Marathonläuferin Christa Vahlensieck

In ihrem Pass wird Düsseldorf, die Stadt des Rheinmarathons, als Geburtsort angegeben. Aber Neuss, die Stadt des Sommernachtslaufs, ist die eigentliche Heimat der Läuferin Christa Vahlensieck, die Geschichte des Frauen-Marathons schrieb.

In der Leichtathletik-Abteilung von DJK Novesia, dem Ausrichter des legendären Neusser Erftlaufs, wurde das Talent von Christa Kofferschläger, so lautete ihr Mädchenname, als 13-Jährige von Trainer Adi Rosenbaum in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckt. Als Siegerin der B-Jugend (1966) und der A-Jugend (1967) bei Deutschen Waldlaufmeisterschaften machte sie zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Den Erfolgen im Wald- und Crosslauf folgten Siege auf Hallen-, Aschen- und Tartanbahnen sowie auf der Strasse in der aufkommenden City- und Stadtmarathonszene. Zu ihrer Sammlung zählten zum Abschluss ihrer Laufbahn nicht weniger als 17 deutsche Einzel-Meisterschaften im Wald- und Crosslauf, Titel über 1.500 m und 3.000 m in der Halle, fünf Mannschaftstitel im Crosslauf sowie nicht zuletzt ihre Meisterschaftssiege im 15 km-, 25 km- und Marathonlauf. Sie unterbot die Weltrekorde über 10.000 m, im Stundenlauf, im Marathonlauf zweimal und im 100-km-Lauf.

Die Karriere begann
auf der Aschenbahn

Die Stadt Wuppertal, wo sie den Tischtennisspieler Uli Vahlensieck heiratete, wurde nicht nur ihr heutiger Wohnsitz, sondern auch ihre sportliche Heimat beim traditionsreichen Barmer TV. Trainer Arthur Lambert, der schon in seiner "Wittenberger Laufschule" Max Syring betreute, machte unter Sportamtsleiter Paul Schlurmann in der Nachkriegszeit mit Weltrekordler Werner Lueg und dem Olympiadritten Herbert Schade an der Spitze die Stadt an der Wupper zu einer deutschen Hochburg im Mittel- und Langstreckenlauf.

Detlef Uhlemann hielt in Neukirchen Ausschau
nach der Nachfolgerin von Christa Vahlensieck
Marathonsieg in München vor Heidi Hutterer (links)
und Susi Riermeier

Hier fand die Läuferin vom Niederrhein in Manuela Preuß, die vom Emsland an die Wupper gekommen war und später den Krefelder Langstreckler Paul Angenvoorth heiratete, eine Trainings- und Wettkampfpartnerin. Beide bestritten vor 33 Jahren in Waldniel den ersten Marathonlauf "nur für Frauen", organisiert von "Laufdoktor" Dr. med. Ernst van Aaken. Als erste Frau der Welt blieb Christa seinerzeit in 2:59:25,6 unter drei Stunden. Ein Jahr später unterboten beim Marathon-Länderkampf der Frauen "Deutschland - USA" an gleicher Stelle, den Liane Winter in 2:50:31,4 gewann, bereits sieben Frauen diese Marke. Hinter der Französin Chantal Langlace (2:51:45,2) sorgten Christa (2:54:40,4) und Manuela (2:55:59,6) für den Länderkampfsieg.

Neben anderen Läuferinnen wie Charlotte Teske wurde Christa Vahlensieck zum Vorbild für zahllose Frauen und Mädchen, denen man in immer stärkeren Maße bei den Stadtmarathons begegnet. Wenn es auch heute im Knie und Rücken manchmal "zwickt", so bereut sie ihre Marathonzeit mit allen Höhen und Tiefen nicht.

Fragt man nach ihren schönsten Erinnerungen, so erwähnt sie auf Anhieb den Freundschaftslauf im Jahre 1988 zur Wuppertaler Partnerstadt Kosice in der damaligen CSSR: "Mit 32 Teilnehmern liefen wir durch den "Eisernen Vorhang" ohne Passkontrolle." Noch heute besteht mit den Slowaken ein reger Austausch: "Ich habe dort so etwas wie eine zweite Familie und bin sehr häufig dort oder habe Besuch von den Freunden.

Ihre größten Erfolge erzielte
sie auf dem Asphalt

Über eine herbe Enttäuschung durch den Verband kommt sie auch heute nicht ganz hinweg. Sie hatte sich auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1983 vorbereitet und erfuhr zu ihrem Leidwesen aus der Zeitung, dass sie nicht nominiert worden war, obwohl sie in der Weltbestenliste an neunter Stelle stand und im Frühjahr bei den amerikanischen Ausscheidungen in Los Angeles den zweiten Platz mit Bestzeit belegt hatte. Grund für den Affront: Sie hatte in Absprache mit Bundestrainer Erich Vellage nicht an den Bahnmeisterschaften teilgenommen. Nach zahlreichen Protesten aus der Bevölkerung wurde sie "gnädigerweise" eine Woche vor der WM nachnominiert, was zur Folge hatte, dass sie nicht mehr in bester Verfassung war und mit dem 19. Platz im Marathonlauf Vorlieb nehmen musste.

Nach Beendigung ihrer Laufbahn hat sie es, veranlasst durch ihren Mann, der an Tennis Medenspielen teilnimmt, auch mal mit Tennis versucht. Damit kam sie aber überhaupt nicht klar: "Von total unsportlichen Frauen hin und her gejagt zu werden und dann doch zu verlieren," konnte sie so leicht nicht verkraften. "Laufen ist eben doch am schönsten," meint die ehemals sieggewohnte Läuferin, die sich mit Jogging für den "Hausgebrauch" fit hält, soweit sie dafür Zeit findet.

Dr. Ernst van Aaken gratuliert Christa Vahlensieck
zum Marathon-Weltrekord

Ihre ehrenamtliche Tätigkeit im "WIN", dem Verein für Wuppertaler in Not, nimmt sie zeitlich immer mehr in Anspruch. Einen Termin will sie deswegen aber nicht versäumen. Wenn sich die "Ehemaligen" Anfang Februar beim Acht-Länderkampf der Junioren und Militärmannschaften im Crosslauf treffen, der von ihrem früheren Trainer Adi Rosenbaum beim SG Neukirchen / Hülchrath organisiert wird, möchte Christa Vahlensieck auf alle Fälle wieder dabei sein, wie ihr ebenfalls als Läufer erfolgreicher Bruder Bernd Kofferschläger und dessen Sohn Tobias, der die Lauftradition der Familie fortsetzte.

Bestleistungen von Christa Vahlensieck (erzielt in der Zeit von 1975 bis 1996)

800 m

2:11,8

 

1.000 m (Halle)

2:53,7

1.500 m

4:25,1

3.000 m

9:14,9

5.000 m

16:18,24

10.000 m

33:39,4

Halbmarathon

1:18:59

25 km

1:26:18

Marathon

2:33:22

100 km

7:50:37

Christa Vahlensieck vorgestellt und fotografiert von: Gustav E. Schröder

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