Eszter Varga -

mein Läuferherz gehört den Bergen

von Holger Czäczine im Oktober 2020 

Mit super Platzierungen überzeugte die 39jährige Ungarin Eszter Varga bei verschiedenen Laufveranstaltungen im Spätsommer und Frühherbst 2020. Da die Laufveranstaltungen in diesem Jahr, Corona bedingt, etwas rar gesät sind und auch erst spät unter entsprechenden Hygienekonzepten stattfanden, lief Eszter im September und Oktober zu großer Form auf. Beim 11km-Deichenwaldtrail in Wilgartswiesen am 19. September wurde die Frankenthaler Ungarin starke Dritte und ließ nur den beiden jüngeren Läuferinnen Anne Meier und Natascha Hartl den Vortritt. Nur eine Woche später belegte sie beim Monnem-Cross über 12km in Mannheim hinter Merle Brunnée vom Engelhorn Sports Team Platz 2. Ihr absolutes Highlight war dann der Gelita Trail Marathon in Heidelberg am 4. Oktober. Hier war sie auf der Original-Marathondistanz, die mit 1800 Höhenmetern gespickt war, am Start. Sie lief ein exzellentes Rennen und finishte als zweite Frau nach 3:52:50 in der Heidelberger Altstadt.

Sport in der Kindheit und Jugend in Ungarn und Comeback in 2016

Ester Varga, die in Budapest geboren wurde und unweit der ungarischen Hauptstadt in Dunakeszi aufgewachsen ist, war schon als Kind und Jugendliche läuferisch aktiv. Sie machte eine leichtathletische Grundausbildung, ihr Talent lag dabei aber eindeutig beim Laufen. Sie versuchte sich unter anderem im 400m-Lauf, aber irgendwann war ihr die Distanz zu kurz und sie machte ein paar Straßenläufe. Auch ein paar Duathlons absolvierte Eszter in ihrer Jugend. Hier merkte sie auch, dass ihr neben dem Laufen, das Radfahren besonders leicht viel. Dann hatte sie eine sehr lange läuferische Pause.

Vor 4 Jahren hatte sie einen schweren Arbeitsunfall, als sie sich mit einem Pferd beim Galoppieren überschlug. Eszter arbeitete damals im Rennstall Gestüt Röttgen am Stadtrand von Köln und brach sich dabei mehrere Lendenwirbel. Die Verletzung war so schwerwiegend, dass es fraglich war, ob sie je wieder laufen kann. Es folgte eine Not-OP und 1,5 Jahre Reha. Während der Reha begann sie wieder zu laufen, meistens mit einer Freundin. Sie starteten mit ganz kleinen Runden in einem Wäldchen in der Nähe von Köln, irgendwann liefen sie bis zu 5-mal pro Woche und weiteten ihr Laufrevier auf den Königsforst und die Wahner Heide aus. Die beiden Freundinnen liefen auch den ersten Wettkampf gemeinsam, für Eszter Varga der erste Lauf nach ungefähr 15 Jahren Wettkampf-Pause.

Eszter Varga auf der Himmelsleiter beim Gelita Trail-Marathon Heidelberg 2020

Es war der 2. Lauf der Winterlaufserie der SG Bockenberg, über 6,3km im Dezember 2016, ungefähr 7 Monate nach ihrem Reitunfall. Die Strecke verlief durch den Wald und war leicht hügelig, das hat Spaß gemacht und bei ihr die Leidenschaft zu den Trails entfacht. Sie hatte zu dieser Zeit noch Platten und Schrauben in der Wirbelsäule, damit war das Arbeitsreiten (ihr Beruf, Trainieren von Rennpferden) nicht möglich, laufen ging aber schon ganz gut. Eszter absolvierte 5 Stunden Reha am Tag und nebenbei lief sie immer mehr. Ihre Disziplin und Hartnäckigkeit hatten Erfolg. Das Metall konnte nach einem Jahr entfernt werden und nach weiteren 5 Monaten Reha konnte sie wieder in ihrem Job als Arbeitsreiterin im Reitstall arbeiten.

Ausbildung in Ungarn und Arbeit und Leben in Deutschland

Eszter Varga hat eine Berufsausbildung mit Abitur in Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Tierzucht und Tierhaltung in Ungarn gemacht. Seit 2002 lebt sie in Deutschland, damals kam sie nach Gütersloh und arbeitete im Rennstall von Peter Rau. Ein knappes Jahr später zog Eszter nach Düsseldorf und blieb dann bis vor 3 Jahren in der Gegend um Neuss und Köln. Ende 2018 ist sie zu ihrem Lebensgefährten Marco Demmerle nach Frankenthal in die Pfalz gezogen. Sie hat dann knapp 2 Jahre bei Decathlon in Ludwigshafen-Oggersheim gearbeitet. Im März 2020 wechselte sie wieder in ihren alten Beruf und arbeitet seitdem in Mannheim beim Rennstall Klein. Anfangs ist sie aber nicht geritten und hat nur im Stall gearbeitet, d.h. Boxen ausmisten und einstreuen sowie Pferde pflegen und füttern.

Mit der Zeit fing sie auch wieder an zu reiten und verbringt jetzt den größten Teil ihrer Arbeitszeit wieder im Sattel. Eszter Varga reitet seit ihrem zehnten Lebensjahr, hauptsächlich im Rennstall. Sprich, sie reitet Galopper im Training, wo sie für ihre Rennen vorbereitet werden. Sie hat quasi aus ihrem Hobby heraus ihre Berufswahl getroffen. Daher hatte sie immer etwas mit Sport zu tun, auch in der Zeit, wo sie nicht, bzw. nur sporadisch gelaufen ist. Stallarbeit und Reiten sind ein ungemein gutes Alternativ-Training gerade für Läufer. So wird u.a. die Rumpfstabilität besonders trainiert, das merkt die ungarische Trail-Läuferin jetzt wieder, nach 2 Jahren Pause im Job als Arbeitsreiterin.

Lauferfolge ab 2018

Ihren ersten großen Sieg in der Pfalz feierte Eszter Varga beim Ludwigshafener Stadtlauf 2018 über 8,4 Kilometer. In diesem gut besetzten Rennen schlug sie u.a. die favorisierte Josefa Mattheis von der TSG Eisenberg und die Triathletin Uta Knape. Ich war an diesem Sommertag 2018 im LaufReport-Einsatz Augenzeuge ihres tollen Tempolaufes in der City von Ludwigshafen. Im April 2018 war sie bereits den Marathon Deutsche Weinstraße in 3:44 gelaufen. Auch ihr Sieg beim Halbmarathon in Oggersheim im Februar 2019 in 1:25:27 zählte zu ihren ersten Erfolgen in ihrer neuen Wahlheimat.

Ihre Trail-Qualitäten hatte sie bereits im September 2018 beim Half-Trail im Rahmen des Heidelberger Trail-Marathons unter Beweis gestellt. Ein toller Sieg gelang Eszter Varga Ende Januar 2019 beim Schindertrail Winterparadies über 67km und 1600 Höhenmeter.

 
Eszter Varga beim Ludwigshafener Stadtlauf 2018

Am 1. Mai 2019 siegte sie beim Bärenfels-Trail-HM (640Hm) in der Nähe von Kusel und auch beim Donnersbergtrail Ende Mai war ihr der Sieg über 35km (1500Hm) nicht zu nehmen.

Ein besonderes Highlight war im Juli 2019 für Eszter und ihren Partner Marco die Teilnahme am Börzsöny-Trail im Norden von Ungarn. Eszter gewann den Lauf über 35km (1500Hm) und hat dabei ihren Heimvorteil voll ausgespielt. Auch bei der Tour de Tirol im Oktober 2019 konnte Eszter richtig überzeugen. Zwei dritte Plätze im Kaisermarathon (36km/1700Hm) und im Pölven-Trail (26km/1360Hm) und ein zweiter Platz beim Söller-Zehner (10km/230Hm) jeweils in der Altersklasse rundeten die Trailsaison 2019 ab. In 2020 bildete wieder der Schindertrail Winterparadies mit einem zweiten Platz über 67km (1700Hm) den Auftakt ins Wettkampfjahr. Im Sommer 2020 siegte sie außerdem in Neustadt an der Weinstraße beim 13,5km-Trail (350Hm) im Rahmen der Sigma Sport Challenge.

Trainingsalltag und vegane Ernährung

Eszter läuft in zurzeit etwa 4-mal pro Woche und absolviert dabei Umfänge von ca. 65 bis 70 Kilometern mit etwa 2000 Höhenmetern. Die Trainingstage sind meistens am Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Am Dienstag steht oft eine flache schnelle Trainingseinheit auf dem Programm, wenn sie am Wochenende davor keinen Wettkampf gelaufen ist.

Für Donnerstag nimmt sie sich meistens einen kürzeren Trail vor. Entweder sie fährt gleich nach der Arbeit im Mannheimer Reitstall nach Heidelberg oder sie trainiert etwas später mit ihrem Trainings- und Lebenspartner Marco Demmerle in den Bergen rund um Bad Dürkheim. Samstags und sonntags geht es wieder auf schmalen und anspruchsvollen Pfaden (Trails) in die Berge des Pfälzer Waldes. Neben ihrem Lebensgefährten begleitet Yvonne Jung (RC Vorwärts Speyer) Eszter auch hin und wieder beim Trail-Training. Die beiden Mädels harmonieren ganz gut miteinander und bestreiten auch oft gemeinsame Wettkämpfe. Zusätzlich zum Lauftraining fährt Eszter Varga wöchentlich etwa 150 bis 200 Kilometer mit dem Rennrad oder Mountainbike. Oft fährt sie den 24km langen Weg von Frankenthal zum Arbeitsplatz nach Mannheim auch mit dem Rad.

 
Eszter Varga bei ihrem Sieg beim Halbmarathon in Ludwigshafen-Oggersheim im Februar 2019

Eszter ernährt sich seit einem guten Jahr komplett vegan. Es war am Anfang ein Experiment aus Neugier, wie sie das in den Alltag einbauen kann und was das mit ihrem Körper macht. Am schwierigsten fand sie gar nicht den Verzicht auf tierische Produkte, sondern die Umstellung beim Einkaufen und Kochen. Das hat sie aber nach ein paar Wochen drin gehabt und wurde dann zur Gewohnheit, genau wie sie früher die Wurst, Käse und Fleisch in den Einkaufswagen gelegt hat. Die erste Veränderung, die sie sehr schnell bemerkte, war der Wegfall von Müdigkeit und Völlegefühl nach dem Essen. Eszter Varga fühlt sich durch die Ernährungsumstellung leistungsfähiger. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist für sie der Beitrag zum Umwelt- und Tierschutz.

Der Reiz des Trail Runnings und das Genießen der Natur

Für Eszter Varga ist das Trail-Laufen eine Lebens-Philosophie. So sagt sie: "Trail-Running ist für mich Frieden und Freiheit. Mein Läufer-Herz gehört den Bergen und dem Wald. Dort bin ich einfach nur glücklich. Ich schnüre meine Schuhe, laufe los und bin ich in meinem Element. Dort gilt es wirklich, der Weg ist das Ziel. Mein Weg führt irgendwohin, zum nächsten Gipfel oder ins Tal und dann immer weiter. Nirgendwo anders fühle ich mich so stark, doch je höher die Berge sind, desto mehr erkenne ich, wie winzig und unbedeutend ich eigentlich bin. Ich liebe und respektiere die Natur und dort bin ich mehr als ein kleiner Teil davon, als sonst irgendwo."

Der Reiz der Trails besteht aus Eszters Sicht darin, dass die Distanz hier niemals so berechenbar ist, wie eine Strecke auf der Straße. "Man kann nicht sagen, ich laufe diese oder jene Pace, dann komme ich in dieser Zeit ins Ziel. Beim Trail kann die Strecke doch ganz anders sein, als man es sich vorgestellt hat, technischer, langsamer oder eben einfacher und schneller. Da können ein paar Kilometer deutlich länger werden als geplant. Die Trails sind immer abwechslungsreich, man läuft einen Anstieg hoch, der will anscheinend nicht enden. Ich denke okay, die Oberschenkel platzen, die Lunge brennt und ich hätte jetzt Lust mich hinzusetzen und ein bisschen zu weinen. Dann komme ich oben an, es gibt einen tollen Ausblick, den ich richtig genießen kann und es geht wieder bergab." Die Belastung verändert sich augenblicklich und mehr oder weniger drastisch und kein Trail-Lauf ist wie der andere.

Ausblick auf kommende Läufe, Familie und die Landau Running Company etc.

Dieses Jahr möchte Eszter Varga noch ein paar Wettkämpfe laufen, sofern sie aufgrund der steigenden Corona-Zahlen stattfinden werden. In der Region geht sie demnächst beim Hohenberg-Trail in Birkweiler (Pfalz) und beim Hockenheimring-Lauf an den Start. Danach geht es ins Wintertraining, in der Hoffnung, dass nächstes Jahr einige Wettkämpfe regulär stattfinden werden, wenn auch Corona-konform. Über den Winter die Form hochzuhalten wäre dann eher kontraproduktiv.

Für das Jahr 2021 hat Eszter Varga den Schinder-Trail-Winterparadies und den Zugspitz-Ultratrail fest geplant. Sie sagt das aber immer etwas mit Vorbehalt, denn als Mutter von zwei Kindern ist sie auch täglich gefordert und ihre beiden Hunde wollen auch immer versorgt werden.

Marco Demmerle und Eszter Varga kamen über andere Mitglieder und den guten Ruf zur Landau Running Company (LRC). Von der Einstellung und Trainingsausrichtung passt das laufaffine Paar ganz gut da rein. Die LRC ist ein toller Haufen von Trail-Läufern, die alle die gleiche Leidenschaft teilen.

Eszter Varga im Heidelberger Schloss beim Gelita Trail-Marathon Heidelberg 2020

Eszter trainiert nicht nach einem festen Plan. Laufen ist ihr Hobby und sie macht dabei genau das, wozu sie gerade Lust hat. "Bereite ich mich auf einen wichtigen Wettkampf vor, habe ich schon eine Vorstellung, was ich insgesamt machen möchte, um den Lauf ordentlich zu absolvieren. Aber ich will auf keinen Fall strikt nach Plan arbeiten, das Ganze soll ja keine Pflicht werden. Ich habe im Job auch eine enorme Grundbelastung, was auch mal mehr und mal weniger anstrengend ist. Das muss ich auch spontan Tag für Tag bei meinem Training berücksichtigen."

Mit einem spezifischeren Training könnte sich Eszter bestimmt noch schneller verbessern, aber das ist nicht ihr Ziel. Sie genießt das Laufen und so soll es auch bleiben. Sie läuft nie Einheiten, die ihr keinen Spaß machen, die sie im Vorfeld schon psychisch belasten oder wobei sie sich frage, warum tue ich mir das an? Ihr Hobby soll ihr Spaß machen und sie nicht belasten. Die Leistungsdiagnostik ist aber auch unerlässlich für die Trainingssteuerung beim Trail-Running und da ist sie bei Uwe Schork in Freinsheim in guten Händen.

Die LaufReport-Leser dürfen sich in der Zukunft über viele tolle Trails von Eszter Varga freuen.

Das Porträt "Eszter Varga" erstellte Holger Czäczine im Okt. `20
Fotos © Holger Czäczine und LaufReport-Archiv

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