Andrea Mayr

Ein Porträt der zweifachen Berglauf Weltmeisterin

10 Starts bei Berglaufklassikern - 10 Siege - 10 Streckenrekorde

Marathon-Debüt in Wien

von Winfried Stinn im Januar 2009

Die Olympischen Spiele in Peking sollten für Andrea Mayr Saison- und Karrierehöhepunkt werden. Sie wollte über ihre Paradedisziplin, 3000 Meter Hindernis, starten. Daraufhin war ihre gesamte Vorbereitung ausgerichtet. Aber sie verpasste die Norm um nur 1,6 Sekunden. "Dass ich in Peking nicht dabei war, gehört zu den größten Enttäuschungen meiner Laufbahn." Eine Woche lang trauerte sie um die verpasste Chance. "An Laufen war nicht zu denken, ich war in ein tiefes Loch gefallen, ich hätte mich am liebsten verkrochen. Ich war so frustriert, dass ich beinahe alles hingeschmissen hätte." Doch dann raffte sich die erfolgsgewohnte Läuferin wieder auf und die weitere Saison verlief nach der Devise "Jetzt erst recht".

Sie setzte sich den Gewinn der Goldmedaille bei der World Trophy in Crans-Montana/ Wallis als neues Ziel. Am Tag der Berglauf Weltmeisterschaft war sie in Topform. Mayr beherrschte und kontrollierte die Konkurrenz nach Belieben, ging schon nach 400 Metern an die Spitze des Feldes und gewann überlegen ihre zweite Goldmedaille bei einer World Trophy. "Schon weit vor dem Ziel war ich mir sicher, dass ich gewinne und der Zieleinlauf war unglaublich schön. Das waren Momente, die ich nie vergessen werde. Da alle Favoriten am Start waren, war das mein wertvollster Sieg."

Danach sorgte sie mit weiteren spektakulären Siegen bei international stark besetzten Bergläufen noch bis zum Saisonende für Schlagzeilen. Die 29 jährige Wienerin, die für den SSV Schwechat startet, lief bei zehn Berglauf-Klassikern von Sieg zu Sieg. U.a. beim Grand Prix Lauf in Puchberg (Schneeberglauf), beim Hochfelln-Berglauf in Bergen/Chiemgau (Großer Preis von Deutschland) und beim Grand Prix Finale in Ljubljana/ Slowenien. Sie pulverisierte bei jedem Rennen den Streckenrekord und frustrierte zwischenzeitlich einige zur Spitze gehörende Männer, die sie deutlich hinter sich ließ. "Ich profitierte die gesamte Saison von der guten Vorbereitung auf die Olympischen Spiele und die Berglauf Weltmeisterschaft. Dazu kam, dass ich nach jedem Lauf euphorischer und noch motivierter wurde. Es lief von Mal zu Mal leichter und besser."

Andrea Mayr auf dem Weg zu ihrem 2. WM Gold in Crans Montana 1. Frau beim Saisonabschluss "Kolsassberg Run" Auch bergab stark: Andrea Mayr wird 2. bei der Berglauf WM 2007 in Ovronnaz Andrea Mayr beim Hochfelln Berglauf, einer der zehn Berglauf Klassiker die sie 2008 in Streckenrekordzeit gewann

Einen absolut sensationellen Coup landete sie Ende November in Nigeria, als sie den höchstdotierten Berglauf der Welt, "Obudu international mountain race", bei international starker Konkurrenz gewann. "Für mich war der Gewinn der World Trophy zwar der Saisonhöhepunkt, aber bei meinem Sieg in Nigeria konnte ich meinen Kritikern beweisen, dass ich auch gegen starke Afrikanerinnen, die Titel und Medaillen bei internationalen Meisterschaften gewonnen haben, bestehen kann. Denn nach der Berglauf WM musste ich mir immer wieder anhören, dass ein Titel bei einer Berglauf WM nicht schwer zu erringen sei, denn da machten ja nur die Europäerinnen mit und außerdem seien das alles keine Professionellen. Deshalb tut der Sieg in Nigeria so gut. Ich habe mich riesig gefreut."

Und selbst beim Saisonabschluss, nur eine Woche später beim Winter-Berglauf in Kolsassberg/ Tirol, ging sie nochmals hochmotiviert an den Start und gewann auch hier, trotz durch Schneefall bedingt schwieriger Bodenverhältnisse, in neuer Streckenrekordzeit. Die Freude über den gelungenen Saisonausklang und über die vielen spektakulären Erfolge der gesamten Saison, sah man der erfolgreichen Läuferin an. Fröhlich, locker und geradezu euphorisch ließ sie nochmals die gesamte Saison Revue passieren und alles sprudelte nur so vor Begeisterung aus ihr raus. Nichts mehr von Trauer nach der verpassten Olympia-Chance war der sympathischen Läuferin anzumerken.

Übers Geräteturnen kam die gebürtige Welserin, die mit ihrem Freund Andreas Stitz in Wien lebt, zur Leichtathletik. Schon als Schülerin gewann sie im Crosslauf ihre erste österreichische Meisterschaft. 2002 holte sie bei der österreichischen Berglaufmeisterschaft ihren ersten Titel in der Aktivenklasse. Der Berglauf war in ihrer Karriere von Beginn an eine willkommene Abwechslung und Ergänzung zu den Bahn-, Straßen- und Crossläufen.

"Als kleines Kind bin ich mit meinen Eltern in den Bergen gewandert. Daher kommt auch meine Liebe zu den Bergen und meine Freude für Bergläufe. Hier erlebe ich Natur pur, keine Rundenzeiten, keine Kilometerzeiten, nur auf sich selbst hören. Locker bleiben, auch wenn es hart wird, kein Wind, der irgendwelche Zeiten verhindert, keine Konzentration nur auf den Gegner, sondern auf die Strecke; all das fasziniert mich am Berglauf." - "Nur hat der Berglauf beim Österreichischen Leichtathletikverband und bei den österreichischen Medien einen nur geringen Stellenwert. Über meine Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft wurde in Deutschland mehr berichtet als in Österreich", stellt sie enttäuscht fest.

Über 3000 Meter Hindernis qualifizierte sie sich zweimal für die WM Die bedeutensten Treppenläufe gewann sie Zwei Österreichische Meisterschaften gewann sie auf dem Rad

Dennoch blieb und bleibt sie dem Berglauf treu und feierte dort in den vergangenen fünf Jahren nationale und internationale Erfolge. 2004 gelang ihr bei der Berglauf Europameisterschaft in Korbielow mit dem Gewinn der Silbermedaille der internationale Durchbruch. Nur ein Jahr später vergoldete sie bei der Berglauf Europameisterschaft in Heiligenblut ihre Medaille. "Der Titelgewinn beim Großglocknerlauf im eigenen Land gehört zu meinen schönsten sportlichen Erlebnissen." Im Berglauf ging es von da an nur noch bergauf. 2006 wurde sie Weltmeisterin, 2007 Vize-Weltmeisterin und 2008 erneut Weltmeisterin. Damit war sie in den vergangenen Jahren die erfolgreichste Bergläuferin der Welt.

Aber auch in den übrigen Disziplinen, ob Bahn (1500 Meter, 3000 Meter, 3000 Meter Hindernis, 5000 Meter, 10.000 Meter), Straße oder Cross, war sie erfolgreich und gewann in den verschiedenen Laufdisziplinen bislang 29 Titel bei österreichischen Staatsmeisterschaften. Zweimal konnte sie sich über 3000 Meter Hindernis für die Weltmeisterschaften qualifizieren. Dazwischen spurtete sie mehrmals auf die höchsten Gebäude der Welt und siegte je dreimal beim Empire State Building Run und beim Taipeh 101 Run-Up-Race.

Und immer wieder mal schwingt sie sich aufs Rad, um auch dort vorne mitzumischen. Zwei österreichische Meisterschaften im Bergradfahren und ein vierter Platz bei der Duathlon Weltmeisterschaft stehen hier auf ihrem Erfolgskonto. Angesichts ihrer Vielseitigkeit brachte es die Tiroler Bergläuferin Patrizia Rausch auf den Punkt. "Sie kann alles, außer Knöpfe annähen und ruhig sitzen." Mit dem Zitat konfrontiert, muss sie herzhaft lachen: "Das stimmt." Und schmunzelnd fügt sie hinzu: "Es gibt aber noch einiges mehr was ich nicht kann. Backen zum Beispiel, und alles was mit Finanzen zu tun hat, ob Steuern, Versicherungen, Bankwesen, Formulare ausfüllen, dass kann ich nicht, das mag ich auch nicht."

Für ihre Erfolge muss Andrea Mayr hart trainieren. Bis zu elf Trainingseinheiten kommen da wöchentlich zustande. Trainiert wird sie von Nationaltrainer Hubert Millonig, der selbst früher ein erfolgreicher Langstreckenläufer war. "Andrea ist eine hochintelligente Frau, die weiß was sie will und wo es lang geht. Sie hat ein hohes Maß an Fleiß und Ehrgeiz. Sie hat sich all die Jahre hindurch gesteigert und das trotz Medizinstudium. In den letzten zwei Jahren hat sie unter professionellen Bedingungen trainieren können, das hat einen weiteren Leitungsschub verursacht. Ich bin überzeugt, das ist noch nicht das Ende, da ist noch einiges drin. Sie ist ein Ausdauertalent mit einer großen Vielseitigkeit", so ihr Trainer. "Ihre große Schwäche ist die mangelnde Fähigkeit zwischendurch sich einmal zurückzulehnen und sich zu entspannen. Ich versuche Andrea immer wieder klar zu machen, dass Ruhe ein Teil des Trainings ist, dass sich das Training nur dann auswirkt, wenn es aufgearbeitet wird und dass Phasen der Entspannung, Phasen der Erholung und Phasen des leichten Trainings wichtig sind", führt Millonig weiter aus.

Kompromisslos ist ihre Haltung zum Doping. "Ich lehne jede Art von Doping ab und finde, dass die des Dopings überführten Athleten härter bestraft werden müssen. Zwei Jahre Sperre ist zu wenig." Trotz Leistungssport auf hohem Niveau und Beruf bleibt auch noch Zeit für andere Freizeitbeschäftigungen. "Für Hobbys habe ich schon noch Zeit, ich trainiere ja nicht 24 Stunden am Tag", und wieder kommt ein herzhaftes Lachen rüber. "Besonders viel Freude macht mir Basteln und Werken. Mein Freund und ich haben unsere Küche selbst gebaut."

Bei der Europameisterschaft 2005 gewinnt sie ihren ersten internationalen Titel Ein typisches Bild: Andrea Mayr auf dem obersten Treppchen Andrea Mayr gewinnt in Crans Montana ihre zweite WM Goldmnedaille

Ab Frühjahr wird Andrea Mayr als Ärztin arbeiten. Wie sie künftig Sport und Beruf in Einklang bringen lässt, ist für die ehrgeizige Läuferin, die bislang Sportsoldatin war, die große Herausforderung für die nächsten Jahre. Aber erst einmal steht für die neue Saison ihr Marathon-Debüt auf dem Programm. "Ich werde beim Wien Marathon starten. Das passt, da ich hier ja schon seit einigen Jahre lebe. Als Debütantin kann ich nur schwer einschätzen, was ich laufen kann. Eine Zeit deutlich unter 2:40 Stunden ist mein Ziel."

Bei dieser Zielvorgabe muss ihr Trainer lachen: "2:40 h, da ist sie ein wenig zu bescheiden, das nimmt ihr keiner ab. Die Zeit läuft sie mitternachts aus dem Schlaf heraus. Ich habe die Messlatte schon sehr hoch gesetzt, sie muss Richtung österreichischen Rekord laufen. (Anmerkung: Eva Maria Gradwohl/ 2008: 2:30:51 h). Meine Zielvorgabe ist eine Zeit zwischen 2:30 h und 2:31 h. Das kann sie laufen, das hat sie drin, darauf ist das Training ausgerichtet und das muss auch ihr Ziel sein. Ich bin überzeugt davon, wenn sie gesund ist, verletzungsfrei bleibt und wir das Training so absolvieren können wie geplant, dann ist das möglich. Wenn es dann nicht klappt, bricht die Welt auch nicht zusammen."

Der zweite Saisonhöhepunkt ist die Berglauf Europameisterschaft im Juli in Telfes. "Ich erinnere mich noch, welch große Bedeutung für mich mein Goldmedaillengewinn bei der Europameisterschaft beim Großglocknerlauf hatte. Das war so schön, so gewaltig. Europameisterin im eigenen Land zu werden, ist schon etwas ganz Besonderes. Daher freue ich mich riesig auf die Titelkämpfe im Stubaital." Hier geht sie als Top-Favoritin an den Start und mit solchem Druck umzugehen, hat Andrea Mayr inzwischen gelernt. "Ich habe im Berglauf alles erreicht, da muss ich niemanden mehr etwas beweisen. Was jetzt noch an Erfolgen kommt, sind Zugaben."

Also schon in der ersten Saisonhälfte mit dem Marathon-Debüt in Wien und der Berglauf Europameisterschaft in Telfes stehen zwei absolute Highlights auf dem Programm. Wünschen wir der sympathischen Athletin, dass sie ihre ohnehin schon eindrucksvolle Erfolgsbilanz noch ein wenig aufbessern kann.

Das Portrait "Andrea Mayr" erstellte Winfried Stinn
Fotos © Winfried Stinn - Michael Mayr - Willy Lilge

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