Udos Welt

Udo Pönzgen scheint kurz vorm Ziel zu stehen - so oder so. Was er beim Kölner Himmelfahrt-Lauf erlebt, wird Thema der nächsten Folgen sein. Und dann heißt es wohl, Abschied zu nehmen von Udo. Zumindest vorerst."

Folge 55: Der Gott des Laufens spricht

Der Kölner Anti-AIDS-Lauf, der offiziell ganz anders heißt, nämlich BeneFIT-Lauf Cologne, beginnt mit einer Läuferandacht.

 

Klar, Christi Himmelfahrt. Am Rhein ist man schließlich katholisch. Außerdem will der Läufer wissen, wohin seine Fahrt an diesem Tag geht: in den Sportlerhimmel oder zur Hölle der Versager. Ins Fegefeuer des Did Not Finish. Also her mit der Letzten Ölung, solange die nicht auf der Dopingliste steht!

Läuferandacht also. Es riecht nach Muskeltonikum statt nach Weihrauch. Energieriegel ersetzen die Oblaten. Doch, das hat was. Plötzlich fühlt man sich ernst genommen von Mutter Kirche, um die man so oft einen Bogen macht. Meist mit Chip am Fuß, am heiligen Sonntagvormittag, während der Pfarrer händeringend in der Tür steht und seiner Schäfchen harrt. Die es nicht rechtzeitig durch die Absperrungen geschafft haben.

 

 

Unser Geistlicher ist da besser dran. Selbst Hobbyläufer, wie er eingangs betont. Junger Kerl noch, gutaussehend, vor vollen Bankreihen. Toll, dass wir alle so sportlich sind. Toll, dass wir zu innerer Einkehr bereit sind. Doppelt toll, dass uns der Herr zwei Beine gegeben hat, um erst in die Kirche und dann zum Start zu eilen. Julia hängt an seinen Lippen. Ich hänge an Julias Lippen.

Doch dann macht der Schönling einen Fehler. Einen kapitalen Fehler! "Als ich vor Jahren meine persönliche Bestzeit über zehn Kilometer aufstellte", hallt es durch das Kirchenschiff, "fühlte ich mich stark wie Goliath und unverwundbar wie Samson." Kokettes Brauenlupfen, und schon geht es weiter: "Da aber strafte Gott meinen Hochmut mit einem Kreuzbandriss." Beide Hände erhoben, folgt die Moral: "Strebet also nicht nach Zahlen und Zeiten. Wer unter uns wird einen Zehner je im Viererschnitt absolvieren?"

 

 

Ich sehe, wie Julia Mund und Augen aufsperrt, und balle die Fäuste. Viererschnitt? Soll das heißen, dass der Wanderprediger da vorne mal 40 Minuten über zehn Kilometer gelaufen ist? Dieser Hochstapler? Aber ja, schaut ihn euch an, wie er Blickkontakt mit seinen Schäfchen sucht, wie er Mitleid erheischt! Eine hoffnungsvolle Sportlerkarriere, die ins Zölibat mündete. Kanzel statt Kunststoffbahn, Talar statt Tight. Trauriger Goliath, von einem David namens Kreuzbandriss in die Knie gezwungen. 40 Minuten! Wer unter uns wird je …? Ich schäume.

Natürlich wird das ein Udo Pönzgen nie schaffen. Niemals! Ich will es auch gar nicht. Sollen sich andere die Kreuzbänder reißen, um am Kreuz zu enden. Mit Arthrose im Knie kannst du keinen Kniefall vor dem Herrn machen.

 

Und deshalb genug der versöhnlichen Andachtsworte. Deine Predigt sei so und nicht anders: Der Gott des Laufens spricht, ich will dich prüfen. Die Prüfung aber wird genau zehntausend Meter lang sein, nicht mehr und nicht weniger. Du sollst durchleiden, was meine Märtyrer durchlitten haben, und fühlen, was sie fühlten. Höre also, Läufer! Du wirst gebraten werden bei lebendigem Leib in sengender Sonne, du wirst ertrinken in den Sturzfluten des Herbstes, du wirst verdorren zwischen den Getränkestellen.

Bluten wirst du aus vielen Körperöffnungen, von den Brustwarzen bis zu den Zehen, du wirst gerempelt im Startgetümmel und getreten, wenn du darniederliegst. Deine Feinde werden dich verhöhnen im Endspurt, und das Volk hinter den Barrieren wird dich bespucken. In deinen Seiten werden Pfeile stecken, deine Zunge ist ein Stück trocken Holz, in deiner Lunge wütet ein Feuer, das Herz wird dir aus der Brust gerissen.

 

Am Ende aber kommt der Mann mit dem Hammer und zertrümmert deinen Brustkorb.

Dann, Läufer, werden die Trompeten des Jüngsten Gerichts erschallen und alle zur Siegerehrung rufen. Nur dich nicht.

Amen.

Zufrieden schaue ich mich um. Der Schönling in Schwarz wünscht allen ein erfülltes Lauferlebnis. Ich schließe mich an. Bin gespannt, ob sich meine Predigt bewahrheitet.

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