Porträt: Jenny Schulz

"Jenny, du gehörst ins Elitefeld"

Von der Fußballerin aus Frankfurt/Oder
zur Duathletin der Spitzenklasse in Frankfurt/Main

erstellt von Reinhold Daab im Juni 2011 - Fotos © Ingo Kutsche

Über 15 Jahre hat es gedauert, bis sie auf ihrem sportlichen Weg endlich bei ihrer großen Leidenschaft, dem Ausdauersport, angekommen war. Geboren 1983 in Frankfurt/Oder begann Jenny bereits im Alter von 6 Jahren Fußball zu spielen.

Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Paul waren sie auf dem Bolzplatz in ihrer Wohnsiedlung ein unschlagbares Team. 1997 trat sie in den Fußballverein "KV Frankfurt/Oder" ein und spielte bis 2003 auf dem Kleinfeld in der Kreisliga. "13 Treffer für Jenny Schulz" - ein Zeitungsartikel aus dem Jahre 1999 dokumentiert eindrucksvoll, dass Jenny eine erfolgreiche Stürmerin war.

Schon damals sagte ihr Trainer über sie: "Du hast eine Lunge wie ein Pferd". Wenn die Mitspielerinnen mit ihrer Kraft schon lange am Ende waren, rannte Jenny das Spielfeld immer noch rauf und runter.

 

Von 2000 bis 2003 absolvierte Jenny eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation bei der Deutschen Bundesbank. Eine Übernahme nach der Ausbildung war vor Ort nicht möglich und so half der Zufall in Form einer ehemaligen Arbeitskollegin. Die war bereits von der Oder an den Main gewechselt und vermittelte Jenny eine Stelle in der Zentrale der Bundesbank. Kurz vor ihrem 20. Geburtstag packte Jenny ihre "sieben Sachen" zusammen, viel größer war ihr Hausstand damals noch nicht und zog in die Mainmetropole nach Frankfurt.

 

Fußball spielte sie weiterhin und schloss sich 2004 dem 1. FFC Frankfurt an. Obwohl Jenny nun in der Landesliga spielte, ließ die Freude am Fußball immer mehr nach. In dem großen Verein war es ihr zu anonym, worunter der Spaß am geliebten Fußballspielen immer mehr litt. Während ihrer aktiven Zeit hatte sie zur Verbesserung ihrer Kondition mit dem Laufen begonnen. Am 21.2.2004 bestritt Jenny ihren ersten Wettkampf beim Frühjahrslauf in Groß-Gerau. 42:07 Minuten über 10 km waren für sie einfach nur eine Zeit, die sie damals nicht einschätzen konnte. Von nun an verlagerte sich jedoch ihr Interesse, sie hatte endlich wieder eine Sportart gefunden, die ihr Spaß machte, wo sie sich gut aufgehoben fühlte und ihren Ehrgeiz stillen konnte. Die Anerkennung, die sie mit ihren Leistungen erzielte, nahm sie natürlich zusätzlich gerne in Kauf.

Jenny trat in den TSV Berkersheim ein, trainierte fleißig und lief schon ein halbes Jahr später am 19.9.2004 beim Hugenottenlauf in Neu-Isenburg aufs Treppchen. Platz drei in 39:43 Minuten machten früh deutlich, welches Potential in ihr streckte. Drei Wochen später holte sie sich den ersten Gesamtsieg im Halbmarathon beim Offenbacher Mainuferlauf und unterbot in 1:29:55 Minuten auf Anhieb die magische Marke von 1:30 Stunden, wenn auch nur äußerst knapp. Eine kleine Anekdote am Rande: Der Sieger bei den Männern hieß Adrian Wodniok. Man stand zwar gemeinsam auf dem Treppchen, hatte damals aber keinen Blick füreinander. Das sollte sich noch ändern, denn fast auf den Tag genau 3 Jahre später waren sie ein Paar und amüsierten sich im Nachhinein köstlich über ihre erste Begegnung auf dem Podest.

 

Zahlreiche Wettkämpfe im Jahre 2004, darunter auch ihr erster Duathlon am 10.10. in Neu-Isenburg, waren dann doch des Guten zuviel und so bekam Jenny Probleme mit dem Knie, musste sich im November einer Kniespiegelung unterziehen und erst einmal eine längere Laufpause einlegen.

Während dieser Zeit hielt sie sich mit dem neu erstandenen Rennrad fit. Im Februar 2005 konnte Jenny wieder mit dem Lauftraining beginnen. Die Knieschmerzen begleiteten sie aber noch eine ganze Zeit lang und sie war froh, überhaupt weiter Sport treiben zu können. So verging das Jahr ohne nennenswerte Höhepunkte.

Jenny wollte mehr und wechselte auf der Suche nach neuen Herausforderungen im Jahre 2006 zu Skills 04 Frankfurt. Von da an trainierte sie wesentlich leistungsorientierter, erhielt Unterstützung durch Trainingspläne und wurde zusätzlich von den neuen Vereinskameraden angespornt. Ihre Interesse galt mehr und mehr dem Duathlon.

Der Vereinswechsel und das gezielte Training zahlten sich bald aus. In Rodenbach am 25.3.2007 unterbot Jenny in ihrer Paradedisziplin mit 38:41 Minuten erstmals die 39-Minuten-Marke. Mit dieser Grundlage nahm sie vier Wochen später an den Deutschen Duathlonmeisterschaften in Backnang teil, wo sie auf Anhieb den ersten Platz in ihrer Altersklasse und Gesamtplatz drei im Altersklassenfeld erreichte. "Mit diesem Erfolg hatte ich nicht gerechnet", erzählte Jenny, der dafür umso schöner ausfiel und bis dahin den Höhepunkt ihrer sportlichen Laufbahn darstellte. In den beiden zurückliegenden Jahren nahm Jenny auch an internationalen Duathlonmeisterschaften teil und holte jeweils eine Medaille in ihrer Altersklasse.

 

2008 bezeichnet Jenny als ihr erstes Jahr mit "richtigen" Meisterschaften. Ihre Leistungen wurden immer besser, am 2.2.2008 drückte sie ihre 10 km Bestzeit auf 37:22 Minuten, was ihre Lauffreunde zu der Aussage veranlasste: "Jenny, du gehörst ins Elitefeld". Obwohl sie selbst sehr skeptisch war und förmlich zum Start gedrängt werden musste, stellte sie sich dieser Herausforderung bei den Deutschen Duathlonmeisterschaften. Mit dem Gedanken "hoffentlich werde ich nicht Letzte" ging sie ins Rennen und fand sich plötzlich in der Spitzengruppe wieder. Platz drei im Eliterennen kam einer Initialzündung gleich: "Ich kann das, ich bin ja gar nicht so schlecht".

Jetzt war die Zeit reif für einen Trainer. Im August 2008 war es dann so weit. Jenny hatte Ernst Möser "angequatscht", einen ehemaligen Leichtathletiktrainer, weil ihr dessen Aussage "ein Trainer muss sich auf den Athleten einstellen und nicht umgekehrt" imponierte. Nach einigem Zögern stimmte er schließlich zu und trainiert sie bis heute. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Mit Freund Adrian als "Hase" lief Jenny am 8.10.2008 in Friedberg die 10.000 m auf der Bahn in 36:34,6 Minuten.

 

Das Jahr 2009 begann sehr Erfolg versprechend. Am 7.2.2009 verbesserte Jenny ihre 10 km Bestzeit in Jügesheim auf 35:49 Minuten. Eine optimale Ausgangsbasis für ihre zweite Teilnahme im Eliterennen der Deutschen Duathlonmeisterschaften über die Kurzdistanz am 26.4.2009 in Backnang. Nach Platz drei im Vorjahr wurde sie diesmal bereits Vizemeisterin und qualifizierte sich für die Europameisterschaften, die am 23.5.2009 in Budapest stattfanden.

"Die gingen vielleicht ab, hoffentlich werden die auch noch mal langsamer", waren ihre ersten Gedanken unmittelbar nach dem Start, als Jenny noch auf dem letzten Platz lag. Es wurde schließlich der neunte Platz im ersten Eliterennen mit europäischen Spitzenathletinnen, zwar nicht optimal aber für den Anfang ganz in Ordnung.

Jenny konnte inzwischen sehr schnell laufen und Rad fahren, warum sollte sie nicht auch noch schwimmen. "Das krieg' ich schon irgendwie hin", war ihre Devise und so brachte sie sich die letzte Disziplin praktisch selbst bei. Es folgten bis Jahresende einige Triathlons, die sie mehr schlecht als recht abspulte. Obwohl sie im Gesamtklassement stets vorne landete, war sie nicht zufrieden. Einziger Lichtblick war der Triathlon am 15.8.2009 in ihrer alten Heimat. "Es war etwas ganz Besonderes für mich, dass ich diesen Wettkampf unter den Augen meiner Mutter und Schwester in meiner alten Heimat Frankfurt/Oder gewonnen habe".

 

Das ohnehin schon erfolgreiche Jahr rundete Jenny am 12.9.2009 bei den Deutschen Meisterschaften über 10 km in Otterndorf mit einer persönlichen Bestzeit ab, die unter erschwerten Bedingungen zustande kam und vielleicht gerade deshalb erst möglich war. Zehn Minuten vor dem Start bemerkte sie, dass sie den Zeitmesschip vergessen hatte. Sie rannte zum fast 2 km entfernt geparkten Auto, währenddessen bemühte sich Freund Adrian erfolglos um eine Startverschiebung. Der Start erfolgte dann sogar noch zwei Minuten zu früh und so musste Jenny dem Feld hinterher rennen. "Ich war durch die Aufregung vermutlich voller Adrenalin", lautete ihre Erklärung für eindrucksvolle 35:11 Minuten, die ihr zwar keine gute Platzierung mehr einbrachten aber eine bis heute bestehende Bestzeit über 10 km.

Bereits Anfang 2009 hatte Jenny eine Profilizenz erworben, mit der sie aber erst 2010 an den Start ging. Ab jetzt war es ihr möglich, Preisgelder zu erzielen, gleichzeitig musste sie sich aber auch den Dopingkontrollen der NADA unterwerfen. Von da an muss sie stets mit unangemeldetem Besuch rechnen.

Jenny blieb in der Erfolgsspur, ihre sportliche Entwicklung ging weiter steil nach oben und fand am 1.5.2010 den absoluten Höhepunkt. In Oberursel stand Jenny ganz oben auf dem Treppchen: Sie war Deutsche Meisterin im Duathlon. Aber auch international kam sie der Weltspitze näher und verpasste bei den Duathlon Weltmeisterschaften in Edinburgh die ersehnte Medaille nur um 6 Sekunden. Jetzt stellten sich auch noch Erfolge im Triathlon ein, so dass Jenny das Jahr 2010 als ihr erfolgreichstes bezeichnet.

 

Die Zeichen, dass Jenny das Erfolgsjahr 2010 in diesem Jahr noch einmal toppen kann, stehen sehr gut. Sie hat mit einer neuen Halbmarathonbestzeit von 1:16:46 Std. im Rücken ihren Deutschen Meistertitel im Duathlon in der diesjährigen Hessentagsstadt Oberursel erfolgreich verteidigt und bei den Duathlon Europameisterschaften in Irland Platz vier belegt. Und 9:35 Minuten über 3.000 m in der Halle sind eine eindrucksvolle Bestätigung, dass sie sogar mit den Spezialistinnen mithalten kann.

Jenny wird also weiter um 5:30 Uhr aufstehen und drei Mal in der Woche bei Wind und Wetter mit dem Rad zur Arbeit und wieder zurück in den Taunus fahren, wo sie zusammen mit Freund Adrian wohnt.

Im September will Jenny sich endlich ihren Traum erfüllen: Eine Medaille bei den Duathlon Weltmeisterschaften in Spanien.

Bestzeiten:
1.500 m
5:03,1 min
2008
3.000 m
9:35,29 min
2011
5.000 m
16:44,05 min
2010
10.000 m
35:32,23 min
2009
10 km
34:40 min
2012
21,1 km
1:16:46 h
2011

Das Porträt von Jenny Schulz erstellte: Reinhold Daab
Fotos © Ingo Kutsche www.sportfotografie.biz (5) & privat (2)

Zu weiteren Portraits bei LaufReport klick HIER

Zu aktuellen LaufReport-Inhalten klick HIER

© copyright
Die Verwertung der Texte und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse siehe unter IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.