Frank Schauer

Mit Schauer ist künftig zu rechnen

Dt. Marathon-Meister aus Magdeburg will mehr

von Axel Künkeler im Oktober 2013

Überraschende Schauer sind ein gar nicht so seltenes Wetterphänomen. Der Überraschungs-Coup von Frank Schauer kommt für die deutsche Leichtathletik aber schon einer Sensation gleich. Nur ganz wenige Insider kannten den 24-jährigen Magdeburger überhaupt vor den Deutschen Marathon-Meisterschaften Mitte Oktober in München. Keiner der Experten hatte ihn im Vorfeld zum Favoritenkreis gerechnet. Dennoch gewann Schauer in 2:18:54 Stunden mit deutlichem Vorsprung vor seiner favorisierten Konkurrenz.

Axel Künkeler stellt für LaufReport den Deutschen Marathon-Meister 2013 vor:

Zum Pressegespräch im Magdeburger Szene-Lokal "ALEX" bestellt sich Frank Schauer eine Currywurst mit Pommes. Nicht gerade eine sportlergerechte Ernährung, aber "14 Tage nach einem erfolgreichen Marathon darf das mal sein", schmunzelt er. Dabei weiß der Läufer vom SC Magdeburg (SCM), dass er immer wieder mal mit seinem Gewicht zu tun hat. Auf 76 bis 80 Kilo bei 1,81 Meter Körpergröße hat er es schon gebracht. Für Otto-Normalverbraucher fast schon ideal, für einen Top-Läufer dagegen einfach zu viel. "Ich esse oft nur die Hälfte von dem, was andere essen und nehme trotzdem zu", klagt er. Aktuell hat er sich mit 70 Kilo aber gut in Form gebracht; Richtung 65 Kilo will er die Pfunde noch purzeln lassen, um auch über das Körpergewicht seine Zielzeiten weiter zu verbessern.

Dass Frank Schauer eine Zeit unter 2:20h laufen kann, hat wohl nur die "Experten", die ihn lediglich von seinen bisherigen Bestzeiten her kannten, wirklich überrascht. Und die standen eben bei 2:26:21h (Frankfurt 2011) bzw. 2:31:10h (Magdeburg 2012). Eine Verbesserung um mehr als sieben Minuten gegenüber seiner PB von Frankfurt oder sogar über zwölf Minuten gegenüber dem Vorjahr schien allen natürlich völlig unrealistisch. Nur Frank Schauer selbst sowie sein Trainer Jürgen Eberding wussten, dass eine Zeit um die 2:20h drin ist. "Das Niveau hatte ich schon vorher", freut sich der frisch gebackene Deutsche Meister, dass der Knoten endlich geplatzt ist.

Die ersten Marathonläufe waren alle nicht ideal

 

Wahrscheinlich hätte er eine solch gute Zeit schon früher laufen können, doch Verletzungen haben ihn halt immer wieder zurück geworfen. Eine Achillessehnen-Entzündung 2010, ein Ermüdungsbruch im Fuß im Frühjahr 2012, erneute Achillessehnen- sowie Kniebeschwerden 2013 noch wenige Wochen vor der DM waren stetige Begleiter in den letzten Jahren. Gleich beim ersten Marathon-"Versuch" lief es für den SCM-Athleten nicht rund. Als Debütant beim Berlin-Marathon 2009 musste er in einem hinteren Starterfeld mit zahlreichen langsameren Läufern antreten. Als er nach knapp einer Minute die Startlinie passierte, musste sich Frank Schauer auf den ersten Kilometern durch das immer noch dichte Feld nach vorne schlängeln. Das kostete ihn so viel Kraft, dass er bei Kilometer 31 ("der Kopf war zu, die Beine schwer") aus dem Rennen ausstieg. Vier Wochen später stellt er seine gute Form jedoch wieder unter Beweis: den Halbmarathon in seiner Heimatstadt Magdeburg gewinnt er mit Streckenrekord in 1:07:59 Stunden.

Nach einem Aufbaujahr 2010, in dem er mit Martin Butzlaff von der VLG 1991 Magdeburg viele Trainingsläufe absolvierte, unternahm er im Frühjahr 2011 den zweiten Anlauf. Beim Hamburg-Marathon kam er diesmal als Gesamt-26. zwar ins Ziel, doch die plötzliche Hitze in der Hansestadt machte allen Läufern zu schaffen. Einen großen Teil der Strecke lief der Magdeburger zudem alleine, musste nach vorne und nach hinten abreißen lassen. Am Ende war er "völlig fertig", unzufrieden mit seiner ersten Zielzeit von 2:32:24 Stunden. Noch im gleichen Jahr lief er seinen zweiten Marathon, diesmal Ende Oktober in Frankfurt.

Nachdem er am 2. Oktober beim Kölner Halbmarathon als Dritter in persönlicher Bestzeit von 1:07:53h und eine Woche vor Frankfurt mit dem Streckenrekord von 39:24min. über 13 Kilometer im Rahmen des Magdeburg-Marathons seine gute Form bestätigt hatte, erwischte ihn jedoch eine Erkältung. Trotzdem ging Frank Schauer in der Main-Metropole an den Start. Die ersten 25-30 Kilometer lief es dann auch richtig gut, doch nach einer Tempoverschärfung in seiner Gruppe musste er abreißen lassen. "Bei Kilometer 35 war es dann vorbei", zeigt er sich noch immer enttäuscht, "ich wollte nur noch finishen." Trotzdem stand am Ende seine bisherige Bestzeit (2:26:21h) zu Buche.

Danach der erneute Rückschlag: Ermüdungsbruch im Fuß. An einen Marathon im Frühjahr 2012 war nicht zu denken. Im Sommer wird er zunächst in Rostock bei den Norddeutschen Leichtathletik-Meisterschaften nur knapp geschlagen in 14:46 Minuten Zweiter über 5.000 Meter. Auf dem letzten Kilometer lässt er in 2:46min. erkennen, dass seine Formkurve schon wieder nach oben zeigt. Und im Herbst meldet sich der Magdeburger auch beim Marathon zurück: in 2:31:10h ("angesichts der Verletzung im ersten Halbjahr war die Zeit okay") siegt er mit neuem Streckenrekord beim Marathon in seiner Heimatstadt.

Endlich ist der Knoten geplatzt

2013 gewinnt er zunächst am 7. April die Bezirksmeisterschaft Magdeburg über 10 Kilometer auf der Straße in neuer persönlicher Bestzeit von 30:41 min. Eine Woche später belegt er bei der deutschen Halbmarathon-Meisterschaft in Refrath/Bergisch-Gladbach in 1:08:07 h Rang 14. Danach konzentriert sich Frank Schauer auf Bahn-Wettkämpfe, schließlich kommt er als Leichtathlet ursprünglich von der Bahn. Bei den deutschen Hochschulmeisterschaften am 25./26. Mai in Darmstadt holt er in 30:27 Minuten den Titel über 10.000 Meter auf der Bahn.

Es sollte nicht der einzige DM-Titel dieses Jahr bleiben, denn am 13. Oktober 2013 läuft er als neuer Deutscher Marathon-Meister ins Münchner Olympia-Stadion ein. Und das bei seinem vierten Marathon, den er mit gerade erst 24 Jahren überhaupt gelaufen ist. Diesmal hat wirklich alles gepasst. Weder Hitze noch Erkältung oder Verletzungen kamen ihm in die Quere. Und seine Konkurrenten konnte er mit einer imposanten Tempoverschärfung nach KM 25 abschütteln. Deren Hoffnung, dass Frank Schauer sein Tempo nicht durchhalten wird, erfüllte sich nicht. "Bei Kilometer 39 wusste ich, wenn mir nicht schwarz wird vor Augen, ist mir der Sieg nicht mehr zu nehmen", so Schauer. Mit einem ‚Wahnsinns-Negativsplit' von 1:10:44h für die erste und 1:08:10h für die zweite Hälfte (in Hamburg und Frankfurt hatte er jeweils noch sechs Minuten im 2. Teil verloren) gelingt ihm ein nahezu perfektes Rennen. Noch 14 Tage danach gerät er ins Schwärmen: "Das Gefühl, als Erster im Münchner Olympia-Stadion durchs Marathon-Tor zu laufen, war einfach unbeschreiblich."

Schon mit sieben Jahren das Laufen angefangen

Dabei läuft Frank Schauer schon seit 17 Jahren. 1989 in Magdeburg geboren und in Kalbe an der Milde aufgewachsen, nahm ihn sein Vater als Trainer des VfL Kalbe schon früh unter die Fittiche. Mit sieben Jahren begann Filius Frank mit dem Lauftraining. "Auf der Sprintdistanz war ich oft Letzter", erinnert er sich an die Anfänge. Aber über 1000 Meter sah es meist ganz anders aus. Das Ausdauertalent, das ihm sein Vater als Mehrkämpfer und ehemaliger 800m-Dritter der DM in der M40 mit in die Wiege legte, zeigte sich also schon bald.

Nach der Grundschule in Kalbe und dem Gymnasium Gardelegen wechselt Frank Schauer als 15-Jähriger aus der beschaulichen Altmark in die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Am Sportgymnasium Magdeburg macht er 2007 nach der 12. Klasse das Abitur mit einem Noten-Durchschnitt von 2,4 (" war schon okay"). Nach neun Monaten Zivildienst am Sport-Internat in Magdeburg, beginnt er 2008 an der Otto-von-Guericke-Universität ein Maschinenbau-Studium. Im Herbst 2012 legt er nach acht Semestern den Bachelor ab. Im Moment ist Frank Schauer im dritten Semester seines Masters-Studium, das er im nächsten Jahr abschließen möchte. Geht es nach ihm, bleibt er noch ein paar Jahre als Assistent an der Uni, bevor er in die Wirtschaft wechselt. Schließlich will er seinen Leistungssport noch einige Jahre ausüben und das intensive Training dürfte eher mit einer Anstellung an der Universität als mit einem stressigen Job in der Industrie zu vereinbaren sein.

 

Der ‚Null-Euro-Meister' - ohne Vertrag und ohne Sponsoren

Die "Magdeburger Volksstimme" hat ihn nach seinem Titelgewinn in München als den ‚Null-Euro-Meister' bezeichnet. Denn trotz seiner Titel und Erfolge ist der Magdeburger noch ohne Vertrag und ohne Sponsoren. "Ohne die Hilfe meiner Eltern könnte ich mir das nicht leisten", bekennt er. Schuhe, Ausrüstung und Reisen muss er bislang aus eigener Tasche bezahlen. Sein Verein SC Magdeburg hat ihm nach der DM zwar erstmals Schuhe und Physiotherapie bezahlt, einen Vertrag bekommt Schauer aber nur, wenn er dem B-Kader des DLV angehört. Marathon-Bundestrainer Wolfgang Heinig ist nach dem Titelgewinn natürlich auf den jungen Magdeburger aufmerksam geworden.

Doch leider hat Frank Schauer die Norm für den B-Kader nicht erfüllt. Die liegt bei 2:15h. Da wird der Bundestrainer auch für einen Deutschen Meister beim DLV keine Chance haben. Für den jungen Magdeburger ist das starre Festhalten an Zeitnormen dagegen enttäuschend. Die aktuellen B-Kader Jan Fitschen oder Falk Cierpinski sind beide schon Mitte 30. "Man sollte so langsam vielleicht mehr auf hoffnungsvolle Nachwuchsläufer setzen", meint deshalb der neue Deutsche Marathon-Meister durchaus selbstbewusst.

Dabei ist er bescheiden und bodenständig geblieben, wie die Menschen seiner Heimatregion Altmark. Befragt nach seinen Zielen will er sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Sein bislang erfolgreichstes Jahr 2013 lässt er im November zunächst mit einem Halbmarathon am Gardasee ausklingen. Danach will er bei einem Frühjahrs-Marathon 2014, voraussichtlich wohl in Hamburg oder Düsseldorf die Zeit von München bestätigen. Und irgendwann will er natürlich mal an Europameisterschaften oder Olympischen Spielen teilnehmen: "Wer träumt als Sportler nicht davon?" unterstreicht er seine Hoffnungen, sein Leistungspotenzial nutzen zu können. Um genauso nüchtern festzustellen: "Entscheidend ist dabei aber, dass ich in der Zukunft weitgehend verletzungsfrei bleibe."

Bei den Belastungen, die das harte Training seinem Körper abverlangen, wird das aber wohl nur bedingt gelingen, weiß auch Frank Schauer: "Ich komme über die Umfänge." Rund 8.000 Lauf-Kilometer absolviert er im Jahr; zwölf Einheiten in der Woche mit bis zu 250 Kilometern in der unmittelbaren Marathon-Vorbereitung. Diese Umfänge auf dem hohen Niveau zu stabilisieren, auch mal Ultra-Dauerläufe von 50km einzubauen, hat er sich vorgenommen. Der Dauerlauf-Typ, der noch Potenzial in der Endbeschleunigung für sich sieht, will aber auch am Tempo ("da lässt sich immer was machen") weiter arbeiten, um nicht nur die B-Kader-Norm von 2:15h zu knacken, sondern auch der Olympia-Norm von 2:12h näher zu kommen.

 

Da ist er bei seinem SCM-Trainer Jürgen Eberding sicher in guten Händen. Der 58-Jährige war 1980 in Moskau selbst Olympia-Teilnehmer mit einer PB von 2:12:13h. Auch bei der EM 1978 und der WM 1983 ist Eberding als Marathonläufer für die DDR gestartet. Das Umfeld für Frank Schauer stimmt also in Magdeburg, nur die gleichwertigen Trainingspartner auf den Langdistanzen gehen ihm etwas abhanden. Und wenn es sich ermöglichen lässt, möchte er mal an einem Höhentrainingslager teilnehmen. Doch damit sind wir wieder beim Thema Förderung und Sponsoring angelangt. Mit seinem DM-Titel hat Frank Schauer gezeigt, was er kann. Nun bleibt zu hoffen, dass die Experten und Sponsoren, Verein und Verband seine Leistung anerkennen und ihn tatkräftig auf seinem weiteren Weg in die Spitze unterstützen.

Frank Schauer

 

Geboren am 2. April 1989 in Magdeburg; aufgewachsen in Kalbe/Milde (Altmark)

 

Maschinenbau-Student (Bachelor seit 2012; Masters-Abschluss soll 2014 folgen)

 

Eltern beide Lehrer; zwei ältere Schwestern (Ärztin/prom. Naturwissenschaftlerin)

 

Trainiert seit 2004 unter Jürgen Eberding beim SC Magdeburg

 

Erster Verein: VfL Kalbe; trainierte dort unter seinem Vater

 

Bestzeiten

400 Meter

56,84 Minuten

Magdeburg 2013

800 Meter

2:02,91 Minuten

Magdeburg 2012

1.500 Meter

3:59,75 Minuten

Osterode 2013

3.000 Meter

8:28,45 Minuten

Osterode 2012

5.000 Meter

14:46 Minuten

Rostock 2012

10.000 Meter

30:27,49 Minuten

Darmstadt 2013

10 Kilometer

30:38 Minuten

Magdeburg 2013

Halbmarathon

1:07:53 Stunden

Köln 2011

Marathon

2:18:54 Stunden

München 2013

Das Porträt "Frank Schauer" erstellte Axel Künkeler
Fotos © Almuth Steinhoff und Axel Künkeler

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