Udos Welt

Zugegeben, etwas enttäuschend fanden wir es schon, aber hatten wir von Udo etwas anderes erwartet? Stolz wie Udo (hieß der nicht Oskar?) präsentierte uns Udo Pönzgen seinen neuen Auftrittsort:
Bin jetzt bei Fatzebog, und zwar HIER

Folge 40: Cross

Die Sonne scheint. Der Immobilienmarkt boomt. Meine Form ist gut wie nie. Eigentlich sollte ich bester Laune sein.

Stattdessen schleiche ich ums Telefon wie ein Löwe um sein Mittagessen und grummele. Hadere. Knurre und fauche, ebenfalls löwenmäßig. Eine scheiß Laune habe ich!

 

Was will Julia bloß mit Andreas bei den Crossmeisterschaften? Zusammen im Schlamm suhlen? Sich gegenseitig die Dreckspritzer aus dem Gesicht kratzen? "Wir haben da was vor, wir zwei …" Am liebsten würde ich ihr mal ordentlich auf die Mailbox wulffen!

Aber das brauche ich nicht, denn ich erreiche sie persönlich.

"Hallo, Julia", flöte ich. "Na, alles klar?"

"Ja, schon. Was gibt's denn?"

"Nix Bestimmtes. Wollte nur mal … Ach, da fällt mir ein: Nimmst du jetzt eigentlich an den Crossmeisterschaften teil?"

"Hatte ich vor, ja. Spricht trainingstechnisch was dagegen?"

"Ach, was! Andreas auch?"

 

"Ja. Er meint, Cross ist das Wichtigste überhaupt. Macht schnell und zäh."

"Haha!", platzt es aus mir heraus.

"Was?"

"Ha-, ha-, hat er das gesagt? Na, das stimmt natürlich. Cross macht superhart, frag die Kenianer. Die laufen ja sozusagen den ganzen Tag Cross da unten."

"Weißt du, Andreas und ich haben miteinander gewettet: wer von uns es aufs Podium schafft. Wird schwer genug, sind ja Landesmeisterschaften."

"Reizend", gurre ich. Man wettet also schon miteinander. Was für eine Läuferschnulze! Hätte ich diesem Andreas doch niemals das Häuschen in Wilsdorf angedreht! Aber wenn ich es ihm abfackele, kauft er sich von der Versicherungssumme ein neues in Schümmerich. Noch näher an Julia.

 

"Okay, dann", sage ich und drücke den Aus-Knopf. Mein Daumen hat kaum die Taste berührt, als ich auch schon losbrülle, dass ein Bild von der Wand fällt. Die Ansicht von Schümmerich, ausgerechnet. Aber wenn schon Löwe, dann richtig. Meine Mähne schüttelnd, drehe ich ein paar Runden im Zimmer. Wer mir jetzt blöd kommt, den verspeise ich mit Haut und Haaren. Ehrlich!

Halt! Reiß dich zusammen, Udo. Du bist schließlich Philosoph. Die Wut ist da, nicht zu leugnen. Also wandle sie um in positive Energie! In Laufenergie, was denn sonst. Ich stürme ins Schlafzimmer, reiße die erstbesten Laufklamotten aus dem Schrank, greife nach meinen Schuhen und renne ins Freie. Kurze Hosen, keine Handschuhe - egal. Wohin jetzt? In welcher Disziplin soll ich mal eben einen Weltrekord aufstellen?

"Cross", kommt es mir wie von selbst über die Lippen. Natürlich! Was die Kenianer können, kann Löwe Udo schon lange. Wo liegt Schümmerich? Ich kneife die Augen zusammen, blinzle in die Sonne und strecke den rechten Arm aus. Hier lang! Und keinen Meter zur Seite weichen! In zehn Minuten müsste ich das Kaff gestürmt haben.

 

Mein Weg führt mich schnurgerade über das Grundstück des alten Schmitz. Cross halt. Ich hüpfe über den Zaun, schwebe durch seinen Vorgarten, ziehe eine Diagonale über seine Erdbeerpflänzchen. Da kann der alte Schmitz noch von Glück sagen, dass mir seine Bruchbude nicht im Weg stand. Hinten wieder über den Zaun gestraddelt, und dann ab ins Unterholz. Immer geradeaus. Pech für die junge Birke, die nicht ausweichen will. Keine Chance gegen 105 Kilo, das Bäumchen. Kniehohe Fichten, Haselnusssträucher, Brombeerranken, Rhododendron - weg mit euch! Hier kommen zwei Kenianer auf einmal.

 

Okay, dieses Trumm von Eiche darf an seinem Platz bleiben. Ich muss meine Richtung ohnehin leicht korrigieren. Dann ein kleiner Tümpel, direkt vor mir. Du zögerst, Udo? Ist das jetzt Cross oder nicht? Patsch, patsch, patsch, geht es durch das eiskalte Brackwasser. Und dahinter?

Dahinter hat jemand den Wilsdorfer Forst zu einem Wall aufgetürmt. 20 Meter geht es steil nach oben. Gestern war hier noch alles flach! Im ersten Moment verdächtige ich Andreas, aber bis der Schönling auch nur einen Spargelhügel aufgeschüttet hat, ist die Crosssaison vorüber.

Ich erinnere mich an mein neues Wappentier, den Löwen, und nehme raubtiermäßig Anlauf. Die Geschwindigkeit könnt ihr mir rauben, nicht aber die Motivation! Die Hälfte der Wand ist geschafft, als ich ins Rutschen komme. Noch mal Schwung holen und wieder zurückgleiten. Auf allen Vieren schaffe ich es schließlich. Gut, dass ich keine langen Sachen trage. Die bekäme ich nie wieder sauber. Das rechte Bein schimmert kenianisch braun, am linken kleben Federn einer verrotteten Taube, in die ich versehentlich getreten sein muss. In beiden Schuhen schmatzt Wasser.

Na und? Das ist Cross, Leute!

Eine halbe Stunde, drei Erdgräben und sieben Schlammlöcher später stehe ich schnaufend im Wald und kratze mich im Nacken. Entweder ist Schümmerich umgesiedelt worden - oder ich habe die Orientierung verloren. Ich bin doch haargenau geradeaus gelaufen!

 

Da hinten sehe ich etwas Helles. Nur mal kurz schauen, worum es sich da handelt. Ich trete aus dem Wald heraus und stehe vor einem Zaun. Aber das ist doch … Richtig, der Zaun des alten Schmitz! Ich bin wieder in Wilsdorf. Irgendjemand muss während meines Trainings die Dörfer rund um den Wald einmal durchgeschüttelt haben. Egal, ich bin sowieso fertig. Trotte nach Hause, klopfe die Schuhe aus und gönne mir eine heiße Dusche.

Der Anrufbeantworter blinkt. Die Tochter vom alten Schmitz hat mir aufs Telefon gewulfft: was mir einfalle, die Erdbeeren ihres Vater so zu zertrampeln?

Es wird noch lange dauern, bis auch der Letzte kapiert hat, was Cross ist.

© copyright
Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse im IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.