Helmut Schießl

Der Berglauf Weltmeister über die Lang-Distanz startet
auch in dieser Saison nicht für die Nationalmannschaft

„Ich picke mir die Highlights aus“

von Winfried Stinn im März 2008

Wenn die deutsche Berglauf Nationalmannschaft in Zell Unterharmersbach bei der Europameisterschaft und in Crans Montana bei der Weltmeisterschaft startet, muss sie erneut auf Helmut Schießl, den international erfolgreichsten deutschen Bergläufer, verzichten.

„Die Strecke bei der Europameisterschaft in Unterharmersbach liegt mir zwar, aber ich habe weiterhin Probleme mit meinem Verband, da die Akzeptanz für die Disziplin Berglauf nach wie vor eher zu Null geht. Es gibt aber genug andere reizvolle Aufgaben für mich. Valmalenco-Valposchiavo, Mont du Giir, Sierre Zinal, Zermatt Marathon, Dolomitenmann, Tour de Tirol, das sind besondere Highlights, auf die ich mich freue“, so Schießl, der auf eine Reihe von großartigen nationalen und internationalen Erfolgen verweisen kann. Berglauf-Weltmeister und Berglauf-Vizeweltmeister über die Langdistanz, Berglauf-Vizeeuropameister, zweifacher Europacupsieger im Ultramarathon, Vizeeuropameister im Skyrace, viermal Deutscher Berglaufmeister, Siege und vordere Platzierungen bei nationalen und internationalen Berglauf-Klassikern. Diese Erfolge zeigen, wie schmerzlich der EM- und WM-Verzicht für die deutsche Mannschaft ist.

Erst 1994 begann der jetzt 36-Jährige, der in Buchenberg bei Kempten im Allgäu lebt, mit dem Laufsport. „In der Jugend habe ich gekickt, aber zum Laufen kam ich erst durch meinen Führerscheinentzug. Ich geriet in eine Führerscheinkontrolle, der Führerschein war weg, und so fuhr ich mit dem Rad zur Arbeit. Die Radeinheiten wurden immer länger und schließlich kam ich übers Radfahren zum Laufen. Das Laufen hat mir auf Anhieb Spaß gemacht.“ Seinen ersten Lauf bestritt er 1994 beim Silvesterlauf in Kempten. Seinen ersten ganz großen Erfolg feierte er 2001 als er in Schwäbisch Gmünd beim Albmarathon Deutscher Meister im Ultracross wurde. Monotone Bahnläufe und flache Straßenläufe sind nicht die Läufe, die den Mann aus dem Allgäu reizen. Lange Distanzen und viele Höhenmeter sind seine bevorzugten Strecken. So findet man den mehrfachen Deutschen Berglaufmeister, der für den TSV Buchenberg startet, in den Ergebnislisten des Rennsteigslaufes in Thüringen, Zermatt Marathon, Jungfrau Marathon, Sky-Race Valmalenco-Valposchiavo, um nur einige spektakuläre Läufe zu nennen.

Und das man als Allgäuer beim Berglauf landet ist nichts Außergewöhnliches. 2003 gewann er beim Jenner Berglauf in Berchtesgaden den ersten von vier deutschen Berglaufmeisterschaften. Schon ein Jahr zuvor trug er in Innsbruck bei der Berglauf-Weltmeisterschaft erstmals das Nationaltrikot der deutschen Berglauf-Nationalmannschaft. Ebenfalls 2002 wurde er Europacupsieger im Ultramarathon. Schon ein Jahr später kam er bei der Weltmeisterschaft in Alaska als Achter unter die Top-Ten und gewann mit der Nationalmannschaft die Bronzemedaille. So ging es weiter, bei jeder internationalen Meisterschaft platzierte sich Schießl ganz weit vorne. 2004 in Sauze d`Oulx/Italien verpasste er als Vierter nur ganz knapp seine erste Einzelmedaille. 2005 bestätigte er bei der Weltmeisterschaft in Wellington /Neuseeland als Fünfter seinen Platz in der Weltspitze.

 
Helmut Schießl bei der WM 2002 in Innsbruck erstmals im Nationaltrikot

Im gleichen Jahr wurde er in Cauterts/ Frankreich Weltmeister über die Berglauf-Lang-Distanz. So vergoldete er die ein Jahr zuvor beim Sierre-Zinal gewonnene Silbermedaille. 2005 wurde überhaupt zu seinem erfolgreichsten Jahr. Neben den schon genannten Erfolgen gewann er bei der Berglauf-Europameisterschaft in Heiligenblut (Großglocknerlauf) die Silbermedaille.

Zwei Jahre „tingelte“ er als Profi durch die Welt und finanzierte sich durch Antritts- und Preisgelder einen Großteil seines Lebensunterhalts. Der gelernte Tischler und Industriemechaniker genoss diesen Status: „Ich konnte die Läufe und die Landschaft viel mehr genießen, ich musste nicht gleich nach jedem Rennen sofort nach Hause fahren.“ Schießl bezeichnete sich als „Berglaufprofi-Tourist", weil ihm sein Profi-Dasein die Möglichkeit gab, andere Länder und Menschen kennenzulernen. Da verzichtete er auch auf Meisterschaften, denn Geld gab und gibt es nur bei attraktiven, lukrativen Berg- und Landschaftsläufen. So konnte er seine Meisterschaftsbilanz nicht verbessern, aber seine Erfolgsstory ging dennoch unvermindert weiter und er erkämpfte sich viele Siege bei Berglauf-Klassikern, u.a. gewann er den Zermatt Marathon. Mittlerweile arbeitet Schießl wieder in seinem gelernten Beruf als Tischler. „Ich bekam in der Nachbarschaft ein tolles Angebot. So habe ich einen Arbeitsweg von nur 20 Meter. Der Chef ist nett und tolerant. Da passt alles zusammen und Zeit für Wettbewerbe habe ich immer noch. Das kann man in einem Zwei-Mann Betrieb sehr gut in die Arbeitsplanung integrieren. Ich werde zwar weniger starten, dafür picke ich mir die Highlights aus.“

Rund 20 bis 30 Stunden trainiert der erfolgreichste deutsche Bergläufer in der Woche, wobei das Laufen durch Radfahren, Bergtouren und Skirollerfahren ergänzt wird. Als Hobbies außerhalb des Laufens gibt der Allgäuer Skilanglauf, Skitouren, Radfahren, Reisen und Lesen an.

Das Portrait "Helmut Schießl" erstellte Winfried Stinn
Fotos © Winfried Stinn - LaufReport Archiv (1)

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