Udos Welt

Folge 37: Das wahre Leben im erfundenen

Man kann schreiben, was man will, die Leser sind immer einen Tick schlauer. Einer von den ganz Schlauen beschwerte sich kürzlich bei der LaufReport-Redaktion, von einem Ort namens Wilsdorf habe er noch nie gehört. Kreismeisterin Julia Opdenhoven tauche auf keiner Ergebnisliste auf, und einen Arno Berschinski aus Oberstolzenbach finde nicht einmal Google, der Gott der Informationsfetischisten.

Na, toll. Am Ende behauptet der Kerl auch noch, ich, Udo Pönzgen, sei bloß eine Erfindung!

Dabei liegt es doch auf der Hand, dass der wahre Name von Wilsdorf nicht Wilsdorf ist. Mein Großcousin, der natürlich auch nicht Ludger heißt, spränge mir ins Gesicht, würde er sich wiedererkennen! Und bevor ich die Identität von Julia preisgebe, müsst ihr mich foltern. Mindestens! Ich sehe sie schon nach Wilsdorf - pardon: "Wilsdorf" - pilgern, die Notgeilen und Berufsabschlepper. Nur um meine Herzensdame mal aus der Nähe zu begaffen! Oder, noch schlimmer: sie zu einer kleinen Joggingrunde im Viererschnitt einzuladen. Kein Bedarf.

Deshalb, Leute: Sucht nicht nach Wilsdorf, Schümmerich oder Krottwinkel. Es gibt sie, aber unter anderer Bezeichnung. Und wenn ihr einen 105-Kilo-Koloss an euch vorbeikeuchen seht, nennt ihn bitte nicht Udo! Könnte ja ich sein - und ich heiße nicht Udo.

Nicht ganz jedenfalls.

Nur Moni heißt auch im wahren Leben Moni. Es gibt solche Menschen, bei denen kein anderer Name passt. Muss mit ihrer spezifischen Schreckschraubenexistenz zusammenhängen. Stellt euch nur mal vor, ich hätte aus Moni eine Clara gemacht. Oder Aphrodite. Dann würde sich doch jeder Leser an den Kopf greifen und sagen: Warum nimmt er nicht die, der Idiot? Scheint ja ein Superweib zu sein!

Und ausgerechnet Moni mit den falschen Wimpern wäre mir fast auf die Schliche gekommen. Diese Frau liest sich durch jeden Käse, solange er im Netz steht. Ich stelle es mir so vor: Erst facebooked sie eine halbe Stunde, dann kommen die Schminktipps auf brigitte.de, nebenbei ein bisschen chatten und eher aus Zufall ein paar Zeilen auf LaufReport wegsaugen.

"Du, Udoschätzchen", kommt sie gleich angetänzelt, "im Internet hab ich von einem Läufer gelesen, der ist fast so füllig wie du!" Und kneift mir dabei keck in die Hüften.

In diesem Moment hätte ich sie … nein, ich sage lieber nicht, was ich mit ihr hätte anstellen können. Sind ja zarte Gemüter unter uns. Ich meine, erst spioniert das Weib mir hinterher, und dann behauptet sie auch noch, der Netz-Udo sei gerade mal fast - ich wiederhole: FAST - so füllig wie ich, der wahre Udo. Also weniger füllig. Dabei bin ich in Wahrheit schlanker als mein LaufReport-Ego! Nicht viel, ein halbes Kilo vielleicht, aber an den entscheidenden Stellen. Die reale Julia findet mich absolut ansehnlich und überhaupt nicht unförmig. Hat sie mal gesagt! In FAST nüchternem Zustand.

Jedenfalls ist es eine Frechheit von Moni, mich gegenüber dem Pseudo-Udo so herabzusetzen. Und es geht ja noch weiter! "Stell dir vor", kichert sie, "der kennt auch eine, die heißt genau wie ich." "Ach?" "Ja. Und die läuft meine Zeiten." Ich schlucke. Ahnt sie etwas? Sagt sie mir gleich auf den Kopf zu …?

Aber nein. Um überhaupt irgendetwas zu ahnen, ist Moni viel zu beschränkt. Die eine wie die andere.

"Du, die kommt unheimlich sympathisch rüber", fährt sie fort. "Nur der Autor der Kolumne kapiert das irgendwie nicht."

"Verstehe."

"Der denkt ja auch nur an den Volkscross bei sich in Wilmersdorf."

"Wilsdorf."

"Genau, Wilsdorf." Sie stutzt. "Kennst du die Kolumne?" "Nee", sage ich hastig. "Natürlich nicht. Bloß gibt es ja kein Wilmersdorf in Deutschland, deshalb dachte ich, du sprichst von Wilsdorf." "Ach so, klar." Glück gehabt, Moni schluckt einfach alles! Sie meint dann noch, was der Typ da von sich gebe, sei latent frauenfeindlich und politisch gar nicht korrekt, schon wegen der vielen armen Menschen, die für ihr Dicksein nichts könnten, und von sich eingenommen sei der Schreiber sowieso.

"Warum liest du den Quatsch dann überhaupt?", grolle ich.

"Wegen der Trainingstipps." Das haut mich schier aus den Socken. "Wegen was?" "Da stehen eine Menge Erfahrungsbericht drin, zum Tapering, zur Ernährung, das gefällt mir. Vor allem, wie du im Kopf Rennen gewinnst. Solltest du auch mal lesen, Udo."

"Mache ich, Moni", antworte ich, mit Extrabetonung auf ihrem Namen. Ja, ich werde auf die Suche gehen, wo in meinen Aufzeichnungen sich die Trainingstipps verstecken. Am Ende hat Moni zum ersten Mal in ihrem Leben recht!

"Apropos", fügt sie noch an, "du wolltest uns doch trainieren, Udo. Mich und Julia. Sollten wir nicht mal loslegen?"

"Logisch, immer", druckse ich. "Von mir aus. Blöd, dass meine guten Zeiten so lange her sind."

Sie klimpert mit ihren Plastikwischern. "Du wirst dich schon erinnern, Dickerchen. Falls nicht, schlägst du einfach in ‚Udos Welt' nach. Ganz einfach!

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