Hildegard Falck-Kimmich

 
Vor 50 Jahren gewann sie bei den
Olympischen Spielen Gold über 800 Meter
 
 
Als erste Frau der Welt lief sie ein Jahr
zuvor die 800 Meter unter zwei Minuten
von Winfried Stinn im Oktober 2022 

Vor 50 Jahren gewann die in Breisach-Oberrimsingen lebende Hildegard Falk-Kimmich bei den Olympischen Spielen in München die Goldmedaille über 800 Meter und zum Abschluss der Spiele gab es mit der 4 mal 400 Meter Staffel noch die Bronzemedaille. Neben ihrem Olympiasieg wird ihr Weltrekordlauf, ebenfalls über 800 Meter, bei der deutschen Meisterschaft 1971 in Erinnerung bleiben. Die damals 23jährige lief sensationelle 1:58,5 Minuten und blieb so als erste Frau über die zwei Stadion-Runden unter zwei Minuten. Damit schrieb die im niedersächsischen Nettelrede geborene und für den VFL Wolfsburg startende Läuferin Sportgeschichte. Ein Jahr später krönte sie mit dem Olympiasieg ihre sportliche Laufbahn. "Beide Erfolge haben für mich eine große Bedeutung. Als erste Frau über 800 Meter unter zwei Minuten zu laufen und so eine Schallmauer zu durchbrechen ist schon etwas Besonderes. Aber der Gewinn der Goldmedaille ist gleichwertig", äußert sich Hildegard Falck-Kimmich, die seit mehr als vier Jahrzehnten in Südbaden mit ihrem Mann Klaus Kimmich lebt. Mehr angesprochen werde sie aber auf den Olympiasieg, der sei einfach populärer. Welchen Stellenwert diese Zeit noch heute hat, wird deutlich bei einem Blick in die Ergebnislisten der vergangen Jahre. So hätte beispielsweise bei der Leichtathletik Weltmeisterschaft 2019 Hildegard Falcks Zeit immer noch für eine Bronzemedaille gereicht.

Schon als Schülerin begeisterte sich die Athletin für den Wettkampfsport und sammelte ihre ersten Erfolge im Schwimmen. "Außer im Delphinschwimmen war ich in allen Disziplinen recht gut. Wir waren vor allen in den Staffelwettbewerben erfolgreich." Nachdem Schwimmen ging sie auf dem nahegelegenen Sportplatz um anschließend noch Leichtathletik zu betreiben. "Ob Laufen, Werfen oder Springen, mir hat alles Spaß gemacht", erinnert sich die vielseitige Athletin, die darüberhinaus auch noch Handball spielte. Da sie sich im Winter noch an Waldläufen beteiligte wurde bald ihr läuferisches Talent entdeckt. Zweimal wöchentliches Ausdauertraining stand von nun an zusätzlich auf ihrem Trainingsplan. Die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. 1967 wurde die damals 18jährige in 2:11,3 Minuten Deutsche Jugendmeisterin über 800 Meter. Ein Jahr später trug sie erstmals bei einem Jugend-Länderkampf das Nationaltrikot. Der Übergang von der Jugend- in die Aktivenklasse gelang reibungslos und die Karriere ging von nun an nur noch steil bergauf. Nun war aber tägliches Training angesagt. 1970 gewann sie den ersten von fünf deutschen Meistertiteln und feierte mit dem Sieg gegen die damalige Weltrekordlerin Vera Nicolic ihren ersten großen internationalen Sieg. "Ich war völlig unbeeindruckt von der Weltrekordlerin an den Start gegangen, dass ich sie dann aber schlagen konnte, war für mich ein Schlüsselerlebnis. Ich war selbst überrascht, so stark hatte ich mich nicht eingeschätzt." So ganz nebenbei stellte sie mit 2:02,8 Minuten einen neuen DLV-Rekord auf.

1971 wartete sie bereits in der Hallensaison mit sensationellen Leistungen auf. Zunächst wurde sie Deutsche Hallenmeisterin, wenige später Hallen Europameisterin und zum Abschluss der Hallensaison stellte sie mit 2:03,3 Minuten einen Hallenweltrekord auf. Das ließ auf einer Super-Saison, mit der Europameisterschaft in Helsinki als Höhepunkt, hoffen. Zunächst kam es bei der deutschen Leichtathletik Meisterschaft im Stuttgarter Neckarstadion zum Paukenschlag. Hildegard Falck lief die 800 Meter in der neuen Weltrekordzeit von 1:58,5 Minuten und blieb als erste Frau unter zwei Minuten. Und das bei mehr als 30 Grad Celsius. "Der Jubel im Stadion war groß. Nur der Stadionsprecher hatte zunächst gar nicht realisiert, dass ich Weltrekord gelaufen bin. Es lief an diesem Tag alles optimal. Die ersten 200 Meter ging ich in 28,5 Sekunden an und die weiteren 200 Meter-Abschnitte lief ich in 30 Sekunden. Nun war ich Favoritin für die Europameisterschaft und die Olympischen Spiele. Ich stand im Fokus der Medien. Das war etwas völlig Neues für mich."

 
Autogrammkarte

Die Nacht vor ihren Weltrekordlauf hatte sie im Keller ihrer Unterkunft zwischen Schuhkartons und Trikots verbracht. "Wir waren im Sportlerheim untergebracht. Ich konnte die Nacht vor dem Vorlauf kaum schlafen. Es war wahnsinnig heiß und laut. Mein Ausrüster hatte im Keller einen Raum angemietet. Wir besorgten ein Klappbett und so konnte ich bei angenehmen Temperaturen gut schlafen", erzählt sie schmunzelnd. Bei der Europameisterschaft in Helsinki musste sie ihren ersten Rückschlag verkraften. Als Favoritin ging sie ins Rennen, stürzte jedoch. In den Medien wurde die DDR-Läuferin Gunhilde Hoffmann schnell als Schuldige ausgemacht. Doch da wiegelt Hildegard Falck-Kimmich ab: "Das war eine unglückliche Rempelei. Da hatte niemand Schuld." Eine faire Einstellung der sympathischen Sportlerin. Mit der 4 mal 400 Meter Staffel gewann sie die Silbermedaille, so dass sie in Helsinki nicht ganz leer ausging. Auch im Olympiajahr musste sie eine Niederlage einstecken. Bei der deutschen Meisterschaft unterlag sie überraschend Sylvia Schenk. "Ich wollte schauen, wie schnell ich angehen kann und bin die ersten 200 Meter noch etwas schneller gelaufen, als bei meinem Weltrekord. Ich war auf der Zielgeraden stehend k.o. und Sylvia Schenk hat mich kurz vor dem Ziel abgefangen. Aber die Niederlage hatte auch etwas Positives. Nach dem Sturz in Helsinki und den zweiten Platz bei der deutschen Meisterschaft war ich die Favoritenrolle für Olympia los."

Bei den Olympischen Spielen in München lief dann alles nach Plan. 80.000 Zuschauer im ausverkauften Olympiastadion hatten zuvor schon die Goldmedaille von Klaus Wolfermann bejubeln können und im 50 km Gehen lag Bernd Kannenberg vorne. "All das habe ich zwar mitbekommen, auch die tolle Stimmung. Als ich aber das Stadion betrat, konnte ich völlig abschalten und mich auf mein Rennen konzentrieren. "Die Goldmedaille war mein Ziel. Ich wollte das Rennen gewinnen." Dementsprechend motiviert ging sie auch den Endlauf über 800 Meter an und siegte nach einem taktisch sehr klug eingeteiltem Rennen in der neuen olympischen Rekordzeit von 1:58,6 Minuten. "Es lief genau so wie ich mir das vorgestellt hatte. Das war der Höhepunkt meiner Laufbahn, ein unbeschreibliches Gefühl, und das vor der stimmungsvollen Kulisse im Olympiastadion." Doch nur zwei Tage später schlug die Stimmung, durch die Geiselnahme und Ermordung israelischer Sportler, um. "Ich habe von diesem schrecklichen Ereignis auch nur aus dem Fernsehen erfahren, da ich nach dem 800 Meter Lauf das olympische Dorf verlassen habe. Als ich dann zum Staffellauf wieder ins olympische Dorf zurückkehrte, war nichts mehr so wie zuvor." Zum Abschluss der Olympischen Spiele gewann Hildegard Falck mit der 4 mal 400 Meter Staffel nochmals Bronze.

1974 beendete sie ihre aktive Laufbahn. "Es wurde immer schwieriger Beruf (sie arbeitete als Lehrerin) und Sport auf hohem Niveau zu vereinbaren. Die Zeiten, vor allem der Athletinnen aus den Ostblockstaaten, die meist unter Profibedingungen trainierten, wurden immer schneller. Ich sah für mich kaum Chancen da noch mitzuhalten."

Ihre Liebe zur Leichtathletik hat sie bis heute nicht verloren. So ist sie immer wieder Gast bei Meisterschaften und Sportfesten. Neben der Leichtathletik interessiert sich Hildegard Falck-Kimmich auch für viele andere Sportarten. So natürlich auch für Fußball. Die Frage ob ihr Herz für den SC Freiburg, nachdem sie mehr als vier Jahrzehnte in Südbaden lebt, oder noch für ihren früheren Heimatverein VFL Wolfsburg schlage, beantwortete sie diplomatisch "Für Beide". Und neben dem Sport gibt es noch viele Hobbies "Da mein Mann und ich schon seit vielen Jahren im Ruhestand sind, haben wir viel Zeit für Sport, Reisen, Museumsbesuche, Wandern und im Winter Skifahren, wobei die Reisen wegen Corona auf Deutschland beschränkt waren."

Das Portrait "Hildegard Falck-Kimmich" erstellte Winfried Stinn
Foto © Winfried Stinn

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