Tobias Blum (LC Rehlingen)

Von Null auf Olympia in zwei Jahren

Saarländischer Top-Langstreckenläufer: "Ich habe einen Traum."

von Axel Künkeler im April 2018 

Er zählt zu den großen Nachwuchshoffnungen in der Langstreckenszene des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Obwohl der 23-jährige Saarländer Tobias Blum vom LC Rehlingen (LCR) bislang noch keinen einzigen Marathon bestritten hat, ist Olympia 2020 in Tokio sein großes Ziel. Seine persönliche Bestzeit auf der halben Distanz hat er 2017 beim Kölner Halbmarathon aufgestellt, als er in 1:05:39 Stunde mit großem Vorsprung gewann.

Wie schnell Träume gerade bei Langstreckenläufern platzen können, hat Blum aber kürzlich auch schon erfahren müssen. Eigentlich wollte er sich Ende April in Düsseldorf mit seinem ersten Marathon gleich für die Leichtathletik-Europameisterschaft Mitte August in Berlin qualifizieren. "Die Qualifikationszeit von 2:17 Stunden war ein realistisches Ziel", sagt der Marathon-Novize mit gesundem Selbstbewusstsein. Doch mitten in der Vorbereitung wurde Ende März Pfeiffersches Drüsenfieber bei dem jungen Sportler diagnostiziert.

Fast drei Wochen Trainingspause ("da hatte ich noch Glück im Unglück") waren die Folge. An einen Start in Düsseldorf war nicht mehr zu denken. Doch Tobias Blum nimmt's erstaunlich gelassen: "Vielleicht wäre es zum Einstieg gar nicht gut gewesen, gleich zwei Marathons in so kurzer Zeit zu laufen", reflektiert er sein Missgeschick. Dabei hatte die Saison 2018 ganz gut angefangen. Nach einem zweiwöchigen Trainingslager im Januar in Kenia ("bei den Flügen habe ich mir möglicherweise den Infekt eingefangen") gewann er im Februar in Saarbrücken den City-Halbmarathon "locker" in einer Zeit von 1:07 h. Vier Wochen später verzichtete er auf den Landesmeister-Titel des Saarländischen Leichtathletik-Bundes (SLB) und nutzte den Halbmarathon-Wettkampf lieber für einen ersten Trainingslauf über insgesamt 40 Kilometer. Drei Tage danach wurde die Erkrankung diagnostiziert.

Tobias Blum wohnt im Haus der Athleten am Olympia Stützpunkt Saarbrücken mit sehr guten Trainingsbedingungen

Als positiv denkender Mensch richtet er den Blick bereits wieder nach vorne. Nun will er im Oktober beim Köln-Marathon starten. Dort zählt Tobias Blum zum Favoritenkreis, weil in der Dom-Stadt traditionell keine afrikanischen Top-Läufer verpflichtet werden. Möglichst eine 2:17er Zeit, im Idealfall unter 2:16:30h will er bei seinem ersten Marathon laufen und damit die Bundeskader-Norm schaffen. Absolut darauf festlegen will er sich aber nicht, sondern vor allem eine grundsätzliche Bestätigung dafür, dass seine Ziele realistisch sind. Spätestens seit 2017 ist Tokio das konkrete Ziel von Tobias Blum, doch schon als Zwölfjähriger hatte er den großen Traum von Olympia 2020.

Damals trainierte er noch bei der LSG Saarbrücken-Sulzbachtal unter Franz-Josef Reinhardt, der ihn 2004 entdeckt hatte. "Als Kind war ich echt faul", schmunzelt Tobias Blum über die sportlichen Anfänge. Damals sei er bei den Saarländischen Schullaufmeisterschaften jedoch spontan Vierter in der M9 geworden. Da er aber weiterhin "eigentlich keine Lust am Laufen" hatte und sein Trainer erstmal eine breite leichtathletische Basis schaffen wollte, fing der junge Tobi mit Zehnkampf an. Vor allem in den technischen Disziplinen Speerwurf, Kugel und Diskus war er stark. Als 16-Jähriger nahm Blum 2011 erstmals an der Deutschen Mehrkampf-Meisterschaft teil, wurde auf Anhieb Gesamt-11. und erreichte ein Jahr später Platz 13. "Für ganz nach vorne hätte es aber nicht gereicht", räumt Tobias Blum ein, "ich war einfach nicht breit genug, nur groß und schlank."

Dafür lief es auf der 1.000m-Strecke "ganz gut" und beim ersten 10km-Lauf ein Jahr später in Kirkel habe er zwar "48 Minuten lang gelitten", aber auch viel Spaß gehabt. So kam im Alter von 17 Jahren der Umschwung zum Laufsport. Das Laufen half dem jungen Mann nun auch eine schwere familiäre Situation zu verarbeiten: Der Lebenspartner seiner Mutter ("er war für mich wie der eigene Vater") war gestorben. Bei ersten längeren Läufen über 20km wollte Tobias seine Trauer bewältigen.

Als 'Läufer des Jahres' 2017 wurde Tobias Blum vom SLB mit einem Pokal geehrt Tobias Blum beim Krafttraining am Olympia Stützpunkt Saarbrücken

Sportlich betrachtet ging dabei aber seine Schnelligkeit verloren, ein strukturiertes Training mit Tempo-Intervallen war notwendig, um sich weiter zu verbessern. Doch der Fokus lag nun endgültig beim Laufen, auf Distanzen von 400 bis 10.000 Meter. 2013 nahm er erstmals an der Deutschen Meisterschaft über 2.000m Hindernis teil. Ein Jahr später lief er bei der DM die 3.000m Hindernis in 9:05 Minuten, verpasste die U20-WM-Norm nur um drei Sekunden. Trotz der Enttäuschung merkte Tobias Blum, "das Potenzial ist da." Nachdem er über 5.000m Vierter der DM wurde, ging die Tendenz immer mehr zu den längeren Strecken.

Für die Mittelstrecken über 800m und 1.500m fehlt einfach die Grundschnelligkeit, während Tobias Blum offenbar über genügend Kraft-Ausdauer für lange Distanzen verfügt. Ende 2014 war er für die Crosslauf-EM in Bulgarien qualifiziert, doch aus dem ersten internationalen Einsatz wurde nichts. Ein Bänderriss bei den letzten Trainingsläufen machte einen Start ganz unmöglich. Aber auch aus diesem Missgeschick schöpfte er Motivation für die Zukunft.

2016 gewann er in Bad Liebenzell die U23-DM im Halbmarathon in einer Zeit von 1:05:55h, was bei den Aktiven Rang fünf bedeutete. 2017 wurde er bei der U23-EM in Bydgoszcz über 10.000m in 29:54:02 Minuten Sechster. Zudem qualifizierte er sich mit den beiden Zeiten für den Bundeskader Langstrecke für die jeweils folgenden Jahre. Nach Bautzen ("einer meiner besten Läufe") merkte er, der Traum des zwölfjährigen Jungen "rückt immer näher". Aber auch, dass die Qualifikation für Olympia für ihn wohl "einzig im Marathon" zu schaffen ist.

Die gezielte Marathon-Vorbereitung steht daher im absoluten Fokus von Tobias Blum. Für Köln hat er bereits gute Bedingungen verhandelt: vier Tempomacher stehen ihm zur Seite, um ein möglichst konstantes Tempo von 3:15min pro Kilometer laufen zu können. Bis zur Olympia-Qualifikation, die wohl zwischen Oktober 2019 und April 2020 geleistet werden muss, ist es dann noch "ein harter Weg", auf dem noch viel passieren kann, weiß Tobias Blum. Er traut sich aber zu die noch nicht feststehende Quali-Zeit (2:14h waren es für Rio) laufen zu können. Seine Trainingszeiten und Laktatwerte (anaerobe Schwelle bei 19km/h) machen ihn zuversichtlich.

Tobias Blum beim Bahntraining am Olympia Stützpunkt Saarbrücken Die SLB- Meisterschaft im Halbmarathon nutzt Tobias Blum im März 2018 als 40km Training für seinen ersten Marathon
Den Halbmarathon in Saarbrücken im Februar 2018 gewinnt Tobias Blum mit großem Vorsprung

Auch Franz-Josef Reinhard, der immer noch sein Trainer ist, sowie Bundestrainerin Kathrin Dörre-Heinig trauen es ihm absolut zu. Anfang 2019 steht wieder ein Trainingscamp in Kenia für vier Wochen im Kalender, danach folgen ein Frühjahrs-Marathon (Ort noch offen) und im Herbst "wahrscheinlich wieder Köln". Und sollte der große Traum von Olympia 2020 in Tokio klappen, was kommt danach? "Dann wäre mit 25 Jahren Schluss mit dem Leistungssport", sagt Tobias Blum. Olympiasieger im Marathon könne er angesichts der Konkurrenz aus Afrika ohnehin nie werden und gut leben könne er vom Leistungssport ("zu wenig Unterstützung") ebenfalls nicht.

Der junge Mann will sein "Leben nicht davon abhängig machen", hat klare Vorstellungen von seiner Zukunft. Die guten beruflichen Perspektiven seines Masters-Studiums will er nutzen, eine Familie gründen und sich räumlich verändern: von der saarländischen Heimat Richtung Berge (Nähe München-Garmisch), deren Freizeit- und Erholungswert er schätzt. Dort zu arbeiten und zu leben wäre ihm "wichtiger als der Sport". Der bleibt ihm aber wohl auch später erhalten. Neben Bergläufen, Rennrad oder Mountainbike in den Alpen hat er schon wieder einen Traum: "Irgendwann will ich mal einen Ironman schaffen."

Persönliche Daten:

Persönliche Bestzeiten:

800m

1:54,71min

Saarbrücken 2014

1.500m

3:51,58 min

Rehlingen 2017

3.000m

8:19,86 min

Saarbrücken 2015

3.000mH

9:05,84 min

Forbach 2014

5.000m

14:05,49 min

Regensburg 2017

10.000m

29:32,52 min

Bautzen 2017

10km

30:02 min

Bad Liebenzell 2015

Halbmarathon

1:05:42 h

Köln 2017

Größte Erfolge:

6. Platz

10.000m

29:54.02min

Bydgoszcz 2017 EM

1. Platz

Halbmarathon

1:06:36h

Hannover 2017 DM

1. Platz

Crosslauf

-

Löningen 2017 DM

1. Platz

Halbmarathon

1:05:55h

Bad Liebenzell 2016 DM

2. Platz

Crosslauf

-

Herten 2016 DM

3. Platz

5.000m

14:38,03min

Wattenscheid 2016 DM

2. Platz

10km

30:15min

Hamburg 2016 DM

Das Porträt "Tobias Blum" erstellte Axel Künkeler
Fotos © Axel Künkeler

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