Portrait: Jannik Arbogast

"Ich habe mich für meine Leidenschaft entschieden" ...

von Johann Till im Dezember 2013

… so Jannik Arbogast in seinem Selbstportrait. Wie für so viele Jungs im Kindesalter war auch für den kleinen Jannik das runde Leder Faszinosum schon im Vorschulalter. Zuerst bei der Fußballvereinigung Neudorf 1920 e.V., schnürte Jannik später beim zweiten Fußballverein der großen nordbadischen Doppelgemeinde und Spargelmetropole, dem Fußball Verein Graben 1911 e.V., seine Fußballstiefel. Ob aus der Abwehr oder dem Mittelfeld heraus, die Position des Flügelflitzers war ihm auf den Leib geschnitten. Und er machte dabei nicht die schlechteste Figur auf dem Platz, wie aus dem nebenstehenden Foto schön zu ersehen. Bald schon reichte die gut 100m lange Außenlinie nicht mehr aus für den voller Dynamik steckenden Jungen, noch weniger das Wasserbecken, in welchem Jannik bei der DLRG so nebenbei den "Rettungsschwimmer" machte. Den ersten Berührungspunkt mit der Leichtathletik hatte Jannik dann als Elfjähriger. Bei einem Sportfest durfte er die Sprintstaffel eines Freundes verstärken. Alfons Brecht, der damalige Lauftrainer beim TSV Neudorf, erkannte sofort die Begabung und das besondere Talent des Jungen und nahm ihn in seine Läufergruppe auf. So betrieb Jannik im Schüleralter Fußball und Leichtathletik mehrere Jahre parallel.

2001: Jannik (r.) als Fußballer mit auffallendem Kniehub 2003: Jannik (r.) mit 11 Jahren erstmals als Staffelläufer

Mit seinem Übergang ans Technische Gymnasium in Bruchsal wuchsen die schulischen Anforderungen. Die zusehends knapper werdende Freizeit forderte eine Entscheidung. Der zeitliche Aufwand für ein ordentliches Training zweier Sportarten war nicht länger zu stemmen und Jannik war kein Freund nur "halber Sachen". So entschied sich der Heranwachsende im zarten Alter von 14 Jahren für das Laufen, es kam ihm am meisten entgegen und geriet nach und nach zu seiner Leidenschaft. Um nicht jede Einheit alleine absolvieren zu müssen, schloss er sich der Trainingsgruppe von Wolfgang Hohl in Pforzheim an. Dafür nahm er sogar eine lange An- und Rückfahrt von über zwei Stunden in Kauf. Es sollte sich lohnen. Die Aufnahme in den Landeskader des Badischen Leichtathletikverbandes, dem Jannik Arbogast seit 2006 angehört, bestätigte, dass seine Entscheidung, sich allein auf das Laufen zu konzentrieren, richtig war. Das Training wurde systematisch gesteigert und die Qualifikation für die Teilnahme bei seiner ersten Deutschen Meisterschaft (2008) stimmten ihn positiv. Ein Jahr später belegte er in der MJB über 3000m völlig überraschend gar schon den fünften Platz. Beflügelt und hoch motiviert startete Jannik in die neue Saison, doch sie brachte den ersten Rückschlag in seinem noch jungen Sportlerleben. Gleich zu Saisonbeginn Anfang 2010 verletzte er sich. Jannik Arbogast konnte das ganze Jahr über überhaupt nur ein Rennen bestreiten. In der MJA gelang ihm die Baden-Württembergische Meisterschaft über 3000m.

2009: Jannik bei den Badischen Meisterschaften in Gaggenau Deutsche Jugendmeisterschaften 2011 über 3000m. Jannick, hier mit Frederik Unewisse wurde 4.

Nicht zuletzt der mit dem Training in Pforzheim verbundene doch enorm hohe Zeitaufwand wurde ihm auf die Dauer zu viel. Zwischenzeitlich hatte sich zudem mit der gerade gegründeten LG Region Karlsruhe eine neue Perspektive eröffnet. Noch Ende 2010 entschied Arbogast, sich kurzerhand der Trainingsgruppe von Günther Scheefer in Karlsruhe anzuschließen. Er wechselte zur LG Region Karlsruhe. Durch eine hartnäckige Knieverletzung fand sein Training (4mal die Woche) vorerst meist im Schwimmbad oder auf dem Fahrrad statt. 2011 ging es langsam wieder aufwärts. Die Knieverletzung heilte ab und mit dem vierten Platz bei den Deutschen Jugendmeisterschaften über 3000m in der MJA stellten sich neue Glücksmomente ein. Für Jannik war es ein wunderbares Gefühl, nach einer längeren Verletzungspause wieder angekommen zu sein.

Nach seiner letzten Saison als Jugendlicher musste sich Arbogast für die Saison 2012 umorientieren, da es die 3000m, seine Spezialdisziplin, bei den Deutschen Meisterschaften der U23, in der Arbogast ab 2012 startberechtigt ist, nicht mehr gibt. Günther Scheefer - oder Günnes, wie ihn seine Athleten liebevoll nennen - stellte Arbogast jetzt auf die 5000m ein. Janniks Trainingswerte entwickelten sich hervorragend und als jüngster Jahrgang von insgesamt drei lief Arbogast bei den Deutschen Meisterschaften der U23 schon auf einen 9. Platz. Noch einen Platz besser platzierte er sich bei den Deutschen Straßenlauf-Meisterschaften 2012 über 10 Kilometer in Nagold, wo er seine Zehnerzeit auf 31:19 min verbesserte. Das Jahr 2013 begann für Jannik nicht ganz so berauschend. Bei den Deutschen U23 Meisterschaften vermochte er sich über die 5000m zwar auf den 7. Einlaufplatz zu verbessern, an seine im Vorjahr über 5000m bzw. 10 Kilometer gelaufenen Zeiten kam er aber lange nicht heran.

2013: Jannik siegt auf der Straße beim Asparaguslauf in Graben. Er gewinnt auch den PSD LaufCup 2013 2013: Jannik beim Karlsruher Hallenmeeting. Mit Turbo-Sprint siegte er im Lauf der U23 überraschend über 1500 m

Erst am 1. November 2013 platzte der Knoten. Auf dem Hockenheimring, dort wo bei den PS-Boliden auch schon mal der eine oder andere Reifen durchgeht. "Das war phänomenal. Ich war so locker und relaxed", diktierte Jannik Arbogast in die Blöcke der versammelten Sportpresse und konnte seine neue Bestzeit selbst kaum fassen. Mit seinen im Ziel gestoppten 30:35 min hatte er sich auf dem schnellen Asphalt und in vorbildlicher Kurvenlage (s.Bild) einen Vorsprung von eineinhalb Minuten herausgelaufen. Damit platzierte sich der neue Himmelsstürmer gleichzeitig unter den Top 25 der Deutschen Bestenliste über 10 Kilometer im Straßenlauf. Auf der U23 Bestenliste rangiert er dieses Jahr nunmehr auf Platz 6.

2013: Neue Bestzeit über 10 Kilometer. Beim Hockenheimring-Lauf wurden für Jannik 30:35 Minuten gestoppt

Wie kam diese plötzliche Steigerung? Janniks Training wurde umgestellt. ‚Öfter, dafür kürzer' lautete die Parole von Trainer Günther Scheefer für eines seiner hoffnungsvollsten Talente in den letzten Monaten. Öfter, das heißt neun bis zehn Laufeinheiten pro Woche sind für den Karlsruher Mathematik- und Sportstudenten zwischenzeitlich Pflicht. Da reicht die Zeit jetzt nicht mehr ganz so oft für einen Besuch im Sallenbusch, wo er sich auf dem Reiterhof seiner Tante gerne mal als Stallbursche verdingt. Dafür jetzt mehr Zusatzeinheiten, gerne auch mal mit Frederik Unewisse (siehe Portrait im LaufReport), seinem Vereinskollegen aus der Nachbargemeinde Linkenheim-Hochstetten.

Wenn die Einschätzung seines Trainers in Erfüllung geht, sind von Jannik Arbogast noch einige Überraschungen zu erwarten. Scheefer schwärmt sehr von Jannik und freut sich ganz besonders, weil er (Jannik) auch immer wieder Rückschläge wegstecken musste. "Die Stärken bei Jannik sind eindeutig seine Konstanz, seine Ruhe, sein langfristiges Denken und seine große Teamstärke. Er ist ein echter Altruist, denkt für alle mit und sucht seinen individuellen Erfolg auch in der Mannschaft. Manchmal ist seine Bescheidenheit und sein Harmoniesinn aber auch eine Schwäche, weil das schon mal in fehlendes Engagement oder emotionales Laufen abdriften kann", so Scheefer.

2013: Beim Darmstadt Cross macht Jannik seine Nominierung für die Cross-Europameisterschaften perfekt. Den Grundstein hatte er zuvor beim Sparkassen Cross in Pforzheim gelegt (Foto rechts)

Für die nächste Überraschung ließ sich Jannik gerade mal 3 Wochen Zeit. Nachdem er bereits am 9. November 2013 beim Sparkassencross in Pforzheim-Huchenfeld und vor den Augen seines früheren Trainers Wolfgang Hohl erneut aufhorchen ließ, machte er 24. November 2013, bei der "heimlichen Deutschen Crossmeisterschaft", dem 29. Darmstadt-Cross, den Sack endgültig zu. In einem bravourösen und von Taktik geprägten Rennen machte er beim Lauf der Junioren U23 über 8500m von hinten heraus Platz um Platz gut. Am Ende sicherte er sich als sechster Deutscher - für ihn selbst wie auch für seinen Trainer völlig überraschend - das Ticket für die diesjährigen Cross-Europameisterschaften, welche am 8. Dezember 2013 in Belgrad (Serbien) ausgetragen werden.

Wünschen wir Jannik Arbogast für seine weitere Entwicklung alles Gute und eine verletzungsfreie Saison 2014. Er selbst hat sich für sein letztes Jahr bei den Junioren eine Verbesserung aller seiner bisher gelaufenen Zeiten zum Ziel gesetzt und hält die Unterbietung der 30er-Grenze über 10 Kilometer für durchaus realistisch

Steckbrief:   Bestzeiten (Stand 1.11.2013)
Geboren am 4. Juli 1992 in Bretten, wohnhaft bei den Eltern in Graben-Neudorf. 3 Geschwister…
Nach seiner Schulausbildung, zuletzt auf dem Technischen Gymnasium in Bruchsal, studiert Jannik Mathematik und Sport am KIT in Karlsruhe.
  1000m 2:30,73 min (Halle)
1500m 3:55,81 min (Halle)
3000m 8:29,06 min
5000m 14:46,07 min
10km-Straße 30:35 min

Bestzeiten (Stand 1.11.2015)

1500m

3:51,55 min

5000m

13:52,05 min

10000m

29:23,13 min

10 km Straße

29:46 min

Jannik Arbogast im Internet unter www.jannikarbogast.de

Das Porträt "Jannik Arbogast" erstellte Johann Till
Fotos © LaufReport Johann Till & C+W Wagner und privat

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