20. bis 24.7.20 - 27. Lauf "Etape Bornholm"Corona ein Schnippchen geschlagen Das "beste Etappenrennen" des Kontinents auch für Deutsche attraktiv Über 1000 Teilnehmer bei alternativem Analogangebot dabei |
von Michael Schardt |
Der Etappenlauf auf der dänischen Insel Bornholm genießt nicht nur unter Einheimischen einen hervorragenden Ruf. Auch viele Läufer aus angrenzenden und weiter entfernt liegenden Ländern schätzen die hervorragende Organisation, die schönen Strecken und sportlichen Herausforderungen. Nicht ganz unbescheiden, aber völlig zurecht bezeichnen die Veranstalter von Viking Athletics ihr Serienrennen als den "besten Etappenlauf" Europas. Vergleichbar hohe Teilnehmerzahlen und Qualitätsstandards sind in der Tat kaum auszumachen - auch nicht bei deutschen Etappenrennen, sei es der Ossiloop, der EWE-Nordseelauf, die Riesenbecker Sixdays oder der Brüder-Grimm-Lauf.
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Eines macht den Unterschied aber besonders deutlich, das hohe Preisgeld von rund 35.000 Euro, das die Dänen für die schnellsten Läufer ausloben. Das hat schon von jeher dafür gesorgt, dass sich nicht nur läuferische Masse, sondern auch Klasse in der dreißigsten Kalenderwoche auf Bornholm tummeln. Dieses Jahr aber war - wegen Corona - vieles, aber nicht alles anders. Man brauchte keine virtuelle Austragung anzubieten, um den vielen hundert angereisten Läufern ein Spektakel der besonderen Art darzureichen. Mit perfekt ausgeschilderten Wegen, einer minimalen, aber ausreichenden Logistik und einigen angepassten infrastrukturellen Maßnahmen konnten die Organisatoren den politischen Willen eines Veranstaltungsverbots ein Schnippchen schlagen und den Läufern ein analoges Sportvergnügen bereiten.
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Während sich der Nikolaus an alle Coronaregeln hält, sehen andere Läufer das weit weniger streng |
Zu schade wäre es auch für diejenigen gewesen, die sich schon Monate vor dem Termin angemeldet, Urlaub genehmigt bekommen, eine Unterkunft für sich und die Familie gebucht, Fährkarten, Bahntickets und ähnliches geordert hatten. Schon früh, als eines der ersten Länder, hatte Dänemark Großveranstaltungen eine Absage erteilt bis in den Herbst hinein. Kurz danach wurde die Bornholm Etape definitiv gecancelt. Dann stellte sich heraus, dass viele der angemeldeten Läufer doch kommen würden, sofern die Grenze offen sein sollte. Das hat die Veranstalter später offenbar zu einem Alternativkonzept gedrängt, ohne dass die Läufer davon über den Newsletter Nachricht erhalten hätten. Aber man stellte das Konzept auf die Homepage.
Mancher wird davon gar nichts erfahren haben, andere bald. Die Laufreporter entdeckten die Alternative erst zwei Tage vor Abreise und nahmen das Angebot gerne an. So gewannen sie viele positive Einblicke und können sich gut vorstellen, wie es sein wird, wenn die Veranstaltung "normal" über die Bühne gehen wird. Das Ergebnis: eine unbedingte Empfehlung, wenn nicht gar ein "must have".
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Die erste Etappe führt über Rad- und Waldwege und ist flach und exakt vermessen (10km). Nicht alle Läufer hatten sich vorab eine anonymisierte Startnummer besorgt |
Einen Startplatz zu bekommen, war in den letzten Jahren nicht immer einfach. Das Etappenrennen ist auf 2500 Teilnehmer begrenzt und war regelmäßig lange vor dem Termin ausgebucht. Ein Grund dafür ist, dass der Lauf immer in der 30. Kalenderwoche stattfindet und damit in die großen Ferien des Heimatlandes fällt. Dänemarks östlichste Insel ist ohnehin im Sommer ein beliebtes inländisches Reiseziel, während des Laufes aber noch viel mehr. Deshalb muss sich ein ausländischer Starter noch nicht allein deshalb glücklich schätzen, einen Startplatz ergattert zu haben, denn es gilt, auch eine Unterkunft zu finden. Bornholm, das 40.000 Einwohner zählt, ist in den Ferienwochen nahezu ausgebucht.
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Während eine dänische Teilnehmerin noch um jeden Meter ringt, kommt LaufReporter-Fotograf Thomas Linnemann vom LSF Köln ganz entspannt ins Ziel |
Eine frühzeitige Buchung ist daher empfehlenswert. Hinzu kommt für deutsche Teilnehmer, die auf ihr Auto auf Bornholm nicht verzichten mögen, sich rechtzeitig Fährtickets von Sassnitz auf Rügen nach Rönne, der Kapitale der Insel, zu besorgen. Nicht ganz so dramatisch sieht es für Fahrradtouristen oder Wanderer aus, die in der Regel immer noch einen Platz auf dem Schiff bekommen. Dass das weitläufige Bornholm besonders gut mit dem Bike oder per Pedes erkundet werden kann, braucht hier nicht eigens erwähnt zu werden. Unzählige Wander- und Radwege durchziehen die Insel und ermöglichen auf ideale Weise eine umweltfreundliche Erschließung.
Das Konzept des Etappenlaufs ist ebenso einfach wie durchdacht. An fünf Tagen bewältigen die Läufer an fünf unterschiedlichen Orten der Insel die Gesamtstrecke von 42,195 km - ein Marathon also. Dabei sind die Strecken zwischen 5,8 und 10 km lang und bieten ganz unterschiedliche Anforderungen. Die erste Etappe in Hasle und die letzte in Rønne sind zertifizierte 10-km-Kurse mit Bestzeitenqualität, da sie weitgehend flach und schnell sind. Die drei mittleren Etappen im südlichen Badeparadies Dueodde (5,8km), im Waldgebiet Almindingen (7,8km) und auf der nördlichen Halbinsel Hammeren (8,5km) hingegen bieten besondere Schwierigkeiten. In Dueodde stellen der tiefe Sand am Strand und die Dünenhügel, die am Schluss durchquert werden müssen, ein besonderes Problem dar. Auch das Ankämpfen gegen den böigen Westwind ist nicht zu unterschätzen. In Almindingen, wo der höchste Berg der Insel liegt, und auf Hammeren, dem zerklüftet rauen Norden, sind die Wege sehr profiliert, bieten Steigungen bis zu achtzehn Prozent und haben unterschiedliche, teils geschotterte Untergründe.
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Die abwechslungsreichste Etappe war wohl die zweite, die auf dem breiten Sandstrand Richtung Osten startete und dann auf dem Rückweg gegen einen ungeheuer starken Westwind führte ... |
Auch für Kinder und Jugendliche gibt es an drei der fünf Tage einen Wettbewerb, weshalb sich die Veranstaltung als familientauglich erweist. Am Montag, Mittwoch und Freitag gehen die jungen Teilnehmer auf die Strecke und absolvieren Distanzen von 2,9 bis 5,9km. Neu in diesem Jahr war eine eigene Seniorenwertung 60 plus. Wem die Herausforderungen mit fünf aufeinanderfolgenden Etappen aber zu groß ist, dem bleibt eine Kann-Option. Diese sieht die Teilnahme an nur einer oder mehreren, aber nicht allen Etappen vor. Ein Eingehen in die Gesamtwertung ist damit freilich ausgeschlossen.
Wer nun die ein oder andere Etappe auslässt oder ohnehin als touristischer Läuferbegleiter unterwegs ist, der sollte die freie Zeit unbedingt nutzen, die geschichtlich interessante, kulturell reizvolle und landschaftlich vielfältige Insel und ihre freundlichen Einwohner näher kennenzulernen. Aber auch für jene, die sportlich jeden Tag gefordert sind, gibt es genügend Möglichkeiten, einige Highlights zu erleben. Denn die Etappenorte sind sehr bewusst ausgesucht worden und, jeder für sich, eine Attraktion. Außerdem hat der Läufer nahezu den gesamten Tag für die Freizeitgestaltung zur Verfügung, denn die Starts erfolgen normalerweise immer erst abends um 18 Uhr.
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... später waren die Teilnehmer besonders gefordert, als sie die als Naturwunder bezeichneten Dünen durchqueren mussten |
So bietet Dueodde an der Südostspitze der knapp 600 Quadratkilometer großen Insel einen der wohl schönsten Badestrände der gesamt Ostsee mit so feinem und weißem Sand, dass er für Sanduhren verwendet werden kann. Ein 1000 Meter langer Weg aus Holzplanken führt die Badegäste durch einen idyllischen Kiefernwald dorthin. Ein Naturereignis der besonderen Art sind die dortigen Sanddünen, deren Besichtigung nicht ohne Grund zum Pflichtprogramm der Besucher zu zählen ist. Gleich nebenan ist ein moderner Leuchtturm zu bewundern, der höchste Nordeuropas, der einen herrlichen Blick auf die Dünen eröffnet, früher aber als Wachturm genutzt wurde. Viele Künstler haben sich in dem Gebiet niedergelassen und betreiben Ateliers oder kunsthandwerkliche Werkstätten. Überhaupt ist Bornholm so etwas wie das dänische Zentrum für Alltagsdesign und Kunsthandwerk.
Eines der größten Waldgebiete des Landes befindet sich im Inselinneren bei Almindingen. Es ist das grüne Herz von Bornholm und bietet mit dem 162 Meter hohen Rytterknægen die höchste Erhebung der Insel. Wer den Turm auf dem Gipfel besteigt, hat bei gutem Wetter einen Rundumblick auf die Ostsee und kann vielleicht bis zum schwedischen Festland hinüberschauen. Einen Besuch wert ist auch das vor einigen Jahren initiierte Wisent-Projekt. Diese Wildrinder, die vor Jahrzehnten vom Aussterben bedroht waren, sollen zur Renaturierung der Gegend beitragen.
Das landschaftlich abwechslungsreichste Bild zeigt sich den Besuchern im Norden von Bornholm, insbesondere auf der zipfelartig andockenden Halbinsel Hammeren. Diese ist von schroffen Granitfelsen und steil abfallenden Steinwänden und einigen Binnenseen geprägt. Hier bieten Freizeitveranstalter für abenteuerlustige Besucher ihre Dienste an. Man kann sich achtzig Meter an einer Steilwand abseilen lassen oder - hängend an einem Drahtseil sich von einer Klippe stürzen und nach rasanter Schussfahrt eintauchen ins kühle Nass eines gefluteten Granitsteinbruchs. Zielpunkt der Nordetappe ist der Hammer Fyr, ein Leuchtturm auf der Spitze des Ørnebjergs, welchen die Läufer bewältigen müssen. Die Hauptsehenswürdigkeit auf Hammeren allerdings ist die geschichtlich bedeutende Festung Hammershus, deren Reste hoch über der Ostsee thronen. Ein Besuch einer der größten Festungsanlagen Nordeuropas mit einem geführten Rundgang sollte keiner verpassen.
Die Etappenorte Hasle und Rønne gehören eher nicht zu den Höhepunkten einer Bornholmreise, auch wenn Hasle ein schönes landschaftliches Umfeld sowie ein modernes Hafenschwimmbad hat und die Hauptstadt mit ihren gut 10000 Einwohnern das unumstrittene kulturelle und Einkaufszentrum des Eilands ist. Mehr lohnt sich da der Blick nach Osten, wo mit den idyllisch gelegenen Küstengemeinden Gudhjem und Svaneke die wohl schönsten Orte Bornholms liegen - Orte für Kunstliebhaber und Leckermäuler, für Freunde maritimer Lebensart und Meeresromantik.
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Die vierte Etappe führt den Läufertross in den wilden Norden der Insel mit der Festung Hammershus und den urzeitlichen Spalttälern |
Dieses Jahr war für die Läufer von Etape Bornholm aus besagten Gründen vieles anders. Ist- und Sollzustand gingen auseinander. Es gab beispielsweise keine Zeitmessung, keine feste Startzeit um 18 Uhr und keine Absperrungen. Wer seine Laufzeit wissen, sie mit früheren Ergebnissen vergleichen wollte, musste selber stoppen. Dabei dürfte sich ergeben haben, was von vielen Teilnehmern schon bestätigt worden ist, dass die Gesamtzeit aller fünf Etappen oft der normalen Marathonzeit entspricht. Eigentlich, so wäre es zu erwarten, müsste man bei einen auf fünf Tage verteilten Marathon schneller sein als bei einem an einem Stück gelaufenen. Aber das ist hier nicht der Fall, weil die Anforderungen insgesamt deutlich höher sind als beispielsweise bei einem Citymarathon.
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Schroffe Granitformationen kennzeichnen den Inselnorden und die Halbinsel Hammeren, wo die schwerste Etappe auf die Läufer wartet. Hier das Startareal von einer Anhöhe aus fotografiert |
Statt fester Startzeiten konnten die Läufer nun einen Zeitkorridor von sieben Stunden nutzen und frei wählen. Von 10 bis 19 Uhr waren täglich die Start- und Zielbögen offen, wobei morgens und am späten Nachmittag die höchste Starterdichte herrschte. Dafür, dass sich keiner der wohl mehr als 1000 Teilnehmer verlaufen würde, sorgten diesmal keine Streckenposten, sondern rote Fähnchen, Pfeile auf dem Asphalt oder Richtungshinweise auf Schildern. Absperrungen gab es ebenfalls keine, was sich besonders bei der Schlussetappe am Freitag durch die Hauptstadt bemerkbar machte. Der Marktplatz, über den der Kurs läuft, war phasenweise sehr hoch frequentiert und die Läufer gezwungen, die Menschen in aufwendigen Manövern zu umkurven. Der Schlusstag bot auch insofern etwas Besonderes, als dass es phasenweise etwas regnete. Ansonsten konnten sich die Läufer über sonniges, nicht zu heißes, eben läuferfreundliches Wetter freuen.
Außen vor blieben natürlich auch die Siegerehrungen, die Streckenversorgung, die Kilometerbeschilderung, die Bustransfers zu den Startorten, die Läufermesse und die Betreuung der Läufer durch eine Vielzahl von Helfern. Man hatte aber eine Notbesetzung aufgeboten, die die nichtindividualisierten Startnummern ausgab und an Interessenten die Laufshirts und Medaillen verkaufte. Immerhin gab es aber eine Wasserversorgung im Ziel und zuweilen auch das Angebot eines Süßigkeitswarenverkäufers. Mehrfach (aber nicht immer) war das Zielareal auch ein touristischer Hotspot, so dass hier Restaurationsbetriebe besucht werden konnten wie in Dueodde und Hasle. Eine Moderation wurde verständlicherweise ausgespart, aber auf animierende Musik am Start und Ziel musste niemand verzichten. Eine Läuferparty gab es freilich auch nicht.
Das aufwendig betriebene Laufspektakel, so kann man es zusammenfassen, fiel Corona nicht ganz zum Opfer - die Verluste für den Veranstalter müssen aber enorm gewesen sein, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kosten für das Alternativkonzept sicher sehr hoch waren. Viele Läufer haben das Angebot, sich das Startgeld rückerstatten zu lassen, nicht in Anspruch genommen, sondern dies auf ein Startrecht in 2021 übertragen lassen. Ein Einnahmeverlust für Viking Athletics stellt dieses Verfahren trotzdem dar, weil dann im nächsten Jahr weniger kostenpflichtige Teilnehmer aufgenommen werden können.
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Aus Solidarität mit den Organisatoren haben viele Teilnehmer deshalb auf eine Rückerstattung oder Umbuchung gänzlich verzichtet, wie in Gesprächen deutlich wurde. Man will den Lauf erhalten und dem Orgateam den Rücken stärken. Denn eines war zu spüren: die Teilnehmer mutieren zu Wiederholungstätern, waren sie einmal bei Etape Bornholm dabei. Insofern wünscht sich die Mehrzahl, dass Corona verschwinde und der Etappenlauf eine gesicherte Zukunft haben möge.
Reisen und Sport auf Bornholm - eine tolle Kombination und nachdrücklich zu empfehlende Option auch für deutsche Läuferinnen und Läufer.
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Bericht von Michael Schardt Informationen www.etape-bornholm.dk Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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