Himalayan 100 Mile Stage Race (Oktober 2010)Im Schatten der Achttausender |
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von Stefan Schlett
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Im Norden des indischen Bundesstaates West Bengalen, im Hochland von Darjeeling, dem berühmtesten Teeanbaugebiet der Welt, liegt ein besonderer Ort: Sandakphu. Es heißt, dass seinerzeit im 19. Jahrhundert Fürst Aga Khan von einem Ort hörte, der den Blick auf vier der fünf höchsten Berge der Welt freigibt: Makalu (8475 m), Lhotse (8501 m), Kanchenjunga (8598 m) und Mount Everest (8848 m). Von diesem Ort träumte Aga Khan, den wollte er sehen und erteilte den Auftrag, eine Straße dorthin zu bauen. Und so entstand Sandakphu, mit Blick auf das Dach der Welt. Ein Blick, der Aga Khan jedoch verwehrt blieb. Seine Sicherheitsleute empfanden den Pfad hierher mit den steilen Passagen und den tiefen Abhängen schließlich als zu gefährlich für den Khan.
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v.l.n.r.: Lhotse, Mount Everest, Makalu | Eine grandiose Kulisse für das Himalayan 100 Mile Stage Race |
Es ist fast genau diese Route die die 1. Etappe des Himalayan 100 Mile Stage Race beschreibt. Vom Start in Maneybhanjang (2134 m) müssen 38 km und 2000 Höhenmeter auf steilen Kehren und durch subtropischen Regenwald bewältigt werden. Die Strecke ist eine Folter für die Laufwerkzeuge, denn sie führt auf einem "British Trail" - in den Boden gestampfte, unbehauene Natursteine - bis nach Sandakphu in 3636 Metern Höhe, wo die Läufer für die kommenden zwei Tage in Berghütten einquartiert werden. Der fünftägige Etappenlauf über 161 km wird seit 20 Jahren von Chander Shekhar Pandey und seiner Agentur Himalayan Run & Trek organisiert und ist somit eines der am längsten existierenden Abenteuerrennen auf der Welt.
Die in Delhi ansässige Reiseagentur ist spezialisiert auf Bergbesteigungen, Expeditionen und Trekkingtouren in unberührte Gegenden des Himalaya, C.S. Pandey selbst hat bereits mehr als 60 Hochgebirgsexpeditionen geleitet. Sie besitzt somit das entsprechende Know-how für ein derart aufwendiges Rennen, das von einem professionellen Team mit immensem Aufwand perfekt organisiert wird. Auf die alljährlich 50-60 Teilnehmer/innen aus der ganzen Welt wartet ein atemberaubender Rundkurs am Fuße des Himalajas, mit Blick auf die höchsten Berge der Welt.
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Die klirrend kalte und sternenklare Nacht in der dünnen Höhenluft von Sandakphu wird von einem berauschenden Sonnenaufgang abgelöst. Kurz nach 5 Uhr tauchen die "Big Four" am Horizont auf. Lhotse, Everest und Makalu thronen bescheiden in über 200 km Entfernung, an der Grenze Nepal/Tibet. Während die nur 80 km entfernten Eiswände des Kanchenjunga an der Grenze Nepal/Sikkim (autonomer indischer Bundesstaat) übermächtig erscheinen. Vier der fünf höchsten Berge der Erde (der andere ist der K2 im Karakorum/Pakistan) verzücken das Auge - der schiere Höhenorgasmus! Vor dieser majestätischen Kulisse verläuft die 2. Etappe über 32 km. Der Wendepunktkurs führt entlang eines Höhenkammes, immer scharf an der Grenze zu Nepal entlang und kommt auf jeweils 600 Meter im Auf- und Abstieg.
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Die Siegerin Monica Aguilera (ESP) |
LaufReporter Stefan Schlett und Runner's World Reporter Dirk Stelzner im Einsatz | Lourdes Martinez aus Spanien |
Warme Betten, hygienisch einwandfreies Trinkwasser und Verpflegung, ärztliche Versorgung, adäquate sanitäre Einrichtungen und Gepäcktransport gehören mit zum "Rundum Sorglos Paket" von Himalayan Run & Trek, sind aber keine Selbstverständlichkeit in dieser abgeschiedenen Gegend und nur mit großem Aufwand zu organisieren.
So arbeiten im Verlaufe des Rennens knapp 300 Personen u. a. als Köche, Träger, Streckenposten, Fahrer, Zeitnehmer etc. C.S. Pandey trifft mit einem Stab von Mitarbeitern bereits zwei Wochen vor dem Rennen ein, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
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Die Marathonetappe am 3. Tag ist größtenteils identisch mit dem Vortag, stürzt dann aber auf dem letzten Drittel 1600 Höhenmeter ab und bringt die Teilnehmer wieder zurück in die Zivilisation. Das Ziel befindet sich in der 1900 Meter hoch gelegenen Ortschaft Rimbik, direkt an der Grenze zu Sikkim. Hier beginnt wieder eine Asphaltstraße, die Unterkünfte sind in bequemen Gasthäusern, es gibt eine Verbindung zur Außenwelt, in Sikkim gebrautes Bier und Coca Cola. Wie anspruchsvoll der Marathon ist zeigt die Siegerzeit von 4:50 Stunden, während der letzte Teilnehmer weit nach Anbruch der Dunkelheit in über 13 Stunden das Ziel erreicht.
Die beiden letzten Etappen führen über eine mit Schlaglöchern durchsetzte Asphaltpiste durch liebliche Hochgebirgslandschaften, vorbei an einsamen Bergdörfern und durch dunkle, kühle Pinienwälder. Die multikulturelle Bevölkerung aus Nepalesen, Tibetern, Bhutanesen und Bengalis verfolgt begeistert das Treiben der ebenso bunten Lauftruppe aus dreizehn Ländern. In Maneybhanjang, dort wo vor fünf Tagen alles begann, endet der große Rundkurs durch eine der wildesten Regionen dieser Erde.
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Der schnellste Deutsche Teilnehmer Christian Scheuerer
(5. Platz in einer Gesamtzeit von 17:30 Std.) |
Der älteste Teilnehmer Douglas Chittenden (72, UK) |
Den Gesamtsieg holten sich bei den Männern Fernando Rodriguez in 16:23 h und bei den Frauen Monica Aguilera in 17:08 h, beide aus Spanien. Letztere hätte beinahe den Marathon gewonnen, wenn sie nicht auf ihre beiden im letzten Viertel schwächelnden Landsmänner Fernando Rodriguez und Angel Moreno Galvez Rücksicht genommen hätte. Sie musste den beiden förmlich "in den Arsch treten", damit sie gemeinsam das Ziel erreichten.
Überhaupt die Frauen: Mit 30 von 59 Teilnehmern waren sie bei diesem äußerst anspruchsvollen Hochgebirgsrennen das dominante Geschlecht! Als der Autor vor 30 Jahren mit diesem Sport begann, konnte man die wenigen Teilnehmerinnen noch an fünf Fingern abzählen - und wie Frauen sahen diese meistens auch nicht aus.
Im "Zeitalter des Extremsports" hat sich das Bild gewandelt. Eine zunehmende Anzahl äußerst attraktiver Damen mit einem ausgeprägt femininen, sehr sportlichen Body entdeckt die Lust und den Spaß, der in dem Abenteuer lange, langsam, extrem und abseits ausgetretener Pfade liegt. Während die Engländer(innen) die zahlenmäßig stärkste Nation stellten, war dieses Jahr auch ein starkes deutsches Kontingent mit fünf Männern und einer Frau vertreten. Mit 72 Jahren war Peter Douglas Chittenden aus England der älteste Teilnehmer, der das Rennen beendete.
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Beim abschließenden Galadinner in dem 1767 Meter hoch gelegenen Gebirgsweiler Mirik wird jeder Teilnehmer einzeln geehrt und erhält ein hochwertiges Erinnerungsgeschenk. Die Sieger bekommen eine Medaille aus 22 Karat Gold überreicht, die zu Ehren von Baba Sant Nagpal benannt ist, einem der berühmtesten spirituellen und moralischen Führer Indiens. Dieser war es auch, der C.S. Pandey vor über zwei Jahrzehnten zu diesem faszinierenden Etappenlauf durch den Himalaya, im Schatten der Achttausender, inspirierte.
In den riesigen Tempelanlagen von Baba Sant Nagpal im Herzen Delhis bringt der Renndirektor jeweils vor und nach dem Event Gebete und Opfergaben dar, was zu helfen scheint, denn in all den Jahren hat es noch nie einen ernsthaften Unfall beim Himalayan Stage Race gegeben.
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Das nächste Himalayan 100 Mile Stage Race findet vom 16.-23.10.2011 statt.
Kontaktadresse: |
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Himalayan Run & Trek Pvt. Ltd. |
Tel.: 0091-11-22 77 27 00 |
Treffpunkt ist in Indiens Hauptstadt New Delhi. Ein 2½-stündiger Inlandsflug bringt die Teilnehmer nach Bagdogra in West Bengalen, von wo es per Bus durch üppige Teeplantagen ins Hochland von Darjeeling geht.
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Die Kinder erhalten Schreibhefte und Geschenke von den Läufern und der Organisation |
Neben dem Etappenlauf ist der Marathon am 3. Tag auch als Einzelwettbewerb mit Sonderwertung ausgeschrieben. Außerdem gibt es ein Programm für Walker und Begleiter. Ein Zeitlimit gibt es nicht, man legt wert darauf, dass jeder Teilnehmer die größtmögliche Chance hat, das Ziel zu erreichen. Trotz der schwierigen Infrastruktur eines Entwicklungslandes ist dieser Etappenlauf besser organisiert als vergleichbare Rennen in der westlichen Welt.
Die Unterkünfte sind den Verhältnissen entsprechend spartanisch, westlichen Standard darf man nicht erwarten.
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Renndirektor C.S. Pandey mit den 3 besten Damen
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... und dem spanischen Siegerpaar Monica Aguilera und Fernando Rodriguez |
Der Lauf führt durch den Singalila Nationalpark, überwiegend entlang der Grenzen Nepals und Sikkims. Es ist der einzige Platz auf der Welt, von dem aus vier der fünf höchsten Berge der Erde zum gleichen Zeitpunkt zu sehen sind. Der Kurs ist ein absolutes Highlight und zählt zu den spektakulärsten und schönsten Laufstrecken weltweit.
Für die Einreise nach Indien ist ein Visum erforderlich. Der Zeitunterschied beträgt MEZ + 4:30 Std. bzw. MESZ + 3:30 Std.
Touristische Informationen über den Subkontinent Indien: |
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Indisches Fremdenverkehrsamt Baseler Str. 48, 60329 Frankfurt Tel.: 069-24 29 49 0, Fax: 069-24 29 49 77 Internet: www.incredibleindia.org |
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