Sanaa Koubaa

Nach jedem Rückschlag wieder aufgestanden

von Christian Werth im März 2015 

Die 35 Hindernisse ihrer Spezialstrecke sind wie ein Sinnbild für ihre bisherige Laufbahn. Denn Hindernisläuferin Sanaa Koubaa hat bereits so manchen Rückschlag hinnehmen und sich immer wieder zurückkämpfen müssen. Trotz jahrelanger Doppelbelastung durch Studium und Beruf gehört sie schon seit einem Jahrzehnt zur deutschen Elite, nachdem sie es bereits in der Jugend zur deutschen Vizemeisterschaft gebracht hatte. So zählt die gebürtige Hildenerin mit marokkanischen Wurzeln seitdem in jedem Jahr zu den deutschen Top6, wenn auch bis vor drei Jahren ohne den ganz großen Wurf landen zu können. 2012 gelang der große Durchbruch. Auf Silber bei der DM folgte die Qualifikation für die EM in Helsinki. Dort schaffte sie überraschend den Sprung ins Finale, auch wenn es hier nur zu Platz 14 reichen sollte. Weil jedoch mit Bronzegewinnerin Antje Möldner-Schmidt und der Vierten Gesa Felicitas Krause zwei weitere Deutsche noch bessere Platzierungen erreichten, war die Leistung in der Öffentlichkeit damals nicht so sehr wahrgenommen. So stand die bescheidene Eliteathletin bislang bei weitem nicht so im Rampenlicht wie Andere, ist übrigens die Einzige unter 10-Minuten-Läuferin ohne Wikipedia-Eintrag.

 

Grade das EM-Halbfinale zeigt, welch Kämpferin die 30-Jährige ist. Hier war sie an der allerletzten Hürde an einer Kontrahentin hängengeblieben, stürzte spektakulär, um sich nach sofortigem Aufrappeln doch noch fürs Finale zu qualifizieren. Die "Sturz-Leistung" aus dem Halbfinale von 9:43,08 min ist bis heute ihre Bestzeit und die fünftbeste Zeit, die jemals von einer deutschen Hindernisläuferin erzielt worden ist. Auch ein schwerer Bluterguss im Oberschenkel sowie Magenprobleme hatten sie damals nicht von einem Finalstart abhalten können, doch blieb hier stark gehandikapt schließlich nur der vorletzte Platz in 10:02,33 min.

Sanaa Koubaa bei den Deutschen Meisterschaften 2012

Bereits das Qualifikationsrennen zwei Monate zuvor war an Dramatik kaum zu überbieten. Damals war sie in Rehlingen schon in der ersten Runde in die Tiefen des Wassergrabens gestürzt und plötzlich abgeschlagen Letzte. "Hör auf zu heulen und lauf weiter, hat mir mein Trainer damals zugerufen", blickt Koubaa schmunzelnd zurück. Das tat sein Schützling dann auch, kämpfte sich klitschnass wieder ans Feld ran und konnte trotz eines weiteren Sturzes bis auf zwei Kenianerinnen sogar noch alle überholen. 9:50,48 min bedeuteten damals Bestzeit und waren ihr erster Lauf unter der 10-Minuten-Schallmauer. "Da bin ich über mich hinausgewachsen und hätte ohne die Stürze vielleicht sogar die Olympianorm von 9:39 min laufen können", meint die Rheinländerin.

Doch auf das Erfolgsjahr, in dem sie sich um 18 Sekunden verbessern konnte, folgten zwei Jahre voller Verletzungs- und Krankheitspech. 2013 hatte zunächst eine verschleppte Zahn-Entzündung zu gravierenden Folgeerscheinungen geführt, hatte einen starren Kiefer bewirkt und war zwischenzeitlich bis in den Nacken gezogen. Nach mehreren Antibiotika-Kuren mussten sie die Saison frühzeitig ad acta legen. Auch 2014 verfolgte sie das Erkrankungspech. So war die Hindernisläuferin im Frühling während eines Trainingslagers in Flagstaff am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt. "Ich hatte plötzlich ein ungutes Gefühl während der Trainingseinheiten und fühlte mich immer wieder total platt", berichtet Koubaa von der Erkrankung und ergänzt, dass sie zwischenzeitlich selbst von einer 72er-Runde völlig erschöpft gewesen sei. Die Hildenerin hatte daraufhin drei Monate lang pausieren müssen. Doch am Ende des Sommers gelang mit 9:48,75 min im belgischen Kessel-Lo dann doch noch ein versöhnliches Saisonende.

 

Trotz des späten Ausrufezeichens ist sie für diese Saison zunächst einmal aus dem DLV-Förderprogramm gestrichen worden. Da die Leistung des Vorjahres nicht gut genug war, werden ihr Trainingslager nun nicht mehr erstattet. So bleibt Koubaa auch in Zukunft nichts anderes übrig, als neben dem Leistungssport fast Vollzeit zu arbeiten. Seit einigen Monaten ist die 30-Jährige in Gummersbach und Remscheid als Sozialpädagogik-Lehrerin tätig. Zuvor war sie jahrelang an einer Hildener Grundschule als Sozialpädagogin angestellt. Dort sei sie nach besonderen Erfolgen vom Nachwuchs groß gefeiert und ihr zu Ehren sogar schon mal ein Public-Viewing veranstaltet worden, berichtet die Ausdauersportlerin voller Stolz. Bis vor einigen Jahren war die Diplom-Pädagogin mit Schwerpunkt Abenteuer- und Erlebnispädagogik als Hildener Talentsichterin und Leichtathletik-Trainerin sogar dreifach belastet. "Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, doch ist das irgendwann einfach zu viel geworden", relativiert die Akademikerin, dass nun mal einfach nicht alles machbar sei.

"2012 war ein schönes Jahr mit vielen Höhepunkten", blickt Koubaa auf ihren Durchbruch zurück und ergänzt: "Im Nachhinein hätte ich diese Erfolge allerdings lieber auf mehrere Jahre verteilt." Ausschlaggebend für den damaligen Quantensprung sei eine Veränderung der Trainingspläne gewesen, glaubt sie selbst. Überhaupt habe sie erstmals 2010 wirklich konstant durchtrainieren können, musste zuvor aufgrund von Verletzungen und Studienstress immer wieder Abstriche machen. Zudem habe sie damals damit begonnen, Trainingsreize von Steffen Uliczka zu übernehmen und neben einer Steigerung des Kilometerumfangs erstmals auch Doppelbelastungen durch Tempodauerläufe und Bergläufe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ins Programm aufzunehmen. Neben der Trainingsumstellung sei wohl auch eine Laseroperation zur Verkleinerung der Nasenschwellkörper ein entscheidender Grund für den Leistungssprung gewesen, nachdem sie als Allergikerin zuvor im Frühjahr stets mit Atemproblemen zu kämpfen hatte.

 

"Bislang ist es mir in jedem Jahr gelungen, irgendeine persönliche Bestzeit aufzustellen", verrät Koubaa und wünscht sich, dass diese Serie auch jenseits der 30 anhält. So habe sie beispielsweise im Vorjahr bei einem Straßenlauf in Köln mit 34:40 min eine neue 10-km-Bestzeit erzielt. "Volksläufe machen mir großen Spaß und sind für mich auch in Zukunft eine willkommene Abwechslung", erklärt die Athletin.

Auch für den diesjährigen Saisoneinstieg wählte die 30-Jährige einen Jedermannlauf, nachdem sie ihren Schwerpunkt im Winter auf Grundlagentraining mit langen Läufen gelegt und bewusst auf die Hallensaison verzichtet hat. Bei ihrem ersten Saisonstart, dem Auftakt der Köln-Porzer Winterlaufserie, überzeugte sie bei winterlichen Bedingungen mit lockerem 10-km-Sieg in 37:33 min.

Sanaa Koubaa als Volksläuferin:
Stadtlauf in Wermelskirchen 2013

Auch wenn die Wahl-Kölnerin, die Anfang 2014 der Liebe wegen von Hilden in die Domstadt gezogen ist, zwei Seuchenjahre hinter sich hat, glaubt sie sich noch längst nicht am Zenit ihres Leistungsvermögens. "In diesem Jahr möchte ich an meine Zeit von 2012 anknüpfen und denke schon, dass ich das drauf hab", glaubt die ehrgeizige Sportlerin und liebäugelt insgeheim mit einer Qualifikation für die diesjährige Weltmeisterschaft. Der heimliche Traum sei indes Olympia in Rio 2016. Um zukünftig noch professioneller trainieren zu können, ist Koubaa zu Beginn dieser Saison von der LG Hilden zu Bayer Leverkusen gewechselt und wird nun von Erfolgstrainer Paul-Heinz Wellmann betreut. "Ein Schritt, der mir nicht leicht fällt, der aber mit meinem langjährigen Trainer Wolfgang Kamps gemeinsam entschieden worden ist", berichtet die heimatverbundene Lehrerin, die neben dem Leistungssport stets nebenher studiert oder gearbeitet hat. Um diese Doppelbelastung auch in Zukunft zeitlich hinzubekommen, verlagert Koubaa ihre Trainingsläufe zuweilen sogar an ihre Arbeitsstätten und schnürt dann kurzerhand auch im Bergischen Land die Laufschuhe. Bei Bayer Leverkusen erhofft sie sich zudem adäquate Trainingskollegen. In Hilden sei dies immer wieder problematisch gewesen, zumal langjährige Trainingspartner wie Franziska Scheffler, Nina Kramer oder Simon Büttgen inzwischen woanders oder mit anderen Schwerpunkten trainieren. "Es war schon immer schwer, das zu organisieren. Denn nur alleine zu trainieren, ist nichts für mich", weiß die Hildenerin, die schon immer sportlich war und in der Jugend mehrere Jahre Handball gespielt hat. Koubaa ist eines von acht Geschwistern. Auch der drei Jahre ältere Bruder Fauzi, mit 32er Zeiten ebenfalls ein talentierter Läufer, hat lange Zeit als Trainingspartner fungiert, doch ist auch er zuletzt immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen worden. Dass es sich lohnt, auch nach noch so vielen Rückschlägen immer wieder aufzustehen, beweist ihm seine Schwester.

Das Porträt "Sanaa Koubaa" erstellte Christian Werth
Fotos © Christian Werth

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