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31.10.10 - 28. Athens Classic MarathonLaufszene feiert 2500 Jahre |
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von Axel Künkeler
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Nikénem, wir haben gesiegt!' Diese frohe Botschaft vom Sieg der Athener über die Perser in der Schlacht von Marathon im Jahr 490 v. Chr. überbrachte Pheidippides am Areopag, dem Versammlungsort des obersten Athener Gerichtshofes am Fuße der Akropolis. 490 B.C. bis 2010 A.D. ergibt 2500 Jahre, seitdem der griechische Bote den Mythos Marathon begründete. Historisch belegt sind jedoch nur die Schlacht selbst und die Jahreszahl. Ob Pheidippides aber wirklich gelaufen ist, falls ja, welche Strecke er vom Schlachtfeld bei Maratònas nach Athen gelaufen ist, darüber streiten die Gelehrten. Die Überlieferung aus der griechischen Sage, die mit dem Heldentod Pheidippides' nach Verkündigung der Siegesbotschaft endet, gehört aber längst zum Nationalstolz Griechenlands.
Und als der gebürtige Pfälzer Michel Bréal die Idee hatte, Marathon als sportliche Disziplin bei den ersten olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen stattfinden zu lassen, nahm die Erfolgsstory Marathon ihren Anfang. Die Laufbewegung der letzten Jahrzehnte sorgte dann endgültig für einen regelrechten Boom. Der Boom war zwar an der eigentlichen Geburtsstätte bis vor wenigen Jahren nicht so recht angekommen, denn mit meist deutlich weniger als 5.000 Teilnehmern fristete der Athen Marathon bislang neben den Top-Events der Marathonszene in New York oder Berlin allenfalls ein Schattendasein.
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Der 277m hohe Likavittòs prägt mehr noch als die Akropolis das Bild der Stadt Athen | Der Tempel des Zeus mit Blick auf die Akropolis |
Die erste Kopie vom Original, der Boston-Marathon 1897, war seitdem ebenfalls sehr viel erfolgreicher. Ob Punkt-zu-Punkt-Strecke, von Hopkinton nach Boston, oder Streckenprofil und -länge, alles kupferten die Amerikaner von den Griechen ab. 40 Kilometer waren es bis zu den Olympischen Spielen von London 1908, als die Strecke auf Drängen des englischen Königshauses an Schloss Windsor vorbei geführt und damit auf die heute gültigen 42,195 km verlängert wurde. Boston fand seit 1897 jährlich statt, dieses Jahr also zum 114. Mal, zog an Athen vorbei und wurde zum ältesten regelmäßig durchgeführten Marathon weltweit mit fast 25.000 Teilnehmern.
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Von der Kapelle auf dem Likavittòs, dem höchsten Berg Athens, hat man einen tollen Ausblick auf die Stadt und das Meer | Die Agora - antiker Versammlungsort |
Athen dagegen musste mit vielen Unterbrechungen leben: seit 1896 wurde der Marathon auf der klassischen Strecke erst 83-mal für Männer, 39-mal für Frauen ausgetragen. Erst seit 1974 ist wieder mehr Kontinuität in die anfangs mehr schlecht als recht organisierte Veranstaltung gekommen. Der Marathon fand im laufenden chaotischen Verkehr statt, der berüchtigte Smog der 5-Millionen-Metropole Athen tat sein Übriges, Teilnehmer- wie auch Zuschauerzahlen ließen bis zuletzt kaum Stimmung aufkommen.
"Hoffentlich stehen hier am Sonntag ein paar Zuschauer an der Strecke", meinten noch am Samstag bei der Streckenbesichtigung und der Fahrt zum Marathon-Museum die Reiseleiter. Erst spät hatten die Griechen erkannt, welches Juwel sie mit dem historischen Streckenverlauf von Marathon nach Athen besitzen.
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Das Konkresszentrum Zappaion - Ort der Marathon-Messe und der Jubiläumsfeier am Freitagabend | Das Marathon-Museum in Maratonas gehörte ebenso zum Programm |
Für Archäologen und Forscher der Antike war Athen mit seiner 5000 Jahre alten Geschichte schon immer ein lohnendes Reiseziel. Akropolis und die Agorá, Ursprung des antiken Athen, der Tempel des olympischen Zeus, der mit 277 Meter Athen überragende Berg Likavittós und die Altstadt Plaká übten aber auch auf zahlreiche Touristen ihre Reize aus. Denen wurde der Aufenthalt in der pulsierenden Metropole Griechenlands jedoch über viele Jahre hinweg mit Industrie- und Autoabgasen sowie chaotischen Verkehrsverhältnissen regelrecht vergällt.
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Laufen in voller Rüstung | Und als Krieger |
Doch seit den olympischen Spielen 2004 hat sich in Athen vieles zum Positiven gewandelt: die gesamte Infrastruktur wurde verbessert, Altstadt und Einkaufszentrum zur Fußgängerzone, die Luftverschmutzung deutlich reduziert. Für den Marathon wurde die Straße nach Athen hervorragend ausgebaut und die Organisation professionalisiert. So wurde die Hauptstadt von Griechenland in den letzten Jahren nicht nur für Touristen wieder deutlich attraktiver, sondern auch der Athens Classic Marathon fand endlich eine zunehmend internationale Beachtung. So wurde der Grundstein gelegt, um am letzten Sonntag im Oktober 2010 ein ganz besonderes Datum der Sportgeschichte zu feiern: 2500 Jahre Marathon!
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Aus Deutschland und 88 weiteren Nationen kamen die Teilnehmer des 28. Athen-Marathons | Der Lauftreff Alsbach bei Hoffenheim ist weltweit unterwegs |
Der Mythos Marathon, das historische Datum verfehlten ihre Wirkung trotz der nach wie vor bei vielen vorhandenen Skepsis nicht. So zog das 2500-jährige Jubiläum in der griechischen Hauptstadt diesmal weltweit über 20.000 Läufer aus insgesamt 89 Nationen an. Rund 8.000 Starter, die für die kürzeren Strecken von fünf bzw. zehn Kilometer gemeldet hatten, während das Marathonfeld auf 12500 Teilnehmer begrenzt war. Das sind zwar gut dreimal so viel wie üblicherweise starten, aber es hätten wohl mindestens nochmals doppelt so viele sein können, denn seit Monaten war der Athen-Marathon bereits ausgebucht. Doch die Kapazität am Start in Maratònas lässt wohl nicht mehr zu, schon jetzt war das Gedränge rund um das Stadion von Maratònas zwischen Busankunft, Kleiderbeutelabgabe, Einwärmrunden und Fotomotiven an der Marathon-Flamme riesengroß.
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Läufer aus Rumänien ... | ... aus den USA | ... aus Australien |
Dennoch muss man den Griechen bescheinigen, dass alles perfekt organisiert war. Sowohl der Transfer der Läufer mit hunderten Bussen von Athen nach Marathon, der LKW-Transport der Kleiderbeutel zurück zum Ziel sowie die erste Wasserverpflegung bereits vor dem Start waren top. Und auch die Startabfolge klappte reibungslos: die Startlinie war um gut 100 Meter vor verlegt, der Start erfolgte erstmals in Wellen. Gelaufen wird dann auf der "Originalstrecke" von Marathon bis ins antike Panathenäum-Stadion von Athen. Auf den ersten Kilometern geht es zunächst flach bis leicht abschüssig vorbei am Marathon-Museum und in einer Schleife bei KM 5 um die Grabhügel der gefallenen griechischen Krieger.
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Läufer aus Dänemark ... | ... aus Schweden | ... aus Norwegen | ... aus Kanada | ... aus Bayern |
Die weitere Laufstrecke auf der vierspurigen Schnellstraße entlang der ägäischen Küste durch die Badeorte Nea Makri, Rafina sowie Athener Vororte ist eher langweilig, aber hügelig und mit 320 Höhenmetern durchaus nicht einfach zu laufen. Ab KM 7 beginnt die erste Passage mit leichten Steigungen bis KM 17. Hinter Rafina geht es nochmals bergab, bevor bei KM 18 ein meist leichter, gelegentlich etwas giftiger, aber lang anhaltender Anstieg beginnt. Mit 247 Metern ist der höchste Punkt bei KM 31 ebenso erreicht wie die Vororte Athens. Nun kann man es eigentlich nur noch laufen lassen, denn bis ins Ziel geht es wieder 150 HM bergab. Bis dahin sollte man sich allerdings gut eingeteilt haben, damit die Körner ausreichen, um noch einmal richtig Gas geben zu können.
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Die letzten 195 Meter Zieleinlauf in das antike Olympia-Stadion von Athen | Über 20.000 Zuschauer feiern den Zieleinlauf der Marathonis |
An der Spitze des Männerfeldes entscheidet diese Renneinteilung über Sieg und Platzierung. Bis KM 30 läuft ein Dutzend kenianischer Läufer dem Feld vorneweg. Dabei alle Favoriten wie der Sieger des Paris Marathon 2009 Jonathan Kipkorir (PB: 2:07:31h), der Zweite von Rotterdam 2005, Jackson Koech (2:08:02h), der Rotterdam-Sieger 2009, Jacob Yator und der Vierte des Mombasa Marathon Robert Mwangi (beide 2:09:02h) sowie William Kipchumba, der ebenfalls eine PB von unter 2:10h aufweist. Unter den weiteren 7 Kenianern mit Zeiten zwischen 2:10h und 2:13h befindet sich auch der 26-jährige Raymond Bett mit einer PB von 2:11:32h.
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Fernsehkameras verfolgen den Zieleinlauf des Marathon-Siegers Raymond Bett | Schnellste Marathon-Frau wird die Litauerin Rasa Drazdaukaite |
Während Bett sein Tempo halten kann, lassen nun mehr und mehr seiner Landsleute abreißen. Von hinten kommt zudem der Polen-Express' mit Henry Szost und Radoslav Gardzielewski, die ab KM 33 einen Kenianer nach dem anderen einsammeln. Dennoch reicht es dem Polen-Duo nicht mehr für den Sprung aufs Treppchen: mit nur sieben Sekunden Rückstand wird Szost (2:15:28) Vierter, Gardzielewski (2:15:45h) Fünfter. Davor kann sich ein Kenia-Trio behaupten:
Raymond Bett siegt mit neuem Wettbewerbsrekord von 2:12:40h, kann aber den Streckenrekord des Italieners Stefano Baldini mit 2:10:55h bei den Olympischen Spielen 2004 nicht knacken. Dahinter folgen mit Jonathan Kipkorir (2:14:05h) und Edwin Kimutai (2:15:21h) zwei weitere Kenianer mit klarem Abstand. Mit den Italienern Francesco Bona (6.) und Giovanni Gualdi (11.) sowie dem dritten Polen Michal Kaczmarke (8.) schieben sich weitere Europäer in die Phalanx der Schwarzafrikaner. Stark umjubelt in dem mit gut 20.000 Zuschauern gefüllten Panathenäum-Stadion werden auch die schnellsten Griechen: Michail Parmakis (2:20:48h) als 15. und Dimitris Theodorakos (2:21:44h) als 18. des Männer-Klassements.
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Nur sieben Sekunden fehlen dem Polen Henry Szost zum Podestplatz | Stark umjubelt läuft der erste Grieche Michail Parmakis als 15. ins Ziel |
Den Sieg bei den Frauen machen drei Osteuropäerinnen unter sich aus: mit 2:31:06h gewinnt die Litauerin Rasa Drazdauskaite ebenfalls relativ deutlich vor der Russin Olga Glok, die in 2:33:51h die Ukrainerin Svetlana Stanko (2:38:59h) klar auf Distanz hält. Konstantina Kefala folgt in 2:40:36h als schnellste Griechin auf Rang fünf - ganz knapp hinter der Japanerin Eri Hayakawa (2:40:25h).
Nicht nur an der Spitze, erst Recht im weiteren Feld gelingt die richtige Renneinteilung ganz vielen nicht: manche haben die "wenigen Höhenmeter" wohl unterschätzt, anderen machen die Temperaturen zu schaffen. Obwohl es morgens noch kühle sechs Grad bei der Abfahrt in Athen gab, zum Start um 9 Uhr die Quecksilbersäule angenehme 13-14 Grad verzeichnete, stiegen die Temperaturen bis zum Spätvormittag auf 18-20 Grad im Schatten an. Doch den Schatten suchte man vergeblich, auf der gesamten Strecke waren die Läufer der prallen Sonne ausgesetzt. Manch einer, der sich noch schnell den letzten Sonnenbrand vor dem beginnenden Winter holte.
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Kleiderbeutelausgabe im Ziel lief reibungslos | Die Marathon-Flamme war ein begehrtes Foto-Motiv | Auch zehntausende Zuschauer bekannten sich zum Marathon-Jubiläum |
Mag sein, dass hie und da sogar etwas Euphorie aufkam, denn von der Stimmung entlang der Strecke dürften die meisten Teilnehmer ebenfalls positiv überrascht gewesen sein. Denn in normalen' Jahren hält sich die Begeisterung der Athener für die Marathon-Läufer deutlich zurück. Doch zum Jubiläum stehen diesmal Tausende an der Strecke, überall in den Orten werden die Läufer mit viel Beifall empfangen. Nicht nur das Wetter ist an diesem Sonntag prächtig, weder die Stimmung noch die Verpflegung lassen kaum etwas zu wünschen übrig.
An der Laufstrecke gab es alle 2,5 km Verpflegungsstellen mit Wasser, Schwämmen, ISO-Getränken sowie Riegel und Gels. Und der Stimmungspegel stieg spätestens auf den letzten Metern rapide an. "Vor allem der Zieleinlauf in das mit gut 20.000 Zuschauern gefüllte antike Stadion war Gänsehaut-Feeling pur", lautete der Kommentar der meisten Marathon-Läufer. Und das Gefühl, an einem ganz besonderen historischen Ereignis teilgenommen zu haben, wird bei ihnen sowieso haften bleiben. Nikénem, wir haben gesiegt' war denn selbst für das Gros der Teilnehmer, die erst weit nach vier, fünf Stunden das Ziel erreichten, das durchaus berechtigte Motto beim Jubiläumslauf 2500 Jahre Athen-Marathon'
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Bericht und Fotos von Axel Künkeler Ergebnisse und Infos www.athensclassicmarathon.gr Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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