Auf dem Trockenenvon Christian Werth |
Während es der gemeine, Regen scheuende Läufer am liebsten trocken mag, überrascht die Erkenntnis, dass manchmal auch zu wenig Wasser zu Leistungseinbußen führen kann. Ja klar - in puncto Verpflegungsständen könnte das schon zutreffen - hier kommt es vor allem an heißen Tagen immer mal wieder vor, dass dem Veranstalter das Wasser ausgeht und der durstige Sportler um die erhoffte "Bewässerung" gebracht wird. Doch im aktuellen Fall geht es um eine gänzlich andere Art des Wassermangels, den man bislang eigentlich noch nicht kannte. So saß eine junge Hindernisläuferin zu Beginn des Sommers regelrecht auf dem Trockenen und musste die bittere Erfahrung machen, dass die 35 zu überspringenden Hindernisse nicht zwangsläufig die einzigen Hindernisse darstellen.
Die 18-jährige Rheinländerin hatte sich während der Saison spontan dazu entschieden, es doch mal mit der Hindernisstrecke zu probieren. Durchaus nachvollziehbar - schließlich stellt diese Disziplin nach wie vor eine gewisse Marktlücke dar und ermöglicht Sprungwundern und Techniktalenten auch mit langsamerer Grundschnelligkeit vergleichsweise bessere Resultate. Eine Flach-Bestzeit von 9:40 min sollte eigentlich die Norm für die deutschen U23-Meisterschaften von 10:50 min in greifbare Nähe rücken lassen, vielleicht sogar die der U20-EM von 10:20 min.
Ein Versuch war es wert, doch hatte die Nachwuchsläuferin die Rechnung ohne die Stadt, Betreiber des Leichtathletikstadions, gemacht. Zwar befanden sich dort ausreichend Hindernisse, die auch auf Damenhöhe verstellbar und wettkampfkonform überspringbar waren. Auch war ein den Normen entsprechender Wassergraben vorhanden, doch sollte grade dieses spektakulärste Hindernis den Stein des Anstoßes darstellen. So war seine Ausstattung eben doch nicht ganz regelkonform - schließlich fehlte dem Wassergraben das Wasser und drohte eine erfolgreiche Hindernis-Premiere vorzeitig ins Wasser fallen zu lassen.
Auf die Problematik angesprochen zeigte sich die Verwaltung gänzlich überfordert. Nach einer Phase der allgemeinen Verwunderung, dass die Leichtathleten nach 25 Jahren erstmals den Wassergraben nutzen wollten, gestand man, dass man gar nicht wisse, wie die Grabenflutung genau bedient würde und bezweifelte, ob der antike Wasserzufluss überhaupt noch funktioniere. So beschloss man zunächst, sich der Verantwortung zu entziehen und konfrontierte den zuständigen Trainer mit der Überlegung, dass das Überspringen des Wassergrabens oder besser gesagt des Hindernisgrabens doch auch ohne Wasserfüllung möglich sei.
Doch der empörte Coach ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich mit dieser Idee keinesfalls anfreunden wolle und ohne Wasser im Graben kurzerhand auf eine mögliche EM-Chance verzichtet werden müsse. So würde ein "trockenes Überspringen" des Grabens keinesfalls das widerstandsreiche Herauslaufen aus dem Wasser simulieren können und seine Athletin im Wettkampf vor eine völlig neue Situation stellen. Noch schwerwiegender sei aber das erhöhte Verletzungsrisiko, weil Wasser den tiefen Sprung in den Graben entscheidend abfedern würde, gab der Trainer zu Bedenken. So ließ sich die Stadt dann doch überreden, einen Herren vom städtischen Bauhof vorbeizuschicken. Dieser kam, sah und wiegelte ab. Der Zufluss sei kaputt, sei entweder verstopft oder verrostet, war das Ergebnis des "Gutachters".
Doch diese Einschätzung wollte der Coach nicht auf sich sitzen lassen und schlug der Stadt nun vor, dass man den Graben genauso gut extern, also mit einem Wasserschlauch oder zur Not durch Herbeitragen von Wassereimern fluten könne. Daraufhin entgegnete die Verwaltung, dass man das Wasser dann nur sehr schlecht wieder ablassen könne. Außerdem würde somit das Leben der Kröten gefährdet, die sich inzwischen in dem rund zehn Zentimeter tiefen Tümpel angesiedelt hätten, spielte die Stadt nun sogar die biologische Karte aus.
Doch auch nachdem der ehrgeizige Trainer sämtliche Kröten liebevoll in Sicherheit gebracht hatte, sprudelte der Ideenreichtum der Stadtvertreter nach wie vor wie ein Quell. Nun erachtete man eine Wasserflutung nämlich als potentielle Gefahr für spielende Kinder. Schließlich sei nur eine notdürftige Abdeckung vorhanden, die mit Leichtigkeit zur Seite zu schieben und ein Ertrinken in den "reißenden Fluten" zufolge haben könne.
Das war zuviel. Jetzt resignierte sogar der kämpferische Trainer und legte die Hoffnung auf Wasser im heimischen Stadion endgültig ad acta. Nachdem sich zum allgemeinen Entsetzen auch der Grabenzufluss des Stadions der Nachbarstadt als defekt herausstellte, muss man nun wöchentlich rund 50 km reisen, um doch noch in den Genuss des lange ersehnten Wassersegens zu kommen. So muss das Hindernis-Training trotz aller Hindernisse nun doch nicht ins Wasser fallen.
![]() |
Beitrag von Christian Werth Zu weiteren Beiträgen der Rubrik UNTERHALTUNG Zu aktuellen Inhalten im LaufReport HIER |
![]() |
© copyright Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse im IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.