Portrait Erika Krüger

75 und kein bisschen müde

von Johann Till im März 2010

Gerade ist die laufbegeisterte Seniorensportlerin aus Kanada zurückgekehrt. Nur wenige Wochen ist es her, da feierte Erika Krüger im Kreise ihrer Familie und Lauffreunde ihren 75. Geburtstag. An diesem Tage war der Koffer für ihre nächste Reise bereits gepackt. In Kamloops/Kanada standen die Senioren-Weltmeisterschaften für Indoor- und Outdoor-Leichtathletik-Wettbewerbe an. Erika Krüger hatte da ihre Meldung unter weiteren 1.400 Athletinnen und Athleten längst abgegeben. Vor wenigen Tagen ist die nimmermüde Läuferin zurückgekehrt. Mit was wohl? Klar, seit wenigen Tagen zieren 2 weitere Goldmedaillen ihre überaus reichhaltige Medaillensammlung. Sowohl über den 8 Kilometer langen Cross-Parcours wie auch zum Abschluss beim Halbmarathonlauf, war Erika in ihrer Altersklasse W/75 nicht zu schlagen.

Erika (2.v.r. mit der Nummer 182) bei Crosslauf 1982 in Bruchhausen

Dabei hätte für die in Ostberlin aufgewachsene Sportlerin möglicherweise auch eine ganz andere Sportart Mittelpunkt ihres Freizeitinteresses werden können. Als Jugendliche stand Erika in der Riege des „Dynamo Berlin-Lichtenberg“ und genoss eine leistungsorientierte Turnausbildung. Wenn, ja wenn da nicht die Liebe gewesen und das junge Paar sich nicht nach der Freiheit des Westens gesehnt hätte. Es waren die Tage und Geschehnisse um den 17. Juni 1953, welche den Entschluss reifen ließen. Während ihrer Ausbildung zur MTA lernte Erika ihre große Liebe kennen. Gerhard Krüger machte gerade seine Diplomarbeit bei der Humbold-Universität und belegte die Bude neben ihr. Mit Unterstützung amerikanischer Freunde war es dann 1958 soweit, das junge Paar wechselte in den Westen und fand in der Uni-Klinik in Gießen ihre erste Anstellung. 1960 kam ihr erster Sohn zur Welt. Anlass auch, um der wilden Gemeinschaft einen ordentlichen Status zu verschaffen. Noch im gleichen Jahr zog die junge Familie nach Friedrichstal. Erikas Gatte hatte im Kernforschungszentrum Karlsruhe eine Anstellung als Physiker erhalten. 1965 zog die Familie in eine Werkswohnung nach Leopoldshafen und 1972 kauften sich die beiden ein Haus in Waldbronn-Reichenbach, direkt am Waldrand gelegen. Zwei weitere Kinder, eine Tochter und ein weiterer Sohn stellten sich ein und vervollständigten die Familie.

Erika in Malmö 1986, Dritte über 5000m Erika in der Bildmitte beim Besteigen des Kilimandscharo

Zwischenzeitlich ist es ruhiger geworden in dem hübschen Bungalow. Doch man sieht, dass das am hinteren Grundstücksausgang in den Wald führende Türchen noch immer gut geschmiert ist. Schuld war nicht der Gärtner, nein, die Nachbarin, welche Erika 1979 zum Joggen in den angrenzen Forst verführte. Erika fand Spaß an dieser Fortbewegungsart und hat schon ein Jahr später, auf einem Sportfest in Busenbach, ihren ersten Volkslauf absolviert. Schon dort wurde von erfahrenen Läufern ihr Talent und ihre Begabung für das Laufen erkannt. Erika wurde zu einem regelmäßigen Lauftraining unter Anleitung geschulter Trainer zum Lauftreff Ettlingen eingeladen. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Ihren ersten Pokal erhielt Erika 1983 beim Stundenlauf in Ettlingen. 11480 Meter hatte sie damals zurückgelegt. Noch im selben Jahr lief sie in Berlin ihren 1. Marathon in einer für Anfängerinnen, wie Erika damals noch gewesen ist, blendenden Zeit von 3:16:40 h. Ihre Marathonbestzeit lief Erika, gerade in die Altersklasse W/50 gewechselt, 1985 beim Bienwald-Marathon in Kandel in der Zeit von 3:04:02h. Erst als Mitvierzigerin mit dem Laufen angefangen, war Erika bereits in der W/50 bei den deutschen Top Ten angelangt. Mit Anfang Fünfzig war Erika auf dem Höhepunkt ihrer läuferischen Karriere, zumindest was ihre gelaufenen Bestzeiten anbelangt. Erika wollte aber mehr und suchte auch den internationalen Erfolg.

Erika im Kamf gegen den steinernen Drachen Erika beim Honolulu-Marathon 1992

1986 eröffnete sie den Reigen ihrer Teilnahmen an internationalen Meisterschaften mit ihrem Start bei der Senioren-EM in Malmö/Schweden. Über die 5000 Meter erkämpfte sich Erika dort in der Zeit von 20:54 min die Bronzemedaille. Viele weitere sollten folgen. Zusammen mit dem jüngsten aus Kanada mitgebrachten Edelmetall, hat sich Erika Krüger in ihrer langen Laufkarriere bis heute 11 Goldmedaillen, 14 Silber- und 6 Bronzemedaillen auf internationaler Ebene erlaufen. Angesprochen auf ihren größten Erfolg bezeichnet Erika aber ihr emotionales Erlebnis bei der Siegerehrung im riesigen Oval des Olympiastadions 1983, zusammen mit der damaligen Marathon-Europameisterin und Olympiasiegerin Rosa Mota nach dem 25 km-Lauf, dem „Franzosenlauf“, wie er damals genannt wurde. Ebenso konnte die gebürtige Berlinerin mit dem Müggelberg (114m) als höchste Erhebung, ihren Klassensieg beim Jungfrau-Marathon 1999.kaum fassen. Fünfmal hat sie seither diesen schweren Bergmarathon mit einer Höhendifferenz von 1995m erfolgreich absolviert. Das zierliche Energiebündel kann auch auf einige Gesamtsiege zurückblicken. So 1987 beim „Tel Aviv Marathon“ in 3:26:58 h, bei dem nicht mehr ausgetragenen Marathon in Lahr-Reichenbach in 3:24:07 h oder 1989 beim Marathon in Kassel in der Zeit von 3:23:46 h, ging Erika Krüger als Gesamtsiegerin in die Annalen ein. Erika lief Marathon am Toten Meer wie auch auf der Chinesischen Mauer, wo sie den „Kampf mit dem steinernen Drachen“ aufnahm und über 60 000 Stufen und 1500 Höhenmeter, als 4.Frau insgesamt , das Siegertreppchen denkbar knapp verpasste. Ihren (bis dato) letzten Marathon lief Erika 2008 in Tokyo in 5:35:59 h, es war ihr 76. Marathon insgesamt.

Erika beim Zugspitz-Extremberglauf Erika als strahlende Siegerin mit ihrer letzten Goldmedaille aus Kanada

Doch nicht nur läuferisch ist Erika Krüger unterwegs. Im Jahr 2003 überredete sie Gabriele Engel, eine Extremsportlerin aus dem Pfinztal, zu einer Besteigung des Kilimandscharo. Neuland für Erika, die die Berge bisher immer nur hoch gerannt ist. Klar, dass die Beiden die sportliche Variante der Gipfelbesteigung wählten. So feierten die beiden Extremsportlerinnen Silvester 2003 auf dem höchsten Berg des schwarzen Kontinents. Entspannung findet Erika Krüger beim Lesen philosophischer Literatur oder auch des Original „Runners World“ welches sie extra aus des USA abonniert hat um ihre Englischkenntnisse zu erhalten.

Das alles geht natürlich nur, weil auch die Familie mitzieht. Auch wenn in der Familie Krüger die Reaktionen auf ihre Laufleidenschaften in früheren Jahren zwischen Bewunderung und Lästern stetig hin und her schwankten. Dies hat sich mittlerweile doch geändert. Auch Erikas Gatte, Dipl.-Physiker und Informatik-Professor an der Uni Karlsruhe, wurde in den letzten Jahren wiederholt mit Startnummer vor der Brust zumindest auf Walking-Wettbewerben gesichtet. Und ihr Ältester hat die laufbegeisterte Mutter 2005 gar schon beim Zugspitz-Extremberglauf läuferisch begleitet. So hat sich die sympathische Seniorensportlerin zuletzt doch auch in der Familie durchgesetzt und ihre Anhänger gefunden.

Bestzeiten:

5000m

19:58,8 min (in der W50)

10 Kilometer

40:06 min (in der W50)

Halbmarathon

1:46:12 (in der W55)

25 Kilometer

1:44:40 (in der W45)

Marathon 

3:04:02 (in der W50)

Das Porträt "Erika Kräger" erstellte Johann Till
Fotos privat

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