Portrait – Heinz Scharmann

Vom Läufer zum Funktionär

von Johann Till im Juli 2008

Vom Läufer,

Es war im April 1977, als die Nadel der Heinz'schen Badezimmerwaage der Marke von 120 kg bedenklich näher rückte und erst bei 118 kurz davor zum Stehen kam. Selbst bei seiner stattlichen Körpergröße von 194 cm, die Heinz Scharmann unterhalb seines Geburtsdatums 13.03.1934 im Bundespersonalausweis attestiert werden; und mit denen er locker die geforderten „6 preußische Fuß“ zur Aufnahme in die Kompanie der „Langen Kerls“ des Soldatenkönigs mitgebracht hätte, dann doch ein wenig zu viel.

Mit seinen gerade mal 43 Jahren fühlte sich Scharmann damals bereits wie ein alter Mann. Aber was tun? Auf die Idee mit dem Laufen brachte ihn sein Freund und Schulkamerad Wolfgang Dürr.

 

Er nahm Scharmann am 3. April 1977 mit zum „TSV Rot“, wo sich der lange und übergewichtige Kerl dann unverhofft und mit gemischten Gefühlen an der Startlinie zu seinem ersten 10-km-Lauf wiederfand. Noch nie in seinem Leben hatte Scharmann so gelitten. Nicht im Tor des „VSV Büchig“, welches er über mehrere Jahre hütete. Mit 25 Jahren hatte Scharmann als Spätberufener zum Fußball gefunden und gleich die geruhsamste Position erkannt. Schon gar nicht bei seinem geliebten Hobby, der Hasenzucht, wo es ihm die Rasse der „Deutschen Riesen“ angetan hat.

Heinz Scharmann 1958 im Tor

Nach einer leidvollen Stunde und 4 Minuten hatte Scharmann seinen ersten Volkslauf hinter sich. In den nächsten Wochen folgten weitere Starts mit ähnlichen Ergebnissen, was die zwischenzeitlich auf 3 Mann angewachsene Volkslauftruppe wenig befriedigte. Also beschloss man, wenigstens ein wöchentliches Training zwischen 3 und 5 Kilometern abzuhalten. Das sollte reichen für den sonntäglichen Start beim Volkslauf. Man wollte ja nur unter 1 Stunde ankommen, was schließlich auch gelang. Heinz aber wollte mehr. Noch im gleichen Jahr meldete er sich zum „Hornisgrinde-Marathon“ an und am 24.7.1977 war es dann soweit, Scharmann stand am Start zu seinem ersten Marathon. Nach 5 Stunden und 41 Minuten, gespickt mit mehreren Schwüren, so was nie mehr zu tun, hatte Scharmann das Ziel am Hundseck erreicht. Ohne größeres Training, dafür etlichen Starts über 10 Kilometer und einem Marathon, ging für Heinz Scharmann sein erstes Jahr als „Läufer“ zu Ende.

Höchst Marathon 1983 New York Marathon 1980 Marathon Athen KA Rotkreuz-Marathon 1984

Für das Jahr 1978 hatte sich Scharmann dann schon Größeres vorgenommen. Von nun an wurde 1 mal die Woche 10 bis 15 Kilometer gelaufen und regelmäßig jeden Sonntag an einem Volkslauf teilgenommen. Dies sollte sich auszahlen. Bei einem Stundenlauf erreichte Scharmann immerhin schon 12.545 Meter und über 10.000m wurden 47:25 min gestoppt. Schon bei seinem zweiten Marathon in Rülzheim hatte er die Unterschreitung der 4-Stunden-Marke mit 4:05 h nur knapp verfehlt. Heinz war glücklich. Mit vielen guten Zeiten und einer Vielzahl von Veranstaltungen hatte er sein zweites Läuferjahr beendet.

bei dem Laufen zur Droge wurde,

 

Nach seinen Zeiten, die er im Vorjahr gelaufen war, stellte sich für Scharmann die Frage: Kann ich mich weiter steigern, wenn ich mein Training anders gestalte, auch mit mehr Kilometer in der Woche? Kann ich ohne Trainer und Arzt weitermachen? Bei einem Letzteren musste er sich anhören: „Wenn sie so weitermachen, sitzen sie bald im Rollstuhl!“ Also suchte er sich einen anderen Arzt der ihm sagte: „Laufen ist gesund!“ Heinz hat sich danach jede Menge Bücher zugelegt um zu lernen „wie man richtig läuft“. Am besten half ihm noch das Buch „Marathon-Training“ von Manfred Steffny. Allerdings galten die dort niedergeschriebenen Weisheiten nicht unbedingt für einen Mann mit 194 cm Körpergröße und noch immer 108 kg, wie er bald erkennen musste. Nur langsam verringerten sich die Pfunde.

Scharmann im LAUFmit 1992

Heinz nahm fortan sein Training selbst in die Hand und der Wochenumfang an Trainingskilometern wurde nochmals auf 70 bis 100 Kilometer hochgeschraubt. Als nächstes Ziel wurden 40 Minuten für den Zehner und 3:30 Stunden über Marathon anvisiert. Schon beim Pfinztal-Straßenlauf am 04.11.1979 hatte er in 40:05 min sein selbst gestecktes „Zehner“ Ziel erreicht. Auch beim Marathon ging es steil nach oben. Beim Oktoberfest-Marathon 1979 in München kam Scharmann in 3:16:09 h ins Ziel, was ihn an der Richtigkeit seines Trainingsaufbaus bestärkte. Sein Gewicht hatte sich zwischenzeitlich auf 105 kg reduziert.

Nach einem Besuch einer Vorlesung von Dr. Vollert war man der Meinung, dass er mit richtiger Ernährung nochmals bis zu 10 kg reduzieren könnte. Scharmann nahm dies begierig auf und versuchte 6 Wochen lang den mitgegebenen Ernährungsplan einzuhalten. Abgenommen hat er zwar, aber auch an Leistung, was ihm gar nicht passte. Schnell ist Scharmann wieder zu seinen alten, ganz normalen Essgewohnheiten zurückgekehrt und siehe da, die Leistungen stimmten wieder. So blieb beim New-York-Marathon 1980 für Heinz die Uhr bereits bei 3:08:31 h stehen.

„Einmal im Leben musst du nach Biel“, auch diesem läuferischen Gebot ist Scharmann gefolgt und hat sich die Strapazen eines „Hunderters“ in 12:21 h auferlegt. Weitaus mehr haben ihn jedoch die Berge gereizt. Scharmann ist Mitglied im Deutschen Alpenverein und Bergsteigen war schon immer eines seiner vielen Hobbys. Warum nicht mal ohne Steigeisen, dafür in leichten Schlappen den Berg hoch rennen. So war Heinz u.a. 16 mal beim schweren Berglauf auf das Kitzbühl-Horn mit dabei und auch in Davos über 67 km stellte er sich zweimal der Herausforderung. Seine Bestzeit über 10-Kilometer hatte Scharmann zwischenzeitlich auf 37:46 min gedrückt und so die Voraussetzungen geschaffen, um ein letztes großes Ziel zu verwirklichen, die Brechung der 3-Stunden-Marke.

 

Scharmann beim Kitzbühler Horn-Berglauf

Jetzt galt seine ganze Aufmerksamkeit nur noch dem Marathon, nur auf ihn wurde der Trainingsaufbau gerichtet. Beim Rhein-Marathon in Maximiliansau im April 1982 war es dann soweit. Heinz Scharmann durchbrach die imaginäre Schallmauer, war bereits nach 2:57:05 h im Ziel und in seinem Olymp angelangt.

 

Weitere erfolgreiche Jahre folgten, auf die Scharmann heute gerne zurückblickt. So hat er allein 1983 insgesamt 14 Marathonläufe bestritten. Als gelernter Schreiner hatte sich Scharmann zum Dekorateur umschulen lassen und war in dieser Tätigkeit über 30 Jahre für die Landesbausparkasse LBS im Außendienst, insbesondere auf Messen, unterwegs. Beim Marathon in Bremen 1983 lernte er Manfred Steffny persönlich kennen. Mehr noch interessierte den unermüdlichen Marathoni aber, was Steffny da so auf einer Tafel auf seinem Messestand angebracht hatte. Gesucht wurde der schwerste und schnellste Marathonläufer Deutschlands innerhalb der Veranstaltungen in Bremen, Frankfurt und Berlin. Ein Wettbewerb wie auf Scharmann zugeschnitten. Nach 3:07:44 h in Bremen und 3:06:34 h in Frankfurt, reichten Heinz in Berlin 3:22:52 h locker aus, um sich noch im gleichen Jahr mit dem Titel „Deutscher-Schwergewicht-Meister“ im Marathonlauf, schmücken zu dürfen.

Scharmann beim Swiss Alpine Davos

zum Funktionär.

Die Anzahl seiner vielen Volksläufe hat Scharmann statistisch nie erfasst, lediglich 75 Marathons sind urkundlich verbürgt. Auch seine Laufschuhe hat Scharmann in der Zwischenzeit längst an den berühmten Nagel gehängt. Dem Laufsport ist er in seiner Eigenschaft als Badischer Volkslauf- und Straßenlaufwart dennoch mehr den je verbunden und steht inzwischen kurz vor seinem 20. Jahr aktiver Verbandstätigkeit.

.Ganz so nebenbei hat er 1981 die Leichtathletik-Abteilung des „VSV Büchig“ ins Leben gerufen, der er als Abteilungsleiter noch heute vorsteht. 1986, zur 5-Jahr-Feier der Büchiger Leichtathleten, organisierte er den 1. Vokslauf des „VSV Büchig“, der gerade in diesen Tagen, mit neuem Kurs und um einen Halbmarathon angereichert, erfolgreich seine 23. Auflage erleben durfte. Wenig Volksläufe, insbesondere im mittelbadischen Raum, gehen über die Bühne, ohne dass Heinz Scharmann zugegen ist und den Organisatoren mit wertvollen Tipps zur Seite steht. Seit seiner Erblindung auf dem linken Auge infolge einer plötzlichen aufgetretenen Netzhautablösung, fährt ihn meist seine Ehefrau „Hanne“ zu den einzelnen Veranstaltungen. An seiner Seite hat sie sich im Laufe der Jahre selbst viel läuferischen Sachverstand angeeignet und weiß über viele Anekdoten zu berichten.

 

Scharmann als Wendemarke beim Büchiger Schloss Stutensee Sommernachtslauf

Angesprochen darauf, ob er rückblickend noch einmal so ein exzessives Training und so viele Wettkämpfe machen würde, lächelte Scharmann nur verschmitzt und meinte: „Die vielen schönen Stunden, die ich durch das Laufen erfahren durfte, möchte ich nicht missen. Meine Jahre als Aktiver und jetzt als Verbandsvertreter würde ich nicht für alles Gold der Welt tauschen wollen.“

Das Porträt "Heinz Scharmann" erstellte Johann Till
Fotos: Johann Till & privat

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