21.5.16 - The Great Wall Marathon in Huangyaguan/ChinaZweite Frau schneller als die Siegerin |
von Axel Künkeler |
Den 17. Great Wall Marathon in Huangyaguan, ca. 120 Kilometer nordöstlich von Peking, gewann der Chinese Jason Shen in 3:30:49 Stunden mit deutlichem Vorsprung vor dem Portugiesen José Santiago. Bei den Frauen siegte die Kanadierin Hannah Hutchinson in 4:15:45 h, obwohl die zweitplatzierte US-Amerikanerin Michelle Font fast zehn Minuten schneller war. Europäische Erfolge gab es auf der Halbmarathon-Distanz mit den Siegen des Franzosen Benjamin Rousseau (1:35:54 h) und der Finnin Heidi Makinen (1:50:28 h). Die besten deutschen Platzierungen gab es für Rolf Schlachter (VGC Runners Club), der mit einer Zeit von 1:52:47 h Gesamt-Vierter und 1. M50 beim Halbmarathon wurde, sowie bei den Frauen für Kerstin Petsch (4:36:27h) als fünfte Marathon-Frau und 2. W30.
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Mit engen und steilen Passagen wartet die Chinesische Mauer auf | ... da nimmt man schon Mal die Beine in die Hände | Auf unebenen Treppen war höchste Konzentration angesagt |
Neben der klassischen Marathon-Distanz und dem Halbmarathon gab es noch einen 8,5 km langen Fun Run. Insgesamt gingen fast 2.500 Läufer und Läuferinnen aus 61 Ländern an den Start. Deutschland war mit 135 Teilnehmern die fünftstärkste Nation hinter den USA, China, Großbritannien und Frankreich. Darunter war auch eine 32-köpfige Gruppe des deutschen Laufreiseveranstalters interAir. Mit zehn Läuferinnen und Läufern war der LT Hemsbach aus Nordbaden als eine der größten Laufgruppen vertreten. Neben den eigens aus Deutschland angereisten Läuferinnen und Läufern waren auch viele Deutsche am Start, die derzeit in China leben und (vor allem für die deutsche Automobilindustrie) dort arbeiten. Die offiziellen Ergebnislisten weisen 2.239 Finisher aus: 786 beim Marathon, 1.018 auf der Halbmarathon-Strecke sowie 435 beim Great Wall Fun Run. Erstaunlich hoch ist dabei die Frauenquote mit fast 50 Prozent: allein 309 weibliche Finisher beim Marathon sowie mehr Frauen (534) als Männer (484) beim Halbmarathon.
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Über 2.300 Starter nahmen an den verschiedenen Distanzen des 17. Great Wall Marathon teil | Nach dem Start am Ying-Yang-Platz bei Huangyaguan ging es raus auf die Strecke |
Dabei zählt der Lauf über die chinesische Mauer mit rund 1.200 Höhenmetern und 5.164 Treppenstufen zu den wirklich anspruchsvollen seiner Kategorie. Obwohl nur ein eher kurzer Abschnitt des Great Wall Marathon über die chinesische Mauer führt, hat es die Strecke in sich. Nach dem ersten, flachen Warm-Up Kilometer geht es vier Kilometer auf der Straße rund 250 Meter hoch. Dann beginnt der Einstieg in die weltberühmte chinesische Mauer.
Die Längenangaben über die "Große Mauer" sind sehr unterschiedlich. Nach offiziellen Angaben der chinesischen Behörden von 2009 sind es 8.852 Kilometer, rund 2.000 km mehr als zuvor angenommen. Allein dies entspricht mehr als der Flugroute von Frankfurt nach Peking. Neuesten Erhebungen zufolge sollen es sogar über 21.000 Kilometer sein. Dabei darf man sich die Mauer nicht als eine einzige, durchgehende Verteidigungslinie vorstellen - eher als ein Wollknäuel zahlloser Einzelmauern, die zu unterschiedlichen Zeiten und Zwecken von den chinesischen Dynastien früherer Jahrhunderte errichtet wurden.
Wie auch immer, die Mauer gilt als das größte Bauwerk der Welt. Allerdings sind heute nur noch weniger als zehn Prozent in einem guten Bauzustand. Der Rest ist verfallen, wurde teils von der ärmlichen Landbevölkerung als Steinbruch für den eigenen Hausbau genutzt. Erst in den letzten Jahrzehnten hat China damit begonnen wesentliche Teile zu restaurieren, um so die touristische Nutzung zu fördern. Dazu gehört auch der 3,5 Kilometer lange Abschnitt der Mauer bei Huangyaguan, der während der Ming-Dynastie gegen die Invasion der Mandschu errichtet wurde.
Zwei Tage vor dem Wettkampf kommen die internationalen Starter zur Streckenbesichtigung dort hin. Schon die ersten Eindrücke sind gewaltig: "So riesig hatte ich mir die Mauer nicht vorgestellt", meint nicht nur Andrea Hertinger vom Hemsbacher Lauftreff. Der auf einem Hügelkamm gelegene Abschnitt von Huangyaguan weist einige sehr steile Teilstücke sowie typische Bauformen wie Wach- und Signaltürme und die Festung Baguaguan auf.
Neben der Steilheit ist es vor allem die Beschaffenheit der Stufen, die eine echte Herausforderung für die Läufer darstellt. Oft uneben, schräg abfallend und unterschiedlich hoch erfordern sie nicht nur Ausdauer, sondern vor allem allerhöchste Konzentration beim Laufen. Für viele, fast schon die meisten, ist daher Gehen statt Laufen in diesen schwierigen Passagen über die Mauer angesagt.
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Durch die chinesische Provinz ging der mittlere Strecken-Abschnitt | Nach 5km war der Eingang zur chinesischen Mauer erreicht | Stau im Treppenabgang |
Bei Kilometer 8,5 sind die Fun Runner im Ziel am Ying-Yang-Platz, wo morgens bei angenehm frischen Temperaturen für alle der Start war. Inzwischen ist die Quecksilbersäule jedoch deutlich angestiegen. Bis zum Mittag werden (gefühlt) nahezu 30 Grad erreicht. Auf der nun folgenden Flach-Passage entlang eines ausgetrockneten Flussbettes und durch kleine Dörfer scheint die Sonne unerbittlich. Viele kämpfen nun auch noch mit der großen Hitze. Zumal im Dorf Duanzhuang, wo die Wendeschleife auf die Halbmarathonis wartet, noch einige giftige Rampen zu bewältigen sind. Und weitere 200 Höhenmeter zwischen KM 16 und 22 auf der Marathon-Distanz.
Der Veranstalter hat zwar mit zahlreichen Wasser- und Verpflegungsstellen alles Mögliche getan, aber einige müssen der Hitze dann doch Tribut zollen. Der Berliner Jens Hübler aus der interAir-Reisegruppe hört auf seinen Körper und bricht das Rennen bei KM 34, als die Marathonläufer erneut den Start-Ziel-Bereich passieren, ab. Hannes Spatzier (Vorspiel SLL Berlin) liegt zu diesem Zeitpunkt noch auf dem hervorragenden siebten Platz. Doch auch er muss der Hitze Tribut zollen, denn nun geht es in umgekehrter Richtung für die Marathon-Läufer zum zweiten Mal auf die Mauer.
Und von der Seite wird es nun richtig steil: 250 Meter auf einem knappen Kilometer führen die Treppenstufen wieder zum höchsten Punkt - durchschnittlich 25 Prozent Steigung! Der Berliner Spatzier fällt zurück, bis ihn sein Partner und Vereinskollege Christian Baumer einsammelt und die beiden gemeinsam ins Ziel laufen - in 4:46:40 h auf den Plätzen 43 und 44 erreichen sie immer noch eine der besten Platzierungen aus deutscher Sicht. Schnellster Deutscher war Martin Winter, der in 4:08:27 h als Gesamt-11. finisht. Top100-Platzierungen und Altersklassen-Podestplätze gibt es auch für einige weitere Läuferinnen und Läufer der interAir-Laufreisegruppe.
Dieter Regnet (TV Stetten) wird in 5:12:32 h Gesamt-87. und gewinnt damit die M60. Allein 2016 ist es bereits sein 6. Marathon, auf 54 insgesamt hat es der Marathonsammler, der Laufen und Reisen leidenschaftlich gerne verbindet, gebracht. Seine Bestzeit steht bei 3:10 Stunden. Wenige Minuten danach erreicht Christoph Randt (5:16:59) vom LT Hemsbach als 97. und Zweiter M60 das Ziel, gefolgt von einem weiteren Hemsbacher. Als Gesamt-117. und Dritter M60 komplettiert Bernhard Hertinger (5:26:12) das Altersklassen-Podest.
An der Spitze des Feldes sind die Abstände deutlich. Der Chinese Jason Shen gewinnt am Ende souverän in 3:30:49 h vor dem Portugiesen José Santiago 3:46:22 h, der bei KM 30 noch knapp vorne lag, und seinem Landsmann Penghui Zhang, der in 3:51:45 Dritter wird. Während die Männer auf dem Podest also 21 Minuten trennen, liegen die ersten drei Frauen nur gut drei Minuten auseinander. Die Kanadierin Hannah Hutchinson (4:25:35) vor der US-Amerikanerin Michelle Font (4:26:23) und der Chinesin Xue Chen (4:28:53). Wirklich bemerkenswert an dem Ergebnis der Frauen ist jedoch der Fakt, dass die zweitplatzierte Amerikanerin eine deutlich schnellere Netto-Zeit als die Siegerin gelaufen ist. Ihr Pech, dass sie erst in der zweiten Welle, zehn Minuten nach der ersten Startgruppe auf die Strecke ging, die Siegerin aber fast noch eingeholt hätte. Was durchaus irritierend wirkt, entspricht aber ganz klar der Ausschreibung, die beim Briefing zwei Tage vor dem Wettkampf nochmals ausdrücklich betont wurde: Es gewinnt, wer als Erstes die Finish Line erreicht, die Uhr tickt ab der ersten Startgruppe. Das Ergebnis ist also regelkonform, offen blieb nur, warum die schnelle Amerikanerin erst in der zweiten Gruppe an den Start ging.
Hervorragende Ergebnisse erzielten auch die deutschen Frauen. Allen voran Kerstin Petsch, die in 4:36:27 h als Gesamt-5. und als 2. W30 ins Ziel kam. Mit Platz 52 für Erika Stirmann, die in 5:34:35 h Dritte der W55 wird und Andrea Hertinger (5:46:11h) auf Rang 68 ist der LT Hemsbach auch bei den Frauen bestens aufgestellt. Innerhalb der interAir-Laufreisegruppe erreicht die Schweizerin Cecil Danao in 5:17:16 h als 34. Gesamt und 2. W55 das beste Resultat bei den Frauen.
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Wie Carsten Schröder waren viele Deutsche dabei, die in China leben und arbeiten | Massen auf der Mauer | Wolfgang Rühl freute sich über die '5.164 Stufen ins Glück' |
Die europäischen Erfolge beim Halbmarathon werden aus deutscher Sicht bestätigt: hinter Rolf Schlachter (Gesamt-4.) wird Markus Flaig (2:06:51) 20. von 484 Männern und 6. M30, beste Deutsche der 534 Frauen wird Susanne Hafemann (2:30:27) als 28.-Gesamt und 2. W50. Besonders bemerkenswert ist das Ergebnis von Inge Ulitzka aus Saarbrücken, obwohl sie in 3:32:15 "nur" als 310. der 534 Frau finisht.
Für die 65-Jährige, die erst vor sechs, sieben Jahren "aus gesundheitlichen Gründen" mit Joggen angefangen hat, ist es überhaupt erst der zweite Halbmarathon ihres Lebens. Den ersten Halben ist sie vor wenigen Wochen zu ihrem 65. Geburtstag gelaufen, in einem Alter, in dem andere sich zur Ruhe setzen. Dabei hat sie so viel Spaß gehabt, dass sie in China kurzentschlossen vom Fun Run auf die 21,1km-Distanz umgemeldet hat. Und auch die hat sie locker und mit einem Strahlen im Gesicht bewältigt.
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Viel Freude hatten die deutschen Reiseteilnehmer auch beim Ausflugs- und Besichtigungs-Programm rund um den Marathon-Tag. Die Reize einer fremden Kultur, die Begegnung mit jungen Chinesen, die ihre fremden Gäste teils auf offener Straße freundlich und neugierig begrüßten ("Hi, welcome at China"), aber auch interessante Gespräche mit dort lebenden Deutschen, die etwas tiefer blicken ließen als die offen und frei wirkende Fassade anmutete, machten die Reise weit über den Marathon hinaus zu einem ganz besonderen Erlebnis. Die berühmten, gut erhaltenen Grabstätten aus der Qing-Dynastie wurden ebenso besichtigt wie die Sehenswürdigkeiten von Chinas Hauptstadt Beijing. Besondere Highlights dort waren der Himmelstempel, der Platz des Himmlischen Friedens, der weltweit größte seiner Art, sowie die Verbotene Stadt mit ihren zahlreichen Tempeln.
Für den Großteil der InterAir-Gruppe eine Anschlussreise weiter nach Xian zur Terrakotta-Armee und die pulsierende Metropole Shanghai. Ein kleinerer Teil reiste dagegen weiter nach Bhutan. In dem kleinen Königreich fand nur eine Woche später der "Himalayan Kingdom Marathon" statt. Ein ausführlicher Bericht dazu im LaufReport HIER
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Bericht und Fotos von Axel Künkeler Informationen und Ergebnisse great-wall-marathon.com Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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