Udos Welt

Folge 47: Die Kraft der Gedanken

Überflüssige Pfunde lassen sich durch die Kraft der Gedanken beseitigen, sagt mein Laufkumpel Arno. Wegschmelzen lassen die sich, abkochen wie nix. Kein Problem.

Er selbst ist der beste Beweis. So heimtückisch spitz, wie seine Hüftknochen aus dem Funktionsgewebe ragen, bräuchte er eigentlich einen Waffenschein. Wenn ich mir Arnos Gedanken vorstelle, dann als mobile Feuerwerfer. Oder noch besser: als Riesenstaubsauger, die den Bauchspeck durch den Rumpf einfach ins Hirn schlurzen. Kurz die Denkmaschine angeworfen, und schon erkennt dich deine Waage nicht wieder. So macht es Arno. Behauptet er zumindest.

 

 

Bei mir funktioniert das nicht. Dabei habe ich den denkintensivsten Beruf, den man sich vorstellen kann. Udo, der Philosoph. Welche Immobilie verkauft sich schon von selbst? Erst recht bei uns, auf dem Land. Da muss einer dahinter stehen, der aus einer Bruchbude einen Palast macht und aus einem Kuhstall ein Renditeschnittchen. Die Kraft der Gedanken, genau. Ich sauge sie euch ab, eure überflüssigen Euro, die ihr mit euch tragt wie Buckel, Wampe und Doppelkinn. Udo macht euch fit für den Marathon des Lebens, er hat den Trainingsplan gegen Inflation und Altersarmut: mit schlankem Girokonto zum fetten Eigenheim.

Und deshalb raucht mein Kopf, jeden Tag. Was ich allein durchs Denken an Kalorien verliere! Meinem Gewicht ist das egal, es steht unverrückbar bei 105 Kilo. Doppelzentner mit Zusatzzahl. 210 Pfund, jedes einzelne davon hart erarbeitet. Und dabei bleibt es, ganz gleich, wie viel ich trainiere. So allmählich packt mich die Angst. Wie soll ich da die Trials gegen Andreas gewinnen?

 

 

Letztes Wochenende machte ich die Probe aufs Exempel und versuchte einen geschlagenen Tag lang überhaupt nichts zu denken. Das war vielleicht anstrengend! Obwohl ich nur im Bett lag. Und das Ergebnis? Nichts! Krisenfeste 210 Pfund. Verdammt, was mache ich nur falsch? Arno, hilf! Ich brauche einen Abnehmensberater!

Kein Problem, meint Arno in solchen Fällen. Dann solle ich meinen Bauch eben behalten. Das Thema Gewichtsreduzierung werde ohnehin überschätzt. Sei nicht Rob de Castella, der legendäre Australier, Anfang der Achtziger Weltrekord über Marathon gelaufen? Eine 2:08. Mit 72 Kilogramm, die fette Sau!

 

 

Ich wiege auch 72 Kilo. Ungefähr vom dritten Rippenbogen bis zur Fußsohle. Könnte ich den Rest abschrauben und bei der Taschenaufbewahrung deponieren, würde ich ebenfalls Marathon-Weltrekord laufen. Für die Startnummer wäre ja noch Platz genug. Warum gibt es bei Volksläufen keine Gewichtsklassen? Altersklassen, so ein Schwachsinn! Arno ist fast ein Vierteljahrhundert älter als ich, läuft aber doppelt so schnell. Gegen den Sieger des 1. Wilsdorfer Volkscross habe ich heute noch keine Chance, dabei geht der Kerl auf die Achtzig zu. Ich fordere eine Sonderwertung für laufende Tonnen! Sieger im Superschwergewicht über 10 km wurde Udo Pönzgen aus Wilsdorf! Beim Gang zur Startlinie erfolgt automatisches Wiegen, anschließend die Klasseneinteilung. Nee, du Spargeltarzan, mit deinen lächerlichen 99 Kilo hast du in unserer Gewichtsklasse nichts zu suchen! Die Pokale der heutigen Veranstaltung wurden gesponsert von Miss Molly, Ihrer Spezialistin für Übergrößen. Per Videokonferenz live zugeschaltet: der alte Rob de Castella, Spitzname Schwambo, der seinen australischen Schwabbelhintern in einen Rollstuhl XXL gepresst hat und seine Nachfolger mit feister Hand grüßt.

Das sind Probleme! Von denen ein Andreas natürlich nichts weiß.

Wie bitte? Was höre ich da aus der LaufReport-Zentrale? Es gibt einen Lauf mit separater Gewichtswertung? Drunten im wilden Süden, irgendwo bei Karlsruhe, berechnen sie dir die Laufzeit pro Kilogramm - und da gewinnt keiner der Profis, sondern einer von den Jungs, für die sie den Zielkanal verbreitern müssen.

Ich überlege ernsthaft umzusiedeln.

 

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