Bruce Fordyce

Der König des Comrades

von Ralf Klink im Dezember 2020 

Er hat nie einen großen internationalen Titel gewonnen. Er ist auch nie einen wirklich bedeutenden Rekord gelaufen. Er war nie bei Olympia dabei. Er steht bei keinem der großen City-Marathons in den Siegerlisten. Und außerhalb seiner Heimat Südafrika ist er selbst Sportinteressierten praktisch kaum bekannt. Nicht einmal eine nationale Meisterschaft konnte er während seiner Karriere erringen.

Doch wenn man am Kap nach dem größten Läufer fragt, den das Land je hervorgebracht hat, wird die Antwort nicht etwa die mehrfache Weltrekordlerin Zola Budd sein. Der Marathon-Olympiasieger von 1996 Josia Thugwane dürfte ebenfalls eher selten genannt werden - und schon gar nicht Kennedy McArthur sein Vorgänger von 1912. Auch Elana Meyer, die 1992 mit Silber über 10.000 Meter wieder die erste olympische Medaille nach dem jahrzehntelangen Ausschluss des Landes gewann und mehrere Halbmarathonweltrekorde aufstellte, ist dabei nicht erste Wahl.

In mindestens acht von zehn Fällen wird man wohl vielmehr den Namen "Bruce Fordyce" zu hören bekommen. Doch welche herausragenden Leistungen liegen diesem Urteil denn zugrunde, wenn Fordyce keine der obigen Anforderungen erfüllt? Nun, er hat den Comrades Marathon, den ältesten, größten und wichtigsten Ultralauf in Südafrika und wohl auch weltweit, insgesamt neunmal gewonnen.

Mehrfachsieger gibt es in der fast einhundertjährigen Geschichte eine ganze Reihe. So gewann Arthur Newton gleich in der Anfangszeit der Zwanziger das Rennen fünfmal. Auch Hardy Ballington, der vor dem zweiten Weltkrieg viermal und nach der durch den Krieg erzwungen Pause noch ein weiteres Mal siegte, kommt auf diese Gesamtzahl.

Noch viel länger ist die Periode, die Wally Hayward für seine ebenfalls fünf Siege benötigte. Denn er gewann 1930 im Alter von gerade einmal einundzwanzig Jahren zum ersten Mal und war bei seinem letzten Erfolg 1954 bereits fünfundvierzig, was ihn in der Rangliste der größten südafrikanischen Läufer weit nach oben befördert. Mit stolzen achtzig Jahren war er 1989 zudem auch der bisher älteste Läufer, der den Lauf innerhalb des strengen Zeitlimits - damals elf, heute zwölf Stunden - bewältigen konnte.

In den Sechzigern kam noch ein weiterer Läufer auf fünf Siege, Jackie Mekler. Und Alan Robb hätte vielleicht auch mehr als viermal gewinnen könne, wenn er nicht in seiner besten Zeit auf den gerade einmal zwei Jahre jüngeren Bruce Fordyce getroffen wäre. Doch dessen neun Siege sind eben völlig unübertroffen.

Und angesichts der Bedeutung, die der Comrades in Südafrika hat, ist Fordyces Spitzenposition weitgehend unumstritten. Schließlich ist der knapp neunzig Kilometer lange Lauf zwischen den Städten Pietermaritzburg und Durban in der Provinz KwaZulu Natal die Veranstaltung, über die sich die gesamte südafrikanische Laufszene definiert, durch das sie sich von allen anderen weltweit unterscheidet.

Es ist ein Rennen, das im Land jeder, aber auch wirklich jeder - egal ob Läufer oder nicht - kennt. Ein Rennen das in immer voller Länge - vom Startschuss morgens um halb sechs bis zum Drama, dass sich zwölf Stunden später abspielt, wenn ein weiterer Schuss über Erfolg mit Medaille oder Misserfolg mit leeren Händen entscheidet - im südafrikanischen Fernsehen übertragen wird.

Und jedes Mal verfolgt ein Millionenpublikum im ganzen Land die Sendung vor den Bildschirmen. Nicht nur die Entscheidung an der Spitze ist dabei interessant. Vielmehr ist es gerade der gnadenlose Zielschluss, der fast immer für eine der höchsten TV-Einschaltquoten des ganzen Jahres sorgt.

Mit einem "normalen" Marathon reißt man am Kap wahrlich niemanden vom Hocker. Als ein "richtiger" Läufer gilt vielmehr nur, wer mindestens eine Comrades-Medaille im Schrank hat. Obwohl die Aussage natürlich auch viel Augenzwinkern beinhaltet, sagen die auf südafrikanischen Laufmessen verkauften T-Shirt mit dem Aufdruck "South Africa - where marathon is just training" durchaus die Wahrheit.

Während man im Rest der Welt als Anfänger sicher nicht direkt einen Ultramarathon im Blick hat, ist es in Südafrika nichts Besonderes, dass man mit dem Laufen beginnt, weil man beim Comrades dabei sein will. Auch der spätere Rekordsieger Bruce Fordyce wurde durch die Fernsehübertragung des Rennens zumindest zum Wiedereinstieg in den Sport motiviert.

Der am 3. Dezember 1955 in Hongkong als Sohn eines Soldaten geborene, in Singapur, Malaysia und auch in Großbritannien aufgewachsene und erst im Alter von dreizehn Jahren mit seinen Eltern nach Johannesburg zurückgekehrte Fordyce hatte während seiner Schulzeit durchaus läuferisches Talent gezeigt, an Wettkämpfen teilgenommen und einige davon auch gewonnen.

Doch seine sportlichen Ambitionen schliefen nach und nach ein. Und nachdem er sein Archäologie-Studium an der renommierten University of the Witwatersrand begann, hatte er endgültig andere Schwerpunkte. Im Jahr 1976 verfolgte er dann fasziniert den Comrades vor dem Bildschirm und beschloss zwölf Monate später ebenfalls dabei zu sein.

Seine ersten Einheiten bestanden nur aus einigen wenigen Runden um das Rugbyfeld der Universität. Relativ schnell konnte Fordyce allerdings Fortschritte erkennen und die Laufstrecke deutlich verlängern. Nach einem halben Jahr Solotraining trat er dann dem Sportclub der Universität bei. Gemeinsam mit seinen Trainingskameraden absolvierte er zum Aufbau dann immer längere Wettkampfstrecken.

Ein solches Steigerungsprogramm ist relativ problemlos möglich, weil sich - damals wie heute - der südafrikanische Rennkalenders fast ausschließlich am Comrades orientiert. So findet etwa der größte Teil der Marathons am Kap ausgerechnet im Sommerhalbjahr der Südhalbkugel statt, um Ultra-Aspiranten neben Trainings- auch Qualifikationsmöglichkeiten zu bieten. Ohne zuvor einen Marathon in weniger als fünf Stunden bewältigt zu haben, darf man beim Comrades nämlich gar nicht antreten.

Im Januar startete Fordyce also bei einem Fünfundzwanziger in Germiston, einem der vielen Vororte der Millionenmetropole Johannesburg. Einen Monat darauf folgten zwanzig Meilen, also zweiunddreißig Kilometer im ebenfalls noch zum Großraum gehörenden Springs. Im April lief Fordyce beim Vaal Marathon von Vereeniging zum ersten Mal die klassischen 42,195 Kilometer. Sowohl das Rennen in Springs als auch der Vaal Marathon existieren übrigens heute noch und zählen jeweils inzwischen rund fünfzig Auflagen.

Vier Wochen später setzte er beim erneut in Germiston endenden Pieter Korkie Marathon dann sogar noch einen drauf, denn bei diesem waren trotz des Namens sechsundfünfzig Kilometer - oder im britisch-imperialen Maßsystem fünfunddreißig Meilen - zu bewältigen. Der bereits 1952 erstmals gelaufene "Korkie" wurde zwar nach über einem halben Jahrhundert inzwischen eingestellt, aber es gibt in den Monaten März und April weiterhin etliche Ultras als Comrades-Einstimmung.

Mit einundzwanzig Jahren stand Fordyce dann am letzten Tag im Mai - zu jener Zeit ein Feiertag in Südafrika und jahrzehntelang das traditionelle Austragungsdatum für den Comrades - mit rund zweitausend anderen Läufern in Durban an der Startlinie, um den langen Weg ins sechshundert Meter höher gelegene Pietermaritzburg in Angriff zu nehmen. Diesmal war nämlich bei der sich jährlich umkehrenden Streckenführung ein sogenannter "Up-Run" an der Reihe.

Trotz einer Vorbereitung von gerade einmal einem Jahr kam der schmächtige Blondschopf gleich bei seiner Premiere extrem gut mit der Distanz und der mit rund zweitausend Höhenmeter gespickten Strecke zurecht. Denn nach 6:45 lief er auf Gesamtrang fünfundvierzig nicht einmal eine Stunde nach Sieger Alan Robb, der damit seinen zweiten Comrades in Folge gewinnen konnte, ins Ziel.

Zwar war Fordyce damit noch weit von einem Spitzenplatz entfernt und aus der Mannschaft der "Wits" - wie die Witwatersrand-Universität meist umgangssprachlich bezeichnet wird - auch nur der drittbeste Läufer. Allerdings war er nach diesem - weit besser als erwartet ausgefallenen - Ergebnis endgültig auf den Geschmack gekommen und trainierte eifrig weiter, um sein unverkennbar vorhandenes Potential beim nächsten Mal noch deutlich besser ausreizen zu können.

Beim Comrades des Jahres 1978 von Pietermaritzburg nach Durban verbesserte er sich dann auch um über eine halbe Stunde auf 6:11. Die Ergebnisse sind dabei trotz umgedrehter Streckenführung durchaus vergleichbar. Denn mit vierzehnhundert Metern Steigung und zweitausend Metern Gefälle geht auch ein Down-Run alles andere als "nur bergab". Und aufgrund des traditionellen Starts vor dem Rathaus und des Einlaufes im Stadion der jeweiligen Städte ist er zudem stets ein wenig länger.

Fordyce wurde damit bereits Vierzehnter des inzwischen rund dreitausend Köpfe zählenden Feldes, aus dem es 2601 Starter tatsächlich schafften, die Distanz innerhalb der vorgegeben elf Stunden zu bewältigen. Zum Vergleich sei erwähnt, dass der größte deutsche Marathon im Schwarzwald in gleichen Jahr dagegen keine zweitausend Läufer im Ziel zählte.

Zeitlich kam Bruce Fordyce der absoluten Spitze aber nur unwesentlich näher als im Vorjahr. Denn Alan Robb hatte einen absoluten Sahnetag erwischt und demontierte die Konkurrenz auf dem letzten Drittel der Distanz regelrecht. Mit 5:29:14 verbesserte er nicht nur den bisherigen Streckenrekord um ziemlich exakt zehn Minuten, sondern blieb als erster Läufer bei einem Comrades auch unter fünfeinhalb Stunden. Fast zwanzig Minuten betrug sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten Dave Wright.

Das Jahr 1979 sah dann den endgültigen Durchbruch von Fordyce in den Kreis der ernsthaften Sieganwärter beim Comrades. Bereits im März konnte er beim Vaal Marathon nach 2:28:13 erstmals einen Lauf über diese Distanz als Sieger beenden. Doch auf der Rechnung hatte Bruce Fordyce deswegen natürlich niemand. Neben dem hochgewetteten Dreifachsieger Alan Robb war schließlich unter anderem auch der 2:15-Marathoner Johnny Halberstadt am Start.

Halberstadt, der erstmals beim Comrades antrat, war es dann auch, der sich früh an die Spitze des Feldes setzte und bis zur Halbzeitmarke bei Drummond einen Vorsprung von vier Minuten auf seinen nächsten Verfolger Piet Vorster herauslief. Favorit Alan Robb befand sich dagegen nicht einmal mehr unter den besten Zehn und folgte bereits klar abgeschlagen mit mehr als zehn Minuten Rückstand. Bruce Fordyce lag sogar noch weiter zurück.

Doch nach drei Vierteln der Strecke gingen Halberstadt die Kräfte aus und der aus dem Zielort Pietermaritzbug stammende Vorster kam wieder deutlich näher heran. Und viel schneller als erwartet ging er sogar in Führung. Denn der lange wie der sichere Sieger aussehende Halberstadt bekam Krämpfe und musste tatenlos zusehen, wie zuerst Piet Vorster und dann auch noch Dave Wright vorbei gingen, während er am Straßenrand lag und von Helfern massiert wurde.

Bruce Fordyce hatte sich inzwischen nach vorne gearbeitet und den an diesem Tag ziemlich indisponierten und deswegen auch leicht demoralisierten Alan Robb überholt. Doch sowohl der Vorjahressieger als auch Johnny Halberstadt gaben nicht auf und kämpften weiter. Halberstadt zog auf den letzten zehn Kilometern wieder an Wright vorbei, der anschließend sogar noch auf Platz zehn durchgereicht wurde. Und Robb arbeitete sich noch bis auf Platz fünf nach vor.

Den lange Zeit praktisch unterhalb des Radars laufenden Fordyce bekam er aber nicht mehr zu Gesicht. Zehn Minuten trennten die beiden schließlich im Ziel. Vielmehr kam der dreiundzwanzigjährige Archäologie-Student sogar auf den letzten Kilometern durch "PMB" - wie der lange komplizierte Name des Zielortes oft flapsig abgekürzt wird - noch bis auf fünfundvierzig Sekunden an Halberstadt heran und wurde in 5:51:15 überraschend Dritter.

Lokalmatador Piet Vorster, der noch am Morgen eigentlich wegen Problemen mit der Achillessehne gar nicht antreten wollte und erst von seinem Bruder zu seinem Glück überredet werden musste, lief als überlegener Sieger in 5:45:02 noch einmal zwei Minuten schneller als Alan Robb zwei Jahre zuvor und stellte damit einen neuen Rekord für den Up-Run auf. Allerdings war die Distanz wegen einer leicht veränderten Strecke auch etwas kürzer.

Denn selbst wenn der grundsätzliche Verlauf der Route in der nun schon beinahe hundertjährigen Geschichte des Comrades nie verändert wurde, gab und gibt es natürlich aufgrund von Bauarbeiten, neuen Straßenführungen oder auch neuer logistischer Anforderungen durch die immer größer werdenden Felder fast jährlich Anpassungen im Detail und deswegen auch stets unterschiedliche Streckenlängen. Trotzdem werden Rekorde geführt und entsprechend gewürdigt.

Natürlich stand noch die Bestätigung aus, dass es sich bei dem dritten Platz von 1979 nicht um eine Eintagsfliege gehandelt hatte. Doch nach dieser Leistung wurde Bruce Fordyce nun definitiv von niemandem mehr unterschätzt, als er ein Jahr später in Pietermaritzburg zum vierten Mal beim Comrades Marathon an die Startlinie trat.

Favoriten waren aber immer noch andere. Nachdem weder Alan Robb noch Piet Vorster im Vorfeld mit wirklich überzeugenden Ergebnissen aufwarten konnten, galt Johnny Halberstadt als heißester Anwärter. Einige Monate nach seinem zweiten Platz hatte er im Vorjahr mit 2:12:19 einen neuen südafrikanischen Marathonrekord erzielt und danach mehrere weitere Marathons gewonnen - zuletzt hatte er sechs Wochen vor dem Comrades beim "Korkie" knapp den Streckenrekord verfehlt.

Den Fehler eines frühen Ausreißversuches machte er aber diesmal nicht mehr, sondern hielt sich erst einmal zurück. Nachdem sich wie üblich einige Heißsporne auf dem ersten Streckendrittel ausgetobt hatten, führte Deon Holtzhausen ein lose verstreutes Spitzenfeld über die Halbzeitmarke. Innerhalb von knapp zwei Minuten folgte mehr als ein halbes Dutzend weiterer Läufer, darunter Robb, Halberstadt und Vorster.

Bruce Fordyce kam an diese landschaftlich herrlich auf einem Hügelkamm gelegene Stelle erst acht Minuten nach dem Führenden auf Rang neunzehn vorbei. Diese eher defensive, abwartende Taktik behielt er auch in späteren Jahren stets bei. Selbst wenn die Abstände nicht mehr ganz so groß waren, passierte Fordyce bei keinem einzigen seiner neun Erfolge Drummond an der Spitze des Feldes.

Eine Stunde später hatte er sich dann aber schon auf Platz fünf vorgearbeitet. Die Führung hatte zu diesem Zeitpunkt Hoseah Tjale inne, der als einer der ersten schwarzen Läufer nach der Öffnung des Rennens im Jahr 1975 ernsthaft um den Sieg mitlief und zwei Monate zuvor den Two Oceans Marathon - ursprünglich auch nur als ein fünfunddreißig Meilen langes Vorbereitungsrennen für den Comrades ins Leben gerufen - gewonnen hatte.

Zwanzig Kilometer vor dem Ziel hatte "Hoss" Tjale seinen Vorsprung gegenüber dem zweitplatzierten Alan Robb auf stolze zweieinhalb Minuten ausgebaut. Aber wie ein Jahr zuvor Johnny Halberstadt musste er bald darauf von Krämpfen geplagt den ersten Platz praktisch ohne Gegenwehr an seinen Verfolger abgeben, der seinem vierten Sieg entgegenlief. Halberstadt hatte in der Schlussphase übrigens ebenfalls erneut schwere Krämpfe und kam diesmal nicht ins Ziel.

Wenig später wurde Tjale von Malcolm Ball und dann auch von Bruce Fordyce überholt, der damit nun schon auf Platz drei vorgelaufen war. Nach dem erträumten Sieg geriet damit auch der Treppchenplatz für Tjale außer Reichweite. Doch er biss sich durch, kam schließlich als Sechster ins Ziel und sicherte sich seine erste goldene Medaille, denn diese werden beim Comrades für die ersten zehn Plätze vergeben.

Auf den letzten zehn Kilometern nach Durban hinein nahm Fordyce dem vor ihm laufenden Ball über eine Minute ab, sammelte ihn tatsächlich am Eingang des Kingsmead Stadium noch ein, legte auf der langen Runde auf dem Rasen des Cricketstadions noch vierzehn Sekunden zwischen sich und den nun Drittplatzierten und wurde in 5:40:31 Zweiter. Gegen den mit 5:38:25 zum vierten Mal siegreichen Alan Robb konnte er aber auf dem Schlussabschnitt kaum noch etwas gut machen.

Doch im Gegensatz zum Sieger und auch allen anderen Läufern auf den vorderen Plätzen lief Bruce Fordyce praktisch als Einziger eine schnellere zweite Hälfte - und das obwohl das gesamte Nettogefälle des Down-Runs sich in diesem Abschnitt befindet. Andererseits sinnierten nicht wenige - auch Fordyce selbst - später darüber, ob er nicht auch schon diesen Comrades hätte gewinnen können, wenn er bereits früher im Rennen etwas mehr Risiko eingegangen wäre.

Fordyce gegen Robb schien das große Duell für die nächsten Comrades Marathons zu lauten. Als Mittzwanziger standen beide schließlich voll im Saft und hatten noch etliche Jahre auf höchstem Niveau vor sich. Bruce Fordyce zeigte sich im Vorfeld zudem auch auf "kürzeren" Strecken deutlich verbessert und setzte im Februar als Fünfter beim Peninsula Marathon in Kapstadt mit 2:18:52 eine neue persönliche Bestmarke.

Doch aus dem erhofften großen Duell der beiden von ihrer Statur so gegensätzlichen Läufer - im Gegensatz zum schmächtigen, kleingewachsenen Bruce Fordyce war Alan Robb recht athletisch gebaut und fast einen Kopf größer - wurde es beim Comrades 1981 erst einmal nichts. Denn Robb hatte sich kurz vor dem Rennen eine Erkältung eingefangen, trat zwar an, blieb aber als Fünfundzwanzigster in 6:21:53 weit unter seinen Möglichkeiten.

Und auch Bruce Fordyce wäre beinahe nicht angetreten - allerdings aus ganz anderen Gründen. Der Comrades sollte nämlich Bestandteil der Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag der Republik Südafrika sein. Diese hatte die Regierung 1961 ausgerufen, nachdem die internationale Kritik gegen ihre Apartheid-Politik beständig lauter und auch von den anderen Ländern des britischen Commonwealth der Druck immer größer geworden war.

Fordyce war als klarer Gegner der Rassentrennung bis zuletzt im Zweifel, ob er starten und sich damit indirekt auch an der Republic-Day-Feier teilnehmen sollte. Er entschied sich schließlich dafür, wie etliche andere Teilnehmer mit einem schwarzen Trauerflor als Zeichen des Protests zu laufen, was ihm einerseits viele Anfeindungen von burischen Sturköpfen, anderseits aber auch zusätzlichen Jubel von schwarzen Zuschauern einbrachte.

Nachdem Alan Robb bereits relativ früh im Rennen aus der Führungsrängen herausgefallen war, wurde Johnny Halberstadt, der ebenfalls wieder am Start und angesichts eines neuen Streckenrekords von 3:05:37 beim Two Oceans zwei Monate zuvor augenscheinlich auch gut in Form war, auf dem Papier zum größten Konkurrenten von Bruce Fordyce.

Bei Halbzeit in Drummond lag Halberstadt knapp eine Minute vor Fordyce, der jedoch bei seinem nun fünften Comrades erstmals überhaupt so früh im Rennen bereits unter den ersten zehn lief. Noch drei Minuten früher war allerdings Chris Mkhize vorbeigekommen.

Am wenig später folgenden Anstieg von Inchanga - einer der berühmt-berüchtigten Big Five, den fünf längsten und schwersten, aber keineswegs einzigen Steigungen der eigentlich nur bergan oder bergab führenden Strecke - näherte sich Fordyce der ersten Verfolgergruppe und ging bald darauf an deren Spitze. Aber Johnny Halberstadt hielt dagegen und zog seinerseits wieder ein Stück davon, bevor beide am Ende dann doch zusammen dem Führenden Mkhize hinterher setzten.

Wirklich gemeinsam arbeiteten die zwei Top-Favoriten bei ihrer Aufholjagd schon zu diesem Zeitpunkt nicht. Vielmehr versuchten alle beide mit hohem Tempo und kleinen Attacken den Konkurrenten abzuschütteln. Nachdem sie so Chris Mkhize -später Vierter in 05:53:29 - etwa dreißig Kilometer vor dem Ziel eingeholt hatten, verschärfte sich das Duell nur noch weiter.

Schließlich gelang es Fordyce an einer der vielen kleinen Kuppen erneut eine Lücke gegenüber seinem Begleiter zu reißen. Halberstadt, dem langsam die Kräfte ausgingen, konnte nicht kontern und musste den Mann mit der Startnummer 2403 ziehen lassen. Das letzte Viertel der Strecke absolvierte Bruce Fordyce alleine und baute dabei seinen Vorsprung immer weiter aus.

Bei Polly Shortts, dem letzten der fünf großen Hügel rund zehn Kilometer vor dem Ziel, an dem bei Up-Runs nicht selten erst das Rennen in seine entscheidende Phase kommt, lag er bereits fünf Minuten in Front. Der Sieg war nahezu sicher. Doch Fordyce wollte auch den Streckenrekord und beschleunigte auf dem Weg durch Pietermaritzburg sogar noch einmal, so gut es mit mehr als achtzig Kilometern in den Beinen noch ging.

In 5:37:28 hatte er die zwei Jahre zuvor von Piet Vorster aufgestellte Bergauf-Bestmarke um beinahe acht Minuten unterboten, als er mit erhoben Armen das Ziel überlief. Sogar noch etwas größer fiel sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten Johnny Halberstadt aus. Dieser wurde nämlich nach 5:46:00 gestoppt und hatte seinerseits sogar wieder fast sieben Minuten Abstand zu Tony Abbott auf Platz drei.

Seine zweiten großen Ultralauf gewann Bruce Fordyce dann im September, als er in 5:21:15 bei London-Brighton erfolgreich war - ein ebenfalls ziemlich traditionsreiches, heute in dieser Form aber nicht mehr existierendes Rennen über eine mit dem Comrades Marathon durchaus vergleichbare Distanz von etwa fünfundachtzig Kilometern.

So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass Fordyce nicht der erste und nicht der letzte Comrades-Sieger war, der zwischen der britischen Hauptstadt und dem Seebad an der Südküste gewinnen konnte. Insgesamt finden sich ein halbes Dutzend Läufer in beiden Siegerlisten, darunter neben Fordyce auch weitere südafrikanische Sport-Heroen wie Wally Hayward und Jackie Mekler.

Obwohl das Land am Kap wegen der Apartheid mit einem Sport-Boykott belegt und von allen internationalen Meisterschaften ausgeschlossen war, konnte Fordyce relativ problemlos in England antreten, weil er zusätzlich zu seinem südafrikanischen auch noch einen britischen Pass besaß.

Umgekehrt führte es in jener Zeit häufig zu Sperren oder sogar zu erheblichen diplomatischen Verwicklungen, wenn Athleten aus anderen Ländern bei Wettkämpfen in Südafrika auftauchten. Das beste Beispiel ist der afrikanische Olympiaboykott von 1976 wegen einer Rugby-Tour der neuseeländischen All Blacks.

Beim Comrades oder auch beim Two Oceans und vielen anderen Rennen blieben die Einheimischen jedenfalls lange Zeit fast völlig unter sich. Und sicherlich ist nicht nur die räumliche, sondern eben auch diese jahrzehntelange sportpolitische Isolation ein Grund dafür, dass die südafrikanische Laufszene sich so deutlich von anderen unterscheidet.

Laufclubs mit vielen hundert Mitgliedern, die in einheitlichen Trikots mit jeweils ganz individuellen bunten Mustern antreten und sich nach dem Rennen dann an den vereinseigenen Zelten und Pavillons zum Grillen versammeln. Ein regelrechter Kult um die "permanent numbers", die man nach zehn Teilnahmen bei jeder Veranstaltung erhält und die man anschließend als Aufnäher auf dem Trikot stolz präsentiert.

Harte Zielschlusszeiten bei nahezu allen Wettkämpfen, Zieleinläufe auf dem Rasen eines Kricket- oder Rugbyfeldes, unterschiedliche Medaillenfarben je nach gelaufener Zeit, Aufnäher mit den jeweiligen Altersklassen am Trikot. In Südafrika lässt sich vieles entdecken, was man von zu Hause nicht unbedingt kennt.

Und da ist eben der alles überstrahlende Comrades, der genau zu jener Zeit, in der Bruce Fordyce das Rennen mitbestimmte - vermutlich verstärkt durch die in den Siebzigern begonnenen Live-Übertragungen - endgültig zu einem Massenphänomen wurde. Waren bei seinem ersten Start 1977 nur gut sechszehnhundert Läufer ins Ziel gekommen, sollten es fünf Jahre später bereits fast dreimal so viele sein. Und bei den letzten von Fordyce gewonnenen Rennen waren die Zahlen schon fünfstellig.

Das Starterfeld, das 1982 bei Nieselregen vor dem altehrwürdigen Backstein-Rathaus von Pietermaritzburg mit seinem markanten Turm an die Startlinie trat, um die diesmal sogar mehr als neunzig Kilometer nach Durban zu laufen, war damit praktisch genauso groß wie das in Frankfurt und sogar deutlich umfangreicher als in Berlin, wo man in Deutschland inzwischen auch bei den ersten Stadtmarathons mitten durchs Zentrum laufen konnte.

Als Favoriten wurden die "üblichen Verdächtigen" auf den Schild gehoben. Mit Piet Vorster, Alan Robb und Bruce Fordyce waren die letzten drei Sieger gemeldet. Der zweimalige Zweite Johnny Halberstadt fehlte jedoch. Der mit Abstand beste Marathonläufer unter den Comrades-Assen hatte sich entschieden, in den USA beim gerade entstehenden Straßenlaufzirkus gutes Geld zu verdienen. Nach den damals gültigen strengen Amateurregeln war er damit aber auch ohnehin nicht mehr startberechtigt.

Fordyce hatte während der Vorbereitung im Februar zwar einen Muskelfaserriss erlitten, der ihn einige Wochen zurückwarf. Doch beim "Korkie" im April zeigte er sich wieder gut erholt und wurde hinter Sieger Hoseah Tjale immerhin Dritter. Fast noch wichtiger war allerdings, dass er Alan Robb, der auch dieses Rennen immerhin schon viermal gewonnen hatte, rund fünf Minuten abnahm.

Doch Robb zeigte sich beim Comrades davon wenig beeindruckt und lief auch diesmal schon auf der ersten Hälfte in seiner gewohnt aggressiven Manier. Mit kleinen Tempoverschärfungen reduzierte er dabei nach und nach die Gruppe der ernsthaften Anwärter auf vordere Plätze, die sich hinter den Schnellstartern formiert hatte. Fordyce befand sich ebenfalls in diesem Pulk, hielt sich aber wie üblich eher zurück.

Die Halbzeitmarke passierte der weitgehend unbekannte Henry Nyembe, der später Achter werden sollte, als Erster. Doch nicht viel später kam schon ein Päckchen, in dem sich unter anderem die großen Namen Robb, Fordyce, Vorster, Abbott und Wright befanden. Und noch bevor es bei der Siedlung Botha's Hill ziemlich abrupt vom ländlichen Umfeld in die auf den letzten mehr als dreißig Kilometern kaum noch verlassene Vororte Durbans hinüber ging, war auch der letzte Ausreißer gestellt.

Am ebenfalls Botha's Hill genannten Big-Five-Hügel, der bei einem Down-Run allerdings hauptsächlich deswegen zur Schwierigkeit wird, weil man nach beinahe zwei Dritteln der Distanz auf einem guten Kilometer fast einhundert Höhenmeter verliert und damit erst den eigentlichen Abstieg von dem welligen Plateau des "Valley of thousand hills" zur Küste einleitet, verschärfte Alan Robb erneut.

Nur Fordyce und Nyembe konnten der Attacke überhaupt noch folgen, doch auch Nyembe musste schon vor dem Ende des Gefälles endgültig die Segel streichen. Die beiden höchstgewetteten Athleten waren unter sich und lieferten sich Schulter an Schulter über die nächste Stunde ein furioses Duell in fast schon wahrwitzigem Tempo.

Immer wenn das weiterhin wellige Profil nach unten zeigte, drückte Bergabspezialist Robb aufs Gaspedal und versuchte seinen Rivalen los zu werden. Ging es hinauf, probierte der kleinere und leichtere Fordyce das Gleiche. Die Entscheidung fiel an einem Gefälle. Doch es war Bruce Fordyce und nicht Alan Robb, der sich den Fields Hill - mit fast zweihundert Höhenmetern auf gut drei Kilometern Distanz egal ob im Auf- oder Abstieg eine echte Herausforderung - hinunter absetzen konnte.

Am Fuß des Hügels hatte er bereits eine Minute Vorsprung herausgelaufen und diesen in den nicht einmal fünf Kilometern bis zum Cowies Hill - dem letzten der fünf bekannten Hügel, der unabhängig von der Laufrichtung ungefähr gleiche An- und Abstiege besitzt - auf vier Minuten ausgebaut. Alan Robb war geschlagen, wurde sogar durch das Duo Graeme Fraser und Tony Abbott eingesammelt und auf Rang vier nach hinten gereicht.

Aber Robb berappelte sich noch einmal und saugte sich seinerseits wieder an die beiden Lokalmatadoren von den "Hillcrest Villagers" - jenem Ort unterhalb von Botha's Hill, in dem der harte Abnutzungskampf zwischen Fordyce und Robb begonnen hatte - heran. Auf den letzten Kilometern kämpfte er sich doch wieder auf Platz zwei vor und lief in 5:41:26 über die Linie. Fraser folgte knapp dahinter mit 5:41:55, Abbott verpasste nach 5:42:32 das Podest.

Gegen Fordyce war allerdings erneut kein Kraut gewachsen. Der Vorjahressieger zog bis ins Kingmead Stadium weiter durch und siegte in 5:34:22 mit sieben Minuten Vorsprung. Allerdings musste er an diesem Tag ebenfalls absolut an die Grenze gehen. Er habe sich gewundert, dass niemand mehr von hinten gekommen sei, denn er habe doch am Ende praktisch gestanden, diktierte der völlig erschöpfte Sieger den Reportern in die Notizblöcke.

Er werde nie wieder an einem Down-Run teilnehmen, kündigte Fordyce an. Zu stark seien die Schmerzen gewesen. Eine Aussage, die sich in den Folgejahren so aber doch nicht bewahrheitete. Allerdings brauchte er nach dem Rennen wirklich einige Zeit, um sich zu regenerieren. Ende September ließ der Comrades-Doppelsieger dann jedoch in 5:18:36 auch seinen zweiten Erfolg bei London-Brighton folgen.

Im folgenden März verbesserte sich Bruce Fordyce als Zweiter beim Marathon der Buffalo Roadrunners in East London - kein Vorort der britischen Metropole sondern eine Großstadt in Südafrika - auf 2:17:18 und kam dabei erneut entgegen seiner Selbsteinschätzung auch bergab gut zurecht. Denn der ähnlich wie ein Down-Run beim Comrades aus dem Binnenland zum Indischen Ozean führende Lauf hat über fünfhundert Meter Nettogefälle und ist damit nicht rekordfähig.

Zum ersten Mal startete Fordyce auch beim Two Oceans Marathon, dessen Aufstieg zur unangefochtenen Nummer zwei im Land gerade begonnen hatte, und kam gut zwei Minuten hinter Sieger Siphiwe Gqele in 3:14:02 auf Platz vier. Obwohl er noch viele weitere Male in Kapstadt dabei war, blieb dies auch seine beste Platzierung. Denn nur 1983 lief Fordyce im Rennen wirklich auf Sieg.

Bei seinen späteren Starts sah er die sechsundfünfzig Kilometer entlang der False Bay, über den Chapman's Peak Drive und Constantia Nek stets nur als langen Trainingslauf, den er auf Plätzen im mittleren dreistelligen Bereich beendete. Im Gegensatz zu seinen meist recht wettkampffreudigen Landsleuten richtete Fordyce praktisch während seiner kompletten leistungssportlichen Karriere alles auf ein einziges Rennen aus - den Comrades Marathon.

Im Vorfeld wurde inzwischen alles andere als ein dritter Sieg von Fordyce als große Überraschung eingeschätzt. Doch wie gewohnt hielt sich der Favorit auf der ersten Hälfte erst einmal zurück und überließ anderen die Spitzenpositionen. Zusammen mit Hoseah Tjale kam er in Drummond rund eine Minute hinter der Führungsgruppe vorbei, in der sich unter anderem Graeme Fraser und Piet Vorster befanden.

Alan Robb hingegen war bereits früh zurückgefallen, hatte mit dem Ausgang des Rennens nichts mehr zu tun und wurde am Ende Sechzehnter. Obwohl noch nicht einmal dreißig Jahre alt hatte er seine beste Zeit bereits hinter sich. In den Folgejahren lieferte er zwar noch mehrere weitere Plätze unter den ersten zehn ab und holte sich dadurch mit zwölf Comrades-Medaillen in Gold so viele wie kein anderer. Doch wirklich um den Sieg kämpfte er zuletzt 1982.

Am Inchanga-Anstieg konnte Fordyce die Lücke aber schließen. Nur Gordon Shaw - bereits 1975 einmal Zweiter, dann aber viele Jahre nicht mehr beim Comrades am Start - versuchte noch eine Gegenattacke, wurde allerdings einige Kilometer später ebenfalls vom Titelverteidiger gestellt. Tjale, der bis dahin an der Verfolgung beteiligt war, musste bald darauf für seinen hohen Einsatz büßen, fiel zurück und landete im Ziel auf Rang sechs.

Das Rennen schien sich zu einem Duell zwischen Fordyce und Shaw zu entwickeln. Doch dann kam es zu einer weiteren der vielen Anekdoten in der langen Geschichte des Comrades. Bruce Fordyce nahm von einem Helfer am Straßenrand Getränke an und wurde dabei von einem Offiziellen beobachtet. Diese Art der Versorgung war durchaus erlaubt, nur vom Fahrrad oder aus dem fahrenden Auto heraus war sie seit einigen Jahren komplett verboten.

Der "race marshal" kannte sich allerdings im eigenen Regelwerk nicht vollständig aus, rief Fordyce zu, er sei wegen der Annahme unerlaubter Hilfe disqualifiziert, und versuchte ihn zu stoppen. Bruce Fordyce lief trotzdem weiter, da er aus seiner Sicht nichts Unerlaubtes getan hatte. Und seine Freunde hatten die Sache auch geklärt, bis er ins Ziel kam. Der aus dieser Situation entstanden Adrenalinschub sorgte allerdings für eine so heftige Tempoverschärfung, dass Shaw sofort zurückfiel.

Fordyce legte von nun an seine ganze Wut in das Rennen und ließ der Konkurrenz nicht mehr den Hauch einer Chance. Shaw musste sich ohnehin mit Krämpfen behandeln lassen, wurde von Tjale und Fraser überholt, nur um sich dann doch wieder auf die zweite Position vorzukämpfen, weil es den beiden anderen später genauso erging.

An der Spitze zog Bruce Fordyce alleine seine Bahn und stürmte regelrecht Polly Shortts hinauf. Die Bilder wurden vom südafrikanischen Fernsehen mit der damals noch recht neuen Melodie von "Chariots of Fire" unterlegt und dadurch legendär. Inzwischen gehört der Instrumental-Song von Vangelis längst zum Inventar des Comrades Marathons und verpasst den Teilnehmern am Start die letzte Gänsehaut, bevor sie auf die Strecke gehen dürfen.

Oben auf der Kuppe war endgültig klar, dass Fordyce erneut auf Rekordkurs lag. Sogar der erste Up-Run unter fünfeinhalb Stunden schien plötzlich in Reichweite zu kommen. Allerdings reichte es schließlich doch nicht ganz. Nach 5:30:12 machte Bruce Fordyce seinen Hattrick komplett. Und war fast schon geduscht, als durch Gordan Shaw in 5:45:48 und Graeme Fraser in 5:46:20 das Siegertreppchen komplettiert wurde.

Im September schaffte Fordyce dann sogar noch einen zweiten Ultra-Hattrick. Auch bei London-Brighton gelang ihm mit 5:12:32 der dritte Erfolg in ununterbrochener Reihe. Wie schon im Jahr zuvor war sein erster Verfolger - wenn bei Siegabständen von fünfundzwanzig bzw. elf Minuten überhaupt die Rede davon sein kann - ein Landsmann, nämlich genau jener Graeme Fraser, mit dem er beim Comrades ebenfalls schon zweimal zusammen auf dem Podest gestanden hatte.

Während Fordace danach beim englischen Klassiker nicht mehr antrat, war er trotz seiner Ankündigung zwei Jahre zuvor auch beim Down-Run 1984 wieder dabei. Er hatte an seinen Bergab-Fähigkeiten gearbeitet und versucht, den Laufstil ein wenig zu verändern, um ihn in Gefällepassagen ökonomischer zu machen.

Zudem hatte er nach seinem epischen Duell mit Alan Robb auch gelernt, dass es gerade in der Streckenvariante von Pietermaritzburg hinab nach Durban extrem wichtig war, möglichst lange möglichst locker zu bleiben, damit die Beine auf den harten Abstiegen der Schlussphase noch frisch genug waren, um mit den dann entstehenden Aufprallkräften klar zu kommen.

So lief Bruce Fordyce das bei Temperaturen um den Gefrierpunkt gestartete Rennen auch ziemlich vorsichtig an und kam in Drummond volle sechs Minuten nach dem weitgehend unbekannten Führenden Chris Reyneke durch. Auch alle anderen vor ihm liegenden Athleten hatten bisher noch keine herausragenden Comrades-Ergebnisse abgeliefert. Und so schienen Hoseah Tjale und Graeme Fraser, die sich im Bereich von Fordyce befanden, die ernsthaftesten Mitbewerber zu sein.

Irgendwann bemerkte Fordyce aber, dass er sowohl Reyneke als auch Bob de la Motte nicht wirklich näher kam, er die beiden vielleicht doch etwas unterschätzt hatte und wohl besser etwas zulegen sollte. Ohne das letzte Risiko einzugehen, verringerte er den Abstand zum Führenden zwar anschließend langsam. Doch de la Motte konnte seinen zweiminütigen Vorsprung vor dem Seriensieger weiter halten und sich kurz vor Fields Hill sogar an die Spitze des Rennens setzen.

Während Bob de la Motte weiter drückte, hielt sich Fordyce in leidvoller Erinnerung an seine Attacke vor zwei Jahren an gleicher Stelle auch an diesem Gefälle noch zurück. Unten hatte de la Motte seinen Vorsprung sogar noch vergrößert. Und auch nach dem Cowies Hill war der große Favorit, der im Anstieg allerdings Reyneke überholt hatte und nun auf Rang zwei lag, nicht wirklich näher herangekommen.

Es waren nicht einmal mehr zehn Kilometer zu laufen, als Fordyce seinen Konkurrenten endlich in greifbarer Nähe vor sich hatte. Der gute Bergläufer und noch besserer Taktiker wartete mit voller Absicht bis zur nächsten Steigung, um seine - tatsächlich entscheidende - Attacke zu setzen. Der schon leicht angeschlagene Bob de la Motte war nicht mehr in der Lage zu folgen.

Nach 5:27:18 erreichte Fordyce das Kingsmead Stadium und erzielte bei seinem vierten Sieg den dritten Rekord - nun zum ersten Mal auch bei einem Down Run. Der faire Sportsmann vergaß aber in den Interviews nicht zu erwähnen, dass die Strecke ein wenig kürzer als 1978 gewesen war, als Alan Robb die alte Marke aufgestellt hatte, und dass er nun noch mehr Respekt vor seinem alten Rivalen habe, der diesmal Fünfzehnter wurde.

Überraschungsmann Bob de la Motte musste zwar in den letzten Wellen vor Durban noch ein paar Federn lassen, brach jedoch nicht vollkommen ein und lief mit 5:30:59 die bis dahin mit Abstand beste Zeit, die beim Comrades nicht zum Sieg gereicht hatte. Und selbst der Dritte Chris Reyneke hätte mit seiner 5:34:39 in anderen Jahren durchaus gute Chancen auf den ersten Platz gehabt.

Mit einem fünften Erfolg würde Fordyce endgültig in die Riege der größten Comrades-Heroen aufrücken können. Und diese fünf Siege auch in Folge zu erzielen, hatte keiner von ihnen zustande gebracht. Dass zudem 1985 noch die sechzigste Auflage des Klassikers anstand, fügte sich fast perfekt. Es konnte wirklich ein besonderes Renen werden.

Das Jahr begann auch gut, denn in 2:18:25 lief Fordyce beim Peninsula Marathon auf Platz vier. Beim Pieter Korkie Marathon gingen dem meist so kontrollierten und langfristig planenden Fordyce dann aber ein wenig die Pferde durch. Statt dort ein flottes Training zu absolvieren wie es meist in seine Vorbereitung eingebaut hatte, lief er das Rennen auf Sieg. Das gelang ihm in 3:21:48 tatsächlich auch.

Später gab er zu, dass er die Nachwirkungen des sechsundfünfzig Kilometer langen Rennens durch extrem welliges Gelände in rund achtzehnhundert Metern Höhe doch ein wenig unterschätzt hatte. Schließlich galt nicht umsonst in Südafrika eine Faustregel, dass jeder, der es beim "Korkie" in der Sollzeit ins Ziel schaffte, auch beim Comrades bestehen könne.

Jedenfalls fühlte sich Fordyce, der inzwischen sein Studium beendet hatte und nun für den Rand Athletic Club startete, noch nicht wieder in Topform, als es Ende Mai mit über neuntausend anderen Sportlern am frühen Morgen vor der Durban City Hall einfand. Auch deswegen und nicht nur weil diese Taktik schon mehrfach erfolgreich war, hielt er im ersten Teil des Rennens erneut zurück und lag am Checkpoint Drummond bereits mehrere Minuten hinter der Spitze.

Erst einige Kilometer später arbeitete er sich am Anstieg zum Inchanga wie fast schon üblich mit seinen Kletterqualitäten langsam weiter vor und holte nach etwas mehr als fünfzig gelaufenen Kilometern dann auch den zu diesem Zeitpunkt führenden Hoseah Tjale ein. Kampflos gab dieser aber seine Position keineswegs auf.

Und so liefen die beiden noch eine gute halbe Stunde nebeneinander her und lösten sich dabei immer weiter von den verbliebenen Verfolgern. Nach Halberstadt, Robb, Shaw und de la Motte war Tjale damit bereits der fünfte unterschiedliche Läufer, der als letzter verbliebener Gegenspieler versuchte, einen Erfolg von Bruce Fordyce noch zu verhindern.

Etwa fünfundzwanzig Kilometer waren noch zu absolvieren, als an einer der vielen nicht benannten Wellen Tjale dem bergan aufs Tempo drückenden Seriensieger nicht mehr wirklich folgen konnte und sich eine kleine Lücke öffnete. Im Gegensatz zu vergangenen Jahren wuchs diese zwar nicht unbedingt sprungartig, wurde aber eben doch beständig größer, weil seine Konkurrenten sichtbar schwere Beine bekamen.

Selbst wenn Fordyce diesmal die Spritzigkeit fehlte und er erstmals ebenfalls mit Krämpfen kämpfen musste, kam er ohne größeren Einbruch durch und liefere wie gewohnt eine etwas schnellere zweite Hälfte ab - ein Kunststück, das allerdings in beide Laufrichtungen auch ein wenig vom jeweils leichteren Streckenprofil unterstützt wird. Mit 5:37:01 verpasste er jedoch seine zwei Jahre zuvor erzielte Bestmarke deutlich und war im Ziel so erschöpft, dass er im Sanitätszelt erst einmal an den Tropf gehängt werden musste.

Der wieder einmal geschlagene Hoseah Tjale folgte in 5:42:40 und schaffte damit seine bisher beste Platzierung. Immerhin sollte er sich einige Monate später in die Siegerliste von London-Brighton eintragen. Der Abstand zum 5:53:53 laufenden Dritten Derrick Tivers war dann allerdings doch wieder irgendwie standesgemäß für den Überflieger Fordyce.

Mit neunundzwanzig Jahren und damit früher als alle anderen zuvor hatte Bruce Fordyce seinen fünften Comrades-Sieg geholt. Mit dem nächsten Erfolg würde er endgültig an Arthur Newton, Hardy Ballington, Wally Hayward and Jackie Mekler vorbeiziehen können. Und inzwischen erwartete in Südafrika auch kaum noch jemand etwas anderes, als dass der Gewinner 1986 zum sechsten Mal in Folge den gleichen Namen tragen würde.

Fordyce hatte sich diesmal beim "Korkie" etwas mehr zurückgehalten, war zwar schnell aber nicht bis zur absoluten Grenze gelaufen, was allerdings immer noch für eine sechsten Platz ausgereicht hatte. Bei allen anderen Veranstaltungen, an denen er teilnahm, absolvierte er von vorne herein nur lockere Trainingsläufe. Und so trat er nach eigenem Empfinden in Bestform zu seinem zehnten Comrades an.

Er war tatsächlich vielleicht so gut in Form wie nie zuvor. Doch zwei alte Konkurrenten sollten ihm den Rekordsieg trotzdem alles andere als leicht machen - Bob de la Motte, der seinerseits den Korkie Marathon in diesem Jahr mit einer der schnellsten dort je gelaufenen Zeiten gewonnen hatte, und "Hoss" Tjale.

Wie beim Down-Run zwei Jahre zuvor hatte de la Motte das Rennen deutlich offensiver begonnen und auch nach fast zwei Dritteln der Distanz auf dem Weg durch Hillcrest als Führender noch einen Vorsprung von zwei Minuten auf das Grüppchen rund um Fordyce, in dem sich auch der - wie üblich mit einem ausgeleierten Schlapphut, seinem Markenzeichen, laufende -Tjale befand.

In der Folge verlief das Rennen weiterhin ziemlich ähnlich. Denn während de la Motte vorne aufs Tempo drückte, um sich einen möglichst großen Abstand zu dem als endschnell gefürchteten Seriensieger zu erarbeiten, musste dieser seinerseits endgültig die Bremse lösen, um die Lücke möglichst klein zu halten.

Als Ergebnis hatte Fordyce bis zum Fuß von Fields Hill nur noch Tjale als Begleiter und zudem auch den zwischen ihm und der Spitze liegenden Deon Holtzhausen aufgerollt. Nur an seinen Mannschaftskollegen de la Motte, der ebenfalls im weißen Trikot des Rand AC mit dem typischen weinroten Diagonalstreifen auf der Strecke war, kam er erst einmal nicht wirklich näher heran.

Einige Kilometer später verringerte das Verfolgerduo zwar den Rückstand im Anstieg zum Cowies Hill spürbar, so dass es aussah, als solle es demnächst zum Zusammenschluss kommen. Doch hinter der Kuppe nutzte der hochgewachsene de la Motte seine langen Beine, um sich mit raumgreifenden Schritten auf dem Gefälle wieder etwas mehr Luft zu schaffen.

Etwa zehn Minuten später riss Fordyce an einer der nächsten Wellen einerseits eine Lücke zu Tjale und schloss andererseits die bis dahin bestehende zum Führenden. Der einen Kopf größere de la Motte hielt allerdings dagegen. Und so liefen die beiden Vereinskollege kilometerlang mit einem Tempo von dreieinhalb Minuten nebeneinander her in Richtung Durban.

Trotz der hohen Geschwindigkeit, die auf einen neuen Rekord hinaus zu laufen schien, begann der taktisch längst mit allen Wassern gewaschene Fordyce auf seinen Begleiter einzureden - natürlich auch, um seine ohnehin vorhandene Stärke zusätzlich zur Schau zu stellen. Der davon nicht wirklich begeisterte Bob de la Motte antwortete eher wortkarg.

Irgendwann streckte er Fordyce die Hand entgegen und dieser schlug ein. Was für die Beobachter aufgrund der fehlenden Tonspur fast so aussah, als ob er dem Favoriten zum erneuten Sieg gratulieren würde, war eigentlich nur die Bestätigung der Abmachung, dass der Verlierer des Duells dem Sieger das Essen bezahlen würde.

Da halb Südafrika diese Begebenheit vor den Fernsehgeräten verfolgte, wurde der "handshake" legendär. Doch beim Blick auf die Originalbilder zeigt sich, dass die Szene keineswegs entscheidend war, sondern eher eine in der Rückschau ziemlich verklärte Comrades-Folklore ist. In Wahrheit hatte der von beiden Seiten in aller Entschlossenheit geführte Kampf um den Sieg in diesem Moment erst begonnen und sollte noch ein halbes Dutzend Kilometer weiter gehen.

An der Steigung, die inoffiziell 45th Cutting genannt wird, weil die Trasse der Straße einst von Soldaten des fünfundvierzigsten britischen Regiments, ins Gelände gegraben wurde, musste de la Motte dann aber eine Art Déjà-vu erleben. Denn praktisch genau an der gleichen Stelle wie zwei Jahre zuvor, trat Bruce Fordyce an. De la Motte konnte die erste Attacke noch abwehren. Doch die nächste Verschärfung hundert Meter später saß dann.

Auf den verbliebenen acht Kilometer schaffte es Fordyce zwar den Vorsprung noch etwas auszubauen. Doch wirklich beruhigend war das Polster bis zum Ende nicht, so dass er erneut alles aus sich herausholen musste, um nach 5:24:07 wieder einmal mit neuer Bestmarke zu siegen. Allerdings war die Strecke erneut auch einige hundert Meter kürzer als bei der letzten Auflage, so dass beide Fordyce-Zeiten eigentlich mehr oder weniger gleichwertig sind.

Auch Bob de la Motte unterbot in 5:26:12 den alten Rekord und war noch knapper als zwei Jahre zuvor an seinem ersten Sieg dran. Und Hoseah Tjale blieb als Dritter mit 5:29:02 im bis dahin schnellste Comrades der Geschichte ebenfalls noch unter fünfeinhalb Stunden. Es sollte mehr als zwei Jahrzehnte dauern, bevor jemand die Zeit des neuen Rekordsiegers unterbieten konnte. Und bis heute steht Fordyce damit auf Rang fünf der ewigen Rangliste.

Nach dieser Siegesserie war allen in Südafrika klar, dass es eigentlich nur einen einzigen Favoriten für den Sieg beim Comrades gab, wenn Bruce Fordyce an der Startline stand. Den größten Spannungsbogen, den die Medien vor dem Rennen noch aufbauen konnten, war die Spekulation, wer am Ende noch den größten Widerstand leisten und auf den Plätzen zwei und drei landen könnte.

Und es sollten 1987 mit Bob de la Motte und Hoseah Tjale wieder genau die beiden Hauptrivalen des Vorjahres sein, die Fordyce - der zu Beginn des Jahres in Kapstadt beim Peninsula Marathon mit 2:18:37 zum dritten Mal auf dieser Strecke fast die exakt gleiche Zeit gelaufen hatte und diesmal Dritter geworden war - am heftigsten zusetzten.

Alle zwei orientierten sich diesmal schon früh an jenem Mann, den es zu schlagen galt, und wichen ihm bis weit in die zweite Rennhälfte hinein nicht von der Seite. So liefen sie über die ersten vier der fünf berüchtigten Rampen des Up-Runs gemeinsam, ohne dass es zu einer ernsthaften Attacke kam. Erst ein Stück hinter Inchanga trat Tjale in einem Gefälleabschnitt plötzlich heftig an und baute seinen Vorsprung innerhalb kürzester Zeit erheblich aus.

Rund vier Minuten betrug die Führung im Maximum, bevor Bruce Fordyce dann zehn Kilometer später mit seiner Verfolgungsjagd begann. Ganz langsam schmolz der Abstand zu Tjale in der Sonne dieses mit Temperaturen um fünfundzwanzig Grad extrem warmen Tages dahin. Der als Letzter das Tempo noch mitgehende de la Motte hatte den Anschluss schon verloren, als Fordyce bei "Little Pollys" wieder an den Ausreißer heranlief.

Dieser "Vorhügel" von Polly Shortts gehört zwar nicht zu den Big Five stellt aber mit mehr als fünfzig Höhenmetern nicht einmal fünfzehn Kilometer vor dem Ziel ebenfalls einen echten Scharfrichter dar. Tjale gab sich nicht geschlagen und stürmte mit Fordyce bergan, doch mit dem noch einmal doppelt so hohen Anstieg wenige Kilometer später im Hinterkopf, war eigentlich fast klar, was passieren würde.

Und tatsächlich blieb "Hoss" nichts anderes übrig, als zu kapitulieren und die Überlegenheit seines Gegners anzuerkennen, als es in die letzte große Steigung hinein ging. Auf dem verbliebenen zehn Kilometern hatte er dem Kraftaufwand heftig Tribut zu zollen, verlor noch fast acht Minuten auf den unaufhaltsam davon eilenden Fordyce, musste kurz vor dem Stadion auch noch Bob de la Motte passieren lassen und wurde in 5:44:42 Dritter.

Platz zwei ging nach 5:43:38 an den zweiten Mann des Rand AC. Doch der Sieger war wieder einmal sein Vereinskamerad Bruce Fordyce. Mit 5:37:01 lief er auf die Sekunde die gleiche Zeit wie zwei Jahre zuvor und übertraf damit das Peninsula-Kunststück noch. Denn abgesehen von seinem eigenen Rekord 1983 lagen die anderen drei Siegerzeiten bei den Up-Runs 1981, 1985 und 1987 innerhalb von gerade einmal siebenundzwanzig Sekunden.

Gleich zwölf Monate später bekam er die Chance, der Liste noch eine weitere Zeit hinzu zu fügen. Denn zum zweiten Mal nach 1974/1975, als man die fünfzigste Austragung des Comrades ebenfalls mit einem weiteren Lauf von Durban nach Pietermaritzburg beging, wurde die Strecke für das Folgejahr nicht umgedreht. Diesmal war unter anderem das hundertfünfzigste Stadtjubiläum von Pietermaritzburg der Grund für die Ausnahme von der üblichen Regel.

Nicht mehr am Start war der Zweitplatzierte der beiden vorangegangenen Auflagen. Bob de la Motte, der in der Vergangenheit noch wesentlich offener gegen die Apartheid eingetreten war als Fordyce, hatte es angesichts der Zustände in seinem Heimatland vorgezogen nach Australien auszuwandern. Mit Hoseah Tjale war zumindest der andere große Konkurrent der letzten Jahre aber wieder dabei.

Doch hinter dem inzwischen zweiunddreißigjährigen Bruce Fordyce war längst eine neue Generation von Mittzwanzigern herangewachsen, die dem Platzhirsch das Leben in der Zukunft schwer machen wollten. Einer von ihnen war zum Beispiel sein Clubkamerad Mark Page, der zwar noch nie einen Comrades gelaufen hatte, aber über den klassischen Marathon bereits ein wenig schneller als Fordyce gewesen und zwei Monate zuvor beim Two Oceans Vierter geworden war.

Diese jüngeren Athleten, zu denen auch Shaun Meiklejohn, Nick Bester und der erst dreiundzwanzigjährige Charl Mattheus - alle drei sollten in den Folgejahren selbst einmal als Sieger in den Ergebnislisten stehen - gehörten, hatten bisher eigentlich kaum einen anderen Comrades-Gewinner als Fordyce und Robb bewusst erlebt. Und sie gingen das Rennen - teils aus Respekt, teils aus nüchterner Überlegung - ein wenig anders als ihre Vorgänger.

Denn sie versuchten keineswegs, dem als endschnell bekannten Seriensieger schon früh davon zu laufen, um den Vorsprung dann irgendwie ins Ziel zu retten. Schließlich waren alle Versuche, mit dieser Taktik zum Erfolg zu kommen, in den letzten sieben Jahren gescheitert. Vielmehr bekam Fordyce nun auf der ersten Rennhälfte eine regelrechte Manndeckung verordnet.

Eine größere Gruppe - darunter auch die erfahrenen Johnny Halberstadt und Deon Holtzhausen, die mit der Flucht nach vorne in der Vergangenheit ja auch keinen großen Erfolg gehabt hatten - folgte ihm auf Schritt und Tritt, machten jeden Tempowechsel des großen Favoriten mit. Dieser war mit dieser Situation sichtlich unzufrieden. In der Rolle des Jägers fühlte er sich deutlich wohler.

Doch die ganzen im Vorfeld geschmiedeten Pläne, den ungekrönten Comrades-König auf keinen Fall aus den Augen zu lassen, hatten sich erst einmal erübrigt, als Bruce Fordyce kurz vor der Halbzeit bei Drummond urplötzlich in den Büschen verschwand, um einem dringenden menschlichen Bedürfnis nachzukommen.

Es war übrigens nicht das einzige Missgeschick, dass ihm bei diesem Rennen unterlief. Bei Packen für den Trip von Johannesburg nach Durban hatte er nämlich tatsächlich seine Wettkampfschuhe zu Hause vergessen. Zum Glück brachte ein alter Freund, der ebenfalls laufen wollte, aber später anreiste, die Schuhe noch mit. Der Name des Freundes lautete "Alan Robb".

Durch den überraschend verloren gegangenen "Chef" entstand in der Gruppe auf den nächsten Kilometern erst einmal ein wenig Verwirrung. Und bis sie sich neu sortiert hatten, war Fordyce schon wieder deutlich näher herangelaufen. Trotz der Zwangspause hatte er die erste Hälfte dabei sogar schneller absolviert als bei den Auflagen zuvor.

Schließlich war es tatsächlich der von Bruce Fordyce als größter Konkurrent eingeschätzte Mark Page, der die Initiative übernahm, das Tempo verschärfte und nach etwa zwei Dritteln der Distanz von den bis dahin knapp führenden Boysie van Staden und Jetman Msuthu - ein weiterer kommender Comrades-Gewinner - die Spitzenposition übernahm.

Wirklich weit enteilen ließ ihn Fordyce aber nicht. Er erhöhte ebenfalls das Tempo und nach und nach fielen die letzten Begleiter zurück. Auch die eher abwartende Taktik hatte ihnen nicht geholfen, dem Seriensieger Paroli bieten zu können. Im weitgehend offenen Gelände dieses Streckenteils hatte er Page meist im Blickfeld, wenn dieser sich nicht gerade auf der anderen Seite einer der vielen Wellen befand. Und so kam es, wie es kommen musste.

Genau wie im Vorjahr hatte Bruce Fordyce den Führenden bei Little Pollys gestellt und startete bergan seine gefürchtete Attacke. Im Gegensatz zu Tjale, der dieses Mal in 5:41:16 Vierter wurde, schaffte es Mark Page nicht einmal über den ersten Hügel das "Hinterrad" von Fordyce zu halten.

Dieser legte kurz vor dem Angriff seinem Konkurrenten noch kurz den Arm um die Schulter und schüttelte dessen Hand, um ihm zu seiner Leistung zu gratulieren - und verabschiedete sich dann endgültig nach vorne. Eine Geste, die inzwischen zu einer Art Markenzeichen geworden und als "Todeskuss" gefürchtet war. Zum siebten Mal in Folge hatte Fordyce damit seine Herrschaft über den Comrades verteidigt.

Denn natürlich hatte er weder am letzten großen Berg noch auf den abschließenden Kilometern durch Pietermaritzburg einen Einbruch. Ganz im Gegenteil, der Blick auf die Uhr setzte noch einmal zusätzliche Kräfte frei. Nachdem Fordyce fünf Jahre zuvor knapp gescheitert war, gelang es diesmal nämlich tatsächlich die Fünfeinhalb-Stunden-Grenze zu knacken. Die Anzeige über ihm stand bei 5:27:42, als er die Ziellinie erreichte.

Wie viele andere vor ihm bekam Mark Page auf dem Schlussabschnitt noch eine regelrechte Packung und verlor noch mehr als zehn Minuten. Doch immerhin verteidigte er seinen zweiten Platz in 5:38:28 gegen den immer näher heranrückenden und in 5:39:00 gestoppten Nick Bester. Viel länger hätte die Strecke für den Comrades-Novizen aber nicht mehr sein dürfen. Erstmals in der Comrades-Geschichte kamen an diesem Tag übrigens mehr als zehntausend Läufer ins Ziel.

Es sollte dieses Mal deutlich weniger als ein Jahr dauern, bis sich praktisch alle Protagonisten wieder in einem Ultra-Rennen begegneten. Ein südafrikanisches Organisationsteam mit zwei Freunden von Fordyce an der Spitze hatte nämlich im Februar 1989 ein Einladungsrennen über einhundert Kilometer in Stellenbosch auf die Beine gestellt. Neben Bruce Fordyce waren bei diesem Lauf unter anderem auch Halberstadt, Holtzhausen, Mattheus, Msute, Page, Robb und Tjale am Start.

Um das Ganze internationaler zu machen, hatte man außerdem einige der besten Ultraläufer aus Europa und Nordamerika verpflichtet. Wegen des Sportboykotts drohte diesen bei einem Start in Südafrika zwar eine Sperre. Doch da man das Portemonnaie entsprechend weit öffnete, gingen die meisten Gefragten das Risiko ein und kamen tatsächlich ins Wein- und Universitätsstädtchen östlich von Kapstadt.

Ein bisschen zu großspurig wurde die Veranstaltung als "Weltmeisterschaft" angekündigt. Immerhin gab es ja schon seit zwei Jahren den "World Cup" der IAU, der zumindest inoffiziell genau diese Rolle übernommen hatte. Südafrikaner waren damals aber wegen des Sportboykotts nicht startberechtigt - ironischerweise auch schwarze Athleten, denen man doch angeblich damit helfen wollte - und nahmen nach dem Ende der Apartheidära erstmals 1993 an dieser Veranstaltung teil.

Natürlich waren diese Weltcups in der Breite und hinsichtlich der beteiligten Nationen deutlich stärker besetzt als das Rennen in Stellenbosch. Doch mit dem Spanier Domingo Catalan Lera war immerhin auch der Sieger der ersten beiden Auflagen der Einladung ans Kap gefolgt. Und der Silbermedaillengewinner von 1988 Jean-Marc Bellocq aus Frankreich hatte ebenfalls zugesagt.

Es war also durchaus ein Aufeinandertreffen einiger der besten Ultraläufer der Welt. Bruce Fordyce gewann dieses ein wenig auf ihn zugeschnittene Rennen in 6:25:07 vor den in 6:31:14 sowie 6:35:22 gestoppten Deon Holzhausen und Madumetja Philemon Mogashane, dem Comrades-Achten des Vorjahres. Als bester Teilnehmer aus dem Ausland kam Jean-Marc Bellocq nach 6:37:48 als Vierter ins Ziel.

Fordyces Zeit wurde in der heimischen Presse als "neuer Weltrekord" bezeichnet. Das Adjektiv "inoffiziell" ließ man dabei dezent unter den Tisch fallen. Denn selbst wenn es zu jener Zeit tatsächlich bereits eine anerkannte Liste des Leichtathletik-Weltverbandes gegeben hätte, wäre die Zeit von Fordyce als Südafrikaner darin nicht aufgetaucht.

Zola Budd, die 1984 genau an gleicher Stelle in Stellenbosch den Weltrekord über fünftausend Meter unterboten hatte, aber trotzdem mit dieser Leistung nicht als offizielle Rekordlerin galt und deswegen anschließend mehrere Jahre für Großbritannien startete, hätte von diesem komplizierten sportpolitischen Sachverhalt ein Lied singen können.

Dazu kam auch noch, dass Domingo Catalan Lera eineinhalb Jahre zuvor im belgischen Torhout bereits eine 6:19:35 abgeliefert hatte. Allerdings wurde die korrekte Streckenlänge dieser Auflage der "Nacht von Flandern" von Anfang an angezweifelt, so dass hinter der Leistung des Spaniers ein ziemlich dickes Sternchen vermerkt ist. Und auf der Bahn hatte der Schotte Don Richie - der die Einladung nach Stellenbosch übrigens ausgeschlagen hatte - schon elf Jahre zuvor 6:10:20 erzielt.

Selbst wenn Fordyce vermutlich wirklich die bis dahin beste Zeit auf einem halbwegs korrekt vermessenen Straßen-Hunderter abgeliefert hatte, fiel sie im Vergleich zu den Comrades-Rekorden eigentlich eher schwach aus. Denn während er trotz etlicher Höhenmeter nicht nur bei seinem Down- sondern auch bei seinem Up-Rekord im Schnitt mehr als sechzehn Kilometer pro Stunde gelaufen war, schaffte er auf der unwesentlich längeren Strecke in Stellenbosch nur gut fünfzehneinhalb.

Obwohl es zum Comrades noch beinahe vier Monate waren, erholte sich Fordyce bis Ende Mai weder körperlich noch mental von dieser Belastung. Und ohne die Sicherheit, für den erneuten Sieg bis an die absolute Leistungsgrenze gehen zu können, verzichtete der Rekordmann in diesem Jahr auf den Start. Erstmals seit 1980 würde ein anderer als Bruce Fordyce in den Listen der Comrades-Sieger stehen.

Das Rennen brachte sogar noch eine viel größere Premiere. Denn zum ersten Mal gelang es einem schwarzen Läufer das größte südafrikanische Ultrarennen zu gewinnen. Es war allerdings nicht der ein ganzes Jahrzehnt erfolglos um den Sieg kämpfende Hoseah Tjale sondern Sam Tshabalala, der nach 5:35:51 ganz oben auf dem Treppchen stand.

Ganz im Gegensatz zu Tjale, der zwar bei alle anderen wichtigen Rennen Südafrikas siegreich war und neunmal beim Comrades unter die ersten Zehn lief, das bedeutendste Rennen des Landes aber nie gewinnen konnte und damit in der Rangliste der stets Geschlagenen ganz vorne liegt, war dies Tshabalalas einziger Platz im absoluten Vorderfeld.

Ein Jahr zuvor war er Zwölfter geworden, ein Jahr später sollte er Dreizehnter werden. Danach beendete ein schwerer Verkehrsunfall seine Karriere als Spitzenathlet. Doch wie so viele andere ehemalige Sieger kehrte er auch ohne die Aussicht auf eine vordere Platzierung später immer wieder zum Comrades zurück und beendete das Rennen immerhin dreizehnmal.

Zweiter wurde Willie Mtolo - ein Athlet, der drei Jahre später nach dem politischen Umbruch in Südafrika und dem Ende aller Restriktionen den New York Marathon gewinnen sollte. Und mit Jean-Marc Bellocq, der zum zweiten Mal in diesem Jahr bei einem Ultra am Kap startete, auf Rang drei schaffte es erstmals seit langem wieder einmal ein Nichteinheimischer aufs Podest.

Auch wenn Bruce Fordyce nach seinem Hunderter monatelang keinen ernsthaften Wettkampf mehr bestritt, verschwand er nicht völlig aus der Laufszene. So führte er beim Two Oceans Marathon zum wiederholten Male die Vier-Stunden-Läufer, was bei einer Distanz von sechsundfünfzig Kilometer ja einem Standardmarathon in drei Stunden entspricht.

Rund eine Dekade lang "fuhr" er diesen "Bus" - wie die Gruppen der Tempomacher in südafrikanischen Läuferjargon genannt werden - fast jährlich. Der durchaus geschäftstüchtige Fordyce dürfte dafür sicher den einen oder anderen Rand von den Veranstaltern erhalten haben, die dann ihrerseits von der Popularität des Comrades-Königs profitieren konnten.

Doch inzwischen waren eben selbst am Kap die zu Anfang seiner Karriere so streng beachteten Amateurregeln längst unter dem Druck der Realität in sich zusammen gefallen. Die in den Achtzigern weltweit zu beobachtende Professionalisierung des Straßenlaufes hatte auch Südafrika erreicht. Beim Comrades gab es zum Beispiel nun für den Sieger umgerechnet rund zehntausend US-Dollar Preisgeld und zudem noch ein Auto zu gewinnen.

Auch ein Jahr später nahm Fordyce den Two Oceans Marathon mit - diesmal jedoch wieder in der Vorbereitung für einen weiteren Sieg beim Comrades. Allerdings spürte er - obwohl erst vierunddreißigjährig - inzwischen schon, dass sich seine schon über ein Jahrzehnt andauernde Karriere in der absoluten Spitze des Ultramarathonsports langsam dem Ende entgegen neigte. Dass es erneut eine neue Rekordzeit geben könnte, war deswegen eher unwahrscheinlich.

Die ersten zwei Drittel des - diesmal nicht an der City Hall von Durban sondern in einer Parallelstraße vor dem früheren Bahnhof gestarteten - Rennens ähnelten fast dem letzten Up-Run. Denn erneut nahmen anfangs Boysie van Staden and Jetman Msuthu die Spitze, bevor Mark Page zu ihnen aufschloss. Diesmal geschah dies aber schon etwas früher. Und so ging das Trio bei Halbzeit in Drummond rund fünf Minuten vor dem diesmal wieder deutlich defensiver laufenden Fordyce durch.

Page, der zuerst van Staden und dann auch den später sogar aussteigenden Msuthu verloren hatte, lag auch noch fast genauso weit vorne, als er sich der Steigung von Little Pollys näherte. In der Kenntnis um die Stärken von Bruce Fordyce hatte er die ganze Zeit weiter Druck gemacht, um einen möglichst großen Vorsprung zu behalten. Andererseits kam der Seriensieger im Schlussdrittel auch längst nicht so schnell heran wie in vergangenen Jahren.

Page hätte gar nicht so sehr aufs Tempo drücken müssen. Doch er bekam eben nicht mit, dass es Fordyce hinter ihm nicht wirklich gut ging. Dieser hatte zwar inzwischen einige Plätze gut gemacht und lief gemeinsam mit Meshack Radebe auf Rang drei. Doch er kämpfte die ganze Zeit mit leichter Übelkeit und fürchtete, eher selbst abgehängt zu werden, als zu hoffen, die Lücke noch schließen zu können.

Bei Little Pollys fiel sein Begleiter Radebe dann urplötzlich ab und der noch vor Fordyce liegende Msuthu stand am Straßenrand, so dass auf einmal zumindest Platz zwei wieder realistisch wurde. Einige Kilometer später in der Wand von Polly Shortts kam dann sogar wieder Mark Page ins Blickfeld. Sein Clubkamerad, der lange Zeit so ausgesehen hatte, als müsse er nur noch seinen Vorsprung verwalten, war am Ende doch zu hohes Risiko eingegangen und litt nun unter heftigen Krämpfen.

Ohne die Chance zu einer echten Gegenwehr musste er Fordyce passieren lassen und wurde schließlich mit sechs Minuten Rückstand nur Vierter, denn auf dem Weg durch PMB überholten ihn zuerst Radebe und dann auch noch der zum Schluss aufdrehende Hoseah Tjale. Dieser fing kurz vor dem Ziel Meshack Radebe ebenfalls ab und wurde in 5:45:19 zum zweiten Mal Zweiter.

Fünf Minuten zuvor hatte sich Bruce Fordyce nach 5:40:25 seinen neunten Comrades-Sieg geholt - es war wohl sein glücklichster. Bei keinem anderen seiner Erfolge hatte der Mann, der diesen Lauf seit einem Jahrzehnt beherrschte, eine schlechtere Zeit erzielt. Und dies, obwohl die Strecke die bisher kürzeste war, die in dieser Zeit gelaufen wurde. Der "alte" Platzhirsch war hart bedrängt worden. Doch er hatte mit all seiner Routine gekämpft und seine Position noch einmal verteidigt.

Trotzdem erwartete fast die ganze Nation ein Jahr darauf den zehnten Sieg. Das Problem daran war nur, dass derjenige, dem dabei die Hauptrolle zugedacht wurde, sich gar nicht mehr so sicher war, ob er einerseits die körperliche Form und zum anderen die Willenskraft aufbringen konnte, um dieses Ziel überhaupt ernsthaft angehen zu können.

Fordyce startete das Rennen wie immer eher vorsichtig. Wie vorsichtig wurde klar, als ihn die Fernsehkameras zwischenzeitlich einmal gemeinsam mit Frith van der Merwe, die später zum dritten Mal das Frauenrennen gewinnen sollte, einfingen. In der Folge legte er zwar ein wenig zu. Doch lag bei Halbzeit einige Minuten hinter der Führungsgruppe um Nick Bester, Shaun Meikljohn, Israel Morake und Colin Thomas zurück.

Das war zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch nicht wirklich ungewöhnlich. Doch auch danach wurde die Lücke nicht wie in all den Jahren zuvor kleiner. Vielmehr wuchs der Abstand weiter an. Die Wahrscheinlichkeit, dass Fordyce das Ruder noch einmal herumreißen und tatsächlich den zehnten Erfolg erzielen könnte, wurde von Minute zu Minute kleiner.

In Hillcrest, nach etwa zwei Dritteln der Distanz, war es dann endgültig aus. Bruce Fordyce blieb plötzlich stehen und ging von der Strecke. Er hatte das Rennen um den Sieg beendet. In einem Interview am Straßenrand erklärte der neunmalige Gewinner vor laufenden Kameras, dass es vorbei sei und er bei jedem anderen Lauf nun aussteigen würde. Doch das wäre der Comrades, also würde er ihn auch noch irgendwie zu Ende bringen.

Über eine Stunde hinter seinem Nachfolger Nick Bester, der in 5:40:53 vor Shaun Meiklejohn und Colin Thomas als Erster die Ziellinie im Kingsmead Stadium erreichte, beendete Bruce Fordyce seinen vierzehnten Comrades Marathon mit 6:57:02 auf Rang 328. Alan Robb, sein alter Freund und Rivale lief in diesem Rennen übrigens fünfzehn Jahre nach seinem ersten Erfolg als Achter ein letztes Mal unter die besten Zehn.

Fordyce selbst war vermutlich weit weniger enttäuscht als die Öffentlichkeit und die Medien über diesen Ausgang. Seit nun fast drei Jahrzehnten wird er nicht müde zu betonen, dass es für ihn nun wirklich keinen großen Unterschied mache, mit neun oder mit zehn Siegen in den Listen zu stehen.

Zudem sei die größte Chance auf einen weiteren Erfolg nicht das Rennen von 1991 sondern vermutlich jener Lauf gewesen, bei dem er hinter Alan Robb Zweiter wurde. Müßig sind solche Diskussionen ohnehin. Und da dieser Wettkampf ganz am Anfang der Serie gestanden hätte, ist es wohl mehr als fraglich, ob die Geschichte wirklich genauso verlaufen wäre.

Nach zwei Jahren Pause kehrte Fordyce dann 1994 zum Comrades zurück und lief noch einmal eine Zeit von 6:01:54, die ihm immerhin Platz neunzehn einbrachte. Ein wirklich ernsthafter Versuch, das schier Unmögliche doch noch möglich zu machen, war dies allerdings nicht mehr.

Auch danach kam Bruce Fordyce immer wieder nach Durban und Pietermaritzburg zum Comrades. Während anderswo erfolgreiche Athleten nach dem Ende ihrer Karriere meist nur noch selten bei Wettkämpfen antreten, gehört dies in Südafrika fast zum guten Ton. Nicht nur im Mittel- sondern auch im Hinterfeld entdeckt man deswegen immer wieder prominente Namen in den Ergebnislisten.

So hat sich Fordyce inzwischen dreißig Comrades- und sogar zweiunddreißig Two-Oceans-Medaillen erlaufen, was ihm bei beiden Veranstaltungen auf seinen ewigen Nummern 2403 und 648 den dritten Lorbeerkranz eingebracht hat. Denn selbst diese Treue-Auszeichnungen sind noch einmal weiter gestaffelt und werden mit jedem vollen Zehner erweitert.

Die beiden Comrades-Rekordhalter Louis Massyn und Barry Holland sind mit siebenundvierzig beendeten Rennen inzwischen auf dem Weg zum fünften Kranz. Doch auch ein viermaliger Sieger wie Alan Robb lässt sich weit oben in der Auflistung finden. Zwischen 1974 und 2015 beendete er zweiundvierzig Mal hintereinander den Comrades, bevor er 2016 erstmals nicht ins Ziel kam.

Der vorerst letzte Lauf von Bruce Fordyce war einige Jahre früher, nämlich 2012. Seine Knochen würden nicht mehr so wirklich mitmachen, entschuldigt er sich meist. Doch "nie wieder" will er definitiv auch nicht sagen. Denn immerhin reicht es noch für den auch nicht gerade kurzen Two Oceans. Und zudem kommt langsam, aber sicher die hundertste Auflage des Comrades als Fernziel ins Blickfeld. Eigentlich für 2025 vorgesehen, wird sie sich wegen Corona allerdings mindestens ein Jahr verspäten.

Den Comrades 2012 bestritt Fordyce übrigens mit einer weiteren südafrikanischen Laufikone. Denn auch die mehrfache Weltrekordlerin und Crosslauf-Weltmeisterin Zola Budd Pieterse kam nicht umhin, irgendwann einmal am bedeutendsten Rennen des Landes teilzunehmen. Einen besseren Tempomacher für die Premiere als einen neunfachen Sieger kann man sich dabei kaum wünschen. Zwei Jahre später lief sie dann im Alter von achtundvierzig Jahren mit 6:55:55 auf den siebten Platz des Frauenklassements.

Bei all diesen Geschichten zeigt sich immer wieder, welche enorme Bedeutung diese Veranstaltung in Südafrika besitzt. Und so ist es kein Wunder, dass Bruce Fordyce auch weiterhin höchste Popularität genießt. Wenn es den Hauptnachrichten des nationalen Fernsehens eine Meldung wert ist, dass ein ehemaliger Sieger zwanzig Jahre später auf Rang 488 in 7:30:31 knapp an einer der bis siebeneinhalb Stunden ausgegebene Silbermedaillen vorbei schrammt, spricht das wahrlich für sich.

Auch als Gesprächspartner wird er weiterhin gerne einmal in TV-Sendungen eingeladen, um über die vielen kleinen Geschichten zu erzählen, die er in seiner langen Karriere erlebt hat - eine Rolle, die der stets freundliche und ziemlich wortgewandte Fordyce nahezu perfekt ausfüllen kann.

Selbst drei Jahrzehnte nach seinem letzten Sieg kann der Comrades-König weiterhin vom Laufsport leben. Er hat mehrere Bücher geschrieben, gibt Hobbyläufern Trainingstipps, dient Firmen als Werbepartner. Und seit einigen Jahren leitet er den südafrikanischen Ableger der "Park Runs", einer insbesondere in englischsprachigen Ländern populären Laufserie, bei der es allwöchentlich über fünf Kilometer geht.

Bei der Wahl der größten Südafrikaner aller Zeiten landete Bruce Fordyce unter Politikern, Freiheitskämpfern, Entdeckern und Wissenschaftlern immerhin auf Rang vierundsechzig. Dass Übervater Nelson Mandela dabei mit riesigem Abstand gewann, ist alles andere als überraschend. Doch ist die Position von Fordyce für die südafrikanische Laufszene eben ähnlich unangefochten - selbst, wenn ihn im Rest der Welt kaum jemand kennt.

Das Portrait über Bruce Fordyce zur Serie Heroes erstellte Ralf Klink
Grafik Ursula Güttsches

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