Udos Welt

Folge 26: Dramen

Ja, der Volkscross. Schauplatz kleiner und großer Dramen. Sportlicher Dramen? Auch. Aber nicht nur.

Seit dem Lauf werde ich von einem Jungspund aus Gummersbach terrorisiert. Mails, Anrufe, sogar eine Postkarte! Dabei geht es bloß um einen Zettel, auf dem Zettel steht eine Telefonnummer, und die Nummer gehört einer Frau.

"Aber was für einer Frau!", stöhnt es durch den Hörer. "Herr Pönzgen, ich sach Ihnen!"

"Udo."

 

"Udo, ich sach Ihnen! Die allein war die Fahrt nach Wilsdorf wert. Ist sie Ihnen nicht aufgefallen?"

"Beim Lauf waren zwei Frauen, soweit ich mich erinnere. Oder drei. Außerdem kannst du mich duzen."

"Aber nicht so eine! Und jetzt habe ich ihre Adresse verloren. Mit ihrem Namen. Wirklich, ich könnte mich … Haben Sie den Zettel nicht gefunden?"

 

So geht es seit Tagen. Über Gummersbach muss unlängst ein Testosterongewitter niedergegangen sein. Blitzeinschläge in die Lendengegend, ganztägig. Ich meine, ist das normal? Wenn es diese Supermutti tatsächlich gab, verschlampt man doch nicht ihre Adresse! Erst dachte ich, der Junge spreche von Julia, aber die verkrümelte sich ja noch während des Laufs.

Kurzer Blick auf die Ergebnisliste. Fast 40 Minuten hatte der Held gebraucht. Mit den Gummersbachern kann man auch keinen Staat mehr machen.

Ein Einzelfall? Von wegen. Montagmorgen, eine Mail mit Riesenanhang blockiert mein Postfach. Läuferin Soundso spendet gnädig Lob. Aber vergiftet, man hat schließlich Doktortitel: "In Anbetracht der Umstände … durchaus gelungen." Und dann kommt's: Unser Wasser sei nicht in Ordnung gewesen! Unangenehmer Kalkgeschmack, die Schwebeteilchen fast auf der Zunge spürbar sowie ein Hauch von Gülle im Abgang. Note: mangelhaft. Siehe beigefügte Dokumente zur Wasserqualität bzw. Nichtqualität in den ländlichen Regionen des Rheinlands.

Schade, dass man Mails nicht zusammenknüllen und gegen die Wand pfeffern kann! Ich erinnere mich gut an die Schickse und ihr knochiges Akademikergrinsen bei der Siegerehrung: ein Hauch von Arroganz im Abgang! Nie wieder kriegt die einen Startplatz in Wilsdorf.

 

Das Duschgel dagegen: ein Volltreffer. Überglücklich schreibt mir der Gewinner der M 60, endlich habe er ein Geschenk für seine Frau. Hochzeitstag! Sogar Luca, unser Volkscross-Triumphator, zog nach dem Lauf zufrieden ab, obwohl er nicht den Eindruck machte, dass Duschen zu seinen Hauptbeschäftigungen gehört.

Apropos: Ludger schwebt immer noch auf Wolken. Sein Sohn ein Sportler! Auch wenn Luca nur Leihsohn ist. Um die nächsten zehn Austragungen des Laufes bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen. Quasi schon genehmigt. Der steckt so voller körpereigener Drogen, mein Großcousin, dass er bei der Dopingkontrolle glatt durchfiele.

"Haben Sie den Zettel gefunden, Herr Pönzgen? Fragen Sie doch mal die Putzfrauen. Ehrlich, ich muss diese Frau wiedersehen!"

Du meine Güte, was für Hormone durchs Laufen freigesetzt werden! Gewisse Menschen sollten lieber Schach spielen. Am besten im Dunkeln.

 

Kollege Carlo aus dem Sauerland stand nicht auf der Ergebnisliste. Seine Achillessehne scheint die Anreise nicht überlebt zu haben. Zu viel Gaspedal oder so. Dafür hatten Arnos Polizistenkumpel aus dem Thüringischen das Ziel Brust an Brust erreicht, und zwar in respektablen Zeiten. Alle drei jenseits der Fünfzig, aber ein deutlicher Erfolg im Teamwettbewerb.

"Wir komm'n wieder", versprachen sie, brav händeschüttelnd. "Ährnsache! Aber dann mehr Gongurränz, wenn wa bitten därfen."

"Wird erledigt", nickte Arno feierlich. Sie könnten sich auf was gefasst machen. Ab heute werde trainiert bis zum Erbrechen. Dass er dabei in meine Richtung zeigte, passte mir gar nicht.

Okay, war's das? Fast.

"Ich hab ihn gefunden!", jubelt es durchs Telefon. "Den verdammten Zettel! Lag zusammengefaltet in meinem Kulturbeutel und muckst sich nicht, der Kerl. Total zugesaut mit Minzdeo, das ausgelaufen ist, aber die Adresse kann man lesen. Danke, Herr Pönzgen, vielen, vielen Dank!"

 

"Wofür?", wehre ich ab. "Komm einfach nächstes Jahr wieder und bring deine Hübsche mit."

Was er natürlich verspricht. Hoch und heilig. Schon überlege ich, diese rührende Lovestory werbetechnisch auszuschlachten. Ein Volkscross-Trailer auf Youtube: Wie ich meiner großen Liebe begegnete. Im schönen Wilsdorf! 2012 könnte man auch eine Pärchenwertung einführen.

Aber die gewinnt dann nicht er!

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