Sören Kah auf dem Weg nach Rio 2016

"Mein Opa wäre stolz auf mich"

erstellt von Reinhold Daab im August 2012

Was wurde in diesem Jahr nicht schon alles über Sören Kah geschrieben. "Bester Deutscher: Kah erobert Hamburg", "Kah ist der neue Lichtblick im Marathon", "Sören Kahs Traumlauf", "Sören Kah ist die Nummer eins im Land". Das sind nur einige von vielen Schlagzeilen über den kometenhaften Aufstieg in die deutsche Laufelite des bis vor drei Jahren zumindest überregional nahezu noch unbekannten Läufers.

Wer ist diese Person, die plötzlich im Rampenlicht steht und wie geht Sören Kah mit seiner neuen Bekanntheit um? Hat sich dadurch sein Leben verändert? Wo geht seine Reise noch hin? Antworten auf diese und noch viele weitere, interessante Fragen will dieses Portrait geben.

Gehört hatte ich schon einiges über ihn, aber erstmals persönlich begegnet ist mir Sören Kah bei den Deutschen Halbmarathonmeisterschaften in Griesheim im April, wo er Vizemeister hinter Stefan Koch wurde. Kurze Zeit später sind wir uns bei der Lesung von Michael Groß im Frankfurter LaufShop wieder über den Weg gelaufen. Das war kurz vorm Hamburg Marathon, wo er mit neuer Bestzeit bester Deutscher wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Idee gereift, ein Portrait über ihn zu schreiben. Jetzt, kurz vor seiner Abreise ins 6-wöchige Höhentraining nach St. Moritz, war der richtige Zeitpunkt für ein Treffen.

Erster Zeitungsartikel (14.9.1991) Im Waldstadion 1994 als Verfolger In Diez 1995 dann ganz vorne

Sportlich aktiv ist der im Januar 1982 geborene Sören Kah seit frühester Kindheit. Wie die meisten Jungs hat er Fußball gespielt und sich für die Leichtathletik interessiert, wobei der Schwerpunkt jedoch ganz eindeutig beim Spiel mit dem Ball lag. Im Alter von 9 Jahren hat er an Kreismeisterschaften teilgenommen und ist dabei auf Anhieb 3:38 min. über 1000m gelaufen. Sein Lauftalent blieb nicht lange verborgen. Kah hat gelegentlich an Wettkämpfen teilgenommen und ist dabei Lutz Preußner, dem Lauftrainer des LAZ Lahn-Aar Diez aufgefallen, der ihn 1994 in seine Trainingsgruppe geholt hat.

Obwohl Kah in den folgenden Jahren einige Erfolge auf der Mittelstrecke erzielte, schlug sein Herz immer noch für den Fußball, so dass er im Jahre 2000 als Achtzehnjähriger die Entscheidung traf, sich nur noch auf Fußball zu konzentrieren und die Laufschuhe zur Enttäuschung seines Lauftrainers an den Nagel zu hängen.

Rund um den Herthasee 1997 3x1000m Staffel bei den Rheinlandmeisterschaften in Betzdorf 1997 Crosslauf in Diekirch 1997

Bei seinem Heimatverein SC Birlenbach erlebte er schöne und erfolgreiche Jahre als Fußballer, die jedoch 2007 jäh zu Ende gingen. Beim Aufstiegsspiel zur Bezirksliga zog sich Kah einen Kreuzbandriss zu. Nicht im Spiel sondern, man mag es kaum glauben, beim Torjubel. Nach einigen wenig erfolgreichen, konventionellen Heilungsversuchen wurde er schließlich 2008 doch noch operiert. Anschließend setzte er alles daran, endlich wieder Fußball spielen zu können.

Nach dem Abschluss seines Studiums als staatl. geprüfter Betriebswirt hielt sich Kah 2008/09 für ein halbes Jahr in Australien auf und arbeitete an seinem Comeback als Fußballer. Er musste sich jedoch bald eingestehen, dass Fußballspielen mit dem operierten Knie nicht mehr möglich war. Dafür kam er bei gelegentlichen Laufeinheiten wieder auf den Geschmack. Denn Laufen klappte umso besser und machte auch wieder richtig Spaß.

Jubel nach dem Tor und die Verletzung 2007 Auswechslung ohne Ahnung... ... das Sören Kah bei der Aufstiegsfeier letztmals die Meisterschale hält

Noch in Australien nahm er Kontakt zu seinem alten Trainer auf, informierte ihn über seine neue Lust am Laufen und trainierte nach seiner Rückkehr wieder bei seinem Verein, der LG Lahn-Aar Esterau. "Eine super Lauftruppe, ich wurde herzlich aufgenommen. Es war so, als wäre ich nie weg gewesen".

Zunächst konzentrierte Kah sich wieder auf die Mittelstrecke, sein Trainer und er merkten aber ziemlich schnell, dass seine Zukunft auf den längeren Distanzen liegt. Die Grundlage dafür holte er sich bei langen Läufen und wurde bereits im Juni 2009 bei seinem ersten Wettkampf über 10 km Kreismeister in etwa 35 Minuten, an die genaue Zeit kann er sich nicht mehr erinnern.

Trainingslager nach Rückkehr aus Australien im April 2009 Im Mai 2010: Es läuft in Duisburg über Halbmarathon beim Rhein-Ruhr Marathon Auch beim München Marathon im Oktober 2010 ist Sören Kah mit seinem Halbmarathon zufrieden

Beruflich ging es auch voran, Kah fand schnell eine Anstellung als Controller bei dem Marktforschungsunternehmen Synovate in Wiesbaden. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er noch in Fachingen an der Lahn und pendelte täglich zur Arbeit. Trainiert wurde 4-5-mal pro Woche, abends und am Wochenende. Auf die Dauer waren Pendeln und Trainieren nicht unter einen Hut zu bringen. Eine Veränderung war unausweichlich, denn die sportlichen Ambitionen wuchsen rasant. Nachdem Synovate seinen Sitz nach Frankfurt verlegt und in "IPSOS" umfirmiert hatte, ergab sich für Kah die Gelegenheit, ebenfalls in die Mainmetropole umzuziehen. Seit April 2011 ist er Teil einer vierköpfigen Wohngemeinschaft, in der er sich sehr wohl fühlt. "Hier kann ich mich zurückziehen und auch mal über was anderes als Laufen reden". In diesem Zusammenhang outete Kah sich als Eintracht-Fan. Seine alte Liebe Fußball lässt ihn nicht los und wenn er es einrichten kann, besucht er die Heimspiele der Eintracht in der Commerzbank Arena.

Lutz Preußner mit Schützling Sören Kah beim BMW Frankfurt Marathon 2011 Konzentriert beim BMW Frankfurt Marathon 2011 ... ... und immer im Zeitplan mit Punktlandung in 2:17:58 Std. ins Ziel

Die Zusammenarbeit mit Lutz Preußner, mit dem er sich sehr gut versteht und auch freundschaftlich verbunden ist ("er kennt mich genau und weiß alles über mich"), trug bald Früchte und so war Kah bis Sommer 2011 auf vielen Laufstrecken über 10 km und Halbmarathon sehr erfolgreich unterwegs. Eine neue Herausforderung musste her. Warum nicht im Herbst einen Marathon laufen? Die 3-monatige Vorbereitung verlief hart an der Schmerzgrenze. Eine 40-Stunden-Arbeitswoche und das Marathontraining zeigten ihm die Grenzen der Belastbarkeit auf. Aber es lohnte sich. Die Prognose lag bei 2:18 Stunden. Mit einer Punktlandung in 2:17:58 Std. und als zweitbester Deutscher hinter Jan Fitschen katapultierte sich Kah beim Frankfurt Marathon auf einen Schlag in die deutsche Laufelite……. und in die Schlagzeilen.

Bei den Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften im April 2012 in Griesheim freute sich Sören Kah mit Lutz Preußner über den Vize Markus Phillipp interviewt die HM-Medaillengewinner v. l.: Musa Roba-Kinkal, Sören Kah und Meister Stefan Koch

Im November kam Post vom DLV. Kah wurde von Bundestrainer Ron Weigel für den B-Kader nominiert. "Ich habe mich riesig gefreut, der ganze Aufwand hatte sich gelohnt", erzählte er. Als weiteres Bonbon unterbreitete ihm sein Arbeitgeber IPSOS das Angebot, ihn ab Februar 2012 für ein Jahr freizustellen und in dieser Zeit als Sponsor zu unterstützen.

"Seit Februar hat sich alles verändert. Jetzt kann ich mich voll und ganz auf den Sport konzentrieren. Es ist ein Traum, wie sich alles entwickelt hat", erzählte Kah freudestrahlend. Schnell wurden die Koffer gepackt, es ging ins Trainingslager nach Portugal. Das nächste große Ziel, der Hamburg Marathon im April, stand vor der Tür.

Trainingslager in Portugal im Januar 2012 Erstes Höhentrainingslager in Kenia im April 2012 mit Mocki & Co....

Dort schrieb Kah seine einzigartige Erfolgsgeschichte fort. In neuer persönlicher Bestzeit von 2:14:25 Std. und als bester deutscher Läufer war er von einem auf den anderen Tag der neue Stern am deutschen Marathonhimmel. "Die große Aufmerksamkeit, die mir von da an in der Laufszene und den Medien entgegen gebracht wurde, war mir fast ein wenig peinlich", beschreibt er seine Gefühle.

Bei dieser rasanten Leistungssteigerung stellt sich unweigerlich die Frage, wohin die Reise von Sören Kah noch gehen kann. Er weiß es und hat ein klares Ziel vor Augen, das er auch formuliert: "Mein Traum sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro ".

Bis dahin ist es noch ein weiter, steiniger und entbehrungsreicher Weg, den Kah in kleinen Schritten verfolgen will. Er kann dabei voll und ganz auf die Unterstützung seiner Familie zählen, die hinter ihm steht, ihn bekräftigt und ihm den nötigen Rückhalt gibt. Kah nutzt daher auch jede Gelegenheit zum Besuch in der alten Heimat, um abzuschalten und Kraft zu tanken. Leider kann sein Opa das nicht mehr erleben, der 2009 im stolzen Alter von 88 Jahren verstorben ist. "Ich muss sehr oft an ihn denken, gerade dann, wenn es hart wird oder beim Zieleinlauf. Das gibt mir Kraft. Mein Opa wäre stolz auf mich".

Tolle Erfolge, neue Pflichten, Sören Kah ist gefragt... ... und seit dem Haspa Hamburg Marathon in 2:14:25 h hofft er auf eine weitere Steigerung vor heimischen Publikum beim BMW Frankfurt Marathon

Bis Anfang Oktober bereitet sich Sören Kah beim Höhentraining in St. Moritz auf den Frankfurt Marathon vor. Es gab die Option zwischen München mit den Deutschen Marathon-Meisterschaften und Frankfurt, er hat sich für seinen Wohnort entschieden, läuft aber trotzdem in München den Halbmarathon. "In Frankfurt sind die Rahmenbedingungen für mich ideal". Die Vorgabe lautet, eine Zeit unter 2:14 Std. zu erzielen, denn Kah peilt bereits sein nächstes, großes Ziel an: Die Qualifikation für die Leichtathletik-WM in Moskau im nächsten Jahr. "Das wäre super und ein großer Schritt auf dem Weg nach Rio". Vorher will er aber noch bei den Deutschen Straßenlaufmeisterschaften über 10 km in Nagold ein Wörtchen mitreden. Dafür unterbricht er kurz das Höhentraining in St. Moritz.

Die Ziele sind klar formuliert. Bei seiner Entschlossenheit und Zielstrebigkeit ist Sören Kah alles zuzutrauen. Wir sehen uns in Rio! Sören Kah auf der Marathonstrecke, ich am Fernseher und Opa schaut uns (vielleicht) von oben zu und ist stolz auf seinen Enkel.

Ein kleiner, imposanter Auszug aus den persönlichen Bestzeiten

Sören Kah

Bestzeiten
3000 m Bahn
8:14,27 min.
2012
Saarbrücken
5000 m Bahn
14:12,71 min.
2011
Kassel
10.000 Bahn
30:16,12 min.
2011
Essen
10 km Straße
29:45 min.
2011
Oelde
Halbmarathon
1:04:42 Std.
2012
München
Marathon
2:13:57 Std.
2012
Frankfurt
Verein: LG Lahn-Aar Esterau

Das Porträt von Sören Kah erstellte: Reinhold Daab
Fotos © LaufReport, Reinhold Daab und privat

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