Simone Raatz ( geb. Raupp)

Karriere Teil 2:

Simone Raatz und die neuen Herausforderungen

von Ludwig Reiser im April 2018 

Das Laufportrait von Simone Raatz in LaufReport endet 2007 - inzwischen ist vieles geschehen. Die inzwischen 42jährige Karlsruherin kann keineswegs mit dem Laufsport aufgehört - nein, die Karriere Teil 2 ist mit allen Höhen und Tiefen weitaus vielschichtiger und erfolgreicher und hat 2017 mit einer Serie von nationalen Titeln einen vorläufigen Höhepunkt gefunden. In diesem Jahr ist sie in der Kategorie W40 unbestritten d i e Mastersläuferin in Deutschland. Beleg sind dabei die Einzeltitel in Löningen (Cross), in Hannover (Halbmarathon) und in Bad Liebenzell (10 km) und zudem Rang zwei in Bayerisch Eisenstein (Berglauf). Hinzu kommen allerdings im Verbund mit ihren Teamkolleginnen beim ASC Darmstadt die deutschen Mannschaftstitel über Halbmarathon, Berglauf und 10 km.

Simone Raatz erfolgreich am Berg Deutsche Halbmarathon Meisterschaften 2017 in Hannover 2fache Siegerin des Baden-Marathon Karlsruhe

"Mir macht Laufen sehr viel Spaß. Es ist ein Teil meines Lebens", gesteht die Steuerfachwirtin, die 30 km entfernt von ihrer Karlsruher Heimat einem geregelten 40 Stunden-Job in einer angesehenen Steuerkanzlei nachgeht. "Natürlich ist es nicht immer einfach, Beruf, Familie und Sport in Einklang zu bringen. Deshalb muss ich einfach mit einem genau getakteten Terminkalender leben!" Und lacht dabei. Wie geht das - mögen sich viele fragen. "Mein Tag beginnt morgens gegen 5.00 Uhr. Kaffee und Zeitunglesen ist ein festes Ritual, bevor ich mein Training beginne…" 10 bis 14 km sind es, die die 42jährige allmorgens im Citypark im Osten von Karlsruhe läuft. Duschen, Physiotherapie und/ oder Reha-Maßnahmen bzw. einen frühen Arzttermin und ab ins Büro, wo spätestens um 9.00 Uhr die Zeiterfassung gestartet werden soll.

Für Qualitätseinheiten bleibt bei diesem Frühsport kein Raum, schließlich muss abends bis 17.30 Uhr die inzwischen 3jährige Tochter Emmie vom Kindergarten abgeholt werden. Die Morgenversorgung der quirligen Emmie übernimmt Ehemann Wilfried, der später in den ebenfalls strukturierten Tagesablauf einsteigt und in der Regel nach Darmstadt ins Büro (und zum abendlichen Training beim ASC fährt) oder Homeoffice von Karlsruhe aus betreiben kann. "Die Belastung ist natürlich sehr noch, ohne Wilfried oder meine Eltern wäre ein Sport auf diesem Niveau undenkbar. Ab und zu sehne ich mich schon danach, einfach einmal nur auf der Couch zu liegen und Fernsehen zu schauen, aber das ist leider kaum möglich!" Umso erstaunlicher, dass sie mit diesem eher als Grundlagentraining zu bezeichnenden Laufen derartige Spitzenleistungen abliefert wie Zeiten von 36 Minuten über 10 km, 1:20 über Halbmarathon oder gar 2:55 über die Marathondistanz.

"Am liebsten laufe ich ohne Uhr. Das gilt für Training wie auch für Wettkampf!" Den Zeitdruck möchte sie sich im Training oder bei den regelmäßigen Wettkämpfen nicht auch noch auferlegen, vielmehr läuft sie alles nach Gefühl. Und dieses hat sie nach fast dreißig Jahren Lauftraining ohne Frage. Die 1 km lange Runde im Citypark, die herrlichen Waldwege im nahen Oberwald oder im Waldgelände hinter dem Wildparkstadion, das ist das Terrain, wo Simone ihre seelische Balance sucht und findet. Dazu gehört natürlich hier und da nach gemeinsamem Lauftraining am Wochenende mit Kollegen aus ihrer LSG-Zeit auch ein Schluck Sekt oder Weizen….

 

Simone ist Karlsruherin "durch und durch", seit ihrer Kindheit auch Mitglied beim KSC (zudem hat sie allerdings auch eine Mitgliedschaft bei Bayern München) und verfolgt mit Leidenschaft die Fußballspiele ihrer Lieblingsvereine. Seit 2015 startet sie allerdings für den ASC Darmstadt, dem erfolgreichen Mittel- und Langstreckenverein ihres Mannes. Mit einer Vielzahl von auch Mannschaftserfolgen, wenn das Trio Simone Raatz, Alexandra Rechel und Carin Schmidt auf nationaler Ebene nach Titeln greift.

Erfolgreiches Trio des ASC Darmstadt v.l.: Alexandra Rechel,
Simone Raatz und Carin Schmidt

So stand das Trio gleich dreimal auf dem "Gold-Treppchen" bei deutschen Meisterschaften.

Ihre größten Erfolge? Das ist eine Frage, die Simone Raatz nur in vielen Sätzen und in langen Tabellen beantworten kann. Und kommt unweigerlich ins Schwärmen. Eigentlich war das Jahr 2017 ihr bislang erfolgreichstes. Begonnen hatte dies 340 km jenseits des Polarkreises mit einem Sieg beim 10 km-Lauf beim Polar Night Run in Tromsö, einer Kleinstadt, die sie natürlich mit insgesamt zwei Erfolgen im Reisegepäck in ihr Herz geschlossen hat. Crosstitel in Löningen, Halbmarathontitel in Hannover, vier Siege beim Pfälzer Berglauf-Pokal und beim Feldberglauf, wobei sie gleich dreimal mit Melanie Noll die konstant beste deutsche Bergläuferin schlagen konnte. Im Berglauf unterlag sie, nicht zuletzt wegen ihrer "Trailschwäche" der einheimischen Tina Fischl am Großen Arber, holte sich aber mit glanzvollen 36:07 Minuten den 10 km-Titel in Bad Liebenzell. Dazwischen kam sie, von der heimischen Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, bei einem ihrer weiteren Liebesläufe, dem Reschenseelauf im Südtirolischen, trotz starken Rückenbeschwerden auf einen vielbeachteten dritten Rang.

 

Und lief beim Wings for Life World Run im schwedischen Kalmar mit 51 Kilometern weltweit auf Rang 21. Zum zweiten Sieg in Folge lief sie beim Baden Marathon in Karlsruhe nach 2:54:14 Stunden und einem komfortablen Vorsprung von mehr als einer Viertelstunde ins Ziel auf der Messe. Total gesehen war dies übrigens ihr achter Marathonsieg ihrer Karriere, darunter zudem auch die Siege in Mannheim, Darmstadt, Dresden und den Bahamas. Das Erfolgsjahr 2017 beendete sie vor den Augen des neuen DLV-Präsidenten Jürgen Kessing in Bietigheim mit einem höchst beachtlichen vierten Rang inmitten von leistungsstarken, zumeist deutlich jüngeren Läuferinnen. 36:04 (in Rheinzabern), 1:20:03 (in Hannover) und 2:54:14 (in Karlsruhe) sind für die Insider gewiss aussagekräftige Resultate für eine 42jährige, die eigentlich im Grunde genommen Freizeitläuferin ist.

Simone Raatz in Tromsö

Und das Jahr 2018 hat übrigens nicht gerade mäßig angefangen. In Ohrdruf verteidigte sie mit Erfolg den im Vorjahr gewonnenen DM-Crosstitel, gewann bereits zweimal die Bergläufe am Donnersberg in der Pfalz auf dem Weg zu einer Wiederholung beim Berglauf-Pokal auf der linksrheinischen Seite…. "Große Ziele möchte ich mir nicht stecken. Wie es kommt, so kommt es!" Doch wer Simone Raatz kennt, der weiß, dass der Ehrgeiz ungebremst vorhanden ist. So wird es in Hannover bei den Deutschen Halbmarathonmeisterschaften sein oder beim Trollinger Marathon in Heilbronn, wo sie gerne über die Volldistanz angreifen möchte.

"Ich glaube, die meisten würden bei meiner Krankengeschichte nicht mehr laufen", gestand sie mit einer gewissen Genugtuung, dass sie es wieder einmal auf ein beachtliches Leistungsniveau geschafft hat, trotz inzwischen dreier Bandscheibenvorfälle. "Es gehört einfach eiserne Disziplin dazu. Nicht zuletzt deshalb gehört tägliches Kräftigungstraining für Bauch und Rücken zu meinem Tagesablauf. Sonst könnte ich das Laufen auf diesem Level vergessen!"

 

Trotz ihrer umfangreichen Reisetätigkeit, die sie übrigens 2016 auch in Monte Gordo zu EM-Silber über 10 km hinter der früheren Weltklasseläuferin Ana Dias führte, ist sie stets auch mit viel Bodenhaftung in Karlsruhe und Darmstadt dabei. Hand in Hand mit Melina Tränkle finishte sie so im November 2017 den traditionsreichen KSC-Schlossparklauf - oder sammelte Erfolge beim Darmstädter Frauenlauf im Herrngarten und beim Kaiserturmlauf auf den höchsten Berg in Südhessen unweit von Darmstadt ein. Mit Kittelschürze war sie auch schon beim Wäscherinnenlauf im KA-Stadtteil Bulach unterwegs (siehe Foto links mit Valerie Knopf), ein Beleg dafür, dass sieh vieles nicht unbedingt zu ernst nimmt.

"Ich laufe schon gerne in der Heimat", gesteht sie, vor allem, wenn sie ihre "große Maus" Emmie im Ziel in die Arme nehmen kann. Wie weit dabei der berühmte Apfel vom Stamm fallen wird, das wollen die stolzen Eltern locker angehen. Den läuferischen Anfang jedenfalls hat Emmie bereits als Starterin beim Bambinilauf im Rahmen des Baden-Marathons schon geschafft, an der Hand von Papi und Mami versteht sich.

Das Portrait "Simone Raatz" erstellte Ludwig Reiser
Fotos © Wilfried Raatz

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Simone Raatz ( geb. Raupp)

"Laufen ist mein Leben"

von Johann Till im März 2008

Es war bei der Turnerschaft KA-Mühlburg, wo die kleine Simone Raupp zum ersten Mal mit der Leichtathletik über Weitsprung, Ballweitwurf usw. in Berührung kam. Über die Hürden ist sie dann gleich mal hingefallen und beim Hochsprung taten ihr immer die Schultern so weh. Was blieb Inge Dürr, der damaligen Betreuerin des Mühlburger Leichtathletiknachwuchses und in der Folge erste Trainerin von Simone da übrig, als das Kind über das flache Stadionoval laufen zu lassen. Hier konnte die Kleine ihrem schon damals ausgeprägten Bewegungsdrang noch am besten nachkommen, ohne größere Blessuren davonzutragen.

 

Ihren ersten internationalen Auftritt hatte Simone als 8-Jährige bei den "Söresund" Spielen am 23.06.1984 in Schweden, wo sie in 3:13 min über die 800 Meter flitzte.

Als 13-Jährige wechselte Simone Raupp später über die "SG KA-Siemens" zum "TuS Neureut". Hier nahm sich Bernd Seith dem quirligen Mädchen an und führte es zu ersten Erfolgen auf Verbands- und Landesebene. So erreichte Simone als Badische 1500-Meter-Meisterin 1991 als Elfte auch den Endlauf bei den deutschen B-Jugendmeisterschaften. Es sollte nicht ihr einziger Auftritt auf nationaler Ebene bleiben. Drei 4. Plätze bei deutschen Jugendmeisterschaften unterstrichen ihre läuferische Begabung mehr als eindrucksvoll.

Simone Raupp bei den "Söresund" Spielen in Schweden

So stellte Sportbürgermeister Siegfried König beim Ehrenabend für verdiente Karlsruher Leichtathleten 1993, Simone Raupp bei der Ehrung für ihren Vierten Platz bei den deutschen A-Jugend-Meisterschaften über 3000 Meter und für den Fünften über 5000 Meter, auch völlig zu recht als "Naturtalent" vor.

 

1993 sollte für Simone Raupp im Rückblick auch ihr erfolgreichstes Jahr als Jugendliche bleiben. Wurde sie doch aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen 1992/93 in die Juniorinnen-Nationalmannschaft berufen, die 1993 im spanischen Amorebiete an den Crosslauf-Weltmeisterschaften teilnehmen durfte.

Simone lief als 71. ins Ziel und erreichte im Team zusammen mit Maren Östringer, Birte Bultmann, Katrin Engelen und Constanze Effler einen beachtlichen 8. Platz.

Juniorinnen-Nationalmannschaft 1993 v.l.: Simone Raupp, Maren Östringer, Birte Bultmann, Katrin Engelen und Constanze Effler

1995 wechselte Simone Raupp zum KSC, es gelang ihr aber nicht mehr, an ihre früheren Erfolge anzuknüpfen. Es waren die ständigen Verletzungen, welche Simone Raupp an einer Fortsetzung ihrer Erfolgsstory im Erwachsenenalter hinderten. Drei Operationen wegen eines "Hallux rigidus" und der Achillesferse warfen sie immer wieder für mehrere Monate zurück oder störten einen zielgerichteten Trainingsaufbau. 1999 musste sie wegen gesundheitlicher Probleme das Bahntraining schließlich völlig einstellen und verabschiedete sich für mehrere Jahre vom Wettkampfsport. Insgesamt 14 badische Meistertitel hatte sich Simone Raupp zwischenzeitlich beim Cross, meist aber auf der Bahn zwischen 800 und 5000 Meter, erlaufen.

Büchig 2005 Büchig 2006 35:00 beim 10er in Rheinzabern 2007

Die Zeit der Wettkampfabstinenz nützte Simone gleichzeitig für den Abschluss ihrer Berufsausbildung zur Dipl. Betriebswirtin BA mit der Fachrichtung Steuer- und Prüfungswesen. Simone stellte ihr Training um und unternahm jetzt mehr ausgedehnte ruhige Trainingsläufe im Hardtwald vor den Toren der Fächerstadt. An so einem Lauf lernte sie schließlich auch Christa und Adolf Schäfer, ein aktives Läuferpaar der "LSG Karlsruhe" kennen. 2002 war es dann soweit, Simone Raupp wechselte zur LSG und noch im selben Jahr landete sie ihre ersten Erfolge in den neuen Vereinsfarben; beim Vereinsausflug nach Würzburg als Zweitplatzierte des 14. Würzburger Residenzlaufs und gerade mal 8 Tage später als Gesamtsiegerin der Badischen Meile 2002. Zwischenzeitlich ist Simone Raupp - nach ihrer Heirat im 2013 - als Simone Raatz unterwegs.

Ausgedehnte Trekkingtouren in Indien, Nepal oder Norwegen, auch schon mal eine härtere Radeinheit, sorgen für die nötige Abwechslung im Trainingsalltag, der bei Simone durchaus schon mal um 5 Uhr morgens, noch vor dem Frühstück, beginnt. Die Einstreuung eines Ruhetages in der Woche hat ihrem Leistungsvermögen nicht geschadet; im Gegenteil. Gerade letztes Jahr verbesserte Simone ihre persönlichen Bestzeiten bei wöchentlichen Trainingsumfängen von 80 bis 100 km enorm auf jetzt:

Bestzeiten
10 km
34:47 min
Leimersheim
Halbmarathon
1:15:34 h
Karlsruhe
Marathon
2:47:38 h
Frankfurt

Ihre Bestzeiten noch aus der Bahnlauf-Zeit:
800m
2:18,05 min
1996
1500m
4:38,19 min
1992
3000m
9:45,28 min
1996
5000m
17:13,5 min
1993

Angesprochen auf ihren bisher größten Erfolg, bezeichnet Simone ihren Sieg beim Mannheimer Dämmermarathon 2007, in dem sie bei brutalen Bedingungen (Hitze, klebriger Asphalt) als einzige Frau in 2:59:35 h unter der magischen 3-Stunden-Grenze geblieben ist. Für die anstehende Saison nennt sie eine gute 34er über den Zehner und eine 1:16er über Halbmarathon als persönliches Ziel. Wenn ihr die Umsetzung gelingt, wäre dies gleichbedeutend mit einem Vorstoß unter die "TopTen" der Deutschen Straßenlaufszene.

Das Portrait "Simone Raatz" erstellte Johann Till
Fotos © Johann Till - LaufReport Archiv - privat

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