. Obwohl sie auf Englisch „Cape Gauge“ genannt wird, hat die Bezeichnung ursprünglich eine ganz andere Herkunft. Denn sie lautete früher einmal „CAP-Spur“, was von den Initialen des norwegischen Ingenieurs Carl Abraham Pihl abgeleitet ist, der sie einst festlegte.

Da sie zufälligerweise ausgerechnet am Kap eingesetzt und der Name von vielen damit in Verbindung gebracht wurde, änderte sich irgendwann auch die Schreibweise. Fast im gesamten Bahnbetrieb des südlichen und östlichen Afrika wird sie benutzt. Aber auch in Australien, Neuseeland oder Indonesien findet sie Verwendung. Und das größte Streckennetz in dieser Spurweite gibt es überraschenderweise nicht am Kap sondern in Japan.

Wie Perlen an der Schnur reihen sich die Badeorte entlang der Küste auf und breiten sich immer dort aus, wo das Höhenprofil zwischen Wasserkante und dem nahezu die ganze Halbinsel durchziehenden Gebirgszug ein wenig Raum für Bebauung lässt. Muizenberg, St. James und Kalk Bay heißen sie.

In Serpentinen bergauf

Und überall wo man ein bisschen Sand findet, wird auch wirklich gebadet. Denn die False Bay ist deutlich – zwischen fünf und in Extremfällen sogar zehn Grad – wärmer als die Atlantikküste und die Tafelbucht, wo der zwar sehr nährstoffreiche, aber auch ziemlich kalte Benguela-Strom vorbei fließt. Er zieht die Temperaturen so weit nach unten, dass dort an einen echten Badebetrieb nicht zu denken ist. Maximal Nordseeniveau erreicht man auf der anderen Seite der Peninsula.

Fish Hoek ist der größte dieser Orte. Und er hat auch besonders viel Platz sich ins Hinterland auszubreiten. Denn auf der Höhe des „Fisch-Ecks“, wie man den Namen wohl am besten übersetzen könnte, ist das gebirgige Rückgrat der Halbinsel unterbrochen. Es erstreckt sich eine Fläche, die sich wenn auch nicht ganz eben so doch ohne allzu große Höhenunterschiede präsentiert und bis hinüber zum Atlantik reicht.

Hier verabschiedete sich früher der Two Oceans Kurs von dem des Peninsula Marathon. Nun treffen die beiden hier aufeinander. Denn beide schwenken für einige Kilometer auf die Kommetjie Road ein und folgen ihr durch normale Wohnbebauung bis zum „Top of Sun Valley“. Was sich in der Streckenbeschreibung schon nach einigen zu gewinnenden Höhenmetern anhört, ist zwar tatsächlich nicht ganz flach, aber hält sich meist in einem Bereich, in dem ein echter Bergläufer nur mit einer Wasserwaage eine Steigung entdecken könnte.

Allerdings ändert sich das dann, als der ebenfalls erwähnte „robot“ an der Spitze des Sonnentals erreicht ist. Das ist keineswegs ein Roboter sondern eine einfache Ampel. In der südafrikanischen Variante der englischen Sprache benutzt man nämlich die Bezeichnung „traffic light“ eher selten, sondern redet im Allgemeinen nur von eben jenen „robots“.

Während die Strecke des Two Oceans von hier nun weiter zum Atlantik verläuft und ihrem optischen Höhepunkt am Chappies entgegen strebt, geht es beim Peninsula nun „left up and over Black Hill“ zurück in Richtung Simon’s Town. Schon das Wörtchen „up“ macht deutlich, dass es jetzt vielleicht doch etwas ernsthafter bergauf gehen wird. Und die Kuppe dieses Hügels liegt dann auch fast zweihundert Meter über dem Meer, auf dessen Höhe man ja beinahe gestartet war.

Doch gerade dies, das ständige Auf und Ab zwischen den Meeren macht ja auch einen Großteil des Reizes der Kaphalbinsel aus, auf der man etliche Tage verbringen kann und dennoch ständig etwas Neues entdeckt. Selbst für einen ganzen Urlaub würde man genug an Sehenswertem finden.

Steilküste und Sandstrände wechseln sich ab. Nur wenige Kilometer von einer brodelnden Metropole entfernt kann man auf Wanderwegen die Stille der Natur genießen. Jede Straße bringt andere spektakuläre Eindrücke. Jede Bucht, jedes Dorf, jedes Seitental hat einen anderen Charakter.

Am Red Hill Am Red Hill hoch über der Küste

Im Rücken des Tafelberges liegt zum Bespiel durch die Berge vollkommen abgeschirmt von der Hektik der Großstadt mit Groot Constantia das älteste Weingut des Landes. Und auf der anderen Seite des Constantia Nek heißenden Passes, über den auch der Two Oceans Marathon führt und an dem er seinen topographischen Höhepunkt erreicht, wartet der Kirstenbosch Botanical Garden auf Besucher. Unterhalb des Devil’s Peak kann man dort auf Hangwegen mit herrlicher Aussicht in einem der größten und vielleicht auch schönsten botanischen Gärten der Welt durch nahezu alle Vegetationsformen Südafrikas spazieren.

Etwa acht Kilometer haben die Marathonis in den Beinen, als der Anstieg zum Black Hill beginnt. Bereits zehn sind es für die Halbdistanzler, wie die alle tausend Meter aufgestellten Markierungen am Straßenrand belegen. Die immer nur leicht zueinander verschobenen Tafeln für beide Distanzen zeigen konstant eine Differenz von zwei. Denn beide Kurse sind in diesem Teil identisch.

Längst haben die schnellsten Läufer auf der kürzeren Strecke auch angefangen, das Marathonfeld von hinten aufzurollen. Und bis zur noch über zwei Kilometer entfernten Anhöhe werden die Pulks endgültig vollkommen durchmischt sein.

Als die neue Strecke bekannt gegeben wurde, hatten die Organisatoren wohl wissend, dass diese um einiges schwieriger sein würde als der Traditionskurs, dabei gleich erwähnt, der Black Hill sei von dieser Seite gar nicht so schlimm, weil gleichmäßig zu belaufen. Das stimmt zwar, aber natürlich bleibt die eine oder andere Sekunde dennoch im Anstieg liegen.

Doch die Mühe lohnt sich absolut. Hat man die Kuppe erst einmal erreicht, öffnet sich von oben ein phantastischer Blick über die False Bay. Schöne Strecken sind eben meist auch etwas schwerer. Und schön ist der Peninsula Marathon spätestens jetzt definitiv.

Wie in Südafrika üblich ist die Straße nicht für den allgemeinen Verkehr gesperrt. Und so rollt dann auch das eine oder andere Fahrzeug an den auf der rechten Seite – gegen den aufgrund britischer Tradition links fließenden Verkehr – laufenden Marathonis vorbei.

Selbst in Stadtnähe sind etliche „Bakkies“ darunter. So nennen die Südafrikaner die im Land weit verbreiteten Pickups. Vor allem in ländlichen Gebieten hat es den Anschein, als würde diese Art des Wagens sogar überwiegen. Beileibe nicht nur Material wird dabei auf den Pritschen transportiert. So mancher Farmer befördert damit auch einmal seine gesamte Mannschaft von Erntehelfern zum nächsten Acker.

Am Red Hill hoch über der Küste

Und wenn man sieht, wie bei voller Fahrt von hundert oder mehr Kilometern pro Stunde Kinder auf der Ladefläche herum turnen, kann einem manchmal schon angst und bange werden. Erlaubt ist das zwar nicht, aber eben dennoch völlig normal. Und niemand würde es wagen, dagegen etwas zu unternehmen.

Wenn man gut beobachten kann, stellt man auch fest, dass die Autonummern in Kapstadt und der Region Western Cape ein wenig anders aussehen als sonst im Land. Üblicherweise enden diese nämlich nach einer Kombination aus Zahlen und Buchstaben mit einem Kürzel für die jeweilige Provinz. „EC“ für Eastern und „NC“ für Northern Cape, „FS“ für den Free State oder auch „GP“ für die Gauteng Province. Nur im südwestlichsten Landesteil beginnen sie alle mit einem „C“. Ob man wohl die Endung „WC“, in die man ja auch im Englischen entsprechendes hinein interpretieren könnte, vermeiden wollte?

So gleichmäßig wie der Anstieg ist auf der anderen Seite auch das Gefälle. Über fast drei Kilometer senkt sich die Strecke auf einer weit einsehbaren Geraden wieder zum Meer hinunter. „Back to the main road in Glencairn“ nennt das der verbale Streckenplan. Wobei Glencairn eher eine etwas verstreute Ansammlung einzelner Häuser und Häusergruppen ist als ein richtiges Dorf.

Dort wo an einer kleinen Bucht mit breitem Sandstrand der Glencairn Expressway wieder auf die Küstenstraße trifft, ist eine Verpflegungsstelle aufgebaut. Am Anfang noch etwas weiter auseinander liegend, versorgen sie später im Abstand von weniger als drei Kilometern das Läufervolk mit der typisch südafrikanischen Mischung aus Colabechern und den obligatorischen kleinen Wasserbeuteln. Auch bei der später aufkommenden Wärme eine völlig ausreichende Versorgungsdichte.

Elektrolytgetränke gibt es unterwegs allerdings keine. Eine Tatsache, die umso ungewöhnlicher erscheint, wenn man bedenkt, dass der Sportgetränkeproduzent Powerade als neuer Titelsponsor auftritt. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Nationen, in denen sie zum absoluten Standard gehören und vom Läufervolk notfalls auch lautstark verlangt werden, sind sie auch vollkommen unüblich.

Felsen am Red Hill

Und ob man sie – wie so vieles andere, was inzwischen hierzulande auf dem Sportmarkt angeboten wird – wirklich braucht, darüber scheiden sich ohnehin die Geister. In Südafrika rennt man jedenfalls auch ohne „Iso“ gelegentlich ziemlich schnell.

Die tatsächlich und simpel „Main Road“ heißende Hauptstraße bringt nun noch ein andere Art von Verkehr, auf den die Läufer achten müssen. Denn nirgendwo in Südafrika sieht man so viele Radfahrer wie rund um Kapstadt. Und die mit etlichen Strecken völlig unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade aufwartende Kaphalbinsel ist ein regelrechtes El Dorado für Rennradler.

Auch diese sind am frühen Morgen schon in großer Zahl unterwegs, um Hitze und Verkehr der Mittagszeit auszuweichen. Und so haben die Marathonis dann im Verlauf des Rennens wesentlich öfter als nur einmal Begegnungen mit kleinen und größeren Gruppen auf zwei Rädern. Nette Begegnungen wohlgemerkt, denn unter Ausdauersportlern versteht man sich ja in der Regel. So manche Anfeuerung für die Läufer kommt aus einem der vorbei rollenden Pulks.

Den nächsten Kilometer, der das erste Drittel der Distanz abschließt, kennen die Marathonis schon. Er führt sie zurück zu dem Punkt, an dem sie vor einiger Zeit losgelaufen sind. Und die Halbdistanzler werden bis zum Ortseingang von Simon’s Town nichts mehr für sie wirklich Neues zu Gesicht bekommen. Doch aus der Gegenrichtung kommend sieht das Ganze dennoch ein wenig anders aus. Und der Blick hinüber zum wie Glencairn ebenfalls in einer kleinen Bucht gelegenen Hafenstädtchen mit dem dahinter aufragenden Bergen ist durchaus beeindruckend.

Doch die schönsten Aussichten bekommen trotzdem nur diejenigen geboten, die für die lange Distanz gemeldet haben. Denn noch bevor sie Simon’s Town wieder wirklich erreichen, werden die Marathonis nach rechts in eine den Hang hinauf verlaufende Straße gewinkt. „Turn right at the start of Red Hill”, nun das ist er.

Die an ihren roten Startnummern erkennbaren Halbmarathonis dürfen – oder eigentlich sollte man eher sagen „müssen“ – an dieser Streckenteilung weiter geradeaus. Für sie sind es nur noch etwa drei Kilometer bis zum Ziel.

Peter Tsawayo hat an dieser Stelle bereits alle seine Verfolger weit abgeschüttelt. Mit nahezu sechs Minuten Vorsprung gewinnt er nach 1:09:14 die kürzere der beiden angebotenen Distanzen. Da muss Mkhululi Mbejeni um seinen in 1:15:01 erlaufenen zweiten Platz schon deutlich mehr bangen, denn Eddie O'Gorman sitzt ihm mit 1:15:25 bis zum Ende ein wenig im Genick.

Bei Halbmarathon auf der Kuppe Wäldchen bei Kilometer 25

Bei den Frauen ist von einem klaren Vorsprung dagegen nicht das Geringste zu sehen. Innerhalb von nicht einmal einer Minute sind die ersten vier Plätze vergeben. Kirsty Weir kann sich nach 1:30:47 der nur vier Sekunden später einkommenden Ester Brink gerade so erwehren.

Kim Ground sorgt mit 1:31:12 auf Rang drei dafür, dass auch die ausrichtenden Celtic Harriers einen Treppchenplatz abbekommen. Und Judy Everingham muss sich trotz 1:31:40 und gerade einmal 53 Sekunden Rückstand auf die bei Halbzeit noch hinter ihr liegende Siegerin mit dem undankbaren vierten Rang begnügen.

Insgesamt werden beim Halbmarathon 850 Einträge in der Einlaufliste verzeichnet. Die letzten allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem die Marathonsieger längst im Ziel sind und bereits das Hauptfeld anzukommen beginnt. Dass die Ergebnisse der langen Distanz am Ende über fünfhundert Namen mehr umfassen, ist nicht ungewöhnlich in einem Land, in dem Marathons oft noch immer als Unterdistanzen gelten.

Der Red Hill ist der eigentliche Knackpunkt des Rennens. Und er war es auch, über den im Vorfeld am meisten debattiert wurde. Denn im Gegensatz zu seinem schwarzen Kollegen ein paar Kilometer weiter nördlich, wirkt dieser Anstieg schon auf der Landkarte deutlich bedrohlicher. In mehreren Serpentinen und mit noch mehr Kurven windet sich die Straße dort den Hang hinauf.

Das sagt jetzt zwar noch nichts über den Steilheitsgrad aus. Und die Organisatoren legen auch Wert darauf, dass es durchaus flachere Abschnitte gibt. Doch die Höhenlinien der Karte belegen, dass ganz unabhängig von den Steigungsprozenten da so einiges an Metern zu erklettern ist. Erst bei dem Strich mit der 250 endet das Ganze nämlich.

Die Red Hill Road ist – wenn auch in etwas kleinerer Ausgabe – eine jener faszinierenden Passstraßen, von denen insbesondere die Provinz Western Cape so viele zu bieten hat. Denn während der größte Teil Südafrikas aus einer meist nur welligen Hochebene besteht, die in einem einzigen steilen Abbruch zur Küste hin abfällt, hat sich diese „große Randstufe“ in der näheren und weiteren Umgebung von Kapstadt in etliche einzelne Höhenzüge zerlegt.

Allee in der Nähe des Abzweigs zum Cape Point

Bis über zweitausend Meter ragen die Berge der sogenannten Kapketten auf. Auch die Cape Peninsula ist geologisch eigentlich nichts anderes als eine von ihnen, eben nur die am exponiertesten gelegene. Zwischen diesen Gebirgen liegen immer wieder weite nahezu ebene Quertäler, die über kurvige und zum Teil auch recht steile Sträßchen miteinander verbunden sind.

Doch ist Western Cape beileibe nicht nur wegen dieser Pässe – oder wegen Kapstadt – ein lohnendes Reiseziel. In kaum einer Region Südafrikas lassen sich so viele unterschiedliche Landschaftsformen entdecken. In kaum einer anderen Region hat man so viel Sehenswertes auf so engem Raum.

Nicht einmal eine Fahrtstunde vom Kapstadt entfernt liegen die großen Weinanbaugebiete rund um Stellenbosch zu Füßen einer fünfzehnhundert Meter hohen Bergkette. In den nur ein wenig weiter nördlich gelegenen Zederbergen, findet man die einzige Gegend auf der Welt, wo der Roibos für den auch in Europa immer beliebter werdenden Tee wächst. Hinter den ersten Bergreihen beginnt dann bereits die Karoo, jene für Südafrika typische Steppen- und Halbwüstenlandschaft.

Weiter im Westen bietet die Dünen- und Lagunenlandschaft des West Coast National Parks Hunderttausenden von europäischen Vögeln ein geeignetes Winterquartier. An der Küste des Indischen Ozeans – auf der anderen Seite der sich wie ein Viertelkreis über die Südwestecke Afrikas legenden Provinz – gibt es als Kontrastprogramm dazu den Tsitsikamma National Park mit regelrecht tropisch anmutender Vegetation.

Um ihn herum erstreckt sich die Garden Route, die als Pflichtprogramm zu nahezu jeder Rundreise gehört. Wobei man nüchtern betrachtet jedoch sagen muss, dass sie vermutlich ein wenig überschätzt wird. So viel schöner, so viel anders als andere Küstenabschnitte ist sie nun auch nicht. Man hat es allerdings verstanden, genau das der Welt glauben zu machen.

Am Abzweig zum Cape Point Auf dem Weg zur Smitswinkel Bay

Einzig auf das Erlebnis einer Beobachtung der sogenannten „Big Five“ muss man im Western Cape verzichten. Löwen, Elefanten, Nashörner, Büffel oder Leoparden gibt es in den durchweg kleinen Schutzgebieten der Provinz eigentlich nicht. Dort hat man sich hauptsächlich mit Antilopen und Zebras zu begnügen.

Für die Sichtung dieser ursprünglich von Großwildjägern definierten Tierarten – inzwischen ist der Begriff aber von der Tourismusindustrie gerne übernommenen worden – muss man dann zum Beispiel schon in den berühmten Krüger National Park ganz im Nordosten des Landes. Oder aber – wesentlich näher an Kapstadt gelegen – in den Addo Elephant National Park in der Provinz Eastern Cape.

Zusammen mit dem heutigen Northern Cape bildeten diese beiden früher die Kapprovinz, die aus der britischen Kapkolonie hervorgegangen war und mehr als die Hälfte der Fläche der Südafrikanischen Union, die sie zusammen mit Natal, Transvaal und dem Oranje-Freistaat bildete, einnahm. Erst mit dem Ende der Apartheid wurde sie in die drei nun existierenden Stücke aufgeteilt, um mit nun insgesamt neun Provinzen eine einigermaßen ausgeglichene Verteilung von Land und Bevölkerung zu erreichen.

Zumindest mit Western Cape scheint das gelungen zu sein. Denn sowohl in der Einwohner- wie auch in der Flächenstatistik ist man absolutes Mittelmaß, landet in der Rangliste ziemlich genau in der Mitte. Und für beides steuert die Provinz 10% der südafrikanischen Gesamtsumme bei.

Und doch hat Westkap – neben der in Zahlen schlecht darzustellenden Attraktivität – ebenfalls eine demographische Besonderheit. Denn in dieser Provinz stellen nicht die Schwarzen, die überall sonst in der Überzahl sind, die Mehrheit der Bevölkerung. Über die Hälfte sind Farbige, haben also sowohl schwarzafrikanische wie auch europäische Vorfahren.

Die Anteile der einzelnen Gruppen in Kapstadt sind nahezu identisch. Was jedoch auch wenig verwunderlich ist, lebt doch über die Hälfte der Provinzbevölkerung in der Mother City. Im Marathonfeld, das sich langsam die Rampen des Red Hill hinauf arbeitet, ist das nicht ganz so. Da sind die Hellhäutigen noch etwas überwiegend, wenn auch bei weitem nicht unter sich.

Doch ganz egal in welcher Haut man nun steckt, leicht ist der Anstieg auf keinen Fall. „It separates the men from the boys“ nennt das einer der Läufer während einer Phase, in der er gerade einmal wieder Luft schöpfen kann, flapsig und vergisst dabei ein Viertel der Gestarteten die weiblich sind.

Oberhalb der Smitswinkel Bay

Deirdre Bird ist eine von ihnen. Und sie ist auch eine der wenigen Ausländerrinnen, die für den Marathon gemeldet haben. Denn die Siebenundfünfzigjährige stammt aus den Vereinigten Staaten. Genauer gesagt aus Neuengland. Noch genauer aus Rhode Island, dem kleinsten Bundessstaat. Und wohl kaum ein Teilnehmer hat eine interessantere Art der Anreise hinter sich. Sie ist nämlich aus Amerika mit dem Schiff gekommen.

Mehrere Monate lang umrundet die College-Lehrerin auf einem Schulschiff die Welt. Es ist kein Schulschiff, auf dem Seeleute ausgebildet werden wie die deutsche Gorch Fock. Auf diesem Schiff werden von der Wirtschaftsprofessorin tagtäglich Seminare für ihre Studenten abgehalten. Nur wenn man in einem Hafen anlegt, erhalten Schüler und Lehrer ein paar Tage frei.

Wie bei so vielen Dingen im Leben ist einzig und allein eine lange Kette von Zufällen dafür verantwortlich, dass Deirdre nun beim Peninsula Marathon starten kann. Denn zum einen liegt das Schiff genau an diesem Wochenende im Hafen von Kapstadt. Zum anderen war dieser Aufenthalt gar nicht vorgesehen.

Eigentlich wollte man nämlich von Miami aus durch den Suezkanal und von dort die asiatische Küste entlang fahren. Doch wegen der Warnung vor den Piraten in Somalia wurde kurzfristig umgeplant und die komplette afrikanische Küste entlang geschippert. Noch am Abend nach dem Lauf legt man wieder ab und nimmt Kurs auf Indien, um über Japan, Hawaii und den Panamakanal nach Miami zurück zu kehren.

Richtig trainieren habe sie in den vielen Wochen auf See natürlich auch nicht gekonnt, beklagt sie. Es wird trotz der schweren Strecke und eines leichten Einbruchs auf den letzten Kilometern am Ende dennoch zu einer 4:16:39 und einem Platz noch in der ersten Hälfte des Feldes reichen. Nur sieben von fast fünfzig Altersklassenkolleginnen sind schneller.

Oberhalb der Smitswinkel Bay Julian Karp mit langem wehenden Haar

Die Amerikanerin hatte natürlich von ihrem Schiff aus noch viel größere Probleme, an Informationen über den Lauf heran zu kommen. Aber irgendwie hat sie es doch geschafft dabei zu sein. Ein paar ihrer Studenten hat sie ebenfalls mitgebracht. Doch die begnügen sich alle mit dem Halbmarathon. Das schönste verpassen sie dabei, wie Deirdre schmunzelnd bemerkt.

Denn die Ausblicke, die sich beim Anstieg zum Red Hill bieten, sind die Anstrengungen in jedem Fall wert. Immer kleiner wird die Küste unter der sich nach oben schraubenden Straße. Und immer weiter kann man sie übersehen. Mal in Richtung Simon’s Town. Und nach dem nächsten Schwenk dann wieder Richtung Fish Hoek. Anfangs noch durch bebautes Gebiet führend wechselt die Strecke bald in die für die Cape Peninsula typische Buschlandschaft.

Fünf Kilometer lang geht es bergan. Ziemlich genau bei der Halbzeitmarke hat man die höchste Stelle erreicht und die Steigung hinter sich gelassen. Von dort oben liegt nun der Atlantik den Läufern zu Füßen. Sie werden den Ozean zwar nicht erreichen, denn die Straße, die sich ihm nun entgegen neigt, wird vorher abdrehen. Doch ein bisschen was von „Two Oceans“ hat das schon.

Lange hält sich der Kurs nicht in der Höhe auf. Es geht nach dem Überlaufen der Kuppe gleich wieder ordentlich bergab. Bis Kilometer 25 verliert man mehr als die Hälfte der Höhenmeter gleich wieder. Mit einigen Kehren, die jedoch deutlich weiter angelegt sind als ihre Gegenstücke auf der Ostseite des Red Hill, landet man schließlich an der Einmündung, die von den Einheimischen „Perdekloof Intersection“ genannt wird. Während man rechts weiter zur Atlantikküste gelangen würde, führt der Peninsula Marathon an der an dieser Stelle aufgebauten Verpflegungsstelle vorbei weiter geradeaus.

Doch selbst auf das letzte Stück Küstenstraße auf der Halbinsel muss man als Läufer nicht verzichten. Nur vier Wochen vor dem Peninsula wurde ein Marathon gestartet, bei dem diese Passage südlich des Chappies belaufen wird. Und auch den gerade bewältigten Berg hat man dabei – allerdings genau von der anderen Seite – in Angriff genommen. Er hat dem Rennen sogar seinen Namen gegeben. Es ist der Red Hill Marathon von Fish Hoek.

Dieser startet auf der Kommetjie Road nahe der Kreuzung zum Black Hill, führt von dort jedoch geradeaus zum Atlantik und dann an dessen Ufer entlang, um an der „Pferdeschlucht“ wieder auf jenen Teil der Strecke einzuschwenken, den man sich mit dem Peninsula Marathon teilt. Den Weg zurück nach Fish Hoek entlang der Küste, haben dessen Teilnehmer ja auch schon kennen gelernt.

Rückweg auf der Küstenstraße

Legt man die Pläne dieser beiden Läufe – und dazu noch denjenigen des Two Oceans Marathons – übereinander, erkennt man, dass tatsächlich kaum eine Straße der südlichen Kaphalbinsel nicht mindestens einmal im Jahr den Läufern offen steht. An Veranstaltungen mit wirklich schönen Kursen gibt es in der Region von Cape Town nun wahrlich keinen Mangel.

Die gerade beschriebene Runde des Red Hill Marathons ergibt allerdings nur 36 Kilometer, die zwar bei der Veranstaltung auch als Wettkampfdistanz ausgeschrieben sind, aber eben auch durch ein Wendepunkstück zu einem „richtigen“ Marathon verlängert wird. Eine Zusatzschleife, die genau auf der Straße absolviert wird, auf der man nun auch beim Peninsula weiter läuft.

Meist unter schattenspendenden Bäumen geht es eine ganze Weile ohne größere Höhenunterschiede immer geradeaus. Plateau Road heißt die mit der Nummer „M65“ versehene Piste deshalb auch ziemlich treffend. Nach dem Red Hill eine Phase, in der man sich zwar nicht erholen, aber zumindest wieder gleichmäßig laufen kann.

Langweilig ist das keineswegs, ganz im Gegenteil. Denn der Wechsel zwischen der Allee und den gelegentlich dazwischen liegenden offenen Passagen, die dann wieder den Blick auf die umliegenden Bergen frei geben, hat durchaus seinen Reiz. Und angesichts der doch langsam nach oben steigenden Sonne, ist auch der Schatten nicht wirklich unwillkommen.

Die wehende Mähne von Julian Karp, dem Vielstarter aus Mount Edgecombe in KwaZulu-Natal, ist wie bei dem Marathon von Bloemfontein in der Vorwoche auch in Kapstadt wieder dabei. Und er bereut es nach eigenen Aussagen überhaupt nicht, die Anreise auf sich genommen zu haben. Der neue, ihm völlig unbekannte Kurs sei trotz der Steigungen einfach herrlich zu laufen.

Doch der Peninsula Marathon war ihm nicht genug. Denn er hat an diesem Wochenende schon fünfzig Wettkampfkilometer in den Beinen. Noch am Samstagmorgen ist er in Port Elizabeth beim Bay Ultra gelaufen und mit knapp unter fünf Stunden ins Ziel gekommen.

Keine vierundzwanzig Stunden später ist er viele hundert Kilometer von der Millionenstadt in der Provinz Ostkap entfernt schon wieder im sportlichen Einsatz. Ein Inlandsflug am vergangenen Nachmittag hat ihn noch rechtzeitig für den Marathon nach Cape Town gebracht. Und diesen wird er in 4:08:10 beenden.

Rückweg auf der Küstenstraße

Das erste, was er nach der Landung gesehen hat, war dabei das riesige Elendsviertel Khayelitsha. In der Sprache der dort hauptsächlich wohnenden Xhosa bedeutet der Name “unsere neue Heimat“. Doch ob man sich in dieser Ansammlung aus Wellblechbuden, zu großen Teilen ohne Strom, Wasser und sanitäre Anlagen, wirklich heimisch fühlen kann, darf man bezweifeln.

So richtig kennt man die Zahl der Menschen, die hier hausen – das Wort „wohnen“ wäre angesichts der Umstände vielleicht ein wenig unpassend – müssen, eigentlich nicht. Eine Meldepflicht gibt es nicht. Und selbst wenn wäre sie angesichts völlig fehlender Infrastruktur – dazu nötige Dinge wie Grundstücke, Straßen oder Hausnummern existieren zwar manchmal, aber bei weitem nicht immer – sowie ständigen Kommens und Gehens überhaupt nicht praktisch durchzusetzen. Schätzungen reichen jedenfalls von mindestens einer halben bis weit über eine Million.

In die schon während der Apartheid bestehende Schwarzensiedlung waren nach Aufhebung der Rassentrennung immer mehr Menschen – vor allen Dingen aus den beiden früher formal unabhängigen Homelands Ciskei und Transkei – geströmt, um in der boomenden Stadt Arbeit zu finden. Inzwischen gilt Khayelitsha als das nach Soweto zweitgrößte Township des Landes.

Wie unterschiedlich die Verhältnisse in Südafrika auch im zweiten Jahrzehnt nach Ende der Apartheid noch immer sind, lässt sich gerade am Beispiel der beiden aus Kapstadt hinaus führenden Autobahnen recht gut verdeutlichen. Denn während man entlang der sich an der Küste orientierenden, in Richtung Durban verlaufenden N2, kilometerlang an armseligen Wellblechbaracken vorbei rollt, bietet sich an der N1, die Kapstadt mit Bloemfontein, Johannesburg und Pretoria verbindet, ein völlig anderes Bild.

Dort wächst die Century City in den Himmel, ein riesiger hochmoderner Gebäudekomplex mit Vergnügungspark und Spielkasino. Etliche große Firmen haben dort bereits ihre Niederlassungen. Und noch immer werden dort unentwegt neue Wohnungen, Hotels und Büros erstellt. Um die Zahl der Baukräne abzuzählen, reichen die Finger jedenfalls nicht aus. Und das Canal Walk Einkaufszentrum gilt mit über vierhundert Geschäften sowie zahlreichen Restaurants als eines der größten in ganz Afrika. Wenn es nicht sogar überhaupt das größte auf dem Kontinent ist.

Während dort meist ziemlicher Trubel herrscht, sind die Marathonis auf der Plateau Road nach wie vor ziemlich unter sich. Neben den Radfahrern ist es hauptsächlich Begleitverkehr des Marathons, der über das Sträßchen fließt. Zwischen den Versorgungsstellen haben sich aber mitten in der Landschaft tatsächlich ein paar Zuschauer eingefunden. Verwandte, Freunde und Bekannte der Läufer, die zum Anfeuern mit dem Auto mehrere Punkte unterwegs anfahren.

Deirdre Bird beim Rückweg auf der Küstenstraße Verpflegung mit herrlicher Aussicht Rückweg auf der Küstenstraße

Der Ausflugsverkehr hat dagegen noch nicht wirklich begonnen. Noch ist es früh am Sonntagmorgen. Doch er wird bald zunehmen. Denn ein Schild am Rand deutet auf den Abzweig zum „Cape of Good Hope“ hin. Eine rund zehn Kilometer lange, sich später gabelnde Stichstraße bringt die Touristenströme von dieser Stelle sowohl zum Kap selbst als auch zu Cape Point. Das sind nämlich zwei unterschiedliche Dinge.

Am „südwestlichsten Punkt Afrikas“ – wie ein Schild dort vorsichtig verkündet, um die Tatsache, dass die Südspitze des Kontinents ganz woanders ist, geschickt zu verschleiern – findet man direkt am Meer kaum mehr als einen Wendeparkplatz und eben diese Tafel vor. Die meisten Besucher machen an dieser Stelle kaum mehr als ein Foto, das mit der Anzeige im Vordergrund belegt, dass sie auch wirklich da waren.

Einen Kilometer östlich davon ragen dagegen steile Klippen empor, die sich auf einer schmalen Landzunge weit ins Meer hinaus schieben. Auf dem höchsten Punkt dieser Klippen steht weithin sichtbar der Leuchtturm von Cape Point. Und dort hinauf strömen die Massen wirklich. Ganze Busladungen marschieren den gut ausgebauten Asphaltweg vom Parkplatz hinauf.

Den schmalen Pfad, der noch ein Stück weiter auf die Klippen hinaus führt, nehmen schon deutlich weniger in Angriff. Und die hoch über eine einsame Bucht entlang führende kurze Wanderung zum Kap geht kaum jemand an. Dabei würde gerade sie die faszinierendsten Bilder für die Kameras liefern.

Auch die Südspitze der Halbinsel gehört zum Table Mountain National Park, der zudem auch noch einige andere unbesiedelte Gebiete der Peninsula unter Schutz stellt. Schon die ganze Zeit seit der Perdekloof Intersection ist man entlang der Parkgrenze – „past the Cape of Good Hope Nature reserve“, um wieder einmal die Streckenbeschreibung zu zitieren – gelaufen.

Letzte lange Rampe bei Kilometer 36 Kurz vor Simon's Town

Sogar einige kleine Gruppen von Antilopen und Zebras leben hinter dem Zaun, der wie meist in Südafrika die Straße begleitet, um Autofahrer und Großtiere voneinander zu trennen. Und vor den Pavianen, den Baboons, wird ausdrücklich gewarnt. Man solle sie weder füttern noch ihnen zu nahe kommen. Selbst die Türen und Fenster des Autos solle man geschlossen halten, wenn sie in der Nähe wären. „Baboons are dangerous“ bekommen die Touristen nicht nur am Cape Point sondern überall im Land immer wieder eingehämmert.

Doch weder wilde Affen, die als einzige südafrikanische Population auch am Strand nach Nahrung in Form von Muscheln und Sandflöhen suchen, noch Antilopen, sind der Hauptgrund für den Nationalpark. Es ist die Pflanzenwelt, die sich am Kap so einzigartig präsentiert, dass man mit einigen anderen Naturschutzgebieten der Region seit einem halben Jahrzehnt sogar auf der Naturerbeliste der UNESCO gelandet ist.

Das Cape Floristic Kingdom erstreckt sich gerade mal über ein halbes Prozent der afrikanischen Landfläche und nimmt nicht einmal die gesamte Provinz Western Cape ein. Und doch wachsen hier ein Fünftel aller Pflanzenarten des gesamten Kontinents.

Meist nur unscheinbare Sträucher und Bodendecker bilden die Fynbos genannte Vegetationsform. Aber ihre Vielfalt ist gigantisch. Als Beispiel wird in allen Reiseführern gerne zitiert, dass alleine auf dem Tafelberg wesentlich mehr Arten wachsen als auf der gesamten, tausend mal größeren Insel Großbritannien.

Wer seinen Blick einen Moment von der Landschaft lassen kann, wird sich auch an den farbefrohen Trikots der südafrikanischen Läufer rundherum erfreuen, die um ein Vielfaches bunter daher kommen, als die Laufhemden in Europa oder Nordamerika. Denn jeder Club hat sein eigenes, ganz spezielles Muster, das man zwar gelegentlich in unterschiedlichen Schnitten aber immer in der gleichen Farbgestaltung entdeckt.

Da sind die grüngestreiften Trikots der Celtic Harriers. Oder die dünnen schwarzen Längsstreifen über gelben Hosen der Läufer aus dem benachbarten Fish Hoek. Trikots nahezu ganz in Gelb – die allerdings meist über blauen Hosen – trägt man dagegen auf der anderen Seite der False Bay in Strand, das nicht nur so heißt sondern auch einen solchen hat.

Letzter kleiner Anstieg am Golfplatz

Rot über blau starten die Marathonis der nördlich von Kapstadt beginnenden West Coast. Jedoch bei weitem nicht alle, denn die Läufer aus Langebaan, wo man ein paar Wochen später ebenfalls einen Marathon veranstaltet, der durch den schon erwähnten West Coast Nationalpark führen wird, bevorzugen hellblau und orange. Im Weinland von Stellenbosch sind die Farben dunkelblau und grün.

Und die Trikots von deren Nachbarn aus Paarl kann man kaum noch beschreiben, so viele unterschiedliche bunte Streifen hat man darauf untergebracht. Doch auch die anderen Laufhemden haben die unterschiedlichsten Systeme ihre Maserung anzuordnen. Längs oder quer, manchmal eben auch diagonal. Gerade oder gebogen, kariert oder gepunktet. Und bei einem Club dann auch einmal strahlenförmig wie bei einer Sonne. Alles ist erlaubt, Hauptsache eindeutig.

Man trägt die Vereinsfarben, weil es so vorgeschrieben ist. Die Ausschreibung des Peninsula Marathons beinhaltet den Passus „Club colours must be worn“. Doch man trägt sie durchaus auch mit einem gewissen Stolz. Man kennt es gar nicht anders. Denn in Südafrika ist die Lauferei noch immer ein Ding der Vereine. Noch ist die Laufszene am Kap nicht wie hierzulande von gewinnorientierten Veranstaltern und kommerziellen Trainingsgruppen übernommen worden.

Und auch der Verband spielt nach wie vor eine gewisse Rolle. Doch war der im Gegensatz zu den europäischen und amerikanischen Leichathletikbünden aufgrund der großen Tradition, die der Langstreckenlauf außerhalb des Stadions schon immer im Land hat, auch clever genug, die Entwicklung nicht jahrzehntelang zu verschlafen. Man hat die Laufszene rechtzeitig eingebunden.

Selbst wenn man durchaus als Vereinsloser mit einer „temporary licence“ starten darf, scheint kaum jemand im Feld, sie zu benötigen. Übrigens ist auch die Kleidung von diesen „unlicensed runners“ in den „general rules“ genau definiert. Sie müssen nämlich „plain clothes“ tragen, was in diesem Fall eher unbedruckte als ungemusterte Kleidung bedeutet. Denn es gilt „no advertising permitted“ – „Werbung nicht gestattet“.

Wirklich kontrollieren kann man das natürlich nicht. Und ob man in dem Fall, dass irgendwo eine Aufschrift etwas zu groß geraten ist, tatsächlich zu Sanktionen greift und Disqualifikationen ausspricht, ist auch nicht exakt nieder geschrieben. Doch alleine das Auftauchen der anderen Passagen in einer Ausschreibung würde auf der Nordhalbkugel vermutlich zu einer kleinen Rebellion inklusive Boykottaufrufen führen.

Auf den letzten Metern zum Ziel

Wer nun meint, alles sei damit furchtbar ernst und einfach nur spießig, dem sei gesagt, dass auch das schwarze Trikot des „drinking club with a running problem“ etliche Male auf der Strecke zu sehen ist. Spaß am und beim Laufen ist durchaus erlaubt.

Kurz hinter der Zufahrt zum Cape Point beginnt der vielleicht spektakulärste Teil der Strecke. Denn man nähert sich wieder der Küste. Das erste, was man vom Wasser zu sehen bekommt, ist die Smitswinkel Bay tief unterhalb der Straße. Hinter der kleinen Bucht erhebt sich unübersehbar und markant der Judas Peak mehrere hundert Meter praktisch direkt aus dem Meer.

Ein weiter Linksbogen lässt das noch immer hoch über dem Wasserspiegel verlaufende Asphaltband langsam parallel zur Uferlinie einschwenken. Für das letzte Viertel der Distanz wird nun die False Bay wieder ständiger Begleiter der Marathonis sein.

Eigentlich sind es immer nur kleine Kurven in der stetig leicht bergab führenden Straße. Doch mit jeder von ihnen ändert sich das Bild etwas. Manchmal verläuft die Strecke direkt an der Felswand entlang, scheint die Piste direkt in den Berg hinein geschlagen worden zu sein. Manchmal weicht das Gebirge auch ein Stück zurück und lässt Platz genug für einen schmalen Streifen welligen Vorlandes. Unten im Meer brechen kleine Inseln und Felsbrocken die Wellen. Landschaftlich noch beeindruckender könnten die letzten Kilometer eines Marathons kaum sein.

Vor über einem Jahrzehnt, als zwei amerikanische Journalisten einmal die größten und wichtigsten Marathons der Welt in einem Buch beschrieben und dabei in bester Tradition ihres Landes zu allen möglichen Gesichtspunkten eine Rangliste erstellten, machten sie den Lauf von Big Sur zum Gewinner des Schönheitspreises. Eventuell auch nicht ganz ohne patriotische Ader, denn der wird an der kalifornischen Küste südlich von San Francisco auf dem berühmten „Highway 1“ gelaufen.

Für den Two Oceans wirbt man ebenfalls, kaum weniger patriotisch, mit der Zeile „the world’s most beautiful marathon“, obwohl er ja genaugenommen eigentlich gar kein Marathon sondern ein Ultra ist. Eine absolute Wahrheit gibt es – wie eigentlich immer im Leben – dabei natürlich überhaupt nicht. Entscheidungen von Menschen sind immer subjektiv und für andere manchmal auch nicht zu verstehen. Jede Seite sieht es eben anders. Und jede Seite hält ihre Meinung für richtig, wähnt sich im Recht.

Auf den letzten Metern zum Ziel Zieleinlauf an der Naval Base

Doch auch wenn es Neutralität und Objektivität eigentlich kaum geben kann, sind die Unterschiede zwischen den beiden genannten Veranstaltungen und der neuen Strecke des Peninsula Marathons nicht wirklich groß. Der Charakter der Strecke ist definitiv ähnlich. Und so kann er – nach der zugegebenermaßen natürlich ebenfalls ziemlich subjektiven Meinung des Autors – mit der hochgelobten Konkurrenz durchaus mithalten.

Deirdre Bird, die College-Professorin aus Rhode Island, war zwar mit der Informationspolitik des Peninsula Marathons und seinem Auftritt im Internet alles andere als zufrieden. Und am Parkplatzchaos vor dem Start hatte sie sich ebenfalls ziemlich gestört. Das ganze mag sicher nicht so perfekt organisiert sein wie der noch traditionsreichere Boston Marathon, an dem sie auch schon teilgenommen hat. Doch sie bringt es in wenigen Worten auf den Punkt: „The course makes it perfekt“.

Es sind schon über 35 Kilometer gelaufen, als die bisher zumeist leicht bergab führende Küstenstraße noch einmal mit einer lang gezogenen Steigung zurück schlägt. Eine Art südafrikanische Variante des Heartbreak Hill, der weniger durch seine Steilheit als durch seine Position im Kurs bei vielen den Rhythmus endgültig bricht und sie für einen Moment zu Gehern macht.

Die ersten Häuser des lang gestreckten Simon’s Town sind jedoch wenig später erreicht. Die letzte Verpflegungsstelle drei Kilometer vor dem Ziel ist bereits in den südlichen Ausläufern des Städtchens aufgebaut. Dort wo sich der kleine Golfplatz auf der rechten Seite direkt über die felsige Küste erhebt, geht es noch einmal spürbar bergauf. Nur ein kleiner Hügel, doch auch diesmal wird im Feld eifrig gewandert.

Unten am Meer liegt verborgen hinter einer Häuserreihe neben dem Golfplatz Boulder Beach, ein kleiner Strandabschnitt, der ebenfalls zu Table Mountain National Park gehört. Benannt ist er nach den dort im Sand liegenden rundgeschliffene Felsbrocken, die man im Englischen mit dem ins Deutsche nicht wirklich zu übersetzenden Begriff „Boulder“ bezeichnet.

Unter dem Schutz der Nationalparkverwaltung steht er allerdings, weil dort mitten im Ort eine Kolonie Pinguine lebt. Auf Holzplankenwegen kann man unbeschwert zwischen ihnen herum spazieren. Die südafrikanische Variante der flugunfähigen Vögel sind kleine, drollige und vor allem völlig harmlose Gesellen, die niemandem etwas zuleide tun.

Zieleinlauf an der Naval Base Die Clubzelte im Zielgelände an der Naval Base

Abseits von der belaufenen Hauptstraße bleiben sie jedoch vor den Augen der Marathonis verborgen. Und nicht jeder hat nach dem Rennen noch die Zeit oder überhaupt die Lust, ihnen einen Besuch abzustatten.

Die Autodichte nimmt langsam aber sicher doch zu. Gerade in den etwas schmaler werdenden Straßen des Ortskerns, dem man sich nun nähert, weichen viele Läufer lieber auf den Bürgersteig aus. Aber noch vor dem eigentlichen Zentrum biegt man nach rechts ab, um den direkt am Meer gelegenen Sportplatz der Marinebasis anzusteuern. Eigentlich ein recht passender Ort, um einen Marathon zu beenden, der sich in großen Teilen, an der Küste orientiert hat.

Als Erster kann das Bernard Dandazi nach 2:30:33 tun. Und wie Halbmarathonsieger Tsawayo muss er sich um eventuelle Verfolger keine Gedanken machen. Schon nach vier Kilometern hat es sich vom Feld abgesetzt und den Rest der Distanz alleine bestritten.

Neun Minuten läuft der Neunundzwanzigjährige auf den Zweiten heraus und biegt schon ins Ziel ab, als Zondwa Nombexeza erst am Ortsrand von Simon’s Town angekommen ist. Für ihn werden später 2:39:25 gestoppt.

Dahinter kämpfen mit Samson Gulubela, Quinton Prince und Dawid Visser drei Läufer um den dritten und letzten Treppchenplatz. Am Ende hat Gulubela mit 2:41:05 die Nase vorn. Für die nur wenig schlechteren Prince (2:41:22) und Visser (2:42:05) bleiben nur die undankbaren Ränge vier und fünf.

Als Gesamteinunddreißigste und erste Frau kommt Julia Jansen van Rensburg auf dem Marinesportplatz an und sorgt dadurch für einen Erfolg des veranstaltenden Vereins. Denn die 3:05:47 benötigende Läuferin startet für die Celtic Harriers. Ziemlich genau drei Minuten länger ist mit 3:08:43 Kathleen Shuttleworth unterwegs. Und dass durch Lisa Baumann als Dritte in 3:16:39 eine weitere Celtic-Starterin das Treppchen erreicht, sorgt bei den Ausrichtern für durchaus strahlende Gesichter.

Die Clubzelte im Zielgelände an der Naval Base Der Peninsula Marathon, eine Station zur Qualifikation für den Two Oceans Marathon Wie die Trikotaufschrift eines Marathonläufers zeigt, es geht nicht nur bierernst zu beim Laufen in Südafrika

Mit 1367 in der Ergebnisliste verzeichneten Läufern ist man zwar von den 1733 im Vorjahr ausgegebenen Marathonmedaillen ein ganzes Stück entfernt. Doch für eine Veranstaltung von der noch einen guten Monat vor dem Start gar nicht klar war, ob und wie sie überhaupt stattfinden würde, sind die Zahlen wohl selbst in einem Läuferland wie Südafrika dennoch alles andere als schlecht. Nur gut hundert davon schaffen übrigens die für den Two Oceans benötigte Qualifikationszeit von fünf Stunden nicht.

Steigerungsmöglichkeiten gibt es sicherlich noch erhebliche. Und die vermutlich nicht nur in der Region. Wenn man im Ausland das touristische Potential dieses Marathons entdeckt, dürfte man auch einige Lauftouristen anziehen können. Die Kaphalbinsel wäre schließlich selbst ohne Peninsula Marathon immer eine Reise wert. Mit ihm ist sie es gleich doppelt.

Grundvoraussetzung dafür wäre aber sicher das Festhalten an der neuen Strecke. Es ist den Veranstaltern unbedingt zu raten, den Charakter des Rennens in dieser Form zu belassen. Stadtläufe durch Vororte, selbst wenn diese in Kapstadt vielleicht ein wenig anders aussehen als in Europa, gibt es viele in der Welt. Landschaftsläufe auf so beeindruckenden Küstenstraßen existieren deutlich weniger.

Und ein wenig besser verkaufen müssten die Organisatoren diesen Geheimtipp vielleicht auch. Etwas mehr Marketing könnte jedenfalls sicher nicht schaden. Beim Two Oceans bekommen es die Celtic Harriers ja hin. Warum sollte es – wenn man es denn überhaupt will – bei diesem Marathon, der sich eigentlich nahtlos an den berühmten Ultra anschließt und Läufern auch noch den Rest der Halbinsel eröffnet, denn nicht ebenfalls gehen.

Noch einmal sei Deirdre Bird zitiert: „The course makes it perfekt“. Sie hat wohl recht.

Teil 1 der Südafrika-Trilogie: Bloemfontein Marathon klick HIER
Teil 3: Pretoria Marathon klick HIER

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Bericht und Fotos von Ralf Klink

Infos und Ergebnisse unter: www.topevents.co.za

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