Peter Snell

Dreifacholympiasieger vom Ende der Welt

von Ralf Klink im April 2021 

Als "schönstes Ende der Welt" wird Neuseeland hierzulande gerne einmal bezeichnet. Und tatsächlich ist keine größere Landmasse weiter von Europa entfernt als der Inselstaat im Pazifik. Bei einer Spiegelung am Erdmittelpunkt käme die Heimat der Kiwis nämlich diagonal über der iberischen Halbinsel zu liegen. Und abgesehen von einigen winzigen Eilanden findet sich im Umkreis von rund zweitausend Kilometer praktisch nur Wasser.

Doch auch in diesem entlegenen Ländchen gibt es Ecken, die noch ein bisschen weiter weg sind. So leben auf "South Island", der südlichen der beiden großen Inseln, die den Hauptteil des Landes ausmachen, nicht einmal eine Million der vier Millionen Einwohner des Landes. Zum Vergleich: Im einstigen Mutterland sind die Landesteile England und Wales zusammengenommen etwa gleich groß wie die Südinsel, zählen aber fast sechzig Millionen Menschen.

Und jenseits der Südalpen, die sich wie ein Rückgrat komplett durch die Insel ziehen, haben sich in der Region Westland gerade einmal dreißigtausend Kiwis niedergelassen. Über sie erzählt man sich in Neuseeland gerne, dass sie keine Strafe bezahlen müssten, wenn sie im Osten der Berge eine rote Ampel überfahren. Sie kennen so etwas nämlich gar nicht. Denn entlang der mehreren hundert Kilometer langen Westküste gibt es tatsächlich keine einzige Lichtzeichenanlage.

Doch auch auf der Nordinsel, die fast achtzig Prozent der Neuseeländer beherbergt, findet man ziemlich abgelegene Orte. Denn mit circa eineinhalb Millionen Einwohnern ist alleine Auckland die Heimat von einem Drittel aller Kiwis. Eine weitere halbe Million lebt rund um die Hauptstadt Auckland am ganz im Süden der grob an eine Raute erinnernden Insel.

Weit menschenleerer als die beiden Ballungszentren geht es im langgestreckten Northland zu. Der Ostzipfel mit dem East Cape wird nur von einer einzigen, dreihundert Kilometer langen Ringstraße erschlossen. Und auch die Region Taranaki im Westen hat eine so geringe Besiedlungsdichte, wie man sie in Europa in vergleichbarer Form nur hoch im Norden in Skandinavien finden kann.

Halbkreisförmig erstreckt sich dieses Gebiet rund um den namensgebenden, gut 2500 Meter hohen, einsam aus einer weiten Ebene aufragenden Vulkan, der mit seiner fast perfekten Kegelform dem Idealbild eines Feuerberges entspricht. Da der Großteil der ohnehin geringen Bevölkerung sich auf der Nord- und Ostseite niedergelassen hat, bestehen die Ortschaften, die man beim Umrunden des Berges auf der Seeseite durchquert oft nur aus wenigen Häusern.

Die größte Siedlung ist dabei noch Opunake unweit der "Cape Egmont" genannten Westspitze. Doch auch dieses winzige Städtchen, in dessen Mitte sich noch etliches aus den Pioniertagen erhalten hat, kommt hinsichtlich seiner Einwohnerzahlen gerade so in die Vierstelligkeit. Und doch kann sich dieser Ort fast am Ende der Welt mit einem dreifachen Olympiasieger schmücken.

Denn am 17. Dezember 1938 wurde in Opunake jener Peter George Snell geboren, der in der ersten Hälfte der Sechziger des letzten Jahrhunderts der überragende Mittelstreckler war. Auch die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte der zukünftige Goldmedaillengewinner in diesem abgelegenen Örtchen zwischen dem Taranaki und der Tasmanischer See.

Dann zogen seine Eltern mit ihm nach Te Aroha in der Region Waikato - eine Gemeinde, die zwar mit ihren drei- bis viertausend Bewohnern ebenfalls wohl kaum "übervölkert" genannt werden kann. Aber im Dreieck zwischen der Metropole Auckland sowie Hamilton und Tauranga, die ebenfalls zu den größten Städten Neuseelands zählen und beide nur eine Fahrstunde entfernt liegen, war es eben dennoch etwas weniger einsam.

 

Am Te Aroha College - im Gegensatz zur nordamerikanischen Nutzung des Begriffes "College" handelt es sich um eine normale Schule - entwickelte sich der vielseitig begabte Snell zu einem gleich in mehreren Sportarten recht herausragenden Athleten. Neben dem Laufen spielte er in den Schulmannschaften unter anderem noch Cricket und Tennis.

Und natürlich - wie sollte es in Neuseeland anders sein - stand auch Rugby hoch im Kurs. Mit einer Größe von 180 Zentimetern und einem Gewicht von etwa 80 Kilogramm hätte der nicht unbedingt dem Idealbild eines grazilen Mittelstrecklers entsprechende Peter Snell dabei durchaus auch beim Spiel mit dem ovalen Ball die eine oder andere Position erfolgreich besetzen können.

Nach seinem Wechsel ins Internat der Mount Albert Grammar School in Auckland - eine der größten und bekanntesten Schulen des Landes - betrieb er weiter eine ganze Reihe von Disziplinen. Insbesondere im Tennis schaffte er es dabei auf ein Niveau, um in der nationalen Spitze seiner Altersgruppe mitspielen zu können. Doch das Laufen gab er ebenfalls nicht auf.

Immer wieder erzielte Snell bei den Wettkämpfen der Schulen vordere Platzierungen über die volle und die halbe Meile. In einer anderen der vielen imperialen Längeneinheiten ergibt die halbe Meile eine aus heutiger Sicht seltsam anmutende Wettkampfdistanz von 880 Yards. Doch war diese in den englischsprachigen Ländern zu jener Zeit fast immer als Gegenstück zur metrischen Achthunderter ausgeschrieben. Umgerechnet ergeben sich schließlich knapp 805 Meter.

Lange Zeit wurden sogar Weltrekorde über diese Strecke geführt. Nachdem sich abgesehen von den USA und Großbritannien inzwischen alle anderen Länder - auch ehemalige britische Kolonien wie Neuseeland, Australien oder Südafrika - längst von diesen Maßen verabschiedet haben, wurden sowohl Wettbewerbe als auch die Rekordlisten irgendwann eingestellt.

Mit neunzehn Jahren begegnete Peter Snell dann 1958 jenem Mann, der ihn zum herausragenden Mittelstreckler seiner Zeit machen sollte - Arthur Lydiard. Der war damals Anfang vierzig und hatte gerade erst seine eigene Laufbahn als Leistungssportler beendet, die ihm 1953 und 1955 immerhin den neuseeländischen Meistertitel über die Marathonstrecke eingebracht hatte. Zufällig war er übrigens einst ebenfalls auf der Mount Albert Grammar School gewesen.

Lydiard hatte früh damit angefangen, mit seinem Training zu experimentieren. Und schon während seiner aktiven Zeit gab er seine Erfahrungen an jüngere Läufer weiter. Einer seiner Schützlinge war Ray Puckett, der 1958 den ersten seiner fünf nationalen Marathontitel holte und dabei ausgerechnet seinen vierzigjährigen Lehrmeister in dessen letztem Meisterschaftsrennen auf den zweiten Platz verwies.

Inzwischen war Arthur Lydiard dabei eine größere Trainingsgruppe mit den stärksten Athleten aus dem Großraum Auckland zu formen. Und Peter Snell mit seiner Grundschnelligkeit schien ihm ein regelrechtes Juwel zu sein, das er nur noch zu schleifen hatte. Doch erst einmal musste er ihn überzeugen, nicht auf den Tennissport zu setzen, sondern sich aufs Laufen zu konzentrieren. Lydiard hatte Erfolg. Und bald darauf gehörte auch Snell zu seinem "Rennstall".

Die Bandbreite war groß und reichte von den Mittelstrecklern Peter Snell und John Davies über Murray Halberg, der sich auf den Distanzen zwischen drei und fünf Kilometern am wohlsten fühlte, und Barry Magee, der sowohl auf den langen Bahndistanzen als auch auf der Straße erfolgreich war, bis zu den reinen Marathonspezialisten Jeff Julian und Ray Puckett. Und Bill Baillie gehörte sogar auf allen Distanzen zwischen 800 Meter und dem Marathon zur nationalen Spitze.

Doch trotz völlig unterschiedlicher Wettkampfstrecken absolvierte die stetig anwachsende Truppe große Teile des Trainings gemeinsam. Denn eine der großen Neuerungen Lydiards zu einer Zeit, in der das klassische Intervalltraining noch als das Nonplusultra galt, waren für alle seine Athleten langen Läufe in ruhigem Tempo, um erst einmal eine Ausdauergrundlage zu schaffen, auf der man dann ein spezifischeres Training aufsetzen konnte.

Angeblich habe er Peter Snell gegenüber ungefähr die folgende Argumentationskette verwendet. "Du kannst 400 Meter ganz locker unter 55 Sekunden laufen. Aber warum bist du über 800 Meter noch weit von der 1:50 entfernt? Nun, es fehlt dir einfach an Ausdauer. Und an der müssen wir arbeiten, um dich am Ende schneller zu machen."

Selbst seine Mittelstreckler Snell und Davies ließ er deswegen in bestimmten Trainingsphasen weit über zweihundert Wochenkilometer laufen. Berühmt, berüchtigt war insbesondere die Waiatarua Runde, eine 35 Kilometer lange Schleife durch die Hügel der Waitakere Ranges im Westen von Auckland, die von den Athleten seiner Trainingsgruppe praktisch jeden Sonntag absolviert wurde.

Und noch etwas anderes führte Lydiard in die moderne Trainingslehre ein. Stärker als alle anderen vor ihm setzte er auf eine langfristige Periodisierung. Einem längeren Abschnitt mit dem Fokus auf der Grundlagenausdauer folgte eine Phase, in der das Hauptaugenmerk auf spezifischem Schnelligkeitstraining lag, und anschließend dann die eigentliche Wettkampfperiode, in der die Athleten bei den wichtigsten Rennen ihre absolute Höchstform erreichen sollten.

Snell verbesserte sich bereits in seiner ersten Saison unter seinem neuen Coach deutlich und landete bei den neuseeländischen Landesmeisterschaften über die halbe Meile auf Rang drei. Doch der erfolgreichste Läufer der Trainingsgruppe war erst einmal der fünf Jahre ältere Murray Halberg, der schon längere Zeit mit Lydiard zusammenarbeitete.

Wie fast alle sportlich interessierten Kiwis hatte auch Halberg in seiner Kindheit und Jugend erst einmal Rugby gespielt, sich dann aber so schwer verletzt, dass sein linker Arm auf Dauer stark bewegungseingeschränkt blieb. Halberg wurde eher notgedrungen zum Läufer, war aber bald einer der besten Athleten des Landes. Zwischen 1954 und 1957 wurde er viermal in Folge Landesmeister über die Meile.

Und als erster Neuseeländer und achtzehnter Athlet überhaupt unterbot er im August 1958 über diese Distanz auch die vier Minuten - gute vier Jahre nachdem Roger Bannister diese Schallmauer erstmalig durchbrochen hatte. Beim Weltrekord des Australiers Herb Elliot blieb ihm in diesem in Dublin ausgetragenen Rennen dennoch nur Platz vier.

Von 1958 bis 1962 reihte er über drei Meilen - das etwas kürzere, angelsächsische Gegenstück zum metrischen Fünftausender - dann sogar fünf Titel aneinander. Bereits 1954 hatte er als Meilenläufer in Vancouver erstmals an den Commonwealth Spielen teilgenommen und war damals Fünfter geworden. Vier Jahre später bei der nächsten Auflage gewann er im walisischen Cardiff mit 13:14,96 Gold über seine neue Spezialstrecke - der erste internationale Titel für einen von "Arthur's Boys".

Doch auch Peter Snell konnte im Folgejahr zumindest auf regionaler und nationaler Ebene nach einem weiteren Leistungssprung voll überzeugen. Sowohl bei den "Auckland Championships" als auch bei den neuseeländischen Titelkämpfen gelang ihm nämlich ein Doppelsieg über 880 Yards und die Meile. Und in einem Rennen über zwei Kilometer schlug er sogar seinen Trainingskameraden Halberg. Doch Auslandsstarts gab es aufgrund der Abgelegenheit seiner Heimat auch 1959 keine.

Das Olympiajahr begann für Snell extrem gut. Denn im Februar unterbot er bei den Regionalmeisterschaften von Auckland - wie von seinem Trainer Lydiard am Anfang ihrer Zusammenarbeit vorhergesagt - mit 1:49,2 erstmals die 1:50 über 880 Yards und stellte damit auch einen neuen Landesrekord auf. Gelaufen wurde übrigens nicht auf Asche, die damals noch der Standard war und erst Ende des Jahrzehnts langsam von Tartan abgelöst werden sollte, sondern auf einer Grasbahn.

Drei Wochen später zum Höhepunkt und Abschluss der heimischen Sommersaison, die ja aufgrund der umgekehrten Jahreszeiten auf der Südhalbkugel in Neuseeland zwischen November und März stattfindet, verteidigte er auf der gleichen Distanz auch seinen nationalen Meistertitel. Über die Meile gewann in Abwesenheit des Titelverteidigers Snell - nun bereits zum fünften Mal in sieben Jahren - Murray Halberg.

Trotz dieser Verbesserung nahm von Peter Snells neuer Bestmarke im Rest der Welt kaum jemand Notiz. Der Weltrekord des Belgiers Roger Moens stand schließlich seit 1955 bei 1:45,7. Und gleich einige Dutzend andere Läufer waren in den Jahren zuvor schneller gelaufen als der Neuseeländer. Snell wurde zwar für die Olympischen Spiele in Rom nominiert, fuhr aber als absoluter Außenseiter nach Italien.

Neben Peter Snell waren mit Murray Halberg, Jeff Julian, Barry Magee und Ray Puckett noch vier weitere Schützlinge von Arthur Lydiard für das gerade einmal vierzehnköpfige neuseeländische Leichtathletik-Team ausgewählt. Und abgesehen von Don Smith, der wie Snell über 800 Meter starten sollte, bestand die komplette Mittel- und Langstreckenmannschaft ansonsten sogar vollständig aus Läufern seiner Trainingsgruppe.

Doch wenn es nach den Funktionären gegangen wäre, hätte er seine Athleten nicht nach Rom begleiten dürfen. Erst durch eine Sammelaktion nach dem öffentlichen Aufruf einer Zeitung kam das Geld für den Trip um die halbe Welt dann doch noch zusammen. Zum eigentlichen Olympiateam gehörte er aber nicht. Sein Quartier lag vielmehr etliche Kilometer vom Olympischen Dorf entfernt, die Lydiard jeden Tag zu Fuß zurücklegte, um seine Athleten auf ihre Wettkämpfe einzustellen.

Bei Peter Snell war ihm die lang- und kurzfristige Vorbereitung jedenfalls nahezu perfekt gelungen. Denn schon im Vorlauf lief dieser mit 1:48,22 eine neue persönliche Bestleitung und zog als Sieger in die nächste Runde ein. Und auch die Zwischenrunde überstand er einige Stunden später in 1:48,84 als Zweiter seines Laufes knapp hinter Weltrekordler Roger Moens relativ problemlos.

Im Halbfinale am Folgetag wurden alle vermeintlichen Leichtathletikfachleute erneut von dem weitgehend unbekannten Einundzwanzigjährigen aus Neuseeland überrascht. Denn ein weiteres Mal verbesserte er seinen Hausrekord deutlich auf nun 1:47,34 und lief diesmal sogar noch vor dem favorisierten Belgier über den Zielstrich. Als Dritter qualifizierte sich der spätere Bundestrainer Paul Schmidt für das Finale.

Nur um acht Hundertstelsekunden verpasste Peter Snell dabei den olympischen Rekord, der einige Minuten zuvor im ersten Semifinale vom George Kerr auf 1:47,26 gedrückt worden war. Neben dem Jamaikaner, der in Rom für die kurzlebige Westindische Föderation antrat, zu der neben seiner Heimatinsel unter anderem auch Trinidad und Tobago, Barbados, Antigua, Grenada und Dominica gehörten, kamen dort noch der Schweizer Christian Wägli und Manfred Matuschewski aus Erfurt weiter.

Der Endlauf fand dann erneut einen Tag darauf am späten Nachmittag des 2. September statt. Nach dem Start setzte sich erst einmal der Mann aus der Schweiz an die Spitze und führte das aufgrund der schmalen Bahn nur sechsköpfige Starterfeld gefolgt von Paul Schmidt über die erste Runde. Peter Snell ging als Vierter durch. Matuschewski hatte hingegen schon nach vierhundert Metern den Anschluss verloren und wurde abgeschlagen Letzter.

Bis zum Ausgang der letzten Kurve lief der Eidgenosse Wägli das Rennen mutig von vorne. Doch Haltung und Gesichtszüge wurden zunehmend verkrampfter und es war fast abzusehen, dass er diese Position nicht bis ins Ziel verteidigen können würde. Und genau in diesem Moment eröffnete Roger Moens auch seinen Schlussspurt, zog vorbei und setzte sich leicht ab.

Peter Snell, der zwischenzeitlich sogar auf Platz fünf zurückgefallen war, fand eine Lücke zwischen dem innen laufenden Schweizer und Paul Schmidt auf Bahn zwei und setzte dem Belgier hinterher. Trotz mehrerer Meter Rückstand am Anfang der Zielgeraden tauchte sein schwarzes Trikot - wie die "All Blacks" im Rugby starten ja auch die Leichtathleten aus Neuseeland ganz in Schwarz - mit einem kraftvollen Sprint schon einige Sekunden später auf der Innenbahn neben dem Belgier auf.

Dieser drehte gleich mehrfach den Kopf erstaunt nach links, denn eigentlich hatte er trotz seiner Niederlage im Halbfinale eher Schmidt und Kerr als Hauptkonkurrenten angesehen. Doch gegen den heranfliegenden Jungspund vom anderen Ende der Welt konnte er am Ende nichts mehr entgegensetzen. Peter Snell lief mit 1:46,48 nicht nur erneut persönliche Bestzeit sondern zudem einen neuen olympischen Rekord.

Der große Favorit Moens lag in 1:46,55 zwar ebenfalls noch klar unter der Marke von George Kerr aus dem Halbfinale und nicht einmal eine Sekunde über seinem Weltrekord, musste aber dennoch mit dem zweiten Platz Vorlieb nehmen. Die Silbermedaille von Rom blieb für den nicht immer vom Glück verfolgten Weltrekordler auch überhaupt die beste Platzierung bei einer großen internationalen Meisterschaft.

Vier Jahre zuvor hatte der Belgier nämlich für die Olympischen Spiele in Melbourne verletzt passen müssen, weil er kurz vor der Abreise nach Australien beim Training in der Dunkelheit in einen Pfosten hineingelaufen war. Und während der Europameisterschaften 1958 brummte Moens eine Sperre ab, die er sich wegen eines Streits mit Funktionären bei einem Rennen eingehandelt hatte.

Den Bronzerang in Rom erkämpfte sich der Jamaikaner Kerr in 1:47,25 - also ebenfalls knapp unter seiner eigenen Halbfinalzeit. Einige Tage später sollte er mit der westindischen Staffel über 4 x 400 Meter noch ein weiteres Mal Bronze gewinnen. Der im Vorfeld durchaus als Medaillenkandidat gehandelte Paul Schmidt ging als Vierter leer aus. Und für den wackeren Schweizer Wägli sprang am Ende dann doch nur Platz fünf heraus.

Erstmals seit Jack Lovelock, der 1936 in Berlin über 1500 Meter Gold geholt hatte, war ein neuseeländischer Läufer Olympiasieger geworden - und dies mit Trainingsmethoden, über die man in der Fachwelt damals den Kopf schüttelte. Doch damit war die Erfolgsserie von "Arthur's Boys" noch nicht beendet. Denn gleich das nächste Rennen an diesem Tag war der Endlauf über fünf Kilometer.

Und selbst wenn der dort startende Murray Halberg international keineswegs so unbekannt war wie Peter Snell, galt er keineswegs als der erklärte Favorit. Mit einer Tempoverschärfung einen guten Kilometer vor dem Ziel setzte er sich allerdings überraschend früh vom Feld ab. Und selbst wenn der Vorsprung am Ende wieder schmolz, rettete Halberg ihn ins Ziel und holte nach 13:43,76 ebenfalls die Goldmedaille.

Innerhalb von gerade einmal vierzig Minuten waren damit zwei von Lydiards Schützlingen Olympiasieger geworden. Es war die bis heute größte Stunde der neuseeländischen Leichtathletik. Acht Tage später gewann zudem Barry Magee beim Sieg von Abebe Bikila im Marathon nach 2:17:18 Bronze. Alle Medaillen des gesamten neuseeländischen Olympiateams - denn es waren nur genau diese drei - gingen in Rom also an Athleten aus dem gleichen "Rennstall".

Die frischgebackenen Olympiasieger blieben noch etwas Europa, bevor sie die lange Heimreise antraten. Beim Vergleichskampf USA gegen das Commonwealth, der eine Woche nach dem Ende der Spiele in London stattfand, erzielte Snell als Schlussläufer zusammen mit dem Australier Tony Blue, George Kerr und dem Briten Tom Farrell eine neue Bestmarke über 4 x 880 Yards, die aber nicht in den Rekordbüchern landete, da die vier Beteiligten aus verschiedenen Nationen kamen.

In Dublin gewann er bei einem zweitägigen Leichtathletik-Sportfest zuerst über die halbe Meile und wurde am Folgetag über die doppelte Distanz Fünfter. Beim Sieg des Australiers Herb Elliott, der in Rom über 1500 Meter mit neuem Weltrekord Gold geholt hatte, verbesserte Peter Snell dabei aber immerhin seine persönliche Bestzeit auf 4:01,5. Und zum Abschluss der kurzen Europatournee gewann er Ende September in London noch einmal ein Rennen über 880 Yards gegen George Kerr.

Ein knappes halbes Jahr später kamen der Jamaikaner und auch Roger Moens dann für mehrere Wochen nach Neuseeland und absolvierten im Januar und Februar eine ganze Reihe von "Revancherennen" gegen den Mann, der in Rom vor ihnen ganz oben auf dem Treppchen gestanden hatte. Von insgesamt fünf Wettkämpfen in Auckland, Napier, Christchurch und Wellington gewann Snell zwei und wurde dreimal Zweiter.

Auch Kerr war zweimal erfolgreich. Eines der Rennen ging an den Amerikaner Dyrol Burleson, der eigentlich eher als Meilenspeziallist galt. Bei seinem gleichzeitigen Besuch konnte er in einem Lauf über diese Distanz gleich beide Kiwi-Goldmedaillisten auf einmal bezwingen und kam während der neuseeländischen Bahnsaison auch noch zwei weitere Male vor Halberg ins Ziel.

Nach einer mehrmonatigen Trainingsphase gemäß den auf jährlich zwei Wettkampfperioden ausgerichteten Plänen Lydiards flogen dann gleich mehrere Läufer seiner Gruppe im Juni und Juli 1961 nach Europa, um in einem Jahr ohne absoluten Höhepunkt in Form einer großen internationalen Meisterschaft auf den dortigen Meetings zu starten.

Bei einem Dutzend Rennen in Großbritannien, Schweden, Finnland, Deutschland und Irland ging Peter Snell nur zweimal nicht als Sieger von der Bahn. Im finnischen Kouvola wurde er über die ungewohnten 400 Meter Fünfter und in Dublin über eine Meile Dritter. Über seine Spezialstrecke blieb er dagegen - egal ob in der metrischen oder der britischen Variante - über die kompletten eineinhalb Monate ungeschlagen.

Das herausragende Ereignis war allerdings ein Weltrekord in der Staffel über viermal eine Meile mit seinen Kameraden Gary Philpott, Murray Halberg und Barry Magee. Nach 16:23,8 überlief Snell am 17. Juli im Santry Stadium von Dublin die Ziellinie - übrigens bereits zum zweiten Mal an diesem Tag, denn er hatte zuvor schon ein Rennen über halbe Meile gewonnen. Das Ergebnis zeigte einmal erneut die Stärke, in der Läufer aus dem kleinen Neuseeland damals in der Weltspitze vertreten waren.

Zum anderen belegte es aber auch, welche Bandbreite jeder von ihnen zu bieten hatte. Denn auf dem Papier sah das Team ja eher zusammengewürfelt aus. Keiner der Vier galt schließlich als klassischer Meilenmann. Während Philpott und Snell hauptsächlich Spezialisten für die 800 Meter waren, hatte Halberg über fünf Kilometern seine große Stärke. Und Magee bevorzugte ansonsten sogar vor allem zehn Kilometern und Marathon.

Doch auch Snell selbst absolvierte im Dezember 1961 einen Marathon. Zwar waren seine 2:42 längst nicht im Leistungsbereich der Trainingskollegen aus der Langstreckenabteilung. Doch vor Lydiard wäre es wohl keinem Trainer in den Sinn gekommen, einen Achthundert-Meter-Mann auf eine solche Distanz zu schicken. Und auch heute dürften die meisten über diese Idee nur den Kopf schütteln - zumal der Lauf nur wenige Wochen vor der neuseeländischen Bahnsaison stattfand.

Absolut falsch konnte dieser Ansatz dann allerdings doch nicht gewesen sein. Denn gerade einmal sechs Wochen später gewann Snell in Hamilton ein Rennen über 880 Yards in 1:47,1 und verbesserte dabei im Vorbeigehen - nämlich aufgrund einer einige Meter zuvor genommenen Zwischenzeit - seinen eigenen Landesrekord über 800 Meter auf 1:46,3.

Nur drei Tage darauf folgte ein noch viel größerer Paukenschlag. Auf einer Grasbahn im Städtchen Wanganui pulverisierte Peter Snell nämlich seine persönliche Bestzeit über eine Meile, unterbot dabei die dreieinhalb Jahre alten Marke des Australiers Herb Elliott um eine Zehntelsekunde und stand nun mit 3:54,4 selbst als neuer Weltrekordinhaber in der Liste.

Obwohl Eliott nur wenige Monate älter war als Snell, hatte er bereits Mitte 1961 seine Schuhe mit gerade einmal dreiundzwanzig Jahren wieder an den Nagel gehängt, um in England an der berühmten Cambridge Universität zu studieren. Kein einziges Mal war er in seiner kurzen Karriere über die Meile geschlagen worden. Und auch über 1500 Meter musste er nur eine einzige Niederlage quittieren.

Fast bei der Hälfte aller seiner Meilenrennen war Herb Elliott zudem unter vier Minuten geblieben. Statt siebzehnmal wie der einige Jahre absolut dominante Australier hatte Peter Snell das bisher nur ein einziges Mal geschafft. Doch hatte dieses eine Mal gereicht, um ihm den Weltrekord abzunehmen.

Genau eine Woche nach diesem Coup legte Snell in Christchurch - übrigens ebenfalls wieder auf einer Grasbahn - dann auch in seiner eigentliche Schokoladendisziplin nach. Und das streng genommen sogar doppelt. Denn wie üblich wurde das Rennen über eine halbe Meile gelaufen, bei 800 Meter aber eine Zwischenzeit genommen.

Und beide Stoppuhren der zwei kurz hintereinander postierten Wettkampfrichter zeigten jeweils neue Weltrekorde an - und zwar mit deutlichen Abständen zu den alten Marken. Die noch immer gültigen 1:45,7 von Roger Moens drückte Peter Snell bei seinem beeindruckenden Sololauf auf 1:44,3. Für 880 Yards wurden 1:45,1 notiert. Dort stand die alte Bestzeit des Amerikaners Jim Courtney zuvor bei 1:46,8.

Elf Jahre sollte es dauern, bevor jemand die 800 Meter schneller absolvierte. Allerdings wurde die Zeit bei den Olympischen Spielen 1968 von den Australier Ralph Doubell und 1972 noch einmal durch Dave Wottle aus den USA egalisiert. Doch erst im Juni 1973, als längst überall in der Welt auf Kunststoffbahnen gelaufen wurde, konnte der heute völlig vergessene Marcello Fiasconaro - ein in Südafrika aufgewachsener Italiener - den Neuseeländer mit 1:43,7 unterbieten.

Fast unglaublich ist jedoch, dass Peter Snell mit diesem Lauf im Inselstaat noch immer der Landesrekordhalter ist. Nur noch wenige Monate fehlen schließlich, um die Zeit sechs Jahrzehnte alt zu machen. Einzig John Walker kam dieser Marke bisher wirklich bedrohlich nahe. Doch auch dessen Ergebnisse stammen bereits aus den Siebzigern. Selbst weltweit wird Snell in der ewigen Bestenliste weiterhin unter den besten zweihundert Läufern geführt.

Wenig überraschen gewann Peter Snell danach erneut sowohl die regionale als auch die nationale Meisterschaft über die halbe Meile. Doch erstmals lief er auch einige Hallenrennen auf der Nordhalbkugel. Mitte März erzielte er in Tokyo dabei einen inoffiziellen Hallen-Weltrekord - der Leichtathletik-Weltverband begann erst wesentlich später mit dem Führen entsprechender Rekordlisten - über 880 Yards. Doch mit 1:49,9 fiel dieser weitaus schwächer aus als die Freiluftmarke.

Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren dehnten Snell und sein Trainer Arthur Lydiard die erste Halbsaison 1962 weitaus länger nach hinten aus. Nachdem es zu Hause in Neuseeland keine Wettkämpfe mehr gab, trat Snell im Mai sogar noch bei einigen Sportfesten auf Hawaii und in Kalifornien an. Über fast fünf Monate blieb er dabei in achtzehn Rennen in Folge ungeschlagen.

Auf die Läufe der europäischen Sommersaison verzichtete Lydiard mit seinen Schützlingen diesmal allerdings. Denn die Planungen konzentrierten sich auf die Commonwealth Spiele, die Ende November im westaustralischen Perth beginnen sollten. Und wie im periodisierten Trainingsaufbau des Erfolgscoachs üblich folgte nun erst einmal wieder ein längerer Block mit langen Ausdauereinheiten.

Am Ende des - zumindest in Auckland in der Regel ziemlich milden - neuseeländischen Winters stieg Snell dann wieder mit Crossläufen ins Wettkampfgeschehen ein. Und nachdem er zuvor schon den Regionaltitel gewonnen hatte, wurde der Mittelstreckenspezialist dabei Ende August in 35:36 sogar - zum ersten und einzigen Mal - nationaler Meister im Gelände.

Im Oktober und November folgten dann noch einige Bahnrennen, bevor sich Peter Snell mit dem neuseeländischen Aufgebot auf den Weg nach Westaustralien machte. Im Mittel- und Langstreckenteam waren neben den Olympiasiegern Snell und Halberg noch John Davies, Gary Philpott, Bill Baillie, Jeff Julian und Barry Magee nominiert - allesamt Läufer aus Lydiards Rennstall.

Snell sollte sowohl über die halbe wie auch über die volle Meile laufen. Die Vor- und Zwischenrunde über die zuerst auf dem Programm stehenden 880 Yards überstand er ohne Probleme als zweimaliger Sieger. Bei Endzeiten von jeweils über 1:50 hätte er im Bedarfsfall vermutlich auch jederzeit noch eine zusätzliche Schippe drauflegen können.

Mit dem Kiwi kamen in seinem Rennen der Engländer Mike Fleet aus England sowie der für Wales startende Tony Harris weiter in den Endlauf. Das erste Halbfinale hatte zuvor sein alter Konkurrent George Kerr vor dem Australier Tony Blue und Peter Francis aus Kenia gewonnen. Snells Landleute Davies und Philpott blieben dagegen in den Qualifikationsrennen hängen.

Zwei Tage später im Finale führte der Kenianer das Feld in eher ruhigem Schritt über die erste Runde. Das spielte dem Mann aus der Karibik durchaus ein wenig in die Karten. Denn Kerr lief im Gegensatz zu Snell auch über vierhundert Meter und hätte in einem kurzen Spurt wohl seine größere Grundschnelligkeit ausspielen könne. Der tempohärtere Neuseeländer verschärfte deswegen gleich nach dem Zieldurchlauf spürbar und übernahm auf der Gegengerade die Führungsposition.

Dem Rest des Feldes hatte er damit fast schon den Zahn gezogen. Kerr hielt allerdings dagegen und lag in der Zielkurve noch auf gleicher Höhe. Doch dann zahlte sich die größere Kraft und Ausdauer von Peter Snell aus, die am Ende eines harten Rennens oft wichtiger sind als die reine Endschnelligkeit. Auf den letzten Metern konnte der Jamaikaner schließlich nicht mehr mithalten und musste die Überlegenheit des nach 1:47,6 siegreichen Läufers ganz in Schwarz anerkennen.

Hinter dem in 1:47,8 gestoppten George Kerr sprintete der zwischenzeitlich nur auf Rang fünf liegende Tony Blue noch zu Bronze. Doch mit 1:49,0 war der Abstand schon beachtlich. Der Kenianer Francis mit 1:49,9 und Mike Fleet mit 1:50,0 lagen als Vierter und Fünfter noch deutlich weiter zurück. Und der Waliser Harris kam völlig abgeschlagen erst fast fünf Sekunden nach dem Gewinner ins Ziel.

Genau wie zwei Jahre zuvor in Rom brachte der Tag sogar einen Doppelsieg für die Trainingsgruppe von Arthur Lydiard. Denn Murray Halberg gewann in 13:34,2 zum zweiten Mal in Folge das Rennen über drei Meilen. Silber ging an den Australier Ron Clarke, der in den folgenden Jahren zwar etliche Weltrekorde brechen sollte, aber während seiner gesamten Karriere nie einen großen internationalen Titel gewinnen konnte.

Auch über die Meile galt der neue Weltrekordler Snell natürlich als Favorit, musste aber im Vorlauf dem Australier Albie Thomas den Vortritt lassen. Im zweiten von drei Qualifikationsrennen wurde sein Trainingskollege John Davies ebenfalls Zweiter. Der dritte gemeldete Kiwi Bill Baillie trat dagegen, nachdem er gleich am ersten Tag der Leichtathletikwettbewerbe über sechs Meilen aussteigen musste, nicht an. Für die drei Meilen hatte Baillie zuvor ebenfalls schon zurückgezogen.

Wie schon über die 880 Yards war das Tempo im Finale anfangs recht gemäßigt. Und diesmal kam das Peter Snell eher zugute. Denn eigentlich hätten Läufer wie der frischgebackene Europameister über fünf Kilometer Bruce Tulloh oder der ehemalige Weltrekordler über drei Meilen Albie Thomas vom Start weg für ein schnelles Rennen sorgen müssen, um den Favoriten unter Zugzwang zu setzen.

In der zweiten Runde zog Tulloh zwar tatsächlich etwas an. Doch wenig später fiel das Tempo erneut ab. Und mit mäßigen 3:09 ging man in die letzte Runde. John Davies eröffnete den Spurt mit einem energischen Antritt. Als erster reagierte Terry Sullivan aus Rhodesien und setzte nach. Ansonsten konnte nur noch Peter Snell diesem Angriff folgen, während alle anderen sechs Finalteilnehmer schnell zurückfielen.

Snell kämpfte sich noch vor der letzten Kurve auf Rang zwei vor und passierte seinen Landsmann auf der Zielgeraden, um in 4:04,6 seine zweite Goldmedaille zu holen. Damit wiederholte er das Kunststück, das Herb Elliott vier Jahre zuvor als Erstem gelungen war. Erst vierundzwanzig Jahre später sollte mit Steve Cram der dritte und bisher letzte Läufer noch einmal beide Mittelstrecken bei den Commonwealth Games gewinnen.

John Davies machte nach 4:05,1 den neuseeländischen Doppelsieg perfekt. Schon etwas abgeschlagen sicherte sich Terry Sullivan, dem zum Schluss etwas der Sprit ausgegangen war, in 4:06,6 Bronze. Die beiden Australier Tony Blue und Albie Thomas folgten auf den nächsten Plätzen, waren mit 4:09,4 und 4:11,2 dann aber schon ziemlich weit abgeschlagen.

Selbst wenn nicht alle seine Trümpfe gestochen hatten, denn weder über sechs Meilen noch über den Marathon gab es weiteres Edelmetall, gewannen Lydiards Athleten in Perth drei von möglichen fünf Titeln auf den Mittel- und Langstrecken. Neuseeland stellte damit in diesem Bereich unbestritten die erfolgreichste Mannschaft vor Australien. Die Gastgeber erarbeiteten sich zwischen der halben Meile und dem Marathon zwar fünf Medaillen, blieben jedoch ohne Gold.

Bald danach gerieten der erfolgreiche Trainer Arthur Lydiard und sein Musterschüler Peter Snell zum ersten Mal öffentlich heftig aneinander. Ein Journalist machte in der Zeitschrift "Sports Illustrated" einige Aussagen publik, die Snell im Gespräch mit ihm über das Verhältnis zu seinem Coach gemacht hatte. Eine davon war zum Beispiel: "Ich höre Arthur zu, aber am Ende mache ich, was ich machen will."

Fast noch heftiger kam "Arthur hat den Hang, allen vorauszusagen, was ich als Nächstes tun werde. Und das mag ich nicht besonders, denn wenn ich dann wirklich schaffe, was er angekündigt hat, halten ihn die Leute für ein Genie" an. Nachdem Lydiard das Interview gelesen hatte, kündigte er augenblicklich an, die Zusammenarbeit zu beenden. Murray Halberg schlug sich - ebenfalls öffentlich - auf die Seite des Trainers, was weiteres Porzellan zerdepperte.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Männer wieder zusammenraufen konnten. Lydiard musste dabei anerkennen, dass jener Peter Snell, den er einst als Jugendlichen übernommen und zu einem herausragenden Läufer gemacht hatte, inzwischen erwachsen war und auch einen eigenen Kopf hatte. Und Snell akzeptierte, dass er nur gemeinsam mit Lydiard weiter große Erfolge feiern würde.

Da im Jahr 1963 keine große Meisterschaft anstand, auf die ein neuer längerfristiger Aufbau nötig gewesen wäre, blieb Snell im Anschluss an die Commonwealth Games ausnahmsweise über ein halbes Jahr im Wettkampfmodus und lief bis in den Juni hinein weiter immer wieder einmal Rennen. Nach der heimischen Saison, in der er allerdings auf einen Start bei den nationalen Meisterschaften verzichtete, folgten weitere Läufe in den USA.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen beendete Snell seine Auftritte dabei meist als Sieger. Zwar blieb er über die zwei Stadionrunden in der Regel weit von seiner Fabelzeit aus dem Vorjahr entfernt. Doch über die Meile kam Peter Snell - der zwischenzeitlich auch geheiratet hatte - zum Schluss der US-Tour in Modesto und Compton dem eigenen Weltrekord mit 3:54,9 und 3:55,0 zweimal durchaus recht nahe.

Weit weniger überzeugend begann dann allerdings die nächste Saison, der diesmal eine noch einmal deutlich längere Trainingsphase vorausgegangen war, um die Basis für die Spiele in Tokyo zu legen. Im Januar und Februar verlor Peter Snell nämlich gleich vier Rennen gegen John Davies, ging davon zweimal nur als Dritter und einmal sogar als Fünfter von der Bahn. Immerhin gewann er Ende Februar in Napier wenigstens seinen vierten und letzten Meistertitel über die halbe Meile.

Direkt danach reiste Snell für einen Monat nach Südafrika, wo er sich in deutlich ansteigender Form präsentierte. Bei allen sechs Starts - je zur Hälfte über die halbe und die volle Meile - konnte er die Konkurrenz in die Schranken weisen und als Erster durchs Ziel laufen. Er schaffte dabei die erste Meile unter vier Minuten auf afrikanischem Boden und zeigte der kompletten einheimischen Elite bei den offen ausgeschriebenen nationalen Meisterschaften auf beiden Mittelstrecken die Hacken.

Ab April verpasste Lydiard seinen Athleten dann wieder eine mehrmonatige Trainingsphase. Und ohne viele Wettkämpfe im Vorfeld fuhr der diesmal offiziell als Nationaltrainer fungierende Erfolgscoach mit seinen Jungs nach Japan zu den im Oktober stattfindenden Spielen. Mit Snell, Halberg, Davies, Baillie, Julian, Pucket und Magee bestand erneut der Großteil des Läuferteams aus seinen Athleten. Nur Fünf-Kilometer-Mann Neville Scott und Marathoner Ivan Keats gehörten nicht dazu.

Nicht die Olympiasieger Peter Snell und Murray Halberg galten für die Japaner übrigens als die großen Stars bei den Neuseeländern. Vielmehr waren auf den marathonverrückten Inseln Barry Magee, der 1960 in Fukuoka gewonnen hatte, und insbesondere Jeff Julian, der im Jahr zuvor das Testrennen auf dem Olympiakurs für sich entscheiden hatte, die bekanntesten Namen.

Doch die Kiwis hatten beim am Schlusstag der Leichtathletikwettkämpfe ausgetragenen Klassiker überhaupt nichts zu melden. Jeff Julian wurde nur neunundzwanzigster. Zwei Plätze vor ihm kam Ray Pucket ins Ziel. Und Ivan Keats musste sogar mit Rang zweiundvierzig nach Hause fahren. Auch Magee enttäuschte als Dreiundzwanzigster über zehn Kilometer, nachdem er zur Halbzeit des Rennens noch in der Spitzengruppe gelaufen war.

Murray Halberg kam in gleichen Rennen auf Platz sieben, ohne in den Kampf um die Medaillen eingreifen zu können. Noch überraschender war allerdings, dass er zwei Tage später über 5000 Meter im Vorlauf hängen blieb. Mit dem Amerikaner Bob Schul und Harald Norpoth, die im Finale Gold und Silber holten, sowie Mohamed Gammoudi, dem Zweiten über zehn Kilometer, hatte er allerdings auch starke Konkurrenten vor sich. Einige Monate danach beendete Halberg seine Laufbahn.

Peter Snell, der wie in Perth beide Mittelstrecken laufen sollte, kam dagegen auf den zuerst auf dem Programm stehenden 800 Metern mit zwei Siegen im Vor- und Zwischenlauf ohne Probleme ins Finale, wo unter anderem wieder einmal sein langjähriger sportlicher Konkurrent George Kerr wartete. Wie schon in Rom hatte der Jamaikaner übrigens in der Vorschlussrunde mit 1:46,1 einen neuen olympischen Rekord gelaufen und den Neuseeländer von der Spitze verdrängt.

Im ziemlich international besetzten Endlauf, in dem nur die USA durch Tom Farrell - nicht zu verwechseln mit dem namensgleichen Briten - und Jerome "Jerry" Siebert doppelt vertreten waren, übernahm erst einmal der Kenianer Wilson Kiprugut, der im Halbfinale dem zeitgleichen Kerr nur knapp unterlegen war, die Tempoarbeit und führte das Feld in rekordverdächtigen 52,1 Sekunden über die erste Runde.

Snell, der wie gewohnt wie ein Sprinter aus der Hocke gestartet war, lag noch in der Mitte des Feldes und war auf der Innenbahn sogar etwas eingebaut. Ausgangs der Gegengerade öffnete sich dann eine kleine Lücke und der Kiwi zog in einem großen Bogen nach außen und mit viel Schwung an die Spitze. Kiprugut, Kerr und der Kanadier Bill Crothers versuchten zu folgen. Alle anderen - darunter der am Ende als Siebter einlaufende Deutsche Dieter Bogatzki - waren in diesem Moment schon geschlagen.

Snell lief die letzten zweihundert Meter alleine von vorne und war dabei weitgehend ungefährdet. In 1:45,1 spurtete er zu seiner zweiten Goldmedaille und verbesserte Kerrs Olympiarekord gleich um eine volle Sekunde. Obwohl die drei folgenden Athleten ebenfalls noch unter dieser Marke blieben und vier der besten fünf Zeiten des Jahres 1964 aus diesem Rennen stammten, hatte er schließlich eine halbe Sekunde Vorsprung.

Bill Crothers erkämpfte sich mit 1:45,6 Silber. Hinter ihm spurteten Wilson Kiprugut und George Kerr um das letzte Edelmetall. Und wie schon einen Tag zuvor waren beide nach 1:45,9 erneut zeitgleich. Diesmal hatte allerdings der Kenianer die Nase vorne und war damit der erste Sportler aus dem heutigen Läuferland Nummer eins, der eine olympische Medaille gewann. Vier Jahre später ließ er in Mexico auf der gleichen Distanz noch einmal Silber folgen.

Viel Zeit zum Feiern seines erneuten Erfolgs blieb dem Neuseeländer allerdings nicht. Denn einen Tag später standen schon wieder die Vorläufe auf der längeren der beiden Mittelstrecken an. In seinem Qualifikationsrennen kam Snell beim Sieg des später legendären Kenianers Kipchoge Keino als Vierter dabei allerdings gerade noch in die nächste Runde weiter.

Doch schon im Halbfinale rückte er als Erster mit einer persönlichen Bestleistung von 3:38,8 die Verhältnisse wieder zurecht. Es war aber auch das erste Mal überhaupt, dass Peter Snell wirklich über die 1500 Meter als Wettkampfdistanz lief und er nicht nur mit einer aus einem Meilenrennen genommenen Zwischenzeit in der Liste geführt wurde. Vorlaufsieger Keino hingegen schied im anderen Semifinale aus. Vier Jahre später sollte er dann in Mexico auf dieser Distanz aber die Goldmedaille gewinnen.

Im Gegensatz zum Endlauf über 800 Meter begann das Finale über die 1500 Meter eher vorsichtig. Die ersten drei Runden wurden jeweils in ungefähr einer Minute gelaufen, was hochgerechnet auf eine Zeit rund zehn Sekunden über dem Weltrekord von Herb Elliott hinauslief. Anfangs führte der Franzose Michel Bernard das Feld an. Auf der zweiten Schleife wurde er dann von John Davies abgelöst, der diese Position auch noch beim letzten Zieldurchlauf hielt.

Peter Snell lag erneut auf der Innenbahn im vorderen Mittelfeld in Wartestellung. Die Entscheidung kam dann fast wie eine Kopie seines ersten Erfolges in Tokyo daher. Denn nachdem er sich wieder eine Position zurückfallen ließ, um eine geeignete Lücke nach außen zu finden, trat Snell fast an der gleichen Stelle wie in seinem anderen Finale fünf Tage zuvor an und konnte sich damit augenblicklich deutlich vom Rest der Konkurrenz lösen.

Mit fast zwanzig Metern Vorsprung bog er auf die Schlussgerade ein. Und obwohl Snell zum Ende sogar den Fuß ein wenig vom Gaspedal nahm, betrug sein Vorsprung im Ziel schließlich eineinhalb Sekunden. Mit 3:38,1 verbesserte er seine eigene Bestmarke noch einmal, setzte sich an die Spitze der Weltrangliste und holte sich nebenbei auch einen weiteren neuseeländischen Rekord.

Hinter Snell wurde hart um die übrigen beiden Medaillen gespurtet. Josef Odložil aus der Tschechoslowakei kämpfte sich auf den letzten Metern noch an John Davies vorbei und gewann in 3:39,6 hauchdünn vor dem zeitgleichen Kiwi Silber. Der Brite Alan Simpson und Dyrol Burleson aus den Vereinigte Staaten gingen mit 3:39,7 und 3:40,0 leer aus.

Zum ersten Mal überhaupt hatten neuseeländische Athleten in einem Wettbewerb gleich zwei olympische Medaillen geholt Und es sollte volle vier Jahrzehnte dauern, bevor 2004 in Athen die beiden Triathleten Hamish Carter und Bevan Docherty dies nicht nur wiederholen, sondern mit dem Gewinn von Gold und Silber sogar noch verbessern konnten.

Snell war nicht der erste und nicht der letzte Kiwi-Olympiasieger über 1500 Meter. Denn neben Jack Lovelock in Berlin lag auf dieser Strecke auch John Walker in Montreal 1976 vorne. Ohnehin hat das kleine Land vom anderen Ende der Welt in keiner anderen Disziplin ähnlich viele Medaillen geholt. Denn mit Rod Dixon, der 1972 Bronze errang, und Nick Willis, der als Zweiter 2008 und Dritter 2016 gleich zweimal auf dem Podest stand, gibt es noch weitere Namen in den Listen.

Zurück in der Heimat nutzte er seine perfekt zum Saisonhöhepunkt aufgebaute Form, um erneut innerhalb kürzester Zeit zwei Weltrekorde aufzustellen. Drei Wochen nach seinem Olympiasieg lief er in Auckland einen Kilometer in 2:16,6 und ließ dabei erneut John Davies und Josef Odložil - diesmal allerdings in umgekehrter Reihenfolge wie in Japan - hinter sich.

Fünf Tage später trafen die drei Olympia-Medaillengewinner erneut in Auckland ein weiteres Mal aufeinander - nun über eine Meile. Während sich in seinem Rücken diesmal wieder die gleiche Reihenfolge wie im Finale von Tokyo ergab, verbesserte Sieger Peter Snell die von ihm selbst gehaltene alte Marke um drei Zehntelsekunden auf 3:54,1. Im Vorbeilaufen verbesserte Snell dabei außerdem auch noch den Landesrekord über 1500 Meter auf 3:37,6.

International hielt die neue Meilen-Bestzeit nur ein gutes halbes Jahr, denn bereits im darauffolgenden Juli wurde sie vom Franzosen Michel Jazy unterboten. Doch national hat sich der Großteil nachfolgender Generationen neuseeländischer Läufer die Zähne an ihr ausgebissen. Nur Walker, Willis, Dixon und Zane Robertson konnten sie in fast sechs Dekaden unterbieten.

Auf dem selten angebotenen Tausender steht Snell sogar auf Rang drei der ewigen Bestenliste Neuseelands - und das auch wirklich nur ganz knapp. Denn die vor ihm liegenden John Walker und Nick Willis waren drei bzw. zwei Hundertstelsekunden besser. Und selbst wenn Snells Marke ebenfalls nur bis Mitte 1965 hielt, bevor sie vom Thüringer Jürgen May geknackt wurde, sind weltweit seit 1964 nur etwas mehr als hundert Sportler den Kilometer schneller gelaufen als der Dreifacholympiasieger.

In den nächsten Wochen und Monaten kam Peter Snell zwar nicht mehr an diese Rekordzeiten heran, blieb allerdings, bis er die Saison im Februar beendete und die gewohnte Wettkampfpause zum Neuaufbau einlegte, noch in mehr als einem halben Dutzend weiterer Rennen ungeschlagen.

Auch nach seiner Rückkehr ins Wettkampfgeschehen im Juni gewann er gleich zum Einstand in Los Angeles ein extrem gut besetztes Meilenrennen und ließ dabei unter anderem Läufer wie Jim Ryun, Josef Odložil und Bob Schul hinter sich. Doch selbst wenn es zu diesem Zeitpunkt niemand - wohl Snell selbst auch nicht - erwartete, sollte es das letzte Mal gewesen sein, dass der Dreifacholympiasieger über diese Distanz als Erster ins Ziel lief.

In den restlichen Wettkämpfen, bei denen Peter Snell während dieses Monats in Kanada und den USA an den Start ging, kam er hingegen sowohl auf der halben wie auf der ganzen Meile nicht mehr über zweite Plätze hinaus. Einmal ging er sogar in Vancouver nur als weit abgeschlagener Zehnter von der Bahn.

Dabei waren abgesehen von diesem völlig verunglückten Lauf an der kanadischen Westküste die Leistungen des Neuseeländers gar nicht einmal schlecht. Immerhin blieb er zwei weitere Mal über die Meile deutlich unter vier Minuten. Nur hatten die anderen eben aufgeholt und die Leichtigkeit, mit der Snell seine Rennen noch kurz zuvor dominiert hatte, war auf einmal verflogen.

Das Bild änderte sich auch nicht wirklich, als Snell anschließend nach Europa ging und dort im Juli über die Sportfeste tingelte. Egal ob Helsinki, London, Prag, Dublin, Oslo oder Berlin, stets war zumindest einer, meist jedoch sogar mehrere seiner Konkurrenten schneller. Nur in einem Achthunderter im tschechischen Karlsbad lag Snell noch einmal ganz vorne.

Zwei weitere Sub-Vier-Meilen lieferte Peter Snell dabei innerhalb weniger Tage immerhin ab und brachte seine Gesamtzahl damit auf fünfzehn. Der nach den Spielen von Tokyo in einem Fernsehinterview geäußerter Traum, den Weltrekord auf dieser Strecke einmal in die Nähe oder gar unter 3:50 zu drücken, blieb allerdings in weiter Ferne.

Die Rennen in Europa waren die letzten großen Auftritte des herausragenden Mittelstrecklers der frühen Sechziger. Nach dieser wenig erfolgreichen Saison und seiner Rückkehr in die Heimat kam Peter Snell nämlich zu dem Entschluss, dass es an der Zeit sei, seine leistungssportliche Karriere zu beenden - wohlgemerkt mit nicht einmal sechsundzwanzig Jahren.

Doch im Gegensatz zu heutigen Athleten, die als Vollprofis von ihrem Sport leben und sich ihm widmen können, hatte Peter Snell während seiner gesamten Laufbahn eine Stelle bei einem - aus heutiger Sicht völlig unpassend - großen Tabakkonzern und lief oft vor oder nach der Arbeit. Nach vielen Jahren, in denen sein Leben praktisch nur aus Job, Training und nächtlichem Schlaf bestanden hätte, wolle er nun auch einmal etwas anderes tun, begründete er seine überraschende Entscheidung.

Snells Ehrgeiz wandte sich in den Jahren danach einem anderen Gebiet zu. In seiner Jugend hatte er als schlechter Schüler gegolten und deswegen auch nicht studiert, sondern sich nach seinem Abschluss gleich eine Arbeitsstelle gesucht. Inzwischen war ihm klar geworden, dass es damals wohl eher an fehlendem Eifer und Interesse - Sport war für ihn zu jener Zeit einfach wichtiger - als an mangelndem Intellekt gelegen hatte.

Er gab seinen Job auf und begann ein Studium in den USA. Dass seine erste Ehe bereits nach einigen Jahren wieder zerbrochen war, erleichterte ihm den Schritt, noch einmal komplett neu anzufangen. Zuerst an der University of California, später dann an der Washington State University studierte Peter Snell Biomechanik und Sportphysiologie.

Mit einem Doktortitel in der Tasche kam er schließlich nach Dallas ans medizinische Zentrum der Universität von Texas, um weiter in der akademischen Forschung zu arbeiten. Auch weil er dort seine zweite Frau kennenlernte, blieb Peter Snell in texanischen Millionenmetropole endgültig hängen und zog nie mehr nach Neuseeland zurück.

Snells absolutes Spezialgebiet wurden Herz- und Kreislaufbeschwerden, über die er später sogar Vorlesungen hielt und gegen die er Sport und - hier schließt sich der Kreis endgültig - insbesondere Laufen empfahl. Dabei war er sich mit seinem früheren Mentor Arthur Lydiard vollkommen einig, selbst wenn dieser eher intuitiv und nicht unbedingt wissenschaftlich zur gleichen Erkenntnis gekommen war.

Sport betrieb Snell zwar weiter, doch seine leistungsmäßigen Ambitionen hielten sich von nun an in Grenzen. Dass er das Laufen aber nicht ganz verlernt hatte, zeigte er in den späten Achtzigern, als er in einem Veteranen-Einlagerennen beim Hallenmeeting bei den Millrose Games im Madison Square Garden von New York mit fast fünfzig Jahren die Meile noch in 4:53,63 schaffte. Für einen Sieg reichte es auch da wieder nicht. Snell wurde hinter anderen Altmeistern wie Jim Ryun und Frank Shorter nur Achter.

In späteren Jahren entdeckte Peter Snell dann den Orientierungslauf für sich, wurde mehrfach amerikanischer Seniorenmeister in höheren Altersklassen und trat sogar bei internationalen Wettkämpfen für seine neue Heimat an. Als Funktionär brachte er sich in diese Sportart als Vereinspräsident der "North Texas Orienteering Association" ebenfalls stark ein.

Obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr in Neuseeland lebte und zusätzlich zur neuseeländischen längst die amerikanische Staatbürgerschaft besaß, blieb Snell auch am "schönsten Ende der Welt" eines der größten nationalen Sportidole. So wählte man ihn zum Beispiel zur Jahrtausendwende zu "New Zealand's Athlete of the Century". Und 2009 wurde er zum Ritter geschlagen und durfte sich von nun an Sir Peter Snell nennen.

Ein Jahrzehnt danach starb der wohl erfolgreichste neuseeländische Olympionike wenige Tage vor seinem einundachtzigsten Geburtstag in Dallas. Damit überlebte er seinen Lehrmeister Arthur Lydiard fast auf den Tag genau um fünfzehn Jahre. Dieser war ebenfalls in Texas gestorben - allerdings in Houston, wo er sich zu einem seiner vielen Vorträge aufhielt, die auch Jahrzehnte nachdem die Trainerlegende damit aufgehört hatte, Athleten direkt zu betreuen, weltweit unzählige Zuhörer fanden.

Zusammen mit Peter Snell hatte Lydiard ein kongeniales Duo gebildet. Der Trainer hatte mit seinen revolutionären neuen Ansätzen aus seinem wohl talentiertesten Athleten das Beste herausgeholt. Und andererseits hatten Halberg und eben insbesondere Snell mit ihren Medaillen und Rekorden gezeigt, dass dessen anfangs nur spöttisch belächelte Methoden alles andere als falsch waren.

Welche Bedeutung Peter Snell für das sportbegeisterte kleine Land hatte und noch immer hat, zeigt sich vielleicht auch daran, dass das Nationalmuseum "Te Papa" in Wellington 2017 - also noch zu seinen Lebzeiten - mehrere Monate eine temporäre Ausstellung zeigte, die sich mit nichts anderen als seiner Karriere und seinen Erfolgen beschäftigte.

Snell überließ dem Museum dazu dauerhaft zwei seiner Goldmedaillen sowie seine Spikes, die seinerzeit von Arthur Lydiard noch selbst mit der Hand gefertigt worden waren. Die Exponate sind zwar nun erst einmal wieder in den Archiven verschwunden. Doch dass sie dort für immer verstauben werden, ohne jemals wieder ans Licht zu kommen, ist vermutlich doch eher unwahrscheinlich.

Auch in seinem Geburtsort wird an den vielleicht bekanntesten Sohn Opunakes - und dies, obwohl ein ehemaliger neuseeländischer Premierminister ebenfalls aus diesem Städtchen stammt - erinnert. Die wenigen Touristen, die es beim Umrunden der Taranaki-Halbinsel in das nur aus wenigen Häuserblöcken bestehende Zentrum verschlägt, stoßen dort auf die lebensgroße Statue eines Läufers in voller Aktion. Es ist ein dreifacher Olympiasieger, der fast vom Ende der Welt kam.

Das Portrait über Peter Snell zur Serie Heroes erstellte Ralf Klink
Grafik Ursula Güttsches - Foto © Ralf Klink

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