Markus MerkSchiedsrichter und Läufer aus Leidenschaft |
Ein Porträt von Winfried Stinn
Wenn in den vergangenen Monaten über Fußball geschrieben oder diskutiert wurde, dann standen meist Skandale und Affären im Mittelpunkt: Zunächst die Spielmanipulationen in Deutschland, dann die in Italien oder die undurchsichtige Ticketvergabe zu den WM-Spielen. Darüber hinaus sorgte die Boulevardpresse durch unsachliche, ja sogar beleidigende Kritik gegen Klinsmann und die Nationalmannschaft, ausgerechnet vor der Fußball Weltmeisterschaft im eigenen Land, für eine schlechte Stimmung.
Durch die negativ besetzten Themen ging es in den Medien fast völlig unter, dass Dr. Markus Merk zum zweiten Mal hintereinander zum weltbesten Schiedsrichter gewählt wurde. „Das war für mich, bei all den Skandalen um Spielmanipulationen schon eine besondere Genugtuung“, äußerte er sich. Die Nominierung für die Fußball Weltmeisterschaft durch die Schiedsrichter-Kommission des Weltverbandes war dann nur noch eine Formsache. So wird Markus Merk, der in der Laufszene immer wieder als guter Läufer über die langen Distanzen auftritt, nach 2002 zum zweiten Mal bei einer Fußball Weltmeisterschaft pfeifen. Seit mehr als 30 Jahren ist der nun 44-Jährige, der mit seiner Familie in Otterbach bei Kaiserslautern auf einem selbst renoviertem Bauernhof lebt, als Schiedsrichter aktiv.
Markus Merk in Freiburg auf dem Weg zum 250. Bundesligaspiel | Markus Merk beim Interview mit Winfried Stinn von LaufReport |
Markus Merk im Ziel bei der Premiere des Zermatt-Marathons |
Die Schiedsrichter-Karriere begann in Kaiserslautern. Nur ein paar hundert Meter vom Betzenbergstadion stand sein Elternhaus. „Wenn man in Kaiserslautern geboren wurde und Kind dieser Stadt ist, dann ist man von Kindesalter mit dem Fußball verbunden. Ich hatte das Glück, dass ich die großen Spieler des 1. FC Kaiserslautern kennen lernen durfte. Mit Fritz Walter verband mich eine enge Freundschaft, Horst Eckel und Ottmar Walter treffe ich heute noch regelmäßig“, erzählt Merk nicht ohne Stolz. „Das hat meine Fußballbegeisterung geprägt“. Neben den großen Fußballidolen faszinierten ihn schon als Kind die Schiedsrichter: „Ich fand es spannend, dass es Menschen gibt, die diesen Druck der Massen standhalten. Da mein Vater damals in Kaiserslautern die Schiedsrichter betreute, hatte ich zu den Schiedsrichtern der damaligen Zeit Verbindungen.“
So wuchs in Markus Merk der Wunsch auch Schiedsrichter zu werden. Mit zwölf Jahren pfiff er das erste Spiel, mit 14 Jahren gab er das Fußballspielen auf, um sich nur noch auf die Schiedsrichterei zu konzentrieren. „Natürlich träumte ich davon, mal unten im Stadion zu stehen und Bundesliga zu pfeifen.“ Dieser Traum hat sich dann 1988 erfüllt, als er als 24-Jähriger das Erstligaspiel VFL Bochum gegen Bayer Uerdingen pfeifen durfte. „An mein erstes Bundesligaspiel erinnere ich mich sehr gerne. Das ist für mich ein ganz markantes Spiel gewesen und immer geblieben. Ich habe damals nach dem Spiel gesagt, das ist der schönste Tag in meinem sportlichen Leben und alles was jetzt kommt sind Zugaben.“
Und der Zugaben sind es reichlich geworden. Fast 300 Bundesligaspiele hat er gepfiffen, 40 A-Länderspiele, 67 Europacupspiele, Teilnahme bei den Olympischen Spielen, zwei Europameisterschaften und zwei Weltmeisterschaften ergänzen seine eindrucksvolle Bilanz. Höhepunkt seiner Schiedsrichter Karriere war die Berufung zum Europameisterschafts-Endspiel vor zwei Jahren in Portugal. „Das ich das EM-Endspiel pfeifen durfte, war natürlich ein besonderes Highlight, was nicht mehr zu toppen ist“. Sechs Mal wurde Markus Merk zum besten Schiedsrichter in Deutschland gewählt und zweimal zum besten Schiedsrichter der Welt.
Trotz aller Erfolge, und der nun mehr als 30 Jahre, die er als Schiedsrichter aktiv ist, hat dieser Job für ihn nichts an Faszination verloren. „Das Feuer brennt noch“, so Merk, „daran hat auch die harte, teilweise unsachliche Kritik, der Schiedsrichter ausgesetzt sind, nichts geändert. Mir macht es Spaß, Verantwortung zu übernehmen. Wenn man das will und daran Freude hat, denkt man über die negativen Seiten eigentlich so gut wie nie nach. Ich denke immer positiv. Ein halbgefülltes Glas ist für mich immer halb voll und nie halb leer. Das ist meine Maxime.“
Markus Merk in der Bundesliga: Locker - aber bestimmt ! |
Verantwortung zu übernehmen ist auch die Triebfeder für sein soziales Engagement in Indien. Begonnen hat das 1991. Am Anfang stand für den Zahnarzt Merk die zahnärztliche Betreuung von 2500 Kindern in 35 Heimen. 1993 hat er mit seiner Frau ein größeres Stück Land (17.0000 qm) gekauft und das Gelände als Hüttendorf ausgebaut. „1996 haben wir angefangen die erste Schule zu bauen und ein erstes Waisenhaus. Das ist das Herzstück unseres Kinderdorfes Sogospatty. Im gleichen Jahr haben wir den Verein ‚Indienhilfe Kaiserslautern e.V.’ gegründet. Unser Motto - Jede Mark soll 100 Pfennig helfen- das heißt, das Geld soll zu 100 Prozent dorthin kommen, wo es gebraucht wird. Zu den Kindern.“ Drei Schulen, fünf Waisenhäuser und ein Altersheim wurden bisher gebaut, fünf weitere Waisenhäuser sind geplant. „Helfen macht Spaß. Das Strahlen der Kinderaugen ist unser schönster Lohn“, erzählt der praktizierende Katholik.
Neben der Entwicklungshilfe engagiert sich Merk auch in anderen sozialen Bereichen. Als Rotkreuz-Botschafter unterstützte er bei der Fußball-Europameisterschaft vor zwei Jahren die erste gemeinsame Kampagne des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) zum Schutz von Kindern im Krieg. „Play by the rules“ („Spiel nach den Regeln“), lautete das Motto. Eine der zentralen Aussagen dieser Kampagne “Kein Kind darf als Kindersoldat missbraucht werden und unmittelbar an Kämpfen teilnehmen“.
Bei der Fußball Weltmeisterschaft engagiert sich Markus Merk für das Projekt des Weltfußballverbandes (FIFA) „6 Dörfer für 2006“. Schon seit elf Jahren unterstützt die FIFA alljährlich den Bau von Sportanlagen in SOS-Kinderdörfern der Dritten Welt und hat auch jetzt zu Beginn der Aktion „6 Dörfer für 2006“ gleich 500.000 Schweizer Franken zur Verfügung gestellt. Für sein soziales Engagement, und natürlich auch für seine Erfolge als weltbester Schiedsrichter, wurde Markus Merk kürzlich mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Mit gleicher Begeisterung wie die Schiedsrichterei betreibt Markus Merk unterschiedliche Ausdauersportarten. Schon mit 15 Jahren lief er in Bühlertal beim Hornisgrinde-Marathon mit. Als Ende der Siebziger Jahre die Triathlonwelle nach Europa überschwappte, bestritt er auch Triathlon-Wettbewerbe. Heute fehlt ihm die Zeit, auf drei Distanzen zu trainieren, vor allem das Radfahren komme zu kurz. So steht Laufen an erster Stelle. „Laufen ist für mich mental ein toller Ausgleich zur Schiedsrichterei. Wenn ich nach einem schweren Samstagsspiel, am Sonntagmorgen anderthalb- bis zwei Stunden im Wald laufe, dann ist das eine gute Gelegenheit diesen Vortag zu verarbeiten und zu entspannen“.
Besonders begeistern Markus Merk die Gebirgsläufe. „Ich habe über ein Jahr lang eine Gruppe von Läufern von Null zum Marathon trainiert. Zwei davon sind mit mir in Berlin gelaufen. Das ist eine tolle Veranstaltung, aber von dieser Masse zieht es mich dann doch wieder weg, und da reizen mich die Bergläufe mehr. Ich liebe die Berge. In dem Moment, wo ich in Bergnähe komme, kriege ich eine Gänsehaut. Ich bin extrem bergsüchtig. Daher reizen mich die Läufe im Gebirge, je extremer, um so besser, wie beim Zermatt Marathon oder Jungfrau Marathon. Ich war immer auf dem Trip Abenteuerläufe. Das Außergewöhnliche suchen, an die Grenzen gehen, das reizt mich. Ich liebe die außergewöhnlichen Läufe, möglichst mitten in der Natur“.
Markus Merk beim Zermatt-Marathon | Merk als gestenreicher Schiedsrichter | Merk beim Jungfrau-Marathon vor der Eiger Nordwand |
Der begeisterte Langstreckenläufer ist u.a. zwei Mal die 100 km von Biel gelaufen, war in diesem Jahr zum zweiten Mal beim Jungfrau Marathon (Bestzeit:4:01 Stunden) und bei der Premiere des Zermatt Marathons dabei, mit dem damals auf 3000 Meter höchst gelegenen Marathonziel Europas. Hier werden natürlich gleich Erinnerungen wach. „Das war schon extrem. Schnee, Graupel und eiskalter Wind waren die äußeren Voraussetzungen. Aber das ist das reizvolle bei einem Hochgebirgs-Marathon. Die widrigen Witterungsverhältnisse gehören dazu, das war eine echte Herausforderung“, erinnert er sich.
Erstaunlich die schnelle Regenerationszeit. Merk ist nach solchen Gebirgs-Marathons recht schnell wieder fit, was die Frage nach seiner Vorbereitung aufwirft. „Wenn ich jetzt ehrlich bin und sage, ich bereite mich nicht gezielt auf diese Hochgebirgsmarathons vor, dann sagt jeder, der Merk lügt, der hat das typische Läufersyndrom, nichts machen und doch laufen. Aber ich bereite mich wirklich kaum auf solche Läufe vor. Ich war schon immer ein Typ, der sich innerhalb weniger Wochen unheimlich motivieren und steigern kann. Ich trainiere sehr wenig, weil ich auch für solche extremen Läufe wenig Training brauche. Wenn ich drei Einheiten pro Woche schaffe, bin ich froh. Mehr als 50 bis 60 km pro Woche werden es nie.“
In den vergangenen Jahren hat Merk auch wieder an einigen Skilanglauf-Wettbewerben teilgenommen. „Zwanzig Jahre standen die Langlaufskier im Keller. Mein Jugendtraum war es einmal beim WASA-Lauf in Schweden zu laufen. Dafür habe ich Oberammergau und den Schwarzwald Skimarathon als Vorbereitung genommen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Der WASA-Lauf war schon was ganz Tolles. Wenn man da morgens auf dem Startfeld steht, mit 15.000 Menschen, und plötzlich tritt wenige Minuten vor dem Start die absolute Ruhe ein.“
Ob Schiedsrichterei, soziales Engagement oder Laufen: Markus Merk wirkt immer ausgeglichen und ruhig. Selbst beim Europameisterschaftsendspiel zeigte er sich souverän, gelassen, sogar mit verschmitztem Lächeln. „Hier hilft mir meine positive Grundeinstellung. Da ich ein positiver Mensch bin, freue ich mich auf alles was mir im Leben passiert. Ich freue mich auf jede noch so schwere Herausforderung. Es macht mir alles Spaß was ich tue. Heute kann ich rausgehen, selbst bei einem Spiel wie das EM-Endspiel, und kann sagen, ich genieße das, es ist schön, dass ich das erreicht habe, und bin locker aber konzentriert. Meine Lebenserfahrung und die vielen Facetten meines Lebens haben mir dabei geholfen. Viel verdanke ich meiner Frau, die mich ganz toll unterstützt. Die Familie brauche ich, das ist für mich die Basis, von dort schöpfe ich die größte Kraft.“
Beruflich hat sich Markus Merk umorientiert. Er hat seinen Beruf als Zahnarzt aufgegeben und bietet nun Managerschulungen an. „Ich gebe in Vorträgen und Seminaren das weiter, was ich gelernt habe. Das Thema lautet „Wie entscheide ich sicher?“ Wer könnte da kompetenter sein, als ein Schiedsrichter, der in seiner Zunft zu den Besten der Welt gehört“, was er sicherlich in den kommenden Wochen bei der Fußball Weltmeisterschaft wieder unter Beweis stellen wird.
Dr. Markus Merk | |
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Geboren am | 15. März 1962 |
Wohnort | 67731 Otterbach |
Landesverband | Südwestdeutscher FV |
Verein | 1. FC Kaiserslautern |
Beruf | Zahnarzt |
Familienstand | verheiratet, 1 Kind |
Größe | 1,81m |
Gewicht | 69 kg |
Hobbys | Laufen, Reisen |
DFB-Schiedsrichter | Seit 1984 |
2. Bundesliga | Seit 1985 |
Spiele 2. Bundesliga | 76 |
Bundesliga | Seit 1988 |
Bundesligaspiele | 286 |
DFB-Pokal-Endspiel | 1993 |
A-Länderspiele | 40 |
FIFA-Schiedsrichter | Seit 1992 |
Europapokalspiele | 67 |
Europameisterschaft | 2000 Niederlande/Belgien, 2004 Portugal |
Weltmeisterschaft | 2002 Korea/Japan |
Olympische Spiele | 1992 Barcelona |
Endspiel Europapokal der Pokalsieger | 1997 (Paris St. Germain - FC Barcelona) |
Endspiel Champions League | 2003 (Juventus Turin - AC Mailand) |
EM-Endspiel | 2004 (Portugal - Griechenland) |
Auszeichnungen | Schiedsrichter der Spieljahre 1994/95,1995/96, 1999/2000, 2002/03 und 2003/04, Weltschiedsrichter 2004, 2005 |
Markus Merk vorgestellt und fotografiert von: Winfried Stinn
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