Clara Costadura

In Süddeutschland ganz oben
und in Italien dicht davor

von Jörg Engelhardt im April 2020 

Im kommenden Sommer, genauer gesagt am 25. Juli 2020, wird Clara Costadura 24 Jahre alt. Doch das was die italienische Studentin in ihren noch sehr jungen Lebensjahren an sportlichen Erfolgen vorzuweisen hat, kann sich schon sehen lassen. Neben einem Hessischen Meistertitel im Berglauf in Meißner-Abterode 2019 sowie einem weiteren über 3000 Meter Hindernis, hat ihre bisherige Erfolgsbilanz auch schon einen Süddeutschen Meistertitel über 3000 Meter in der Halle vorzuweisen sowie einen 3. Platz bei den Süddeutschen Meisterschaften über 1500 Meter und einen weiteren 3. Platz bei Hessischen Meisterschaften auf der gleichen Distanz. Zwei weitere Hessische Meistertitel mit der Mannschaft runden diese Erfolgsbilanz ab.

Doch ihren bisher größten Erfolg hat die Wahl-Frankfurterin ausgerechnet auf der längsten Distanz in ihrem vielseitigen Repertoire erzielt. Bei den Italienischen Halbmarathon-Meisterschaften 2018 in Foligno lief sie in der Altersklasse U23 mit einer Zeit von 1:23:36 h zur Vize-Meisterschaft und kehrte mit einer Silbermedaille aus Umbrien in die Main-Metropole zurück. Zudem hat sie auch schon mit einem 4. Platz über 3000 Meter Hindernis bei den italienischen Titelkämpfen in Brixen 2019 einen großen Schritt in Richtung italienische Spitze vollzogen.

Wie weit der Weg zum absoluten Durchbruch noch ist, lässt sich schon aufgrund der gegenwärtigen Corona-Krise und der damit verbundenen dramatischen Situation in ihrem Heimatland nur vermuten. Dennoch sollte ihr bei einer hoffentlich bald wieder einkehrenden Normalisierung des Alltagslebens der Weg zu einer weiteren Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit wieder offenstehen. Zumindest gibt ihre bisherige Lebensgeschichte zu dieser Hoffnung Anlass. Denn nicht nur im Sport, sondern auch im verbleibenden Alltagsleben ist die angehende Soziologin weiterhin auf der Erfolgsspur.

 

Der Summe dieser sportlichen Spitzenleistungen, die sie bisher schon erzielen konnte, liegt auch eine menschliche Entwicklungsgeschichte zugrunde. Geboren in Genua, der Hauptstadt der Provinz Ligurien, entwickelt Clara schon sehr früh ein Bedürfnis sich sportlich zu betätigen. Sie probiert sich erst einmal nicht im Laufsport aus, sondern beginnt im Alter von 9 Jahren Tischtennis zu spielen. Auch hier erzielt sie überdurchschnittliche Leistungen. Das Ganze hat nur einen Haken. Das sehr talentierte Mädchen ist bei Ausübung dieser Sportart sehr verletzungsanfällig, was sie zu dem Entschluss bringt, trotz vorhandener Erfolge, ihre Tischtenniskarriere mit 16 Jahren zu beenden. Zwischendurch wendet sie sich dem Schwimmsport zu, doch auch diese Sportart verschafft ihr keine absolute Befriedigung. Zudem kann sie aufgrund ihrer Verletzung, sowie einer Operation, die aus anderen gesundheitlichen Gründen erforderlich ist, nahezu zwei Jahre lang überhaupt keinen Sport mehr treiben.

Da sie schon in der Schule eine gute Läuferin war, entscheidet sie sich nach dieser Verletzungspause dafür, ihr Glück im Laufsport zu suchen. Dennoch sind die Voraussetzungen für ein vielfältiges Training, das auch noch Spaß machen soll, in der Stadt, die nahezu 600.000 Einwohner zählt, alles andere als gut. Gibt es doch lediglich zwei Sportplätze mit Laufbahn, die für Clara obendrein ungünstig zu erreichen sind. Auch das Trainieren auf der Straße macht ihr wenig Freude. Es gibt zu viele Straßenzüge mit hohem Verkehrsaufkommen, was das Laufen auf ihnen, wenigstens schwierig und mitunter auch gefährlich macht.

Doch das Leben stellt auch noch andere Anforderungen an sie. Also muss auch Clara, wie ihre übrigen Altersgenossen, sich durch einen möglichst guten Schulabschluss eine Ausgangsposition erarbeiten, die sie irgendwann in eine gute berufliche Zukunft führen kann. Sie legt ihr Abitur ab und beschließt ihr Studium in einem anderen Land aufzunehmen, obwohl sie aus einem liberalen Elternhaus kommt und das Verhältnis zu ihren Eltern immer liebevoll war, wie sie im Gespräch betont. Sie fühlt das Bedürfnis, nicht nur als Sportlerin sondern auch als menschliches Individuum wachsen zu wollen. Auch das Erlernen fremder Sprachen übt auf die inzwischen 19-jährige Abiturientin eine große Faszination aus.

2015 ist es dann soweit. Die Wahl fällt auf Deutschland. Hier ist die Universitätsstadt Heidelberg für sie die erste Station. Sie kommt bei dort lebenden italienischen Verwandten unter, die ihrerseits wiederum zum Beispiel durch den Ehestand mit Deutschen einen großen deutschen Familien- und Verwandtenkreis mit sich bringen. Ein ideales Übungsfeld, um die Sprache schnell und gut zu erlernen. Was auf Deutsch noch nicht verständlich ist, kann dann auf Italienisch erklärt werden. Auch hier lernt sie sehr schnell. So schnell, das sie bereits nach 4 Monaten ihr verwandtschaftliches Umfeld wieder verlässt und in eine Wohngemeinschaft zieht. Nach weiteren 4 Monate besteht sie auch ihre Deutschprüfung, da dieser Leistungsnachweis Voraussetzung dafür ist, dass sie mit einem anerkannten italienischen Abitur an einer deutschen Universität studieren kann.

 

In dieser Zeit, lässt sie aber auch ihre sportlichen Ambitionen zu ihrem Recht kommen. Ihre erste sportliche Heimat findet sie nicht in Heidelberg selbst, sondern im nahe gelegenen Weinheim. Beim dortigen TSV findet sie auch gleich eine Gruppe, die von Thomas Geißler trainiert wird. Dieser weiß zwar, das ihm und seinem Verein eine entwicklungsfähige Nachwuchshoffnung hinzugewachsen ist, dennoch kann er es nicht verhindern, das Clara sich dafür entscheidet, ihre Zelte in Heidelberg abzubrechen und weiter nach Frankfurt zu ziehen. Noch in Heidelberg ansässig, macht sie sich auf die Suche nach einer Wohnung im zweiten Schritt auch auf die Suche nach einem neuen Verein. Ihr erstes Probetraining führt sie zur Frankfurter Eintracht. Doch ein Probetraining kann ihre Begeisterung nicht entfachen, denn in der Gruppe befinden sich nur Sprinter. Da sie aber ihre sportliche Perspektive eher auf der Mittelstrecke sieht, wünscht sie sich eher einen Verein mit einer größeren Anzahl von Mittelstreckenläufer*innen, mit denen sie besser trainieren kann. Ein menschliches Umfeld das gut zu ihr passt, ist der inzwischen 20-Jährigen ebenfalls schon sehr wichtig, um sich über den Sport hinaus in der deutschen Alltagsgesellschaft zu integrieren.

Also wird sie bei Spiridon Frankfurt vorstellig. Hier nimmt sie zunächst am immer dienstags stattfindenden Intervalltraining teil, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dort erkennt Jenny Price, die an diesem Tag eine ihrer Trainingskameradinnen ist, sehr schnell, dass die zum Hineinschnuppern angereiste Gastteilnehmerin in dieser Gruppe eher unterfordert ist. Also verweist sie sie auf das Leistungsgruppentraining, das direkt im Anschluss an das Intervalltraining unter Trainer Kurt Stenzel stattfinden wird. An dieser Trainingseinheit teilnehmen kann sie jedoch nicht, weil sie sonst zu spät in Heidelberg ankommt. Allerdings bleibt zumindest noch Zeit für eine persönliche Vorstellung und ein kurzes Gespräch. Der ehemalige WM-Teilnehmer im Marathonlauf, der in seiner aktiven Zeit als Läufer 12 Deutsche Meistertitel gesammelt hat, ist vor allem von ihrem harten Händedruck beeindruckt. Denn obwohl die eher zierliche Läuferin, die zudem auch noch eine äußerst liebenswürdige Ausstrahlung besitzt, optisch eher sanftmütig wirkt, fühlt sich dieses Markenzeichen doch wesentlich kraftvoller an, als der Handschlag beinahe aller Männer aus dem gleichen Club.

Irgendwann ist dann auch der Umzug nach Frankfurt erfolgreich bewältigt und die Integration in die Spiridon Leistungsgruppe vollzogen. Mit den neuen Leistungsanforderungen, die sie als "anders" und auch "anspruchsvoller" bezeichnet, kommt sie gut zurecht. Zumal sie mit Tania Moser, Iris Rautenberg, Katharina Rach und Hanna Rühl gleich vier Mitstreiterinnen hat, mit denen sie sich auch menschlich gut versteht. Von nun an nehmen auch die sportlichen Erfolge stets zu. Das drückt sich auch durch Siege und Podiumsplatzierungen bei kleinen bis mittelgroßen Ereignissen, sowohl auf der Bahn, als auch auf der Straße aus. So richtig nach vorne durchzustoßen, schwebte ihr aber erst im Jahr 2018 vor. Ihr größter Wunsch: Eine Podiumsplatzierung bei den Italienischen U23-Leichtathletikmeisterschaften über 3000 Meter Hindernis in Agropoli, denn auf diese Disziplin hat die vielseitige Läuferin, die auf der Bahn von 1500 Metern bis 10.000 Metern alles läuft und in den Herbst- und Wintermonaten den Crosslauf nicht verschmäht, auch ihren Trainingsschwerpunkt gelegt. Die bis dahin erbrachten Vorleistungen auf dieser Strecke, gaben ihr zu der berechtigten Hoffnung Anlass mit einer Medaille nach Hause zurück zu kehren. Doch es sollte anders kommen. An diesem Tag läuft es einfach nicht. Sie belegt einen enttäuschenden 6. Platz und ist von einem Podiumsplatz unerreichbar weit entfernt.

Doch die Enttäuschung währt nicht lange. Die entgangene Medaille, soll nun bei den U23 Halbmarathon-Meisterschaften in Foligno geholt werden. Gemeinsam mit Kurt Stenzel stellt sie ihr Trainingsprogramm auf die deutlich längere Straßendistanz um. Mit einer 1:24:00 h könnte sie sich bei diesem Teilnehmerfeld Hoffnung auf eine Medaille machen und in der relativ kurzen Zeit der Vorbereitung wirft sie alles in die Waagschale um ihren Medaillentraum in einer doch ganz anderen Disziplin zu verwirklichen. In der Tat gelingt ihr das dann auch. Lediglich die Mailänderin Nicole Svetlana Reina wird an diesem Tag erwartungsgemäß nicht zu schlagen sein, so dass sie sich die heiß ersehnte Medaille mit einer Endzeit von 1:23:36 h erlaufen kann. Der größten Enttäuschung ihrer noch jungen Karriere folgt somit noch im gleichen Jahr der größte Triumph und der Name des Clubs, S.S. Trionfo Ligure, für den sie bei Italienischen Meisterschaften startberechtigt ist, wird plötzlich zum Programm.

 

Eine Erfolgsgeschichte, die sie mit den bereits erwähnten Meistertiteln im Jahre 2019 weiter fortschreiben kann. Dazu kam dann noch der bereits erwähnte vierte Platz über 3000 Meter bei den Italienischen Titelkämpfen in Südtirol, der ihr zudem in 10:36 min. noch eine neue Bestzeit einbrachte, sowie eine weitere neue Bestmarke von 36:22 min. im 10 Km Straßenlauf bei den Italienischen Meisterschaften in Canelli (Piemont).

Ein neuer Hausrekord im Halbmarathon von 1:21:21 h, den sie in Amsterdam erzielen konnte, war dann ein weiteres Zeugnis ihrer Steigerungsfähigkeit. Zudem wurde sie auch noch vereinsintern zur Sportlerin des Jahres gekürt. Wen wundert es da, das ihr Sternzeichen Löwe, zugleich auch das Symbol für ihr Lieblingstier ist? In einem Videostatement, das im Internet abrufbar ist, erklärt sie das mit der großen Übereinstimmung ihrer Haarfarbe. In diesem Punkt gehen jedoch Selbst- und Fremdeinschätzung weit auseinander. Denn der "König" unter den Tieren, steht ja auch symbolisch als Zeichen für eine unbezwingbare Stärke. Diese unbezwingbare Stärke, hat sie zwar bei weitem noch nicht erreicht und wird sie vielleicht auch nie erreichen, dennoch wird einem schnell deutlich, dass dieser Wunsch eine größtmögliche physische Stärke zu erlangen, in ihr lebt und auch beharrlich und konsequent durch Disziplin und Fleiß verfolgt wird.

 

Das gilt nicht nur für ihre läuferischen Ambitionen, sondern auch für ihre künftigen beruflichen Ziele. In gut 12 Monaten, wird sie ihr Soziologiestudium erfolgreich abgeschlossen haben und dann auch den Weg in das Erwerbsleben einschlagen. Eine Tätigkeit in der Marktforschung, wo sie auch schon ein Berufspraktikum absolviert hat, könnte sie sich ebenso vorstellen, wie eine im Bereich Human Ressource, also Mitarbeitermotivation in einem großen Unternehmen oder auch eine Aufgabe auf dem Feld der internationalen Zusammenarbeit. Auch hier ist sie nicht untätig geblieben. Denn zwischendurch absolvierte sie noch einen 4monatigen Studienaufenthalt in Irland und hat in dieser Zeit bei den Dublin Crusaders mit den dortigen Läufer*innen ihr Trainingspensum nicht heruntergefahren. Eine Erfahrung, auf die sie gerne zurückblickt. Denn auch in Dublin hat sie über das Laufen schnell ein neues Umfeld gefunden, in dem sie sich wohlfühlen konnte, weil es, wie sie selbst sagt, gut zu ihr gepasst hat. Kontakte zu einzelnen Mitgliedern dieser Gruppe bestehen übrigens heute noch.

Sie ist auch als Bloggerin sowohl auf Deutsch als auch Englisch stilsicher und wortgewandt unterwegs. Ein weiteres Hobby ist das Bemalen von Keramik, für das sie allerdings zu wenig Zeit hat, was sie manchmal bedauert. Wofür sie sich aber immer Zeit nimmt, ist das Kochen. Zumal eine gute und ausgewogene Ernährung für eine ambitionierte Läuferin auch ziemlich wichtig ist. Das Jahr 2020 hat für sie auch wieder ganz gut angefangen. Mit einer neuen Bestmarke von 9:50,92 min. wurde sie in Frankfurt über 3000 Meter Deutsche Hochschulmeisterin in der Halle. Ein Titel, der ihr allerdings nicht allzu viel bedeutet, da außer ihr nur noch eine einzige Läuferin am Start war. Viel erfreulicher hingegen war für sie die neue Bestzeit. Bereits vier Tage später sicherte sie sich bei den Hessischen Meisterschaften im Crosslauf in Altenstadt die nächste Medaille. Nur von der noch etwas stärker eingeschätzten Lisa Oed geschlagen, kam sie hier zu Silber.

Nun in der unfreiwillig wettkampffreien Phase, darf sie nur noch alleine an die frische Luft, trainiert entspannt und zielgerichtet auf die Beseitigung noch vorhandener Schwächen hin. Nur selten wird sie dabei von einer weiteren Trainingskameradin begleitet. Denn der auf unbestimmte Zeit gebotene körperliche Abstand, macht ein gemeinsames Training schwierig bis unmöglich. Trotzdem hält sie den Kontakt zu ihrem Trainer Kurt Stenzel, sowie zu Athletiktrainer Dirk Kuhlmann. Beide erfüllen für sie eine Mentorenfunktion und sind somit auch die wichtigsten männlichen Bezugspersonen in ihrem Verein. Darüber hinaus hofft sie, dass der unterbrochene Trainings- und auch Wettkampfbetrieb bald wieder auf genommen werden kann und das Jahr 2020 doch noch den ein oder anderen Höhepunkt bieten wird. Denn das Training in der Gruppe und auch die persönliche Begegnung mit anderen Vereinsmitgliedern, sowie das Zusammentreffen mit Läufer*innen anderer Clubs vermisst sie schon sehr. Zumal gerade diese Faktoren einen unverzichtbaren Bestandteil für ihren bisherigen Erfolg markieren. Ein menschliches Umfeld, das gut zu ihr passt. 

Das Porträt "Clara Costadura" erstellte Jörg Engelhardt
Fotos ©: Wilfried Raatz, Helmut Serowy, Thomas Guthmann & Reinhold Daab

Zu weiteren Portraits bei LaufReport klick HIER

Zu aktuellen LaufReport-Inhalten klick HIER

© copyright
Die Verwertung der Texte und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse siehe unter IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.