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Portrait Klaus Goldammer Vom Kreisklasse-Fußballer zum Senkrechtstarter |
von Holger Czäczine im Februar 2021
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Anfang Februar hatte ich die Gelegenheit, mich 2 Stunden mit dem schnellsten und vielseitigsten Senioren-Langstrecken-Läufer Deutschlands per Chat zu unterhalten. Ich kenne ihn persönlich aus meiner Zeit als ambitionierter Läufer in den 80er Jahren der DDR. Es war ein erfrischendes Interview mit dem total fitten Endsechziger. Das Ergebnis des langen Gespräches habe ich als Portrait zusammengefasst.
Kindheit, Jugend und Studium in Leipzig
Klaus Goldammer wurde 1952 in Leipzig geboren und wuchs im Stadtteil Gohlis im Norden der Messestadt auf. Er besuchte in Leipzig-Gohlis auch die Polytechnische Oberschule und später das Gymnasium (Erweiterte Oberschule). In seiner Jugend war er Fan von Chemie Leipzig, einem Kult-Fußballclub etwa vergleichbar mit Waldhof Mannheim in der Rhein-Neckar-Region, der im Stadtteil Leutzsch beheimatet ist. Den Weg von seiner elterlichen Wohnung in Gohlis in den 8km entfernten Georg-Schwarz-Sportpark legte er meist zu Fuß zurück und manchmal trabte er auch ein paar 100m dabei. Waren das schon die Anfänge seiner Läuferkarriere? Dazu dann später mehr. Nach der Armeezeit nahm er ein Sprach-Studium für Englisch und Spanisch an der Karl-Marx-Universität in seiner Heimatstadt Leipzig auf. Während des Studiums kickte er in der Leipziger Kreisklasse in der Uni-Fußball-Mannschaft der HSG KMU.
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Klaus Goldammer im Höhentraining in Flagstaff - Foto © Boris Bansemer |
Berufliche Laufbahn
Nach Abschluss seines Studiums im Jahre 1978 arbeite er 3 Jahre an einem Institut in Berlin als Übersetzer und Dolmetscher. Während dieser Tätigkeit lernte er viele verschiedene Menschen und Persönlichkeiten aus lateinamerikanischen Staaten wie Kuba und Nicaragua, Argentinien und Mexiko kennen und schätzen. Für ein paar Monate war er auch zu einem Praktikum in Kuba. Dort joggte er bisweilen, wenn wieder mal kein Stadtbus in Havanna kam, um von A nach B zu kommen. Im Jahre 1981 wechselte Klaus zur Außenhandelsfirma TechnoCommerz in Berlin. Hier war er viele Jahre als Simultandolmetscher und Übersetzer tätig. Außerdem leitete er die Übersetzerabteilung. 1982 promovierte er an der Karl-Marx-Universität Leipzig auf dem Gebiet der Hispanoamerikanistik. Seit 1995 ist Klaus Goldammer freiberuflicher Übersetzer.
Läuferische Anfänge in Berlin
Als Klaus nach dem Studium in Berlin arbeitete, war er in den Sommermonaten beim Tennis aktiv. In den Wintermonaten fehlte ihm dann sehr seine Fußball-Mannschaft aus der Leipziger Studentenzeit. So fing er mit 26 Jahren für sich an etwas zu joggen, erst im Dunkeln auf beleuchteten Fußwegen und später auf dem Nebenplatz eines Ostberliner Stadions. Auch hier lief er anfangs noch mehr für sich, ohne einen Trainingspartner. Um seine Leistungen zu steigern, machte er Intervall-Training (100 bis 400m) mit mehreren Wiederholungen und stoppte akribisch seine Zeiten. Hier erweckte in ihm dann auch der sportliche Ehrgeiz, sich weiter und weiter zu verbessern. Nach und nach, es war so im Herbst 1979, lernte Klaus Goldammer beim Bahn-Training an der Cantianstraße die damalige Ostberliner Laufszene kennen. Es waren richtige "Lauf-Verrückte" wie u. a. Bertold Rämisch, Eckart Broy und Wolfgang Kahms sowie später Roland Winkler und Manfred Vetter, die sich dort jeden Abend tummelten und ihre Runden auf der roten Aschenbahn drehten. Einen Trainer oder Übungsleiter hatte Klaus Goldammer, oder Goldi wie er später in der DDR-Laufszene nur noch gerufen wurde, nicht. Das war auch nicht notwendig, die Laufszene war damals noch ziemlich überschaubar und die Lauf-Protagonisten von Berlin-Mitte tauschten sich gegenseitig aus. Irgendein Läufer hatte auch eine Oma oder einen Opa, der mal aus Westberlin den damaligen Bestseller "Marathon-Training" mitbrachte. Das Buch von Manfred Steffny saugten die laufenden Jungs dann richtig in sich hinein.
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Klaus Goldammer beim Crosslauftraining mit Boris Bansemer - Foto © Boris Bansemer |
"Goldi" als ambitionierter Läufer
auf Bahn und Straße
in den 80ern und letzter DDR-Marathonmeister
Beim Silvesterlauf 1979 im Berliner Plänterwald startete Klaus Goldammer das erste Mal bei einem Wettkampf und lief auf Anhieb die 10km in 36 Minuten. Ein Jahr später verblüffte er an gleicher Stelle die etablierten Berliner Läufer mit einer 30er Zeit und war nun der "Senkrechtstarter" der DDR-Laufszene. Sein Marathondebüt gab Goldi auch 1980 im Plänterwald und finishte nach 3:09 Stunden, da fehlte nicht viel um die 3 Stunden zu "knacken". Beim zweiten Versuch zeigte er dann mit 2:47 schon sein super Talent für den Ausdauersport. Klaus Goldammer trainierte nun immer systematischer und der Sieg bei den "Kleinen DDR-Meisterschaften" (Meisterschaften ohne staatlich geförderte Eliteathleten) 1981 über 5.000 Meter im thüringischen Apolda war dann folgerichtig.
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Klaus Goldammer Titelgewinner bei der DM 2013 in Mönchengladbach über 5000m (17:45,45) und Vizemeister über 1500m (4:50,84) - Fotos © Herbert Jähtzen | Klaus Goldammer 2012 bei der DM in
Erfurt M60-Titelgewinner über 1500m (4:50,33) und über 5000m (17:50,91)
Foto © Herbert Jähtzen |
Schon 1980 bei der Kleinen 10.000m DDR-Meisterschaft im sächsischen Kamenz war Goldi lange in der Spitzengruppe mitgelaufen, aber in der zweiten Rennhälfte machte sich doch seine noch fehlende Tempohärte bemerkbar. Im September 1982 holte er sich im Leipziger Stadion des Friedens sogar den Doppeltitel über 5.000 und 10.000m vor dem Abonnementsmeister Manfred Vetter von der Hochschule für Ökonomie in Berlin. Bereits im Juni 1981 gewann Klaus Goldammer, der sich jetzt der BSG Einheit Pankow angeschlossen hatte, den KMU-Marathon in seiner Heimatstadt Leipzig in 2:27:00 vor dem eigentlichen Favoriten und mehrfachen Rennsteig-Ultralaufsieger Dietmar Knies. Auch hier wurde er Kleiner Meister im Marathon. Beim Leipzig-Marathon war er in den Folgejahren Stammgast und siegte in den Jahren 1982, 1984, 1990, 1996 und 1997. Mitte Juni 1990 wurde er, jetzt im weiß-roten Trikot des TSC Berlin, im Rahmen des ersten DB-Marathons in Leipzig letzter DDR-Meister über die klassischen 42,195 Kilometer vor Jörg Peters von Stahl Thale und dem eigentlichen Favoriten Torsten Storch vom TSC Berlin. Mit einem Augenzwinkern sagt Goldi heute, er sei der "amtierende DDR-Meister" im Marathon und er habe diesen Titel wohl sozusagen auf Lebenszeit. 1989 hatte sich Klaus bereits den Vize-Meistertitel im Marathon geholt.
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Klaus Goldammer führt 2015 bei der Hallen-DM
in Erfurt über 3000m (10:46,24) Foto © privat |
Klaus Goldammer 2012 bei der DM in Erfurt - Foto © Herbert Jähtzen |
Im September 1981 gewann Klaus Goldammer in Berlin den Lichtenberg-Marathon in 2:29:22 Stunden, ein Jahr später siegte er gemeinsam mit Roland Winkler beim Marathon des Berliner Friedenslaufes in starken 2:23:57. Auch 1985 holte er sich den Sieg beim damals größten Volkslauf der DDR in 2:24:52. In den Jahren 1984 und 1987 gewann Klaus Goldammer den Marathon beim Rennsteiglauf in Thüringen, der zu dieser Zeit eine Distanz von ca. 45km mit vielen Höhenmetern hatte. Seine Marathonbestzeit von 2:16:59 lief er als Sechster des Herbstmarathons in Budapest im Oktober 1986.
Für die DDR-Sportfunktionäre war Klaus Goldammer schon zu alt, um in den staatlich geförderten Leistungskader (das elitäre DDR-Sportclubsystem) aufgenommen zu werden. Außerdem hatte er West-Verwandtschaft in Nürnberg, was Reisen zu Meisterschaften ins westliche Ausland ausschloss. Erst 1989 holte ihn der damalige Marathon-Nationaltrainer als Trainingspartner für den 2:09 Marathonläufer Michael Heilmann zum Turn- und Sportclub Berlin. Er hatte aber auch jetzt nur den Status eines Sparringspartners und an Höhentrainingslager oder gar Starts im westlichen Ausland, z. B. bei Marathon-Europacups, war weiter nicht zu denken, obwohl er von den Leistungen her eigentlich ins National-Team gehörte. Der Status des Trainingspartners beim TSC Berlin hatte aber auch den Vorteil, dass Goldi dadurch nicht ins staatliche DDR-Dopingsystem integriert wurde. Seine Auslandsstarts in Polen, Ungarn und Bulgarien bezahlte er aus eigener Tasche. Aber die politischen Veränderungen im Herbst 1989 legten dann den Grundstein für Klaus Goldammers spätere Starts bei den Senioren-EM und WM, quasi eine Karriere, die er sich immer erträumt hatte.
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Laufkarriere nach der Wende Nach der Wende war Goldi als Seniorenläufer bei vielen Welt- und Europameisterschaften auf verschiedenen Distanzen sehr erfolgreich. Ab sofort war er nun im hellblauen Trikot des OSC Berlin unterwegs. Im Jahre 1992 wurde Klaus bei seinem ersten Start in der Masterklasse M40 Zweiter der WM im 25km-Straßenlauf. Fünf Jahre später vergoldete er die Silbermedaille von 92 auf der gleichen Distanz und wurde Senioren-Weltmeister der M45. 2002 wurde er 5fach-Sieger (10 km, Crosslauf, 1500m, 5000m und Halbmarathon) bei den Weltspielen der Senioren in Melbourne, und 2004 holte er sich den Weltmeistertitel im 10km-Straßenlauf der M50. Schließlich erfüllte sich Goldi 2013 im brasilianischen Porto Alegre als M60er auch den Traum vom Marathon-Weltmeistertitel, flankiert vom 10.000m-Sieg und einem 2. Platz über die 5.000 Meter. Sehr stolz ist Klaus Goldammer vor allem auf seinen 3000m Hallen-Weltrekord der M45, den er 1999 in der Berliner Rudolf-Harbig-Halle in 8:36 Minuten aufstellte. |
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Klaus Goldammer läuft vorbei am "The Lumberjack" - dem Stadtsymbol von Flagstaff - Foto © Boris Bansemer |
Auch heute arbeitet Klaus noch als freiberuflicher Übersetzer und verbringt die Wintermonate meistens auf Mallorca. Hier lädt er auch oft Laufreunde zu kleinen Trainingscamps auf die Insel ein. Auch Höhentrainingslager für ambitionierte Läuferinnen und Läufer z. B. in Flagstaff (USA) hat Goldi schon organisiert. Das LaufReport-Team wünscht Klaus Goldammer noch viele schöne sportliche Jahre bei bester Gesundheit.
Größte sportliche Erfolge
Insgesamt 120 Marathons gelaufen und davon 30 Gesamtsiege, plus weitere 64 Altersklassen-Siege
Mastersklasse ab 1992 |
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8facher Weltmeister auf den Distanzen von 3000 m bis Marathon |
14 Siege und Podestplätze bei Europameisterschaften |
37facher Deutscher Meister auf verschiedenen Distanzen |
Jüngste wichtigste Erfolge |
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Weltmeister im Berglauf 2010 |
Weltmeister 10.000 m und Marathon 2013 |
Europa-Meister Marathon 2017 und Halbmarathon 2018 |
7 Deutsche Meister - Titel in 2017 auf den Distanzen von 1500 m bis Marathon |
Persönliche Bestzeiten |
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1500m |
3:59,0 min |
1985 Berlin |
3000m |
8:23 min |
1983 Berlin |
5000m |
14:23 min |
1987 Greifswald |
10.000m |
30:04 min |
1982 Berlin |
10km Straßenlauf |
29:43 min |
1992 Phoenix |
20km Straßenlauf |
1:02:22 h |
1986 Berlin |
Stundenlauf |
19.070 m |
1986 Leipzig |
Halbmarathon (M40) |
1:06:54 h |
1995 Dünkirchen |
25km Straßenlauf |
1:18:58 h |
1984 Aue |
Marathon |
2:16:59 h |
1986 Budapest |
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Das Porträt "Klaus 'Goldi' Goldammer"
erstellte Holger Czäczine
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