Aaron Bienenfeld

Portrait eines "Alles-Läufers"

erstellt von Markus Heidl im Juni 2017 

Ein früher Mittwochmorgen in London. Es ist dunkel, und es regnet. Beides aber kein Hindernis für Aaron, bereits um 4 Uhr aufzustehen, um noch einmal durch den Hyde Park zu rennen. Um noch eine Chance zu bekommen, muss er so früh raus - der Rückflug nach Frankfurt geht bereits um 7 Uhr.

Bei der Chance geht es um sogenannte Segmente. Auf strava.com, einer Internetplattform, auf der sich Ausdauersportler vor allem über ihr Training austauschen können, sind Teilstrecken hinterlegt, auf denen es durch die GPS-Aufzeichnung Bestenlisten gibt. Aaron jagt sehr gerne Segmente, und als einer der Flinksten unter uns hat er bereits eine Menge Bestzeiten aufgestellt. Nur eben noch nicht in London.

Zumindest nicht offiziell. Denn schon gestern hatte er zwar einige Segmente gesucht, sich im Park selbst aber nicht wie geplant zurechtgefunden. So gab es keinen Upload, und damit auch keinen Eintrag in der Bestenliste! Außer man läuft erneut, wie Aaron. Wenn es sein muss, eben um 4 Uhr in der Früh. Bei Dunkelheit und Regen.

 

Nach London kam er durch Jost Wiebelhaus, Inhaber des Frankfurter Laufshops und mehr als nur der Arbeitgeber für Aaron. Jost hat beispielsweise den Kontakt zu Saucony hergestellt, die Aaron mit Schuhen und Kleidung ausstatten. Und weil "seine Jungs" im letzten Jahr die Mannschaftswertung der JP Morgan Corporate Challenge gewonnen hatten, das Finale dieses Jahr aber in Frankfurt und deshalb ohne Reise stattfindet, ging es kurzerhand als Belohnung separat nach London.

Aaron hatte bei diesem Mannschaftssieg nicht nur das Team des Frankfurter Laufshops angeführt, sondern den gesamten Lauf gewonnen (2017 gewinnt er übrigens auch den Lauf der weltbesten Mannschaften). Ein erstes größeres Ausrufezeichen, das aber nur den Anfang für Aarons überregionale Beachtung darstellte.

J.P. Morgan Corporate Challenge 2017: Aaron läuft beim Finale der weltbesten Firmenmannschaften als Erster ins Ziel

Überregionale Bekanntheit

In der Rhein-Main-Region ist er freilich schon länger bekannt. Als jemand, der gerne und viel bei Laufveranstaltungen teilnimmt und sich Jahr für Jahr enorm steigern konnte, stehen schon viele Siege in seiner Vita. Der richtige Durchbruch aber kam erst nach dem Tiefpunkt: Ende letzten Jahres nämlich hatte er striktes Laufverbot. Sechs lange Wochen Pause für einen Läufer, der für seine Ziele alles gibt - "wenn es sein muss, gehe ich auch noch um Mitternacht ins Studio!" - werden zur Qual. Aber es hatte sich Wasser im Fuß eingelagert, bei weiterem Lauftraining hätte Aaron mit einem Bruch rechnen müssen. Noch heute trainiert Aaron zur Schonung nie mit Spikes, sondern läuft damit nur im Wettkampf.

Nach Weihnachten 2016 durfte er dann wieder. Der vorsichtige Wiedereinstieg währte nicht lange, schnell war klar, dass Aaron seine Fitness durch gelegentliche Radausfahrten hatte halten können. Schon bei den hessischen Hallenmeisterschaften Mitte Januar standen die Zeichen voll auf Angriff: in einem Rennen, das schnell begann und noch schneller wurde, lehrte der junge Offenbacher die hochkarätige Konkurrenz das Fürchten und siegte mit neuer Bestzeit von 8'33''40 im Schlussspurt.

Ob Winterlaufserien, Bahnläufe, beim Cross und am Berg - praktisch überall kann man sich mit Aaron Bienenfeld messen

Es war der perfekte Einstieg in das neue Wettkampfjahr für einen neuen Verein. Als Einzelkämpfer für seinen Jugendverein hatte er sich nicht wertgeschätzt gefühlt und schließlich zu einem Wechsel durchgerungen. Seit 2017 startet er für den SSC Hanau-Rodenbach, wo er nicht nur wertvolle Trainingstipps von Sascha Arndt bekommt, sondern auch viele schnelle Hacken hat, an die er sich im Training hängen kann. Wichtige Faktoren, wenn es um richtig schnelle Zeiten geht! Ganz nebenbei kommen außerdem natürlich Mannschaftstitel hinzu!

Mit dem hessischen Meistertitel über 3000 m und der neuen Bestzeit schienen alle Dämme gebrochen. Im Februar folgten eine neue Bestzeit über 10 km und der nächste hessische Meistertitel, diesmal im Crosslauf. Anfang April dann sein bisher größter Erfolg: mit wieder starker neuer Bestzeit (68'19) wurde er Zweiter der Halbmarathon DM in der U23. Dann ging es auf die Bahn, wo eine Bestzeit auf die nächste folgte, sodass der Name Aaron Bienenfeld mittlerweile deutschlandweit ein Begriff sein sollte. Insbesondere, weil der Zenit noch lange nicht erreicht ist. Ein Einsatz im Nationaltrikot ist lange kein Traum mehr, sondern ein Ziel.

Gelaufen wird auf beinahe jedem Belag und bei allen Bedingungen, weil´s dem 19Jährigen immer Freude macht

Ein solches klar formuliert zu hören, hat bei Aaron aber Seltenheitswert. Er möchte mit Leistung überzeugen und auch nur für diese wertgeschätzt werden. Ziele oder gar Träume hinauszuposaunen ist so gar nicht seine Art. Obwohl mittlerweile in der deutschen Spitze angekommen, ist er der bescheidene Läufer aus der Nachbarschaft geblieben, der nur eben jedes freundschaftliche Duell im Training für sich entscheidet.

Nach langem Zögern hat er sich mittlerweile immerhin einen Instagram Account zugelegt, wo man, neben strava, zumindest ein wenig auf dem aktuellen Stand über seine jüngsten Laufabenteuer bleiben kann. Ausschweifende Selbstbeweihräucherungen und aufwendig produzierte Fotos sucht man dort natürlich ebenso vergeblich. Er ist und bleibt kein großer Fan von Ankündigungen. Schlicht und einfach.

Von damals bis heute

Seine Geschichte als Läufer begann derweil ganz harmlos. Mit der Grundschule ging es zum Waldlauf auf just jene Runde, die er auch heute noch sehr oft zum Training nutzt. Schon damals machte ihm das Laufen Spaß, ein Sport, zu dem er auch wegen des Offenbacher Citylaufs nie den Kontakt verlor: Jahr für Jahr trat er dort für die Schulmannschaft an.

 

Mit der Zeit wurde dann aus dem Gelegenheitsläufer ein Jugendlicher, der ab und zu trainierte. Jetzt trainiert er fast täglich und kommt bei großen Umfängen - wie beispielsweise in der Halbmarathonvorbereitung - auf bis zu 100 Wochenkilometer. Dabei lebt Aaron derzeit in zwei Welten. Im "normalen" Leben studiert er Wirtschaftswissenschaften an der Uni Frankfurt. Daneben, und hier schließt sich der Kreis, arbeitet er seit anderthalb Jahren halbtags im Frankfurter Laufshop. Für ihn das Beste daran: wie beim Laufen lernt er dort viele Menschen kennen.

Vorne weg, war schon früh seine Devise. Hier führt Aaron Bienenfeld mit 14 Jahren leichtfüßig das Feld beim Sandhofer Straßenlauf in Mannheims Nordwesten an

Sich selbst bezeichnet Aaron gerne als "Alles-Läufer". Der eine mag ihn über 800 m schlagen, hat dann aber keine Chance über 5000 m. Umgekehrt sind manche schneller im Halbmarathon, haben dann aber das Nachsehen über 1500 m. "Es gibt viele, die mich schlagen können, aber nur wenige, denen das überall gelingt!". Fürwahr gibt es wohl eher wenige, die ihn überhaupt schlagen können - bei diesem Leistungsspektrum!

Für die Zukunft die besten Wünsche

Weiter so, Aaron! Als jemand, der Deine Entwicklung über Jahre mitverfolgen konnte und sich als einen Freund bezeichnet, sage ich, was Du selbst nie tun würdest: Aaron, du bist ein Star!

Das Porträt von Davor Aaron Bienenfeld erstellte: Markus Heidl
Fotos ©: Markus Heidl, Reinhold Daab, Thomas Guthmann, LaufReport-Archiv

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