Udos Welt

Zugegeben, etwas enttäuschend fanden wir es schon, aber hatten wir von Udo etwas anderes erwartet? Stolz wie Udo (hieß der nicht Oskar?) präsentierte uns Udo Pönzgen seinen neuen Auftrittsort:
Bin jetzt bei Fatzebog, und zwar HIER

Folge 39: Der Läuferflüsterer

 

Dieser Winter macht mich noch ganz kirre. Plötzlich Nachtfrost! Und ich habe meinen Damen doch ein Extra-Udo-Spezial-Geheimtraining versprochen, sobald die Aschenbahn von Oberstolzenbach kräftig durchgefroren ist. Und das ist sie jetzt: hart wie Asphalt. Auf der kann man gar nicht langsam laufen!

Okay, da muss ich jetzt durch. Krame all mein läuferisches Halbwissen zusammen und entwerfe einen Schlachtplan. Zehn Minuten brauche ich mit dem Auto bis zum Sportplatz, und in diesen zehn Minuten warte ich auf eine zündende Idee. Intervalle? 5 x 1000m? Intervalle sind out, sagt Arno. Eine Pyramide? 400m, 600, 800, 1000 und zurück? Vielleicht. Aber wie schnell fängt man an, wie stark lässt man nach, wie lang sind die Pausen? Ganz schön kompliziert. Außerdem erwarten die Mädels mehr. Etwas Besonderes. Ein Fitnessprogramm, das dir keine Kasse der Welt bezahlt.

Krankenkasse? Mir kommt mein letzter Gesundheitscheck in den Sinn, ist schon einige Jahre her. Der Belastungstest auf dem Ergometer, wie war das noch? Alle zwei Minuten steigern? Na also, da haben wir es ja!

 

Nach dem Warmlaufen zitiere ich Julia und Moni zur Startlinie. "Eine Runde supergemütlich, ihr beiden. Zweite Runde gemütlich. Dritte Runde fast gemütlich. Und so weiter. Immer ein bisschen schneller werden." Ich reibe mir die Hände. "Nach 20 Runden oder so entscheiden wir, wie es weiter geht."

Allgemeines Staunen. Im Hintergrund zieht Arno die Brauen zusammen, um sie gleich wieder nach oben schnellen zu lassen. Auch eine Art von Intervalltraining.

"Jede Runde schneller?", knurrt er. "Hab ich noch nie was von gehört."

"Spezial und geheim", sage ich. "Bitte nicht weitertratschen. Hab ich sozusagen das Patent drauf."

Und los geht es. Plaudernd scharwenzeln die Damen einmal um den Platz. Mehr als zwei Minuten für 400 Meter!

"Bisschen fixer, bitteschön", brülle ich. "Wir sind ja nicht beim Kaffeekränzchen!"

 

Runde zwei sieht schon fast nach Laufen aus. Vor Schreck haben sie gleich fünf Sekunden zugelegt.

"Und immer entspannt bleiben!"

Runde drei: keine Wortmeldung mehr von der Bahn. Moni bleibt brav hinter ihrer Freundin. Runde vier, fünf, sechs: So allmählich müsste die Muskulatur warm sein. Fast beneide ich sie, denn ich fange an zu frieren. In Runde sieben ist die Beschleunigung nur noch minimal.

Ich ziehe das enttäuschteste Gesicht, zu dem ich fähig bin. "Also, wegen mir können wir auch abbrechen …"

Sofort geht ein Ruck durch die beiden. Runde acht wird wieder drei Sekunden fixer absolviert. Moni hält den Kopf schief und zieht die Schultern nach oben. Arno trabt im Innenraum auf gleicher Höhe mit, als sei ihm die Sache nicht geheuer.

"Gleich haben wir zehn Runden", rufe ich. "Die Hälfte!"

 

Dass ich dazu mit den Augen zwinkere, scheint Julia nicht zu registrieren. Sie zieht jetzt dieselbe Steinbeißergrimasse wie damals, als wir Kreismeister wurden. Moni hängt schon fünf Meter zurück und versucht ihre Gliedmaßen zu ordnen. Nach elf Runden torkelt sie von der Bahn und plumpst in die Weitsprunggrube. Julia pflügt weiter. Unaufhaltsam nähert sie sich einem Viererschnitt. Der Schallgrenze!

"Letzte Runde!" Ich fuchtele mit beiden Armen. Julia reagiert nicht. Tunnelblick. Arno fuchtelt ebenfalls. Umsonst.

"Das reicht!", ruft er mir zu. "Die kippt gleich um!"

"Julia kippt nicht." Aber jetzt mache ich mir auch Sorgen. "Stopp! 13 sind mehr als genug."

Pustekuchen. Julia hat sich in einen Roboter verwandelt, der sich von Runden ernährt. Sie läuft und läuft.

"Aus!", rufe ich. "Basta! Finito!" Roboter verstehen kein Italienisch.

"Time out!", sekundiert Arno. "Game over, Mädchen!" Sogar Moni wirft eine Handvoll Sand aus ihrer Grube, um Julia zu bremsen.

 

Nichts.

So wie ich muss sich Goethes Zauberlehrling gefühlt haben, als sich sein Besen selbständig machte. Julia ist außer Kontrolle geraten, ein führungsloser Satellit auf seiner 400m-Umlaufbahn, der immer schneller wird. 14 Runden. Oder schon 15? Ich habe vergessen auf die Uhr zu schauen. Julias Oberkörper kippt leicht nach vorne, ihr Mund steht offen, ihre Füße trommeln auf die Aschenbahn. Sie will es uns beweisen. Jetzt oder nie. Es gibt nur eine Möglichkeit sie zu stoppen. Diese Möglichkeit wiegt 105 Kilo und hört auf den Namen Udo Pönzgen.

Ob sie es mir übel nehmen wird?

 

Schweren Herzens mache ich einen Schritt auf die Bahn und breite die Arme aus. Vom Ende der Zielgeraden nähert sich meine Traumfrau. Die Laufmaschine. Da gibt es kein Wackeln, kein Zögern oder Schwanken. Entweder wird sie vom Blitz getroffen zusammenbrechen oder mit voller Wucht in meine Arme laufen. Ich halte den Atem an. Noch 50 Meter. Ich schließe die Augen.

Als ich sie wieder öffne, steht Julia schwer atmend vor mir und stemmt die Fäuste in die Seiten.

"Wäre doch Quatsch", keucht sie, "sich vor den Crossmeisterschaften so kaputt zu machen. Stimmt's, Andreas?"

 

Ich lasse die Arme sinken und drehe mich um. Tatsächlich, da steht Andreas, der Schönling. Was will denn der hier?

"Aber hallo", nickt der Kerl. "Da haben wir schließlich was vor."

So, habt ihr das? Und warum weiß ich nichts davon? Bin ich euer Trainer oder nicht? Eben noch Läuferflüsterer - und jetzt? Du musst dich schon entscheiden, Julia!

"Gehen wir einen trinken", sage ich finster. "So viel Bier wie möglich. Und jedes ein paar Sekunden schneller als das vorige!"

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