Udos Welt

Folge 53: Synchronschwimmen

Tröstlicher Gedanke: Man bleibt nie allein. Auch im Schmerz nicht, in der bittersten Niederlage.

Denn was dem Pönzgen sein Start in Köln ist, ist dem deutschen Marathonprofi die Olympia-Qualifikation. Und schon befinde ich mich in bester Gesellschaft. Verlierer aller Trials, vereinigt euch! Kollege Czierpinski jr. zum Beispiel. Wie frisch der noch wirkte bei seinen Hamburg-Interviews! Kein Wunder, ist ja auch nur zwei Drittel der Distanz gelaufen. Nach dem Motto: Next year, I'll come Beckmann. Wo bleiben die Pollmächers und Fitschens? Lauter Trainingsweltmeister. Gemeinsam sollten wir unsere Laufmemoiren schreiben: "Vorerst gescheitert". Oder hat Guttenberg Kopierschutz für diesen Titel beantragt?

 

 

Ja, so sind wir, wir Männer. Kaum geht es ums Große und Ganze, sackt uns der Pudding in die Krampfadern. Minister Guttenberg ließ sich wenigstens im wilden Afghanistan blicken. Aber auch nur, um den Kerner zu machen.

Gut, dass es da noch unsere Damen gibt. Allen voran natürlich Julia. London oder Köln, egal: Glücklich die Nation, die von einer solchen Läuferin repräsentiert wird! In ihrem Windschatten Micki und Mocki, Hahn und Hahner. Auch eine Art Pärchenwertung. Viel kann da nicht mehr schief gehen an der Themse und sonstwo.

Vielleicht wäre Ruhe am Hindukusch, wenn unsere Armee aus lauter Frauen bestünde? Konditionell spricht alles für eine weibliche Bundeswehr. Olympia ist mehr als Sport, da geht es um Außendarstellung! Um Deutschlands Ansehen in der Welt! Wann haben wir zum letzten Mal die olympische Nationenwertung gewonnen? 1936, in Berlin. Danach nur noch Niederlagen, von Monte Cassino bis Stalingrad. Und alle gehen sie auf das Konto von uns Männern.

Möglicherweise besser so.

 

Okay, irgendwie habe ich mich verzettelt bei meiner Argumentation. Wollte doch bloß das kollektive Versagen der deutschen Sportelite ins Allgemeine heben. Der deutschen Sportelite in Person von Udo Pönzgen. Stark im Kopf, schwach in den Beinen. Das Problem einer ganzen Nation.

Was aber tun, wenn das Land darniederliegt? Ich frage die Fachwelt um Rat: Ihre Empfehlung für Fitschen & Co., Herr Berschinski?

"Die Sportart wechseln", erklärt Arno ultimativ. "Synchronschwimmen, höchstens."

"Ich könnte jemanden im Haushalt gebrauchen", meint der alte Schmitz. "Der mir den Einkaufskorb in den zweiten Stock trägt."

"Aber der ist doch so süß, der Jan!", ruft Moni wimpernklimpernd.

 

Und ich?, bohre ich weiter. Was rät man mir, Udo Pönzgen?

"Du bist auch süß", haucht Moni.

Der alte Schmitz winkt ab. "Bis in den zweiten Stock schaffst du es doch gar nicht, Udo."

 

Arno schweigt. Furchtsam blicke ich ihn an. Legt er mir ebenfalls nahe, die Sportart zu wechseln?

"Das hättest du wohl gern", knurrt er. "Aber so leicht mache ich es dir nicht. Morgen früh wird weitertrainiert."

Arno Berschinski scheint mit prophetischen Gaben ausgestattet. Kaum sind wir am nächsten Tag vom Training zurück, als uns Andreas abfängt. Ein Bein steif wie das eines Weltkriegsteilnehmers.

"Kannst du für mich in Köln laufen, Udo?", fragt er heiser. In seinen Augen schimmert es.

"Wie, für dich? In Köln? Warum?"

Er zeigt auf sein Knie. "Sportverbot. Vier Wochen Minimum. Der Arzt meint, sonst könnte es chronisch werden."

"Und da soll ich …? Du meinst: statt deiner?"

 

Er nickt.

Jetzt bloß keinen Herzinfarkt kriegen! Ich stehe kurz vorm Hyperventilieren. "Aber was sagt Julia dazu?"

"Na, was wohl?", antwortet er kläglich. "Sie hofft inständig, dass du mitmachst."

Mir wird schwindlig. Deutschland ist gerettet! Olympia kann kommen, und ich bin dabei. Die Pärchenwertung. Chronischer Knieschaden. Alles Glück dieser Erde!

"Dann", höre ich Arno sagen, "drehen wir noch eine Runde. Kehrt marsch, du Synchronschwimmer!"

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