LaufReport stellt Hilbert Müller vor

Der "Unverwüstliche" vom Untermain

15 Starts beim HVB City-Lauf in Aschaffenburg und immer unter den ersten 3

Porträt erstellt von Reinhold Daab (im März 2011)

In den vergangenen fünf Jahrzehnten muss er eigentlich jedem einmal über den Weg gelaufen sein. Auch wenn einem der Name vielleicht nicht sofort geläufig ist, so erinnert man sich ganz bestimmt an ihn. "Das ist doch der ältere, drahtige, kraftvolle Läufer mit den weißgrauen Haaren von LAZ Obernburg-Miltenberg", heißt es dann meistens. Auch mir ging es so, als ich gebeten wurde, ein Portrait über ihn zu schreiben. Ich hatte sofort genau dieses Bild vor Augen.

 

Die Rede ist von Hilbert Müller, der Laufinstitution vom Untermain schlechthin. Seine Haare waren nicht immer so hell, aber was über die Jahre geblieben ist, das sind sein breites, ausladendes Lachen und seine Bescheidenheit. Der Erfolg ist ihm trotz der vielen Zeitungsartikel, die über ihn erschienen sind, nie zu Kopf gestiegen. Er ist immer auf dem Teppich geblieben. Natürlich schwingt eine große Portion Stolz mit, wenn Hilbert Müller von seinen Lauferlebnissen und Erfolgen erzählt. Das macht ihn über die vielen Jahre hinweg bis heute in Läuferkreisen zu einem beliebten und gern gesehenen Lauf- und Gesprächspartner. Denn er hat viele interessante Geschichten aus seinem langen Läuferleben zu erzählen.

Geboren 1935 im Erlenbacher Stadtteil Mechenhard, wo er bis heute lebt, erlernte er den Beruf des Schneiders, den er bis zu seinem 62. Lebensjahr ausgeübt hat. Im frühen Alter von 24 Jahren quälten ihn plötzlich Atembeschwerden. Sein Arzt verordnete ihm Sport. "Also Fußball spielen" war sein erster Gedanke, zumal Mechenhard damals eine Fußballhochburg war. "Schwimmen und Laufen sind auch Sport", entgegnete der Arzt und so kam Müller eher zufällig zum Laufen. Der Laufsport steckte Ende der Fünfziger Jahre noch in seinen Anfängen und war noch lange keine Trendsportart wie heute, eher etwas für Individualisten. Wettkämpfe, wenn es denn überhaupt welche gab, wurden zumeist auf der Bahn ausgetragen. Die eigentliche Volkslaufbewegung setzte erst Mitte der Sechziger Jahre ein.

Diplom vom ersten Wettkampf seines Lebens Hilbert Müller läuft: einer der erste Belege Immer beim HVB dabei

Müller fand sofort Spaß an dieser ihm bis dahin nahezu unbekannten Sportart und nahm schon am 10. Mai 1959 am ersten Wettkampf seines Lebens teil. Unzählige sollten in den nächsten 50 Jahren noch folgen und alle sind fein säuberlich in 5 Ordnern mit Urkunden, Zeitungsartikeln und Fotos dokumentiert, für jedes Jahrzehnt ein Ordner - eine wahre Fundgrube. An dem 5000 m Lauf auf dem Schiller-Sportplatz in Aschaffenburg nahmen nur 4 Läufer teil. Müller wurde "4. Sieger", wie die Originalurkunde ausweist. Dafür, dass er erst seit ein paar Wochen trainierte, war seine Zeit von 19:48,7 min. beachtlich. Damit war der Grundstein für eine lange und erfolgreiche Laufkarriere gelegt. Noch im gleichen Jahr schloss er sich seinem Heimatverein "Frankonia Mechenhard" an.

Anfang der Sechziger Jahre absolvierte Müller drei bis vier Wettkämpfe im Jahr, die meisten in der Nähe von Aschaffenburg, wo er erfolgreich an Cross- und Bahnläufen sowie dem Wintersportwaldlauf teilnahm. Nachdem die Volkslaufbewegung deutlich in Schwung gekommen war und die Zahl der Laufbegeisterten und somit auch der Volksläufe stetig und rasant anstieg, nahm er regelmäßig an Wettkämpfen in der Umgebung teil, später führten ihn seine Wege bis nach Würzburg und Heidelberg.

Hilbert Müller 1991 Bei Hilbert Müller hat sich im Trophäenschrank so einiges angesammelt Hilbert Müller in Goldbach 1976

Obwohl man sich inzwischen an die Läufer in Wald und Flur gewöhnt hatte, tat sich so mancher Zeitgenosse trotzdem noch schwer mit ihnen und Müller musste sich tatsächlich einmal den Ausspruch eines Jägers - "da rennen vier Idioten im Wald rum, zwei davon sind aus Mechenhard" - anhören, der sogar damit drohte "ihm den Arsch wegzuschießen", sollte er weiter im Wald herumrennen und das Wild verscheuchen. Ihn ließen solche Aussagen kalt, er absolvierte unbeeindruckt davon weiter regelmäßig seine Trainingseinheiten. Inzwischen hatte sich Müller dem LAZ Obernburg-Miltenberg angeschlossen, er gehörte mit zu den Ersten der neu gegründeten Langstreckenlaufgruppe und hält dem Verein bis heute die Treue.

Anfang der Achtziger Jahre wurden die ersten großen Stadtmarathons populär und weckten auch bei der Langlauftruppe des LAZ Obernburg-Miltenberg Interesse. Was lag also näher, als in Frankfurt beim "Höchst-Marathon", wie er damals noch hieß und 1981 erstmals ausgetragen wurde, zu starten. Müller wollte erst nicht so recht mitmachen, ließ sich dann aber doch überreden und bereitete sich intensiv auf seinen ersten Marathon bei der 2. Auflage in 1982 vor. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 47 Jahre alt und einer von 4.677 Teilnehmern. Mit 2:46: 34 Std. erzielte er seine persönliche Bestzeit, große Begeisterung für den Marathonlauf entfachte das bei ihm jedoch nicht. Die lange Strecke war ihm zu anstrengend, ihm machten die "kurzen" bis 10 km und ab und zu auch mal ein Halbmarathon einfach mehr Spaß. So erscheinen letztlich auch nur 3 Marathonläufe in seiner umfangreichen Statistik.

Bestzeiten:

1.000 m

2:58,8 min.

3.000 m

9:48,5 min.

5.000 m

16:46,9 min.

10.000 m

34:18,9 min.

Halbmarathon

1:17:21 Std.

25 km

1:31:41 Std.

Marathon

2:46:34 Std.

Eine besondere Ehre wurde Müller im Jahre 1998 zuteil. Im Zuge seines Bundestagswahlkampfes für die Grünen hatte sich Joschka Fischer, damals noch durchtrainiert, rank und schlank, zu einem Besuch in Unterfranken angekündigt, den er aber unbedingt mit einem Trainingslauf verknüpfen wollte. Auf der Suche nach einem geeigneten Trainingspartner wurde Hilbert Müller gefragt, ob er Zeit und Lust habe, mit Joschka Fischer einen Trainingslauf im zauberhaften Hafenlohrtal im Spessart zu absolvieren. Er sagte ohne Zögern sofort zu und begleitete den Politiker an einem Vormittag hautnah und unter Beobachtung eines Kamerateams und der örtlichen Presse. Gegen Ende des Laufs zog Fischer den Spurt an, Müller ließ aber nicht locker und blieb ganz dicht an ihm dran.

 

Mit dem Satz: "Herr Fischer, dass Sie so viel drauf haben, hätte ich nicht gedacht", zollte er ihm ehrlichen Respekt, der von Fischer jedoch sofort erwidert wurde. Ein unvergesslicher Tag für Hilbert Müller, der sich seitdem immer mal wieder im Fernsehen betrachten kann, wenn es um die Biografie von Joschka Fischer geht. Im Gegensatz zu ihm läuft Müller heute immer noch und seine Figur hat sich auch kaum verändert.

Hilbert Müller an der Seite von Außenminister Joschka Fischer
Foto: Wolf-Dietrich Weissbach

Unter den unzähligen Volksläufen, an denen Hilbert Müller im Laufe von über 50 Jahren teilgenommen hat, verbindet ihn eine besondere Zuneigung zum HVB City-Lauf in Aschaffenburg. Das mag auch damit zusammenhängen, dass er den ersten Wettkampf seines Lebens in Aschaffenburg ausgetragen hat. "Ich war sofort von der Atmosphäre beim City-Lauf begeistert", begründet er die Tatsache, dass er seit 1996 bis heute bei allen 15 Auflagen gestartet ist. Seit 2005 ist er Mitglied im Jubiläumsclub der "Dauerfinisher", worauf er ganz besonders stolz ist und was ihm sogar "lebenslang" eingebracht hat - lebenslang vom Startgeld befreit.

Hilbert Müller 1999 mit Ehefrau Emilie, die ihn regelmäßig zu seinen Rennen begleitete Hilbert Müller 1999 mit Enkel Tim Hilbert Müller 2009 mit Enkel Tim

Und das beste daran ist, bei allen 15 Starts konnte sich Müller stets unter den ersten drei seiner Altersklasse platzieren, angefangen von der M60 (1 x 1., 3 x 3.), über die M65 (1 x 1., 1 x 2., 3 x 3.) und M70 (1 x 1., 1 x 2. 3 x 3.) bis zur M75, die er in 2010 auf Anhieb in 40:40 min. für sich entscheiden konnte. Inzwischen läuft sogar die ganze Familie in Aschaffenburg. Tochter Caroline, Enkel Tim und Schwiegersohn Jürgen sind längst infiziert und eifern ihrem großen Vorbild nach. "Den Tim habe ich vor einigen Jahren noch abgehängt, jetzt ist er 10 Minuten schneller". Kein Wunder, bei über 50 Jahren Altersunterschied.

Hilbert Müller hatte das große Glück, in all den Jahren von größeren Verletzungen verschont geblieben zu sein. Das hängt mit Sicherheit mit seiner gesunden Lebensweise und seinem Motto: "Was vom Laufen kommt, geht auch beim Laufen wieder weg", zusammen.

Uli Steidl 2009 in Düsseldorf Hilbert Müller (136) mit den 3 Münzel Brüdern und Hans Pfisterer (re.)... ... Jahr für Jahr beim HVB Citylauf in Aschaffenburg auf Erfolgskurs

Sein über alles geliebter Sport hat ihm auch geholfen, einen besonders schweren Schicksalsschlag zu überstehen. Ehefrau Emilie, die ihn in 47 Ehejahren nach Kräften unterstützt und regelmäßig zu Wettkämpfen begleitet hat, ist im Jahre 2009 plötzlich verstorben. "Das Laufen hat mir geholfen, über den Verlust hinweg zu kommen."

Heute trainiert Müller immer noch vier Mal in der Woche und fährt regelmäßig Rad, er wandert und reist gerne und ist in seinem Heimatort Mechenhard aktiv.

Uli Steidl, der bekannte Marathonläufer und WM-Teilnehmer von Osaka 2007, als dessen Entdecker und Förderer Hilbert Müller gilt, hat ihn treffend als den "Unverwüstlichen" bezeichnet.

Wie recht er damit hat.

Das Porträt von Hilbert Müller erstellte: Reinhold Daab
Fotos © Wolf-Dietrich Weissbach, LaufReport Archiv & privat

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