Moses Kiptanui

Weltklasse mit und ohne "Böcke"

von Ralf Klink im August 2020 

Es dürfte definitiv nicht viele Läufer geben, die innerhalb von fünf Tagen zum dritten Mal Weltmeister wurden, einen Weltrekord unter eine Traumgrenze drückten und noch am gleichen Abend dafür einen anderen verloren. Der Kenianer Moses Kiptanui hat fast auf den Tag genau vor einem Vierteljahrhundert allerdings tatsächlich alle Bedingungen dieser ungewöhnlichen Aufzählung erfüllt.

Kiptanuis Spezialdisziplin waren zwar eindeutig die 3000 m Hindernis, hier holte er seine Medaillen und rannte zu neuen Bestmarken. Doch erzielte er eben auch auf flachen Distanzen Weltrekorde. Neben seinem Landsmann Henry Rono und dem Belgier Gaston Roelants - der abgesehen von den 3000 m Hindernis allerdings nur über eine Stunde Weltrekord lief - ist er überhaupt der einzige Athlet, der sich in Lauf-Disziplinen mit und ohne "Böcke" in den Rekordlisten finden lässt.

Seine ersten Erfolge erzielte der am 1. Oktober 1970 im kenianischen Hochland geborene Kiptanui dann auch über 1500 Meter. Mit nicht einmal zwanzig Jahren wurde er im Sommer 1990 auf dieser Strecke Zweiter bei den kenianischen Meisterschaften. Und einen knappen Monat danach sicherte er sich im bulgarischen Plovdiv den Junioren-Weltmeistertitel.

Seine ersten Einsätze bei den zu jener Zeit noch viel zahlreicheren europäischen Sportfesten - auch diese ausschließlich über 1500 Meter oder eine Meile - endeten zwar meist irgendwo im Mittelfeld. Doch kurz nach seinem zwanzigsten Geburtstag konnte er in Kairo mit 3:39,51 bei den Afrika-Meisterschaften auch seine erste internationale Goldmedaille im Herrenbereich feiern.

In der nachfolgenden Hallensaison wurden die Strecken bereits länger. Denn er trat auch in Wettkämpfen über 3000 Meter an, konnte sich über diese Distanz bei den Hallenweltmeisterschaften von Sevilla jedoch nicht für den Endlauf qualifizieren. Im Sommer 1991 lief er ebenfalls noch einige Rennen über 1500 Meter und die Meile.

Doch lockte eben auch endgültig die mit Abstand kenianischste Disziplin der Leichtathletik, die 3000 Meter Hindernis. Der letzte Olympiasieger bei den Herren auf dieser Strecke, der nicht aus Kenia stammte, war - man höre und staune - vor vier Jahrzehnten im Jahr 1980 der Pole Bronis?aw Malinowski. Allerdings sollte man dabei auch noch erwähnen, dass Kenia die Moskauer Spiele genauso boykottierte wie vier Jahre zuvor Olympia in Montréal.

In München und Mexico kamen die Sieger hingegen ebenfalls schon aus Kenia. Seit 1968 gewannen Kenianer bei elf der letzten dreizehn Olympiaauflagen die goldene Plakette. Und zweiundzwanzig von neununddreißig insgesamt möglichen Medaillen gingen ins Hochland rund um Eldoret, Iten und Kapsabet.

Auch bei Weltmeisterschaften sieht die Bilanz nicht wirklich schlechter aus, selbst wenn bei der Premiere 1983 der Sieger keineswegs aus dem Rift Valley sondern von der Schwäbischen Alb kam und den Namen Patriz Ilg trug. Doch seit 1991 ist die Reihe der kenianischen Flaggen hinter den Goldmedaillengewinnern nur 2003 und 2005 unterbrochen.

Dort steht ein gewisser Saif Saaeed Shaheen für Katar in den Listen. Allerdings wurde dieser Sportler als Stephen Cherono geboren, gewann seine ersten Medaillen im Juniorenalter noch für Kenia und musste beim - gewiss finanziell nicht unbedingt zu seinem Nachteil ausgefallenen - Wechsel ins Öl-Emirat neben seiner Nationalität auch noch seinen Namen abgeben.

Und dass auch hier weit mehr als die Hälfte aller Medaillen von kenianischen Sportlern gewonnen wurden, überrascht kaum noch. Doppelsiege sind dabei eher die Regel als die Ausnahme. Zweimal bei Olympia und dreimal bei einer WM herrschte beim Hochziehen der Flaggen sogar vollkommene Einförmigkeit, weil den Athleten in Schwarz, Grün und Rot ein kompletter Durchmarsch gelang.

Noch nicht ganz so überlegen wie ihre männlichen Kollegen sind kenianischen Frauen. Immerhin drei von acht denkbaren Weltmeistertiteln haben sie aber auch gewonnen. Das einzige Olympiagold einer gebürtigen Kenianerin wurde allerdings für Bahrain geholt. Denn auch die 2016 siegreiche Ruth Jebet - inzwischen übrigens wegen EPO-Doping aus dem Verkehr gezogen - folgte schon als Teenager dem Ruf des Geldes an den Persischen Golf.

Den ersten wichtigen Teilerfolg über die Hindernisse konnte Kiptanui mit seinem Sieg bei den Meisterschaften der kenianischen Streitkräfte erzielen - ein Titel, der unbedeutender klingt, als er zu jener Zeit wirklich war. Denn der Großteil der Läufer in Kenia war- ganz ähnlich zum System in Deutschland - offiziell als Soldat, Polizist oder auch Gefängnisaufseher beim Staat angestellt. Heute dominieren aber dann doch eher die kommerziellen Trainingscamps der einzelnen Managementgruppen.

Einen Monat darauf trat Moses Kiptanui Anfang Juli in Stockholm zum ersten Mal bei einem großen europäischen Meeting auf seiner zukünftigen Spezialstrecke an - und katapultierte sich mit einem Erfolg in 8:07,89 gleich einmal auf Platz sechs der ewigen Weltbestenliste.

Nachdem er zwischendurch in Oslo und London über die Meile und 1500 Meter erneut nur im Mittelfeld gelandet war, bestätigte er diese Zeit vierzehn Tage später in Rom mit einer kaum langsameren 8:08,53. Zwar blieb ihm dabei hinter seinem Landsmann Philip Barkutwo nur Platz zwei, doch spätestens jetzt war klar, wo die größten Stärken des immer noch gerade einmal zwanzigjährigen Moses Kiptanui lagen.

Ende Juli besiegte er dann bei den wohl härtesten nationalen Meisterschaften über 3000 Meter Hindernis in der Welt tatsächlich die komplette kenianische Elite und wurde mit der Nominierung für die anstehende WM in Tokyo belohnt. Dass seine Siegerzeit dabei mit 8:24,30 eher unspektakulär ausfiel, ist ganz sicher nicht einer schwachen Konkurrenz oder schlechter Form sondern einzig der Höhenlage von Nairobi geschuldet.

Wie gut seine Verfassung wirklich war, zeigte Kiptanui wenig später im Züricher Letzigrund. Ausgangs der vorletzten Kurve lag er nämlich noch auf einem Kurs, der seinem Landsmann Peter Koech dessen bei 8:05,35 stehenden Weltrekord gekostet hätte. Dann blieb er am dort wartenden Balken hängen und stürzte. Er rappelte sich auf und gewann das Rennen in 8:13,09 immer noch klar und deutlich. Patrick Sang hatte als Zweiter über drei Sekunden Rückstand.

Mit wenigen Auftritten hatte sich der Newcomer damit schon in den Favoritenkreis für die Weltmeisterschaften gelaufen. Neben dem Jahresbesten Moses Kiptanui und seinen Landsleuten Patrick Sang und Julius Kariuki gehörten dazu auch der Titelverteidiger und amtierende Europameister Francesco Panetta aus Italien sowie Azzedine Brahmi aus Algerien, dem es bei Afrikameisterschaften schon zweimal gelungen war, die Kenianer auf ihrer Hausstrecke zu düpieren.

Alle schafften es in ihren Vorläufen dann auch recht sicher ins Finale. Einzig und allein der Amerikaner Mark Croghan, der immerhin in der Jahresweltrangliste als Dritter geführt wurde, blieb aufgrund einer um eine halbe Sekunde zu schlechten Zeit ein wenig überraschend in der Qualifikation hängen.

Im Endlauf bestimmte erst einmal der Italiener Panetta das Geschehen. In seinem typischen Stil setzte er sich mit dem Startschuss an die Spitze und hielt dort das Tempo im Gegensatz zu den Bummelrennen in den Vorläufen von Beginn an relativ hoch. Nach fünfhundert Metern hatten sich das kenianische Trio dann aber schon hinter dem Titelverteidiger und dem ihm folgenden Briten Tom Hanlon eingereiht.

Zu Beginn der dritten Runde blieb der Kanadier Graeme Fell im noch dichten Mittelfeld am Hindernis hängen und landete hart auf der Bahn. Hagen Melzer aus Dresden, der vier Jahre zuvor hinter Panetta Silber gewonnen hatte, fiel über ihn hinweg. Auch wenn beide tapfer zu Ende liefen, war das Rennen damit für sie praktisch schon vorbei. Melzer wurde immerhin noch Zwölfter, Fell Vorletzter. Als Letzter und Fünfzehnter folgte Gábor Markó der im Getümmel einen Schuh verloren hatte.

Direkt nach dem Sturz hatte sich das Feld noch einmal deutlich in die Länge gezogen. Panetta drückte weiter aufs Gaspedal, so dass am Ende der Kette einer nach dem anderen den Anschluss verlor. Als es ziemlich genau bei Halbzeit zum vierten Mal über den Wassergraben ging, übernahmen dann die Kenianer beinahe wie abgesprochen in kompletter Stärke die Führung.

Kiptanui blieb dabei wie schon beinahe das ganze Rennen immer ein, zwei Schritte vor seinen Teamkameraden. Neben Panetta hielten nun nur noch Azzedine Brahmi sowie der Marokkaner Abdelaziz Sahere direkten Anschluss. Allerdings hatte der Italiener sein Pulver schon verschossen und fiel wenig später ebenfalls aus der Kopfgruppe heraus, während sich Brian Diemer aus den USA wieder heran und an ihm vorbei kämpfte.

Beim Läuten der Glocke sah es fast schon nach einem der ja keineswegs unüblichen Dreifacherfolge für Kenia aus. Denn mit Kiptanui als Speerspitze lag weiterhin das ostafrikanische Trio in Front und hatte nur den sich gerade noch an ihnen festbeißenden Algerier im Schlepptau. Sahere und Diemer lagen dagegen zu diesem Zeitpunkt bereits etwa zehn Metern zurück.

Doch den zweiten Maghrebiner wurden die Männer aus Kenia einfach nicht los. Auf den letzten hundert Metern zog er an Julius Kariuki vorbei, der mit dem vierten Platz Vorlieb nehmen musste. Davor spurteten Sang und Kiptanui um den Titel. Und der Jungspund ließ den sechs Jahre älteren Kollegen nicht vorbei und gewann nach 8:12,59 die Goldmedaille.

Für Patrick Sang, heutzutage hauptsächlich als Trainer von Eliud Kipchoge bekannt, blieb in 8:13.44 Silber. Nach Brahmi und Kariuki folgten Diemer und Sahere auf den nächsten Plätzen. Für den entthronten Francesco Panetta blieb nur Rang acht. Vierzehn Sekunden hinter seinem Nachfolger trabte der Italiener enttäuscht ins Ziel.

Praktisch direkt nach seinem ersten wirklich großen Titel zeigte Kiptanui gleich noch einmal, dass dieser keineswegs zufällig zustande gekommen war. Einer 8:11.64 beim ISTAF in Berlin ließ er drei Tage darauf noch eine 8:06.46 in Brüssel folgen. Ausgerechnet zum europäischen Saisonfinale in Barcelona verlor er dann aber im Spurt hauchdünn gegen den Abdelaziz Sahere.

Doch obwohl der Marokkaner damit belegte, dass auch Moses Kiptanui noch zu schlagen war, blieb dieser nicht nur der Aufsteiger sondern eindeutig auch der Mann des Jahres auf der Hindernisstrecke. Drei der schnellsten vier sowie sechs der besten sechzehn Zeiten 1991 gingen auf sein Konto. Von zwölf Rennen auf dieser Strecke gewann er zehn und war zweimal Zweiter. Und neben der WM gewann er zum Abschluss der Saison in Kairo auch noch bei den Afrikaspielen Gold.

Im Winter des Jahres 1992 lief Kiptanui dann seinen ersten Weltrekord. Es war zwar "nur" in der Halle. Und die zuvor gültige Bestzeit des Belgiers Emiel Puttemans wartete schon neunzehn Jahre auf eine Verbesserung. Doch hatten sich an dessen 7:39,2 eben schon etliche Läufer die Zähne ausgebissen. Am nächsten waren noch Dieter Baumann und Said Aouita gekommen. Kiptanui war mit 7:37,31 am Ende knapp zwei Sekunden schneller als die alte Marke.

Nachdem Start der Freiluftsaison und einem ersten Sieg über 3000 Meter Hindernis im südafrikanischen Germiston verteidigte Kiptanui auf seiner Spezialstrecke auch den Titel als Meister der Streitkräfte. Mitte Juni gewann er dann den kenianischen Titel über 1500 Meter und schien gut für die Olympischen Spiele von Barcelona gerüstet zu sein.

Doch wieder einmal zeigte sich, dass es für die absolute Elite der kenianischen Hindernisspezialisten manchmal schwerer ist, sich für Olympia zu qualifizieren, als danach bei den Spielen eine Medaille zu gewinnen. Frühere Titel und Zeiten zählen angesichts der Leistungsdichte wenig. Und 1992 wurden die drei vorhanden Plätze in einem einzigen Ausscheidungsrennen bei den "Olympic Trials" in Nairobi vergeben.

Genau in diesem Wettkampf war Moses Kiptanui allerdings nicht im Vollbesitz seiner Kräfte sondern leicht verletzt. Hinter Matthew Birir, Patrick Sang und William Mutwol wurde er nur Vierter und fiel in der gnadenlosen Selektion durchs Raster. Einen groben Fehler kann man dem kenianischen Verband jedoch trotzdem nur schwer vorwerfen. Denn in genau der gleichen Reihenfolge holten die Nominierten einen Monat später mit deutlichem Abstand zur Konkurrenz in Barcelona drei Medaillen.

Moses Kiptanui revanchierte sich kurz nach dem olympischen Endlauf auf sportliche Art für seine Aussortierung - und das sogar gleich doppelt. Das erste Ausrufezeichen setze er am 16. August in Köln über die 3000 Meter ohne Hindernisse bei einem Rennen, in dem er unter anderem auf den frisch gekürten Olympiasieger Dieter Baumann und den Silbermedaillengewinner Paul Bitok sowie Yobes Ondieki traf.

Als der letzte Hase bei zwei Kilometern nach keineswegs überzogenen 5:04 von der Bahn gegangen war, machte Kiptanui augenblicklich Ernst und löset sich innerhalb weniger Meter endgültig von den zuvor hinter ihm laufenden Baumann, Ondieki und Bitok. In die vorletzte Runde lief er schon mit einigen Sekunden Vorsprung. Die Lücke vor dem keineswegs langsamer werdenden Trio wurde größer und größer, wuchs auf rund fünfzig Meter.

Kiptanui knallte einen Schlusskilometer unter 2:25 auf die Kölner Bahn und riss, nachdem er einen kurzen Blick auf die Anzeigentafel geworfen hatte, jubelnd die Arme nach oben. Denn mit 7:28,96 hatte er Said Aouita in diesem Moment dessen drei Jahre zuvor an gleicher Stelle erzielten Weltrekord abgenommen und war als zweiter Läufer in der Leichtathletik-Historie über drei Kilometer unter siebeneinhalb Minuten geblieben.

Paul Bitok wurde in 7:33,28 Zweiter. Und trotz des klaren Abstandes zum Sieger Kiptanui hatte er damit immer noch die achtbeste Leistung aller Zeiten abgeliefert. Olympiasieger Baumann blieb hinter Yobes Ondieki, der sich ein Jahr später als erster Mensch unter siebenundzwanzig Minuten über zehn Kilometer in die Geschichtsbücher des Sports eintragen sollte, nur Rang vier.

Nur drei Tage später folgte in Zürich der zweite große Schlag von Moses Kiptanui, diesmal mit Hindernissen. Nicht einmal bis zur Hälfte der Distanz konnte der als Tempomacher angeheuerte Mark Croghan die Arbeit an der Spitze machen, dann wurde es dem Kenianer schon zu langsam. Kiptanui übernahm selbst die Führung und lief dem größten Teil des Feldes einfach davon.

Anfangs versuchte noch Landsmann William Mutwol, der Bronzemedaillengewinner von Barcelona, den Anschluss zu halten. Doch eine Runde später war auch dieser abgehängt. Die Zwischenzweit nach zwei-Kilometern zeigte endgültig, dass Kiptanui wie schon im Vorjahr erneut auf Weltrekordkurs lag.

Zwölf Monate später ließ er sich aber weder von den Hindernissen noch vom Wassergraben aus dem Gleichgewicht bringen. Getrieben vom Applaus der Zuschauer spulte Kiptanui die letzten beiden Runden fast wie ein Uhrwerk herunter und konnte diesmal gleich beim Überqueren der Linie die Arme haben.

Zu deutlich war der Abstand zur alten Bestmarke, als dass sich Kiptanui noch hätte vergewissern müssen. Mit 8:02,08 hatte er die zuvor in den Listen stehende 8:05.35 von Peter Koech um mehr als drei Sekunden unterboten. Erst knappe zehn Sekunden hinter dem bereits auf der Ehrenrunde befindlichen neuen Rekordhalter kam Philip Barkutwo als Zweiter ins Ziel.

In Berlin scheiterte Kiptanui dann aber genauso um etwa zwei Sekunden an der bestehenden Bestmarke über 2000 Meter wie eine Woche danach in Brüssel über 5000 Meter. Auf beiden Strecken behielt Said Aouita seine Weltrekorde. Doch schneller als jene 4:52,53 und 13:00,93 war zuvor noch kein Kenianer gelaufen, so dass Moses Kiptanui innerhalb von zwölf Tagen vier nationale Rekorde erzielt hatte.

Dass er zum Abschluss seiner europäischen Sportfest-Tournee im italienischen Rieti auf der Hindernisstrecke erneut unter dem alten Rekord blieb und mit 8:05,25 nun auch die zweitschnellste Zeit über diese Distanz hielt, zeigte noch einmal eindrucksvoll in welcher Topform sich Kiptanui in den Wochen nach den verpassten Olympischen Spielen befand.

Ein wenig von dieser Dominanz war im Folgejahr dann aber doch auf der Strecke geblieben. In der Hallensaison gab es nicht nur über 1500 sondern auch über 3000 Meter jeweils eine Niederlage. Und bei seinen Siegen waren die Zeiten schwächer als ein Jahr zuvor. Den Armee-Meistertitel musste er als Zweiter ebenfalls abgeben. Und auch beim anlaufenden Meeting-Zirkus musste sich Kiptanui nach einem Sieg in Stockholm dann in Oslo mit einem zweiten Platz über die "Böcke" abfinden.

Dafür war er aber in diesem Jahr beim vorerst wichtigsten Rennen - den kenianischen WM-Ausscheidungen - voll auf der Höhe und qualifizierte sich Ende Juli als Sieger zusammen mit Patrick Sang und Olympiasieger Matthew Birir für die drei Wochen später anstehenden Titelkämpfe in Stuttgart.

Köln und Zürich waren diesmal nicht Saisonhöhepunkte mit Weltrekordversuchen sondern nur Vorbereitungsrennen für das Großereignis. Und so ließ sich eine Niederlage gegen Paul Bitok über die flachen 3000 Meter am Rhein durchaus verschmerzen, insbesondere da sich Kiptanui drei Tage später im Letzigrund in seiner Hauptdisziplin mit 8:10,29 wieder einmal an die Spitze der Jahresbestenliste setzte.

Genau wie seine beiden Teamkameraden qualifizierte sich Moses Kiptanui dann in Stuttgart als Sieger eines der drei Vorläufe fürs Finale. Auch wenn Francesco Panetta diesmal gar nicht dabei war, nahm das Rennen einen durchaus ähnlichen Verlauf wie 1991. Denn diesmal übernahm der Brite Tom Hanlon die Führung und lief schon bei der ersten Zielpassage mehr als zehn Meter vor dem Rest des Feldes her.

Die drei Kenianer, der Amerikaner Mark Croghan, der Marokkaner Abdelaziz Sahere und der Italiener Alessandro Lambruschini setzten nach. Und vierhundert Meter später war der Brite auch schon wieder gestellt. Er sollte das Rennen schließlich abgeschlagen auf dem letzten Platz beenden.

Am zweiten Wassergraben ging Kiptanui in Führung, drückte nun seinerseits aufs Gaspedal und zog das Läuferfeld damit immer weiter in die Länge. Auch die siebenköpfige Spitzengruppe - Hanlon war schon zurückgefallen, dafür hatte sich mit Elarbi Khattabi ein zweiter Marokkaner heran gekämpft - platzte schließlich auseinander. Und nur nach Patrick Sang konnte einigermaßen Kontakt mit dem Weltrekordler halten.

Selbst als Khattabi zwei Runden vor Ende von hinten zu den beiden Ostafrikanern aufschloss und versuchte vorbei zu gehen, gab Kiptanui seine Führungsposition nicht her. Vierhundert Meter später setzte er die nächste Attacke. Und wieder ging nur Patrick Sang mit, während der Marokkaner abreißen lassen musste und am Ende nur Siebter wurde. Innerhalb von einer Runde fing er sich noch mehr als zehn Sekunden Rückstand ein.

Von hinten näherte sich Lambruschini mit einem langen Sprint. Doch an die beiden Führenden kam er genauso wenig heran wie Matthew Birir. Und auch als Patrick Sang am Wassergraben noch einmal einen Angriff versuchte, konnte Moses Kiptanui parieren. In neuer Weltjahresbestzeit von 8:06,36 spurtete er zum zweiten WM-Titel während für Sang mit 8:07,53 zum dritten Mal in Folge bei internationalen Großereignissen nur Silber blieb.

Einen erneuten kenianischen Durchmarsch verhinderte Lambruschini nach 8:08,78 auf Platz drei, während Olympiasieger Birir als Vierter am Edelmetall vorbei lief. Hinter dem ebenfalls nur eine Sekunde an Bronze vorbei schrammenden Mark Croghan wurde Steffen Brand, der Khattabi auf der Zielgeraden noch abfangen konnte, bei der Heim-WM am Ende Sechster.

Einen dritten Platz über 3000 Meter in Berlin und einen vierten über 5000 Meter in Brüssel fielen nach diesem Erfolg genauso wenig ins Gewicht wie eine Niederlage auf seiner Hausstrecke gegen Patrick Sang beim Grand-Prix-Finale in London. Im Gegensatz zum Vorjahr hatte er genau bei den richtigen, den entscheidenden Rennen ganz oben gestanden.

Ohne Olympia und WM waren neben den Commonwealth Spielen die Goodwill Games das vielleicht wichtigste Ereignis des Jahres 1994 in der internationalen Leichtathletik. Längst ist diese von Medienmogul Ted Turner nach mehreren Olympiaboykotten 1986 ins Leben gerufene Veranstaltung wieder weitegehend vergessen. Nach fünf Auflagen und stetig abnehmendem Interesse wurden sie Anfang des neuen Jahrtausends eingestellt.

Doch bei der dritten Ausgabe in Sankt Petersburg - die erste fand in Moskau, die zweite in Seattle statt - nahmen insgesamt noch rund zweitausend Sportler teil. Moses Kiptanui startete dort nicht über die Hindernisstrecke, auf der er kurz zuvor in Stockholm mit 8:09,16 wieder einmal Weltjahresbestzeit gelaufen war, sondern hatte sich die 5000 Meter ausgesucht.

In einem seiner typischen Tempoläufe von der Spitze hängte Kiptanui bei einem sicheren Sieg in 13:10,76 den Rest des Feldes weit ab. Paul Bitok als Zweiter mit 13:24,41 und der Waliser Jon Brown, der knapp dahinter Dritter werden sollte, kamen erst auf die Zielgerade, als Kiptanui schon die Linie überquert hatte.

Praktisch direkt im Anschluss - die Goodwill Games waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beendet - startete er im belgischen Städtchen Hechtel über die selten gelaufene Distanz von zwei Meilen und nahm mit 8:09.01 Said Auoita einen weiteren seiner Weltrekorde ab.

Drei Tage danach musste Kiptanui jedoch seinerseits den etwas prestigeträchtigeren Rekord über 3000 Meter abgeben. Denn der Algerier Noureddine Morceli war in Monaco mit 7:25.11 mehr als drei Sekunden schneller als der Kenianer zwei Jahre zuvor in Köln. Ihn dort drei Wochen später gleich wieder zurückzuholen, gelang Kiptanui nicht. Er verlor beim ASV-Sportfest sogar gegen Dieter Baumann.

In der gleichen Woche hatte er allerdings bei seinem vierten Sieg im Züricher Letzigrund die eigene Weltjahresbestzeit auf 8:08,80 gedrückt. Sie sollte bis zum Dezember halten. Fünf Jahre in Folge, von 1991 bis 1995 war Kiptanui jeweils schnellster Mann der Saison über 3000 m Hindernis. Und von den zehn besten Zeiten in dieser Periode lief er acht.

Die 8:08,80 war sogar die schwächste unter allen Jahresbestleistungen Kiptanuis. Obwohl diese Zeit hierzulande auch heute noch einen deutschen Rekord darstellen würde, lief alleine Moses Kiptanui im Laufe seiner Karriere mehr als zwanzig Mal schneller über die Hindernisse. Und in der ewigen kenianischen Bestenliste taucht sie noch nicht einmal unter den besten dreihundert Einträgen auf.

Nimmt man den Rest der Welt dazu, findet man nur noch gut einhundert weitere entsprechende Ergebnisse. Und eine ganze Reihe davon wurden durch in Kenia geborene und aufgewachsene Athleten - insbesondere Stephen Cherone alias Saif Saaeed Shaheen - erzielt. Im Marathon mögen die Kenianer mit den Äthiopiern noch eine fast genauso breit aufgestellte Konkurrenz haben. Über die Hindernisse sind sie wirklich ganz alleine das Maß der Dinge.

Auf die Ende August im kanadischen Victoria stattfindenden Commonwealth Games verzichtete Kiptanui und lief stattdessen lieber weiter bei den europäischen Meetings, gewann auch beim ISTAF in Berlin auf seiner Spezialstrecke und wurde beim Grand Prix Finale in Paris über 5000 Meter Dritter.

Zum Abschluss der Saison gewann er dann beim Weltcup - der zwar heute in leicht abgewandelter Form immer noch existierende, inzwischen kaum noch beachtete Team-Wettbewerb zwischen Kontinentalauswahlen - im Londoner Crystal Palace Stadion für Afrika. Trotz eines Bummelrennens mit einer Siegerzeit von gerade einmal 8:28.28 hatte er dabei schließlich über sieben Sekunden Vorsprung vor Saad Shaddad Al-Asmari aus Saudi-Arabien.

Das Jahr 1995 sollte dann die wohl erfolgreichste Saison des immer noch gerade einmal Vierundzwanzigjährigen bringen. Schon im Februar drückte Kiptanui in Gent seinen eigenen Hallenweltrekord über 3000 Meter um mehr als zwei Sekunden auf 7:35,15 und bestätigte dies gleich im nächsten Rennen. Denn im französischen Lievin blieb er mir 7:37,14 erneut unter der alten Marke.

Gleich zu Beginn der Freiluftsaison holte er sich dann am 8. Juni in Rom einen weiteren Weltrekord, den über 5000 Meter. Im Olympiastadion der italienischen Hauptstadt musste sich Kiptanui während des kompletten Rennens harter Konkurrenz erwehren. Und vielleicht wurden genau deswegen jene 12:56,96 unterboten, die Haile Gebrselassie ein Jahr zuvor in Hengelo vorgelegt hatte.

Zum einen war da Daniel Komen, ein Neunzehnjähriger aus dem unerschöpflichen Reservoir kenianischer Talente, den Kiptanui bei dessen erster Saison auf den europäischen Sportfesten ein wenig unter seine Fittiche genommen hatte. Zum anderen hatte sich auch Worku Bikila am Hindernis-Doppelweltmeister und dessen Schützling festgebissen.

In einem bemerkenswerten Rennen, bei dem lange Zeit auch noch der Marokkaner Salah Hissou mitmischte, trieb sich das Trio zwölfeinhalb Runden lang immer weiter in Höchsttempo um die Bahn. Erst ganz zum Ende konnte sich Moses Kiptanui schließlich seiner beiden Begleiter entledigen und im Ziel über den nun bei 12:55,30 stehenden Weltrekord jubeln.

Auch Daniel Komen blieb in 12:56,15 noch unter der alten Bestmarke und durfte sich zumindest über einen Junioren-Weltrekord freuen. Worku Bikila schrammte in 12:57,23 hauchdünn daran vorbei, schnellster Äthiopier zu werden. Doch immerhin war er als fünfter Mensch unter dreizehn Minuten - der erste war auch in diesem Fall wieder Said Aouita - und die viertschnellsten fünf Kilometer aller Zeiten gelaufen. Bikila kam übrigens danach nie wieder auch nur in die Nähe dieser Grenze.

Kiptanui, der auch zuvor schon gelegentlich laut darüber nachgedacht hatte, endgültig auf die 5000 Meter zu wechseln, war damit durchaus ein ernstzunehmender Goldanwärter für die zwei Monate später stattfindenden Weltmeisterschaften in Göteborg. Aber bei den kenianischen Meisterschaften und WM-Ausscheidungen setzte er dann doch wieder auf die Hindernisstrecke und gewann dort vor Matthew Birir und Christopher Koskei.

Der zwanzigjährige Koskei war es allerdings auch, der für die erste Niederlage Kiptanuis im altehrwürdigen Olympiastadion von Stockholm sorgte, indem er ihn auf den letzten Metern überspurtete - selbst wenn das Ergebnis mit 8:06.86 zu 8:06,97 denkbar knapp ausfiel.

Bei den Bislett Games im nahen Oslo wetzte er die Scharte allerdings mit der zweitbesten je gelaufenen Zeit von 8:03.36 wenig später wieder aus. Und auch über die flachen 3000 Meter schaffte er noch in der gleichen Woche in Monaco mit 7:27.18 das zweitbeste Ergebnis - immerhin ein kenianischer Rekord. Kiptanui war definitiv auch für seine dritte WM wieder in Top-Form.

Trotz seiner nicht einmal fünfundzwanzig Jahre war er inzwischen aber so routiniert, dass er nicht schon in Vor- und Zwischenlauf um den Sieg spurtete. Kontrolliert und locker lief er mehr als zwanzig Sekunden hinter seiner Bestzeit jeweils nur auf Platz. So durften sich danach auch die Deutschen Martin Strege und Steffen Brand rühmen, einmal vor dem amtierenden Weltrekordler im Ziel gewesen zu sein.

Im Finale am 11. August rannte Moses Kiptanui dann jedoch wie gewohnt von vorne, übernahm diesmal sogar praktisch direkt nach dem Start die Führung und zog das Feld damit sofort in die Länge. Hinter dem Titelverteidiger sortierten sich seine beiden Landsleute sowie Saad Shaddad Al-Asmari aus Saudi-Arabien ein. Dahinter öffnete sich schon nach einem Kilometer eine kleine Lücke. Eine Runde später war sie bereits auf mehr als zehn Meter angewachsen.

Als nächster musste der barfuß und mit selbst für Laien sichtbar schlechter Hindernistechnik laufende Christopher Koskei abreißen lassen. Und auch die anderen beiden bekamen Mühe, mit dem inzwischen beinahe Weltrekordtempo anschlagenden Kiptanui mitzuhalten. Zu Beginn des letzten Kilometers kam plötzlich Koskei zurück in die Verfolgergruppe und setzte sogar dem Führenden nach, während nun der Mann aus dem Orient abfiel.

Es sah wieder einmal nach einem Dreifachtriumph für Kenia aus. Als es eine Runde später zum letzten Mal am Ziel vorbei ging, war der extrem unorthodox und unrhythmisch laufende Christopher Koskei jedoch wieder Vierter und Matthew Birir erster Verfolger eines wie entfesselt davon stürmenden Moses Kiptanui. Am ausgangs der vorletzten Runde stehenden Hindernis stolperte der Olympiasieger allerdings und stürzte.

Während er sich wieder aufrappelte, spurte Koskei dem vom Sturz etwas behinderten Saad Shaddad Al-Asmari davon. Moses Kiptanui war da allerdings schon vierzig, fünfzig Meter enteilt und zog das Rennen bis zum letzten Meter durch. Mit 8:04.16 gewann er seinen dritten Weltmeistertitel in Folge und lief zudem die drittschnellste Zeit in der Geschichte der Hindernisstrecke.

Christopher Koskei holte sich nach 8:09,30 die Silbermedaille. Bronze ging in neuem Asienrekord von 8:12,95 an Saad Shaddad Al-Asmari. Dahinter spurtete ein jubelnder Steffen Brand mit persönlicher Bestzeit von 8:14,37 am Italiener Angelo Carosi vorbei auf Platz vier. Für den enttäuschten Pechvogel Matthew Birir - er war beim Versuch, die Lücke doch noch zu schließen, am Wassergraben erneut gestürzt - blieb hinter dem ebenfalls Hausrekord erzielenden Martin Strege nur Rang neun.

Dass zudem Ismail Kirui zwei Tage später seinen Titel über 5000 Meter verteidigen konnte machte die familiäre Freude perfekt. Denn der zweifache Weltmeister handelt es sich um einen Cousin von Kiptanui. Und auch Richard Chelimo, in Barcelona Silbermedaillengewinner über zehn Kilometer und kurzzeitig sogar Weltrekordler auf dieser Strecke gehört als Bruder von Kirui - Familiennamen im europäischen Sinn sind in Kenia keineswegs Standard - zum extrem sportlichen Clan.

Fünf Tage nach dem WM-Finale kam es in Zürich zur großen Revanche. Wobei dieses Rennen sogar eigentlich eher alle weltbesten Hindernisläufer vereinte als jenes von Göteborg. Neben allen Medaillengewinnern, den nächstplatzierten Brand und Carosi sowie dem Pechvogel Birir waren nämlich noch ein halbes Dutzend weitere Kenianer dabei, die ebenfalls zur absoluten Weltklasse gehörten, aber keinen der nur drei vorhandenen Meisterschaftsstartplätze ergattern konnten.

Wie üblich lief Kiptanui von der Spitze und hatte schon nach der Hälfte der Distanz das Feld regelrecht auseinander genommen. Hinter ihm versuchten genau wie in Schweden Christopher Koskei und Saad Shaddad Al-Asmari noch irgendwie den Anschluss zu halten. Die nächste praktisch rein kenianische Gruppe lag dagegen schon einige Sekunden zurück.

Kiptanui zog das Tempo auf dem zweiten Kilometer in einen fast schon irrwitzigen Bereich hoch - viel zu schnell für seine langsam zurückfallenden Verfolger. Während in Kiptanuis Rücken eine kenianische Armada die beiden vermeintlichen Jäger wieder einsammelte, wuchs seine Lücke zur Konkurrenz auf fast fünfzig Meter. Er lag nicht nur auf Weltrekordkurs, die Traummarke von acht Minuten kam in absolut greifbarer Nähe, als er nach 5:55 auf die letzten zwei Runden ging.

Doch gab es auch keinerlei Puffer, er durfte kein bisschen nachlassen, wenn es tatsächlich reichen sollte. Langsamer wurde Kiptanui auf den letzten beiden Umrundungen der Tartanbahn allerdings auch nicht mehr. Er lief dieses Tempo tatsächlich bis zum Ende durch, selbst wenn er auf der Zielgeraden noch einmal richtig spurten musste, um die Ziellinie zu überqueren, bevor die Uhr auf eine acht umspringen konnte.

Diese zeigte schließlich eine 7:59:18 an. Moses Kiptanui war jeden Kilometer im Schnitt eine Sekunde schneller gelaufen als bei seiner letzten Bestmarke drei Jahre zuvor an gleicher Stelle. Mit dem Durchbrechen der Acht-Minuten-Schallmauer hatte er sich endgültig einen besonderen Platz auf Liste großer und bedeutender Läufer gesichert.

Vier weitere Kenianer - nämlich Gedeon Chirchir, Christopher Koskei, Eliud Barngetuny und Patrick Sang - folgten mit Weltklassezeiten zwischen 8:06,77 und 8:08,69, die damals eigentlich überall auf der Welt neue Landesrekorde dargestellt hätten, auf den nächsten Plätzen. Und doch waren sie an diesem Tag nur weit abgehängte Statisten eines überragenden Moses Kiptanui. Nur noch knappe eineinhalb Stunden sollte er sich allerdings "Doppelweltrekordler" nennen dürfen.

Dann hatte Haile Gebrselassie nämlich seine fünf Kilometer beendet und sich die im Juni an Kiptanui verlorene Bestmarke zurückgeholt. Nun hielt der drei Jahre jüngere Äthiopier wieder die beiden wichtigsten Rekorde auf der Bahnlangstrecke. Denn nur wenige Tage vor Kiptanuis Lauf in Rom hatte er in Hengelo über 10.000 Meter einen neuen Standard gesetzt. Im Mai hatte er dem Kenianer zudem auch den Rekord über zwei Meilen entrissen.

Die beiden sich durchaus respektierenden und schätzenden Rivalen - Kiptanui gratulierte Haile direkt im Ziel - trieben sich in diesem Sommer zumindest indirekt zu immer neuen Höchstleistungen. Noch im Vorfeld hatte Kiptanui verlauten lassen, dass er sich den Rekord erneut erobern wolle, sollte Gebrselassie ihn unterbieten. Und der Äthiopier traute ihm dies auch zu. Bei diesen Aussagen kannten beide allerdings die Zeit noch nicht, die Gebrselassie am Ende tatsächlich vorgelegt hatte.

Selbst wenn dabei keine Schallmauer durchbrochen wurde, war diese nämlich ähnlich spektakulär wie der neue Hindernisrekord. Denn Haile Gebrselassie lief mit 12:44,39 beinahe elf Sekunden schneller als Kiptanui. Er hatte also für jede einzelne der zwölfeinhalb Runden beinahe eine Sekunde weniger benötigt. Der Letzte, der den Weltrekord über fünf Kilometer in einer solchen Größenordnung verbessern konnte, war über ein halbes Jahrhundert zuvor der Schwede Gunder Hägg gewesen.

Erst einmal lief Moses Kiptanui in Köln mit 7:28,04 die viertschnellsten 3000 Meter aller Zeiten und legte dann in Brüssel über die Hindernisse gleich noch eine weitere Zeit unter acht Minuten - diesmal 7:59,52 - nach. Am 1. September stand er dann in Berlin zum ersten Mal zusammen mit Haile Gebrselassie, mit dem er sich bisher nur indirekte Duelle geliefert hatte, an der Startlinie.

Vielleicht ein wenig zu kühl für eine neue Bestmarke waren die Bedingungen beim ISTAF 1995. Doch gingen die beiden Rekordläufer das Rennen unterstützt von Daniel Komen trotzdem extrem zügig an. Nach viereinhalb zurück gelegten Kilometern zeigte Gebrselassie seinem Begleiter dann allerdings, dass er ihm den Weltrekord keineswegs zufällig abgenommen hatte, und ließ Kiptanui mit einer weiteren Tempoverschärfung praktisch stehen.

Nach eineinhalb Runden Sololauf wurde der Äthiopier schließlich mit 12:53,19 gestoppt. Nur er selbst war in Zürich jemals schneller gewesen. Auch Moses Kiptanui lief die bis dahin zweitschnellsten fünf Kilometer seines Lebens. Doch seine 13:00,90 waren eben nicht genug, um den Erfolg von Gebrselassie im "Duell der Giganten" ernsthaft in Gefahr zu bringen.

Auch über zwei Meilen in Rieti kam Kiptanui nicht wirklich in die Nähe von Gebrselassies Rekord. Doch immerhin lief er auf seiner Hausstrecke beim Grand Prix Finale in Monaco der Konkurrenz wieder einmal klar davon und schaffte mit 8:02,45 eine weitere Leistung, die außer ihm noch nie jemand unterbieten konnte.

Moses Kiptanui war damit nun ganz alleine die sechs schnellsten Hindernisrennen in der Leichtathletik-Geschichte gelaufen. Und fünf davon hatte er im Sommer des Jahres 1995 innerhalb eine Spanne von gerade einmal fünfzig Tagen geschafft. Trotz der einen oder anderen Niederlage war er in diesen Monaten wohl auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere.

In die Olympiasaison begann Moses Kiptanui wie üblich mit einigen Hallenstarts, bevor er Ende Februar dann schon erste Freiluftrennen in Australien absolvierte. Waren die für Kiptanuis Potential eher mittelmäßigen Ergebnisse dort noch mit dem frühen Zeitpunkt zu erklären, zeigten die ersten Rennen des europäischen Sportfeste-Zirkus, dass er nicht der kaum schlagbare Überflieger des Vorjahres war.

In Rom lief Kiptanui über 5000 Meter mit 12:54,85 zwar die beste Zeit seiner ganzen Karriere, doch wurde er dabei vier Sekunden hinter Sieger Salah Hissou aus Marokko und auch geschlagen von seinem kenianischen Landsmann Philip Mosima nur Dritter. In Moskau musste er sich in mäßigen 7:41,61 seinem Schützling Daniel Komen geschlagen geben.

Bei den kenianischen Ausscheidungen qualifizierte sich Moses Kiptanui zwar diesmal für Olympia. Doch wurde er dabei im Spurt von Matthew Birir auf Rang zwei verwiesen. Dafür ereilte den jungen Daniel Komen das Schicksal, das Kiptanui vier Jahre zuvor erlitten hatte. Obwohl schon zu diesem Zeitpunkt unbestreitbar einer der besten Fünf-Kilometer-Läufer der Welt blieb der Zwanzigjährige als Vierter der Meisterschaften im brutalen Auswahlverfahren hängen.

Bis zu den einen Monat danach beginnenden Spielen von Atlanta lief Kiptanui keine Hindernisrennen mehr. Zwei Dreitausender in Oslo und London endeten auf den Plätzen vier bzw. zwei. Und auch die dabei erzielten Zeiten konnten im Vergleich zu früheren Leistungen des dreifachen Weltmeisters niemanden wirklich vom Hocker reißen.

Bei Olympia hatte Kiptanui allerdings trotzdem keine große Mühe sich in den Vor- und Zwischenläufen zu behaupten. Wie seine beiden Teamkollegen Matthew Birir und Joseph Keter qualifizierte er sich sicher fürs Finale. Wie bei der WM ein Jahr zuvor waren zudem Steffen Brand und Martin Strege, Angelo Carosi und Alessandro Lambruschini dabei. Dazu kamen unter anderem noch der seit vielen Jahren im Geschäft mitmischende Mark Croghan und der Marokkaner Brahim Boulami.

Wie so oft ging Moses Kiptanui beinahe mit dem Startschuss an die Spitze. Und wenig später hatten sich auch die beiden übrigen Läufer aus Kenia direkt in seinem Rücken einsortiert. Und schon nach einer Runde hatte sich hinter diesem Trio sowie den zwei Italienern und Boulami die erste Lücke aufgetan. Zwischendurch saugten sich auch Croghan und Brand wieder heran.

Doch als der Kenia-Express nach etwa der Hälfte der Distanz ein wenig die Fahrt anzog, konnte nur noch Lambruschini lose Kontakt halten, fiel dann aber in die Verfolgergruppe zurück, nur um nach einer kleinen Tempoverschleppung des Führungstrios eine Runde später doch wieder nach vorne zu kommen. Ein Kiptanui in der körperlichen und mentalen Form des Jahres 1995 hätte vermutlich den Fuß in diesem Moment nicht etwas vom Gas genommen, sondern weiter Druck gemacht.

Auch als Moses Kiptanui zwei Runden vor dem Ende erneut anzog und sich zusammen mit Joseph Keter von Birir und Lambruschini löste, drehte er sich zum wiederholten Male um, was in den meisten Fällen nicht unbedingt als Zeichen von Stärke und Selbstsicherheit gilt. Und dass Lambruschini eingangs der Schlussrunde zum zweiten Male zum eigentlich schon enteilten Dreifachweltmeister aufschließen konnte, ist wohl auch nicht alleine auf den Kampfgeist des Italieners zurückzuführen.

Den letzten Olympiasieger Birir waren sie allerdings nun endgültig losgeworden. Und auf der Gegengeraden begann der Spurt um die Medaillen. Keter, der bisher meist einen Schritt hinter Kiptanui gelaufen war, schob sich nun plötzlich neben den großen Favoriten. Die erste Attacke konnte dieser allerdings noch kontern.

Am Wassergraben tauchte Joseph Keter - übrigens ein Jahr älter als Kiptanui, aber dennoch erstmals bei großen weltweiten Titelkämpfen dabei - jedoch erneut neben Kiptanui auf, zog diesmal wirklich vorbei und spurtete ihm auf den letzten hundert Metern davon.

Mit 8:07,12 lag die Siegerzeit im durchaus üblichen Rahmen der Hindernis-Meisterschaftsrennen jener Jahre. Doch dass Moses Kiptanui bereits bei 8:08,33 sein Leistungslimit erreichen und für ihn nur Silber heraus springen sollte, ließ sich nach seinen vielen grandiosen Auftritten in den Jahren zuvor nicht unbedingt erwarten.

Bronze sicherte sich in 8:11,28 Alessandro Lambruschini. Dahinter trudelte der abgehängte Matthew Birir als Vierter ins Ziel. Steffen Brand spurtete noch vorbei an Brahim Boulami, der einige Jahre später Hindernis-Weltrekord lief, dann aber auch positiv auf EPO getestet wurde, auf Platz sechs. Um Mark Croghan auch noch abzufangen reichte es aber nicht mehr.

Trotz dreier Weltmeisterschaften blieb dem wohl besten Hindernisläufer der Neunziger der größte Triumph, der Gewinn einer olympischen Goldmedaille versagt. Eine gewisse Enttäuschung war Moses Kiptanui im Ziel bei der Gratulation an den Sieger jedenfalls durchaus anzusehen. Für Keter, der in diesem Endlauf sogar eine neue persönliche Bestzeit erzielt hatte, blieb hingegen der Olympiasieg abgesehen von einer Afrikameisterschaft der einzige Titel in seiner Karriere.

Auch nach Olympia folgten für Kiptanui eher durchwachsene Ergebnisse. Beim Dreitausender von Monaco, in dem Daniel Komen nur um einige Hundertstelsekunden am Weltrekord vorbei schrammte, wurde er Fünfter. In Zürich gewann er zwar wieder einmal, war dabei aber zehn Sekunden langsamer als bei seinem Weltrekord im Vorjahr. Die Zeit aus dem Olympiaendlauf sollte Kiptanuis bestes Ergebnis in diesem Jahr bleiben.

In Köln landete Kiptanui über 3000 Meter sogar nur auf Rang zehn. Und anschließend fing er sich in Brüssel in seiner Paradedisziplin eine weitere Niederlage gegen Joseph Keter und auch Patrick Sang ein. Danach beendete er die Saison vorzeitig, während Daniel Komen Anfang September in Rieti den Weltrekord über drei Kilometer regelrecht pulverisierte und auf 7:20,67 drückte. Eine Marke, die auch heute noch immer steht und völlig unangefochten ist.

Kiptanui, der schon früh auf einen Trainer verzichtete, sich eigenständig vorbereitete und schließlich sogar eine eigene Trainingsgruppe um sich geschart hatte, versuchte aus dieser unglücklichen Saison seine Schlüsse zu ziehen. Einer davon war, sich zukünftig nicht mehr so zu verzetteln und sich auf seine wirkliche Stärke - nämlich die Hindernisstrecke - zu konzentrieren.

Zwar machte er im Winter wieder einige Hallenrennen mit und trat sogar über 3000 Meter bei den Weltmeisterschaften an, wo er beim Sieg von Haile Gebrselassie Platz fünf belegte. Doch nur zu Anfang der Freiluftsaison lief er einmal einen Fünftausender, bei dem er in Nürnberg erneut klar gegen Gebrselassie unterlag, und startete dann bis zur diesmal in Athen stattfindenden Weltmeisterschaft nur noch über die Hindernisse.

Der Erfolg gab ihm vorerst Recht. Einem weiteren kenianischen Titel und der damit verbunden WM-Qualifikation folgte unter anderem eine 8:01,80 in Stockholm, mit der er sich wieder einmal an die Spitze der Jahresbestenliste setzen konnte. Doch die Konkurrenz hatte aufgeholt. Wie so oft, wenn eine psychologisch markante Barriere im Sport erst einmal durchbrochen ist, kommen immer mehr Athleten in ihre Nähe oder übertreffen sie sogar ebenfalls.

Beim Rennen in der schwedischen Hauptstadt stießen jedenfalls Wilson Boit Kipketer (8:02,77) und Bernard Barmasai (8:03,51) in Zeitregionen vor, die bisher alleine Moses Kitanui vorbehalten waren. Der gerade einmal sechsundzwanzig Jahre zählende "Altmeister" musste sich jedenfalls ganz schön lang machen, um sich die beiden von Leib zu halten. Und es sollte nicht ihre letzten Bestleistungen in diesem Sommer gewesen sein.

Im Finale der Weltmeisterschaften kam es erneut zum Aufeinandertreffen dieses Trios, das die komplette Saison bestimmen sollte. Das Rennen lief nach dem gewohnten Muster ab. Die Kenianer - ganz vorne wie üblich Moses Kiptanui - zogen mit hohem Tempo das Feld erst auseinander und zerlegten es dann in seine Einzelteile.

Als letzten Begleiter hatten sie in der vorletzten Runde noch den Bronzemedaillengewinner der vergangenen Titelkämpfe Saad Shaddad Al-Asmari. Doch als es dann auf den abschließenden letzten vierhundert Metern zum Kampf um die Plätze auf dem Siegerpodest kam, musste auch der Mann aus Saudi-Arabien endgültig anerkennen, dass gegen die Dominanz der Ostafrikaner wieder einmal kein Kraut gewachsen war.

Immer noch eng zusammen kamen die drei am Wassergraben an. Kiptanui versuchte das Rennen von vorne zu gewinnen. Aber an der letzten Hürde auf der Zielgeraden schob sich Wilson Boit Kipketer an ihm vorbei und spurtete in 8:05,84 zum Sieg. Von hinten flog auch noch der eigentlich schon ein paar Meter zurück liegende Barmasai wieder heran. Das Zielfoto musste entscheiden, dass Kiptanui mit 8:06,04 vor seinem zeitgleichen Teamkollegen am Ende doch noch Silber erhielt.

Schon eine Woche später folgte in Zürich der nächste Showdown. Angereichert um weitere kenianische Weltklasseläufer wie Patrick Sang, Eliud Bargetuny und Joseph Keter ging man wie so oft im Letzigrund auf Weltrekordjagd. Und die angepeilte Bestmarke wurde wirklich unterboten.

Sechsmal in Folge hatte Moses Kiptanui den Hindernislauf in seinem "Wohnzimmer" gewonnen. An diesem Abend - an dem übrigens Haile Gebrselassie mit 12:41,86 erneut ein Weltrekord über 5000 Meter gelang - riss die Serie. Denn obwohl Kiptanui mit 8:00,78 die fünftschnellste Zeit hinlegte, die je gelaufen wurde, blieb ihm am Ende dieses Rennens nur Platz drei.

Barmasai drehte den Spieß nämlich diesmal um und kam in 8:00,35 - auch deutlich sichtbar - vor dem Dreifachweltmeister ins Ziel. Und Wilson Boit Kipketer knackte als zweiter Mensch die Acht-Minuten-Grenze, lief 7:59,08 und unterbot damit den bestehenden Rekord um ein Zehntel einer Sekunde.

Doch diese Bestmarke sollte nur ganze elf Tage Bestand haben, dann wurde sie in Köln schon wieder geknackt. Moses Kiptanui hatte inzwischen in Monaco und Brüssel gesiegt und zwei weitere Weltklassezeiten auf die Tartanbahnen gelegt. Am Rhein wollte er sich nun den an den Landsmann verlorenen Rekord endgültig wieder zurück in den eigenen Bestand holen.

Dabei traf er zum vierten Mal innerhalb von zweieinhalb Wochen auf Bernard Barmasai, den er im ständigen Hin und Her der letzten Begegnungen im Fürstentum wieder knapp hinter sich gelassen hatte. Obwohl Kiptanui das Rennen in einem unglaublichen Tempo begann, bei dem manch anderer auch ohne die im Weg stehenden Balken schon die Segel hätte streichen müssen, ließ sich Barmasai einfach nicht abschütteln.

Schon als das regelrecht aneinander klebende Duo auf die letzte Runde ging, war angesichts der Zwischenzeit eigentlich klar, dass - sollten nicht tatsächlich beide auf einmal stürzen - einer von ihnen einen neuen Weltrekord laufen würde. Doch war es eben nicht Moses Kiptanui sondern Bernard Barmasai, der schließlich in den Annalen landete. Denn im Spurt zweier Weltklasseathleten war der beinahe vier Jahre jüngere diesmal der Stärkere.

Um mehr als drei Sekunden unterbot er die Zeit von Boit Kipketer und drückte die Marke auf 7:55,72. Moses Kiptanui blieb mit 7:56,16 ebenfalls noch weit unter dem alten Rekord. Doch selbst das schnellste Hindernisrennen seines Lebens hatte nicht gereicht, um ihn zurück zu gewinnen. Die ostafrikanischen Asse hatten sich im Sommer 1997 gegenseitig zu immer neuen Bestleistungen gejagt.

Nach der Saison fand man in der ewigen Weltbestenliste mehr als fünfzig Zeiten von Kenianern, bevor erstmals überhaupt eine andere Flagge auftauchte. Und fast die Hälfte davon war im abgelaufenen Jahr erzielt. Alleine Moses Kiptanui lief sich dabei viermal neu in die Top Ten, das letzte Mal bei einem weiteren Rekordversuch in Rieti, der nach 8:00,54 endete. Insgesamt waren nun sogar sieben der zehn besten jemals erzielten Leistungen auf seinem Konto. Der Weltrekord war allerdings weg.

Noch konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass es sein letztes wirklich herausragendes Jahr gewesen sein sollte. Aber nach einigen guten Rennen zum Saisonstart - eine 8:04,96 in Rom wurde danach nur noch von Boit Kipketer und Barmasai unterboten - riss Moses Kiptanui im Sommer 1998 die Achillessehne.

Erst elf Monate danach stand er wieder an einer Startlinie. Allerdings erreichte Kiptanui nach seinem Comeback einfach nicht mehr das Leistungsvermögen, das er vor der Verletzung gehabt hatte. Selbst auf seiner Paradestrecke über die Hindernisse sprangen bei den Meetings nur noch Mittelfeldplätze für ihn heraus. Der Lauf von Rom am 14.Juli 1998 blieb das letzte Rennen, das Moses Kiptanui gewinnen konnte.

Ohne realistische Chance, sich den Traum vom Olympiagold doch noch erfüllen zu können, beendete er bereits vor seinem dreißigsten Geburtstag Mitte des Jahres 2000 seine Laufbahn. Danach arbeitete er als Trainer und betreute später unter anderem Ezekiel Kemboi, der seinen Lehrmeister mit vier Gold- und drei Silbermedaillen bei Weltmeisterschaften sowie zweimal Olympiagold, längst übertroffen hat und bezüglich Edelmetall eindeutig der erfolgreichste Hindernisläufer aller Zeiten ist.

Für die Weltmeisterschaften des Jahres 2003 wurde er sogar zum kenianischen Cheftrainer ernannt. Doch der clevere und unabhängige Kopf Kiptanui legte sich immer wieder einmal mit den nahezu allmächtigen Funktionären an und war den Posten deswegen bald wieder los. Inzwischen hat es sich als einer der energischsten Kritiker von Korruption und Doping in der Leichtathletik seiner Heimat etabliert.

Er kann es sich erlauben. Denn durch seine sportlichen Erfolge ist Kiptanui zu einem nicht nur für kenianische Verhältnisse ziemlich wohlhabenden Mann geworden. Das verdiente Geld hat er genau wie andere Athleten in Immobilien angelegt. Gerade in Eldoret, das als Großstadt mit knapp einer halben Million Menschen das Zentrum des kenianischen Läuferlands bildet, gibt es seit längerem einen regelrechten Bauboom.

Auch deswegen - und nicht nur aufgrund seiner vielen Titel und Rekorde - ist Moses Kiptanui noch immer ein Idol und Vorbild für unzählige junge kenianische Athleten, die hoffen mit dem Laufen gutes Geld zu verdienen und sich eine bessere Zukunft aufbauen zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Dominanz Kenias in den nächsten Jahren einmal enden könnte, ist aus diesem Grund eher gering.

All das sorgt dafür, dass Moses Kiptanui auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende seiner Karriere im In- und Ausland weiterhin zu den angesehensten Sportlern Kenias zählt und seine Aussagen - ob zum Laufen oder zu anderen Themen - immer wieder große Beachtung finden.

Selbst wenn er in dieser Disziplin nie olympisches Gold gewonnen hat, bleibt er trotzdem einer der größten Hindernisläufer der gesamten Leichtathletikgeschichte. Was ihn jedoch aus dieser kleinen Gruppe noch herausragen lässt, ist die Tatsache, dass er auch ohne "Böcke" Weltrekorde laufen konnte.

Das Portrait zur Serie Heroes über Moses Kiptanui erstellte Ralf Klink
Grafik Ursula Güttsches

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