Jonathan Wyatt

"Mit 36 fühle ich mich noch nicht zu alt. Ich bin motivierter als je zuvor"

Der siebenfache Berglauf Weltmeister im Porträt

von Winfried Stinn im Januar 2009

Seit mehr als zehn Jahren ist der Neuseeländer Jonathan Wyatt die unumstrittene Nummer Eins im Berglauf. 1998 errang er auf La Réunion seinen ersten von sieben Weltmeistertiteln. In der Folgezeit gewann er Jahr für Jahr alle bedeutenden Bergläufe, wobei er fast überall neue Streckenrekorde aufstellte und die wiederum von Jahr zu Jahr verbesserte. Aber auch im Flachen war er erfolgreich. Der Neuseeländer nahm an zwei Olympischen Spielen (1996: 5000 Meter und 2004: Marathon) und mehreren Weltmeisterschaften (Marathon, Halbmarathon, Bahn) teil, lief bei City-Marathons vorne mit und erzielte über 5000 m: 13:30,39 min; 10.000 m: 27:56,80 min; Halbmarathon: 1:02:37 h; Marathon: 2:13:00 h klasse Zeiten.

Trotz Olympia- und WM-Teilnahmen blieb seine große Leidenschaft der Berglauf. Im Vorjahr, also genau zehn Jahre nach seinem ersten Titelgewinn, wurde der 36-jährige Ausnahmesportler in Crans-Montana erneut Berglauf Weltmeister. "Ich habe mich wahnsinnig gefreut erneut bei der World Trophy die Goldmedaille zu gewinnen. Diesmal war es denkbar knapp und ich musste mich sehr anstrengen um auf den letzten 500 Metern, ich lag da noch 50 Meter zurück, die Entscheidung zu erzwingen. Es war aber auch eine schöne Erfahrung für mich zu erleben, dass ich auch solche Rennen noch gewinnen kann."

Mehr als zwei Dutzend Siege konnte er 2008 feiern, aber er musste auch einige Niederlagen einstecken. "Die Niederlagen werfen mich nicht um. Es ist unvermeidlich, dass andere Läufer mich schlagen und das ist auch besser für den Berglaufsport. Niederlagen geben mir neue Motivation. Wenn ich nicht gewinne, denke ich über Wege nach mich zu verbessern und über die Stellen an denen ich mich möglicherweise falsch verhalten habe."

Jonathan Wyatt gewinnt 7. WM Beim Wintertraining in Kolsassberg Bei Nebel gewinnt er 2002 in Innsbruck
seine dritte WM-Goldmedaille

Wer voreilig gemeint hat, Jonathan Wyatt werde sich langsam zurückziehen und so die Ära Wyatt zu Ende gehen, der sieht sich getäuscht. "Auch mit 36 Jahren fühle ich mich noch nicht zu alt. Solange es mir Spaß macht Wettbewerbe zu laufen, starte ich. Nach jeder Saison entscheide ich neu, ob ich noch motiviert bin und zur Zeit fühle mich motivierter als je zuvor. Ich werde in dieser Saison wieder angreifen und ein Sieg bei der Berglauf Weltmeisterschaft über die Langdistanz (Anmerkung: die Berglauf Weltmeisterschaft über die Langdistanz wird im Rahmen des Kaisermarathons in Tirol am 10. Oktober ausgetragen) ist eines meiner großen Ziele."

Jonathan Wyatt, der am 20. Dezember 1972 in Lower Hutt (Neuseeland) geboren wurde, stammt aus einer laufbegeisterten Familie. Sein Vater, sein Bruder und seine Schwester waren in der Laufszene erfolgreich. Wyatt spielte zunächst Fußball. "Das hat mir viel Spaß gemacht." Doch bald wurde sichtbar, dass sein läuferisches Talent größer war, als sein fußballerisches Können. Er schloss sich im Alter von zehn Jahren einem Verein an und trainierte von da an regelmäßig. "Wir hatten einen guten Trainer, der uns begeistern konnte." Die Erfolge blieben nicht aus. Ob im Cross, auf der Straße oder auf der Bahn, er bewies schon als Schüler und Jugendlicher sein Talent und war immer ganz vorne dabei. Schon mit 17 Jahren lief er die 3000 Meter in ausgezeichneten 8:24,5 Minuten.

Neben den internationalen Erfolgen brachte er es auf 12 neuseeländische und zwei australische Meisterschaften. International feierte er 1994 bei den Commonwealth Spielen in Kanada mit einem 6. Platz über 5000 Meter seinen ersten ganz großen Erfolg. Zwei Jahre später qualifizierte er sich für die Olympischen Spiele in Atlanta. Über 5000 Meter belegte er Platz 16. 1997 lief er einige Bestzeiten, doch eine schwere Krankheit warf ihn zurück. Nach seiner Krankheit und einigen Tiefschlägen wollte er zunächst nicht mehr laufen.

Königsetappe der Tour de Tirol: Wyatt beim Kaisermarathon Jonathan Wyatt dreimaliger Tour de Tirol Gesamtssieger

"Ich war des Laufens müde. Aaron Strong (Anmerkung: ein neuseeländischer Bergläufer, der Vierter und Fünfter bei den Berglauf Weltmeisterschaften 1996 und 1997 wurde) riet mir, ich solle mich auf das Berglaufen spezialisieren. Da ich schon immer bei Crossläufen, besonders im hügeligen Gelände, gut war, sehe er da meine Zukunft. Den Rat befolgte ich." Damit begann eine einmalige Bilderbuchkarriere. 1998, also nur ein Jahr später, besiegte Jonathan Wyatt bei der Berglauf Weltmeisterschaft auf La Réunion den großen Favoriten Antonio Molinari (Italien) und gewann so, wie eingangs erwähnt, seine erste Weltmeisterschaft.

"Die Weltmeisterschaft auf La Réunion war für mich eine besondere Herausforderung, da ich gar nicht so richtig wusste, was auf mich zukam. Es war erst mein zweiter Berglauf. Aber ich war hochmotiviert." Im gleichen Jahr startete er erstmals beim international stark besetzten Hochfelln-Berglauf in Bergen. Hochfelln-Chef Bibi Anfang hatte ihn bereits vor seinem Titelgewinn verpflichten können. Die WM-Revanche ging zu Gunsten von Molinari aus. Wyatt wurde danach in Bergen Stammgast, gewann dort 2000 seine zweite Weltmeisterschaft und führt die ewige Hochfelln-Bestenliste an.

Neben den insgesamt sieben WM-Titeln, (fünfmal bergauf, einmal bergauf/bergab und einmal über die Langdistanz) hat er auch sieben Mal den internationalen Berglauf Grand-Prix gewonnen. Nach dem Titelgewinn 1998 lief Wyatt ein Jahr später bei der Weltmeisterschaft in Malaysia. Auf dem bergauf-bergab führenden Kurs belegte er nur Rang sieben. Bei den kommenden Weltmeisterschaften startete er nur noch auf den reinen bergauf führenden Strecken, mit Ausnahme der WM 2005 in seiner neuseeländischen Heimat Wellington. Trotz der von ihm nicht geliebten bergauf-bergab führenden Strecke gewann er auch in Neuseeland den Titel. "Es war schon etwas Besonderes für mich in meiner Heimat zu starten und zu gewinnen. An der Strecke standen 10.000 Menschen die mir zujubelten. Das war einfach großartig."

Wyatt mit Freundin Antonella Confortola Foto privat Bei der WM in Innsbruck lernt Wyatt Antonella Confortola kennen Wyatt mit Freundin Antonella Confortola
Foto privat

2006 verpasste er bei der Weltmeisterschaft in Bursa/ Türkei nur ganz knapp eine weitere Goldmedaille. Bei einem Trainingslauf kurz zuvor wurde er von einem Hund gebissen. Geschwächt durch die Spritzen gegen Tollwut, fehlte zum Schluss die Kraft, als es um den Kampf um die Goldmedaille ging. Trotz des Handicaps gewann er Silber und verpasste Gold nur um sechs Sekunden. Eine tolle kämpferische Leistung.

In besonderer Erinnerung wird für Wyatt die Berglauf Weltmeisterschaft 2002 in Innsbruck bleiben. Hier wurde er nicht nur zum dritten Mal Weltmeister, sondern lernte auch seine Freundin, die italienische Skilangläuferin Antonella Confortola, die an gleicher Stelle Vize-Weltmeisterin wurde, kennen. Mit ihr lebt er seit einigen Jahren mal im Val di Fiemme/ Italien und mal in Motueka/ Neuseeland zusammen.

Wyatts Trainingsumfang beträgt rund 140 bis 150 km in der Woche, bei Vorbereitung auf einen Marathon können es auch mal 160 km werden. "Dabei sind mir gute Qualität, entsprechende Erholung und Entspannung wichtig." Im Winter schnallt sich Wyatt auch gerne die Langlaufskier unter. Aber für ein gemeinsames Training mit seiner Freundin, die mit der italienischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2005 und bei den Olympischen Spielen 2006 jeweils Bronze gewann, reicht sein Können nicht. "Antonella ist auf Skiern zu gut für mich. Wenn sie ihr gesamtes Training beendet hat und läuft sich aus, dann ist es mir möglich mit ihr gemeinsam Ski zu fahren. Aber es gibt für mich keine Chance mit ihr beim Training mitzuhalten. Sie ist so wendig und schnell auf den Skiern, das zu beobachten beeindruckt mich immer wieder", schwärmt er.

Großglocknerlauf Hochfellnlauf Matterhornlauf Sierre Zinal

Jonathan Wyatt ist einer der wenigen Bergläufer, der als Profi von diesem Sport leben kann. Antritts- und Siegesprämien, Prämien für neue Streckenrekorde, sowie Sponsorenverträge ermöglichen ihm, dass er diesen Sport professionell ausüben kann. So konnte er es sich auch leisten seinen Beruf als Architekt etwas zu vernachlässigen. "In den letzten beiden Jahren habe ich im Bereich der Architektur nicht so viel getan, aber ich würde das gerne wieder intensivieren. Ich bin auch sehr interessiert an Produktdesign und arbeite eng mit Salomon bei der Entwicklung neuer Produkte zusammen."

Mit seiner Laufbegeisterung kann Wyatt sehr gut eine Reihe weiterer Hobbys verbinden. "Ich bin gern draußen auf Bergtrails, wandere gerne, fahre gerne Fahrrad und Ski. Ich liebe es auch schnelle Autos zu fahren. Glücklicherweise muss ich im Jahr über 50.000 km zurücklegen, um zu den Events zu gelangen."

In der Berglaufszene ist Jonathan Wyatt nicht nur wegen seiner einmaligen Erfolgsserie sehr beliebt und geachtet. Auch sein bescheidenes, sympathisches Auftreten, fast immer sieht man ihn gut gelaunt und lächeln, trägt zu seiner Beliebtheit bei. Und da seine Motivation nach eigenen Aussagen so gut wie lange nicht mehr ist, wird der Neuseeländer wohl noch einige Jahre bei den internationalen Berglauf-Klassikern zu sehen sein.

Das Portrait "Jonathan Wyatt" erstellte Winfried Stinn
Fotos © Winfried Stinn und 2x privat

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